Funus Tiberiae Claudiae

  • Am frühen Nachmittag hatten sich bereits ein paar Schaulustige auf dem Forum angesammelt. Iuppiter hatte offensichtlich keine besonders gute Laune, denn der Himmel war ein wenig bewölkt für die Jahreszeit, wenn auch nicht in dem Maße, dass man davon ausgehen musste, dass es jederzeit losgehen würde.


    Es schien nicht ganz so geschäftig zu sein, wie sonst auf dem Forum, denn für heute war die Pompa Funebris der Tiberia Claudia angesagt...

  • Auch Marcus war unter den Schaulustigen. Er hatte vom Tod der Tiberierin gehört. Es war vielleicht nicht unklug, sich das Spektakel anzusehen. Bisher tat sich noch nichts und die Menschen waren in geschäftiges Geplapper verfallen. Marcus wartete geduldig ab und ließ hier und dort seine Augen und Ohren hinschweifen, um auch ja nichts zu verpassen.

  • Zuerst waren nur die Klänge der cornicen und siticines, die eine langsame, getragene Melodie spielten. Einige Zeit später wurde dieses Geräusch um das lauter werdende Klagen der praeficae ergänzt.
    Und dann tauchte die pompa auf:
    Angeführt von Jakobus in seinem schwarzen Gewand, das mit Goldstickereien verziert war, flankiert von zwei Liktoren - ebenfalls in schwarz. Ihnen folgte die Blaskapelle, deren Instrumente irgendwie mangels Sonnenschein matt wirkten. Darauf erschienen Frauen mit zerzaustem Haar, grauer, grober Kleidung und verweinten Augen - es waren wohl mit die besten Klageweiber Roms, die hier ihr Bestes gaben.


    "Oh, ihr Götter! Warum habt ihr sie von uns genommen?" - "Seht ihren trauernden Bruder, ihre trübseligen Verwandten! Warum müssen sie klagen?" - "Ihr Ahnen, nehmt sie auf in eure Reihen!" - "Lägen wir doch an ihrer Stelle!"


    Diese und andere Klagerufe wurden untermalt von lautem Schluchzen, Weinen und dem sich-auf-die-Brust-Schlagen der Klageweiber.


    Es folgte die Archimima, die die Verstorbene darstellen durfte. Die blonde Frau war in ein edles Gewand mit dem latus clavus gehüllt, trug zusätzlich den Filzhut der Flamines. An ihrem Gürtel hing das secespita, das Opfermesser, das nur einem Pontifex zustand. Ihr Gang und Gesten ahmten die der Verstorbenen nach. Hinter der Archimima gingen jeweils zu zweit nebeneinander dunkelhaarige Männer in der toga praetexta. Sie trugen jeweils die Wachsmaske eines Ahnen der Tiberier, der als Praetor gedient hatte, weshalb jedem von ihnen zehn Liktoren vorausgingen und ein Diener mit dem sella curulis folgte. Nach den Praetoren folgten die verstorbenen Aediles der Tiberier, diesmal ohne Liktoren. Als letzter ging auch ein Mann mit Bart. Er trug die Wachsmaske von Tiberius Maximus, dem letzten großen Ahnen der Familie.
    Nun endlich kam das feretrum, das Leichenbett, der Tiberia Claudia. Die Verstorbene war in ein kostbares golden schimmerndes Gewand gehüllt. Ihre blasse Haut war geschminkt und ihr Haar sorgfältig gekämmt und zurechtgelegt worden. So lag sie, als würde sie schlafen, auf dem goldenen, mit Purpur bezogenen Totenbett, das von keinem geringeren als den Senatoren Tiberius Vitamalacus, Tiberius Durus und Flavius Furianus, sowie Tiberius Flaccus, Tiberius Iuvenalis und Tiberius Antoninus getragen wurde.
    Der Leiche folgten weitere Tiberier in Trauerkleidung, sowie die vertrautesten Sklaven der Toten.
    Erst dann folgte eine Schar von Klienten der Tiberier, gemeinsam mit Schaulustigen und Männern, die auf ein wenig kostenloses Brot zur Feier des Tages hofften.
    Dieser lange Zug bewegte sich direkt auf die Rostra zu, einige weitere schwarze Liktoren begannen, den Platz direkt vor der Rednertribüne für die Maiores freizuräumen.

  • Nun traten die Diener der Maiores hervor und stellten die curulischen Stühle direkt vor die Rostra. Die Maskenhalter nahmen Platz, umringt von ihren Liktoren.
    Direkt vor der Tribüne platzierten sich die noch immer spielenden Musikanten und lockten immer weitere Menschen an.
    Die Klagefrauen hingegen blieben im Hintergrund, ebenso wie die zahlreichen Schaulustigen. Im Vorbeigehen flüsterte Jakobus seinem Herren noch eine Nachricht zu:


    "Das feretrum direkt vor die Rostra!"


    Dann verschwand er auch schon, um mit Hilfe seiner Liktoren Ordnung bei den Zuschauern aufrecht zu erhalten.

  • Durus kam der Rostra immer näher. Langsam war die Tragestange ein wenig unangenehm - nicht wegen des großen Gewichtes, sondern schlichtweg aufgrund der Härte des Holzes. Er war etwas dankbar, dass Jakobus ihn anwies, denn er konnte sich kaum an das letzte öffentliche Begräbnis erinnern, dem er beigewohnt hatte.
    So lenkte er das Totenbett zwischen den Maskenträgern hindurch vor die Rostra und gab Zeichen, abzusetzen. Langsam und vorsichtig stellten sie das feretrum parallel zu der Rednertribüne, die Quintus gleich besteigen würde.


    Durus gab seinen Verwandten Zeichen, sich hinter die Maiores zu begeben und ging mit gutem Beispiel voran.

  • Wie er es versprochen hatte, so war auch der Praetor anwesend und trug das Totenbett zusammen mit seinem Freund Durus und seinem beinahe-Schwager Vitamalacus. Die anderen Männer kannte er nicht oder erkannte sie schlichtweg aufgrund der Verfassung, in der er war, nicht.
    Auch er hatte ein schwarzes Trauergewand und einzig die vielen Liktoren an seiner Seite unterschieden ihn von den anderen.


    Auch er stellte die Totenbarre ab und blickte auf die Rostra, die ein Hort der Politik war, manchmal jedoch auch traurigeren Zwecken diente.

  • Für mich war es überhaupt das erste offizielle Begräbnis in meinem Leben !
    So konnte ich nur durch genaue Beobachtung der anderen Teilnehmer lernen was augenblicklich zu tun war.
    Nachdem wir das Totenbett abgestellt hatten, folgte ich also Durus Zeichen in Richtung Majores.....

  • Auch Flaccus war die Bahre auf dem Weg zum Forum schwer geworden. Wie Durus lag ihm die harte hölzerne Tragestange unbequem auf der Schulter. Es war für die Tiberier ein großer Anlass und für Rom ein Schauspiel der Selbstdarstellung einer nobilitären Familie. Der Sklave des Durus hatte seine Sache gut gemacht und zählte offenbar zu der Sorte, die etwas taugte, was Tiberius Flaccus nur selten zugestand.
    Nach dem Absetzen der Totenbahre begab sich auch Flaccus zu den anderen, schließlich sollte noch die Laudatio Funebris des Verwandten Vitamalacus folgen.

  • Während sie das Totenbett von der Villa Tiberia zum Forum getragen hatten, war seine einzige Sorge gewesen, das einer seiner Verwandten in Stolpern geraten konnte. Der Weg zum Forum war zumindest so kurz, das jeder dieses Stück durchhalten müsste.


    Als sie auf dem Forum angekommen waren und das Totenbett abgestellt hatten, blieb er noch einen Moment neben dem Totenbett stehen, blickte noch einen Augenblick auf den toten Körper seiner Schwester, dann, als seine Verwandten ihren Platz eingenommen hatten, drehte er sich um und bestieg die Rostra.


    Mehrmals hatte er hier schon gestanden, doch heute stand er hier, unrasiert und in einer dunklen Toga gekleidet, die auch sein Haupt bedeckte. Er blickte über das Forum, über die Gesichter seiner Verwandten bis sein Blick wieder auf dem Totenbett seiner Schwester liegen blieb.
    Dort verharrte er einen Augenblick, bevor er seinen Blick wieder hob, genau in dem Moment in den er zu sprechen begann.


    "Römer ! Römerinnen !"


    Seine Stimme trug weit über das Forum, drang auch in die letzten Ecken, in ihr lag schon die Trauer, die die Worten zum Ausdruck bringen würden.


    "Heute ist ein trauriger Tag. Heute beklagen wir den Tod meiner Schwester Tiberia Claudia, Tochter Marcus Tiberius Fabianus, Enkelin des Titus Tiberius Ahala ! Sie war eine gute Tochter und eine gute Enkelin, sie war eine gute Schwester, eine fürsorgliche Tante !"


    "Doch nicht nur die Gens Tiberia diesen Tod zu betrauern, auch ihr Verlobter, der Praetor Flavius Furianus hat diesen Willen der Götter zu beklagen. Statt einer Hochzeit steht nun eine Trauerfeier an...."


    Hier macht er einen moment Pause, dann fährt er mit kräftiger Stimme fort.


    "Es gibt noch so viele, die ihren Tod zu beklagen haben, denken wir nur an ihre Schüler, wie zum Beispiel den Septemvir Vibius Valerius Victor. Ganz Rom muss muss ihren Tod beklagen, diente sie doch fast Zeit ihres Leben dem Cultus Deorum."


    "Sie trat in den Dienst der Götter, begann ihren Weg als einfache Discipula, studierte die Wünsche der Götter und machte ihren Weg, zur Flamica und zur Pontifex. Und bis zuletzt war sie als Magistra der Societas Veneris treu."


    "Schon einmal sorgten wir uns um das Leben meiner Schwester, fesselte eine schwere Krankheit sie an ihr Bett. So schwer war ihre Erkrankung, das sie ihre Ämter im Cultus Deorum aufgab, ihre Kräfte schonte und sich auf ihre Pflichten gegenüber der Familie konzentrierte."


    "Leider nutzte es nicht, beriefen sie die Götter viel zu früh ins Elysium."


    "Tadelos war ihr Lebenswandel, stets war sie den Göttern verbunden und auch so ging sie ins Elysium, starb sie zu Füssen der Göttin Minerva, welche ihrer Familie und ihr stets am Nächsten war.


    "Römer, Römerinnen ! Trauert ! Betrauert den Tod einer wahren Römerin !"

  • Mit ernster Miene stand Gracchus vor der Rostra und lauschte der Trauerrede des Tiberius Vitamalacus zu Ehren dessen Schwester. Obgleich er nur wenig mit Tiberia Claudia in Kontakt gekommen war, einige male im Zuge der Arbeit im Cultus Deorum und nicht zu letzt bei der Verlobung seines Vetters Furianus, so war deren Dahinscheiden doch äußerst bedauerlich, nicht nur, da sie eine überaus untadelige Frau gewesen war, welche seinem Vetter sicherlich gut getan und eine Bindung zwischen der Flavia und Tiberia hergestellt hätte. Die Umstände, welche zum Ableben der Tiberia geführt hatten, waren ein wenig mysteriös, zumindest wenn man den Gerüchten glaubte, was Gracchus jedoch nicht tun wollte und darum nicht nachvollziehen konnte, weshalb sie sich so kurz vor der Eheschließung mit Furianus das Leben genommen hatte. Nicht selten war der Freitod ein ihrem Stand angemessener Weg, doch wie einst bei seiner eigenen Mutter konnte Gracchus auch im Tod der Tiberia keinen Sinn erkennen, weshalb einzig Bedauern und Trauer blieb. Er musterte seinen Vetter Furianus, welcher im Grunde sein Neffe war, und stellte fest, dass jener nicht nur dem Anlass gemessen grauenhaft aussah. Vorgeblich hatte jener Tiberia Claudia geliebt, tatsächlich geliebt, und Gracchus mochte sich nicht vorstellen, was er nun durchleiden musste. Es drängte ihn danach seinem Vetter beizustehen, ihm Trost zu spenden, doch sie hatten nie einen sonderlich engen Weg zueinander gefunden, waren nie über eine oberflächlich verwantschaftliche Beziehung hinaus gekommen. So wandte er denn seine Aufmerksamkeit erneut der Rostra zu und folgte der uralten Pflicht den Tod einer wahren Römerin zu betrauern.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Durus stand aufrecht da und lauschte andächtig den Worten seines Patruelis avitus*. Einen Moment dachte er darüber nach, ob Quintus irgendetwas vergessen hatte, aber ihm kam nichts in den Sinn, sodass er am Ende sehr zufrieden war mit der Präsentation seiner Ahnen und Familienmitglieder.


    Jetzt ging die Beerdigung auch schon ihrem Ende entgegen...


    Sim-Off:

    * Großcousin

  • Iuvenalis hasste es an Beerdingungen teilnehem zu müssen, doch was tat man nicht alles für die Familie und ihren Zusammenhalt.


    So lauschte auch er den Worten des Vitamalacus und hoffte darauf nicht auch irgendwann einmal eine solche Rede halten zu müssen.
    Damals als er seine Liebsten zu Grabe getragen hatte, geschah dies im Stillen.

  • Die Rede konnte Jakobus kaum verfolgen, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, den weiteren Fortgang der Trauerfeier durchzugehen. Jetzt würde die Gruppe also die Stadt verlassen und hinaus zum Verbrennungsplatz der Tiberier. Aus diesem Grund setzte nach kurzer Schweigezeit im Anschluss an die Rede die Kapelle erneut ein.
    Die Maiores erhoben sich und ihre Diener klappten die curulischen Stühle zusammen, während die Liktoren sich bereits formierten.
    Mit einem kleinen Zeichen bedeutete Jakobus den Tiberiern, Claudias Bahre wieder aufzunehmen.

  • Ich bin beeindruckt, der fleißige Jakobus steht uns wieder mit Rat und Tat hilfreich zur Seite.
    Es war überhaupt dass erste mal, das ich so nahen Kontakt zu einem Sklaven hatte.
    So hob ich die Bahre wieder auf an der Stelle wo ich die Totenbahre hierher
    getragen hatte.

  • Auch Furianus verrichtete seine Pflicht. Der Rede hatte er kommentarlos gelauscht und schien doch abwesend. Ihm war in diesem Moment alles gleich, er erinnerte sich nur der glücklichen Tage mit Claudia, deren Anzahl sicherlich höher sein konnte, doch auch genügte, um ihn aus der Realität zu entreissen.
    Gesenkten Hauptes nahm er die Bahre auf und spürte wieder diese Last auf seiner Schulter, die Last, die er eigentlich in sein Haus tragen wollte, nun aber weg tragen musste.

  • Rediviva Minervina, die hier der Bestattung ihrer Tante zusehen musste, tat dies mit vollem Bewusstseiin. Sie war, als sie von dem Tode erfuhr, ohnmächtig zusammengesunken. Die Tage darauf hatte sie nicht mehr in Erinnerung, sie waren völlog dämmerig. Auch der gestrige Tag ist eher geisterhaft in ihrem Gedächtnis vorhanden und sie könnte nicht beschwören, dass sie das, was sie noch glaubte zu wissen, wirklich erlebt hatte. Als sie jedoch an diesem Morgen aufgewacht war, war sie hellwach. Sie wünschte sich so sehr, dass es anders wäre und auch die Bestattung im Dämmerzustand erleben könnte, aber dem war nicht so.
    Langsam ging sie so weit vorn, wie sie konnte, im Trauerzug mit. Sie fühlte sich fehl am Platze, als gehöre sie nicht zur Familie dazu. Ihre Familie war immer ihr Vater gewesen, nach seinem Tod wurde es seine engste Vertraute: Claudia. Und nun lag auch sie vor ihr. Von all den Anderen stand ihr nur noch Vitamalacus ein wenig näher, doch diesem stand eine Karriere beim Militär bevor und sie würde ihn nicht mehr sehr oft sehen. Nein, die dort liegende Tote war ihr die einzige, wirkliche Verwandte gewesen. Ihre Augen brannten. Minervina hatte schon so furchtbar viele Tränen vergossen, dass ihre Haut ganz wund wurde und auch die Kräuter nicht viel Linderung verschafften. Nun brannten auch die Augen, denn die Tränen wollten nicht mehr fließen. Ihr Herz war voller Schmerz und schien Zentner schwer zu wiegen.
    Allein der Gedanke, dass sie ihre geliebte Tante nicht mehr wiedersehen sollte, ließ sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Die Vorstellung war einfach so unwirklich. Und sie gab sich gewissermaßen auch Schuld, denn wäre sie bei ihr geblieben - wer weiß? Vielleicht wäre sie nicht ermordert worden. Minervina nämlich wurde im Glauben gelassen, dass ihre Tante sich nicht das Leben hatte genommen. Ihre Hand krampfte sich über ihrer Brust in den Stoff und ins Fleisch, als sie an die Zukunft dachte. Sie konnte sich keine Zukunft vorstellen - wie sollte sie werden? Wie, ohne jemanden der ihr den Weg zeigte? Sie wollte zu Claudia, wollte ihr das Gesicht, die Wange, die Stirn streicheln und ihr liebe Worte zum Abschied sagen. Aber das würde kaum gebilligt werden. Sie wollte Trost. Doch wo fand sie ihn?
    Ein lautes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle und der Weg vor ihr verschwamm. Teilnahmslos wohnte sie den weiteren Vorgängen bei und bekam kein Wort von der Rede ihres Onkels mit. Sie spürte wie wieder Dunkelheit über sie kommen wollte. Eine erlösende Dunkelheit, die ihr helfen wollte, über alles hinwegzukommen. Jene Dunkelheit die einen Menschen dann ergriff, wenn die Ereignisse nicht mehr verarbeitet werden können. Mit zitternder Hand fasste sie an ihrem Nachbarn halt und gebrochen folgte sie, ohne zu wissen wieviel Zeit verstrichen war, wieder ihrer Tante.

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