Kreuz und quer durch Mogontiacum

  • Wochen waren seit meiner Ankunft in Germania vergangen, in denen ich mich sowohl mit der neuen Wohnsituation als auch mit den veränderten klimatischen Bedingungen angefreundet hatte. An eines jedoch konnte ich mich nicht so recht gewöhnen: Den Müßiggang. Mir fehlten Freundinnen, nicht einmal Aelia weilte derzeit in der Provinz, wie ich bereits herausgefunden hatte, mir fehlte eine Aufgabe, der langweiligen Hausbeschäftigung war ich längst überdrüssig geworden. Meine ehemalige Cousine Helena war auch nicht gerade ein Ausbund an Ideenüberfluss, Marc weilte oft im Castellum. Letzteres hatte ich eingeplant, schließlich kannte ich seit Jahren die Situation, wenn man Versprochene eines Offiziers war.


    Um wenigsten ein paar neue Eindrücke zu erhalten, ließ ich die Tragsklaven rufen, setzte mich in die Sänfte und gab die Anweisung, einfach der Nase nach durch Mogontiacum zu wandern. Als der Markt in Sichtweite kam, zog ich die Gardine weiter auf.


    „Nicht zum Markt, nicht schon wieder dieses Geschrei und Angebiedere. Sucht ein anderes Ziel. Egal was, nur nicht diese langweiligen Verkaufsstände.“


    Ich lehnte mich wieder zurück, ließ aber die Vorhänge auf, um die Umgebung betrachten zu können. An einer Straßenkreuzung gab ich das Zeichen zum Halt. Etwas wie Resignation machte sich breit, weil das Leben hier ungewohnt scheinbar träge und inhaltleer verlief.


    „Gibt es hier eigentlich witzige oder gebildete Bewohner? Jemand, der einen anspruchsvollen Geist unterhalten kann?“, rutschte mir heraus, ohne jemand vor mir zu haben, an den diese Worte gerichtet waren.

  • Loki hatte den halben Morgen in seinem Büro verbracht, und die andere Hälfte in seinem Laden gehockt und die Verkäufe des Vortages aufgenommen.


    Nun hatte er auf dem Rückweg einen kleinen umweg in Kauf genommen, um sich bei einem kleinen Spaziergang Gedanken darüber machen zu können wie er die Zuchtmesse, die Ancius plante, in Gang bringen könnte..
    Irgendwann wurde er von einem Ding überholt das aussah wie ein langer, mit Stoff behangener Kasten der von Sklaven durch die Gegend getragen wurde. Er runzelte die Stirn, sowas hatte er noch nie gesehen.


    Als aus dem Kasten auch noch eine Frauenstimme erklang wandelte sich seine Skepsis in Verwunderung. Transportieren die Römer ihre Frauen in Kisten? Loki konnte sich nicht vorstellen dass das irgendeiner Frau gefallen würde... seine kleine Schwester zumindest würde jeden, der versuchte sie in eine solche Kiste zu stecken derbe zurichten. Und das war noch untertrieben...


    Mit Neugier erfüllt ging Loki ein paar Schritte auf das Ding zu und versuchte einen Blick hinein zu erhaschen.


    Tatsächlich... da war eine Frau drin... eine ziemlich hübsche sogar. Loki entsann sich ihrer Frage, und der Tatsache dass er sie ziemlich dumm anstarrte, also entschloss er sich zur Offensive.


    "Kommt darauf an wie man anspruchsvoll definiert,...", meinte er mit breitem Lächeln.


    'Vorstellen, Loki, stell dich vor. Die Römer mögen das.' schallte es durch seinen Kopf.


    Der inneren Stimme brav gehorchend deutete er eine Verbeugung an:"Entschuldigt, ich sollte mich vielleicht erst einmal vorstellen... mein Name ist Loki. Erlaubt mir die Frage nach dem euren..."


    Meine Güte, wie sprach er hier? Mal davon abgesehen dass sein Latein noch ziemlich holprig war, schien er in Gegenwart von Römern generell einen Schalter umzulegen, was sein Verhalten anging... ihm war es eigentlich nur zu recht, aber der Grund dafür blieb ihm weiterhin verschlossen.

  • Unvermittelt schob sich eine breite Brust in mein Gesichtsfeld. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, damit der Blick noch oben wandern und das Gesicht in Augenschein nehmen konnte. Sogleich stellte ich Überlegungen, die Herkunft betreffend an. Ein Römer schloss sich durch Gestalt und Optik von vorn herein aus. Vielleicht ein Einheimischer? Der Akzent gab schließlich Aufschluss darüber: Er klang wie mein germanischer Leibsklave Assindius.


    „Wie man „anspruchsvoll“ definiert?“, wiederholte ich nachdenklich. „In meinem Fall wäre „wählerisch“ vermutlich das richtige Wort, weil ich eigenwillig bin. Alles, was sich von der breiten Masse abhebt, kann daher schon einmal meine Aufmerksamkeit wecken.“


    Ich musterte den vor mir stehenden Mann, der genauso ungeniert grinste wie es Assindius oft tat. Vermutlich war das eine germanische Eigenheit, schlussfolgerte ich. Auch die Verbeugung kam mir bekannt vor, allerdings hatte die mein Sklave inzwischen abgelegt.


    „Hmhm, Loki also. Woher stammst du, Loki? Und kennst du dich gut in dieser Gegend aus?“


    Ich folgte einer plötzlichen Eingabe und klopfte an das Holz der Sänfte, die sich daraufhin absenkte. Ich hielt dem Fremden die Hand hin, damit er mir beim Herausklettern behilflich sein konnte, sofern er die Geste verstand. Die Gedanken schufen und verwarfen dabei in Windeseile mögliche Vorhaben bezüglich der Nutzung dieser unerwarteten Begegnung.


    „Hat dieser Landstrich etwas Spannendes zu bieten?“, fragte ich daher.

  • Alles was sich von der Masse abhebt? Die Frau war lustig... Mogontiacum glich einem bunten Scherbenhaufen, so viele Einflüsse waren in der Stadt zu erkennen.


    Ihre Stimme hatte einen hochmütigen Ton, anscheinend eine Frau von Adel.. als sie ihm die Hand hinhielt wollte Loki sie schon stumpf ergreifen, entsann sich dann eines besseren und half ihr aus der komischen Kiste, in der sie durch die Gegend getragen wurde...


    Sie wollte etwas spannendes... nun, Spannung gab es genug, aber er war sich nicht sicher ob eine Römerin ihres Standes die gleiche Auffassung von Spaß und Spannung hatte wie er.


    "Spannend? Nun, am Limes gibt es dann und wann mal wieder Schlägereien, Marodeure überfallen Dörfer, Menschen verschwinden auf Nimmerwiedersehen und der Wald ist voll Geister... wenn ihr euch aber auf die Stadt beschränkt, hat sie an Spannung vor allem die Irrsinnigkeiten zu bieten die sich die Menschen immer wieder ausdenken..."

  • Als ich mit beiden Füßen auf der Straße stand, dankte ich mit der Andeutung eines Lächelns für die erwiesene Hilfe. Zwar wusste ich nicht, wie die Gepflogenheiten in Germanien waren, aber in Rom wäre diese Form des Dankes angemessen gewesen. Anschließend hörte ich seinen Ausführungen interessiert zu.


    Nachdem er geendet hatte, schaute ich an mir herab, warf einen skeptischen Blick auf die feinen Schuhe aus weichem Leder und den geschmeidigen Stoff der weißen Tunika. Die ebenfalls aus feinem Garn hergestellte Palla bot auch nicht wesentlich mehr Schutz, aber darauf wollte ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Ich schaute auf, meine Brauen hoben sich eine Winzigkeit und mein Kopf streckte sich unmerklich vor.


    „Du sprichst von Geistern? Was sind das für Gestalten? Und ist es gefährlich, ihnen zu begegnen?“ Immerhin hatte er den Wald erwähnt, und wie dicht dieser stellenweise war, hatte die Reise nach Mogontiacum gezeigt.


    Neugier hatte mich erfasst und ließ mich mit Spannung auf seine Antwort warten, während die Oberzähne auf der Unterlippe Platz gefunden hatten. Dieser wenig elegante Gesichtsausdruck blieb zum Glück meinen Familienangehörigen erspart.

  • Loki warf einen flüchtigen Blick über die Gestalt der Dame, die ihm gegenüberstand... flüchtig deshalb, weil er erst kürzlich in der Taberna beobachten durfte wie ein gallischer Händler vom Mann einer Römerin kurz und klein geprügelt wurde, weil er es gewagt hatte die Formen der Frau zu ausführlich zu mustern...


    "Wie? Achso... Geister. Ja... Habt ihr Römer keine Geister? Im Wald gibt es eine Menge Geister. Baumgeister zum Beispiel, die, wie ihr Name schon sagt, in Bäumen leben... Waldgeister, Trolle, manchmal sogar die Walkyren...", er überlegte eine Weile und versuchte sich daran zu erinneren als er das letzte Mal ein Halbwesen gesehen hatte. Einige Jahre war es her, er war mit seinem Vater auf der Jagd gewesen, und schließlich waren sie einem Waldschrat über den Weg gelaufen... grausige Erscheinung, und sie mussten um ihr Leben laufen.


    Er wunderte sich wieso sie so von den Geistern sprach, von denen in Germanien jeder wusste dass es sie gab, und fast jeder hatte auch eine Geschichte zu den Geschöpfen der Asen und Vanen zu erzählen.


    Er musste beinahe lachen als sie fragte ob die Geister gefährlich waren...


    "Natürlich ist es gefährlich. Der Kuss einer Walküre ist tödlich, der einer Fee vermag dich in den Wahnsinn zu treiben... oh, natürlich, Trolle fressen dich bei lebendigem Leibe, Waldschrate beissen dir in den... nun, genug dessen. ", er legte einen gespielt vorwurfsvollen Ton in seine Stimme, "Ihr wollt mir doch nicht erzählen dass ihr nicht wisst was für Halbwesen auf der Erde wandeln, oder?"

  • Die erste Reaktion verwunderte mich, daher nahm ich meinen vorgestreckten Kopf wieder zurück.


    „Natürlich haben wir Geister, Hausgeister allerdings, aber doch keine im Wald. Die wohnen im Haus, das ist doch sonnenklar.“ Diese Germanen immer, man musste ihnen alles erklären, weil sie nicht einmal das Einfachste wussten. ( ;) )


    Ich überlegte mit gekrauster Stirn, ob mir möglicherweise der Teil der Bildung, der Waldgeister betraf, entgangen sein konnte. Immerhin war es möglich, dass ich ausgerechnet während dieser Gelehrtenstunde geschwatzt oder sie gar gänzlich versäumt hatte, weil ich stattdessen in den unliebsamen Handarbeiten unterrichtet wurde.


    „Germanische Drolle? Sind das dickliche Wesen? Diese Bezeichnung ist doch sicherlich von „drollig“ oder von „drall“ abgeleitet. Namen haben meistens einen tieferen Sinn.“ Ich nickte, weil ich die Bemerkung geistreich fand. „Hm, aber Walkyren? Was mag das wohl bedeuten? „Wahl“ hat etwas mit „entscheiden“ zu tun. Und „küren“ kommt eindeutig von „Ernennungen“. Erwählen sie jemanden oder etwas? Aber wozu? Hm, irritierend.“


    Mein Blick war auf das Straßenpflaster gerichtet, während die Gedanken um die Vorstellung kreisten, wie ein solches Wesen einen Baum bewohnen sollte. Hockte es im Geäst wie ein Vogel? Oder lag es wie eine Maus zwischen den Wurzeln in einer Erdhöhle?
    Als Loki zu weiteren Erklärungen ansetzte, hob ich erneut den Blick und fixierte ihn. Mein ursprünglich ernstes Gesicht überzog jedoch zunehmend ein amüsiertes Lächeln. Der Germane dachte offensichtlich, er könne mir Angst einjagen, aber da hatte er sich getäuscht. So lange keine Spinnen im Spiel waren, verfügte ich über erstaunlichen Mut.


    „Ich glaub dir kein Wort“, erklärte ich selbstsicher. „Das sind Geschichten, mit denen man kleine Kinder erschrecken kann, aber doch nicht mich.“

  • Hausgeister? Er wusste mittlerweile dass Römer sich am liebsten zwischen vier Wänden versteckten, ob es nun ein Tempel, ein Castellum oder eine einfache Casa war... aber dass die Geister der Römer dasselbe Verhalten an den Tag bzw. die Nacht legten überraschte ihn nicht zu schlecht...


    Ihre an sie selbst gerichteten Erklärungen über die Halbwesen in Germania ließen seine linke Augenbraue nach oben wandern... versuchte diese Frau gerade die Wesen von Troll und Co. aus ihrem Namen abzuleiten?


    Tatsächlich... sie versuchte es.


    "Ein Troll... hmh... Trolle sind erstens GROß, und dann dick. Ich habe noch nie einen gesehen, gottseidank, aber man sagt dass sie zu den gemeinsten Wesen gehören die unsere Gestade bevölkern. Und Walkyren sind vornehmlich schön, sie geleiten die gefallenen Menschen nach Walhalla, dem Heim unserer Götter und Ahnen, wenn man sie zu sehen bekommt, ist es normalerweise vorbei mit dir."


    Nun musste er schmunzeln... er sprach hier von allgemein akzeptierten Tatsachen, nicht von Kindergruselgeschichten...


    "Nun, natürlich nicht. Aber ich denke das liegt eher daran dass man sich als Frau weniger vor dem Kuss einer Albe oder eine Walkyre fürchten muss... und Warge oder Zwerge werden euch wohl weniger ansprechen. Ausserdem bezweifle ich dass sie sich einer Römerin zeigen würden..." Darüber machte er sich schon die ganze Zeit Gedanken. Er war zu dem Schluss gekommen dass sich Götter und Halbwesen nur jenen zeigten die auch an sie glaubten, von daher hat er es auch noch nie mit den römischen Göttern zu tun bekommen. Der Umkehrschluss aber war, dass die Römer keine Ahnung von den germanischen Gottheiten hatten...

  • Den folgenden Erklärungen lauschte ich wieder verwundert bis mir endlich ein Licht aufging: Loki benutzte einfach die falschen Begrifflichkeiten. Walhalla war die andere Seite des Flusses, das Elysium, und die Walküre war der Fährmann. Ich lächelte verständnisvoll über seine Unwissenheit, sparte mir jedoch eine Richtigstellung. Vermutlich war das Bildungsangebot für Germanen dürftig und zudem war es nicht nett, jemanden auf seine Defizite hinzuweisen.
    Bald darauf taten sich aber neue Ungereimtheiten auf.


    „Und was ist jetzt eine Albe? Und vor allem, warum küsst sie denn?“
    Küssen hatte etwas mit Liebe zu tun, das stand fest. Für die Liebe war Amor zuständig, das stand ebenfalls fest. Allerdings küsste Amor nicht, sondern versendete an die von ihm Ausgewählten Pfeile. Hier stimmte etwas vorne und hinten nicht. Sicherlich war der Germane insgesamt über die Götterwelt notdürftig informiert, immerhin bezeichnete er ja auch die Götter als Geister, und andere als die römischen Götter existierten nicht. Daher musste ich noch etwas richtig stellen.


    „Es steht außer Frage, dass sich die Götter vor allem uns Römern zeigen.“ Schließlich waren alle anderen Völker von geringerer Bedeutung. „Wenn du also weißt, wo man sie in diesem tristen Landstrich treffen kann, dann führe mich doch am besten dorthin. Ich würde mich auch für deinen Dienst erkenntlich zeigen.“

  • So langsam begann Loki an seinem Latein zu zweifeln... hatte die Frau gerade gesagt die Götter würden sich vor allem den Römern zeigen? Nordische, germanische Götter? Den Römern?


    "Herrin, ich glaube ihr scheint mich falsch zu verstehen...", andererseits, sie war eine Römerin. Er runzelte die Stirn: "Wie lange seit ihr schon in Germania?"


    Warum küssten Alben? Um sich einen Schabernack mit den Menschen zu erlauben, natürlich. Dumme Frage. Es war allgemeinhin bekannt dass sich die Halbwesen einen Jux daraus machten die Menschen immer wieder an der Nase herumzuführen, egal was für Konsequenzen das auch hatte... und sie wollte tatsächlich einen Geist sehen. Als würde man die auf Kommando herbeirufen können. Okay, einige konnten das, aber die waren sowieso nicht ganz in Ordnung. Einen Geist... Loki überlegte. Er könnte ihr Marbod morgens nach einer Tabernennacht zeigen, das würde mit Sicherheit Eindruck hinterlassen... allerdings würde Marbod ihn dann lynchen.

  • „Falsch?“ Ich schaute Loki fragend an, weil ich nicht wusste, was falsch gewesen sein sollte. „Lange bin ich freilich noch nicht in Germanien. Es ist, um genau zu sein, der dritte Besuch, wobei dieser etwas länger geplant ist als die vorherigen.“


    Offensichtlich plante der Germane eine Art Expedition, die einen längeren Aufenthalt vonnöten machte. Meine Augen begannen bei diesem Gedanken zu funkeln und erneut erschien ein Lächeln auf meinem Gesicht. Von einer inneren Unruhe ergriffen, die mit Aufregung zu erklären war, trat ich plötzlich von einem Bein auf das andere.


    „Mach einfach deine Vorschläge, ich kann es kaum erwarten, sie zu hören.“


    Fahrig strich ich eine imaginäre Haarsträne aus dem Gesicht, während ich förmlich an Lokis Lippen hing.

  • Ja leck mich doch, kann man die Herrin nicht mal einen Augenblick alleine lassen. Ich stampfte eilig auf den Germanen zu, spuckte unterwegs meinen Zahnstocher aus, stellte mich vor den Typen, sah ihm erbost in die Augen und sagte:


    „Herrin, belästigt der Euch?“

  • Ich war derart in das Gespräch mit Loki vertieft, dass ich meine Tragsklaven und selbst meinen Leibsklaven völlig vergessen hatte. Eine kräftige Stimme rief mir seine Anwesenheit in das Gedächtnis zurück, ich wandte mich um, durchdachte nochmals seine Frage und schüttelte schließlich energisch den Kopf. Die Ohrgehänge klimperten im Takt.


    „Nein, im Gegenteil. Loki ist ein Landsmann von dir und er hat mir gerade angeboten, mir in den Wäldern jene Stellen zu zeigen, an denen man die Götter treffen kann.“


    Mein Blick wanderte zu dem Germanen.


    „So ist es doch, oder?“


    Mit einem Lächeln, das von Begeisterung sprach, schaute ich Loki selbstbewusst an. Der Tag schien gerettet, uns allen stand eine aufregende Expedition bevor.

  • Ich blickte zur Herrin als sie sprach, zog die Brauen hoch, blickte dann misstrauisch zurück. Die Herrin wartete auf sein Wort und so dachte ich nur:


    Lo Ki! Wo man die Götter treffen kann. Welcher germanische Vater nennt seinen Sohn Loki? Die Sache hat doch einen Haken!

  • Ein Haufen Mensch schob sich zwischen Loki und die Römerin, und begann alsbald auf Latein mit der Frau zu reden..


    Ein Sklave also, Mitleid packte ihn und er sah den Kerl von oben bis unten abschätzend an. An Größe und Körperbau stand er Loki in nichts nach, und die zierliche, und weitaus kleinere, Erscheinung der Römerin wirkte neben den beiden großen Germanen geradezu winzig.


    Er stutzte als er ihre Worte vernahm... Götter sehen? Ort?


    Die Frau war anscheinend vollkommen übergeschnappt, wollte sie tatsächlich nach Walhalla? Für eine Lebende unmöglich, für eine lebende Römerin noch viel unmöglicher...


    Er sah den Mann kritisch an, während er ihn in einem bekannteren germanischen Dialekt ansprach: "Ich denke deine Herrin scheint nicht zu verstehen was ich ihr eigentlich sagen wollte. Sie scheint tatsächlich zu glauben dass unsere Götter einfach so in den Wäldern spazieren gehen. Ist mein Latein so schlecht, Mann?"


    An die Römerin gewandt meinte er: "Ich denke ein solcher Ausflug wäre zu gefährlich. Die Wälder sind auch im Reich nicht unbedingt sicher, und es gibt Gestalten die meinen könnten dass eine herrschaftlich gekleidete Römerin ein nettes Lösegeld einbringen könnte."


    Und natürlich Römer die denken könnten dass ein Germane in Begleitung einer herrschaftlich gekleideten Römerin ein eben solcher Geiselnehmer war... ungesund, ungesund...

  • Die Unterhaltung in seiner Heimatsprache wertete ich als Unhöflichkeit des Germanen. Zudem drängte sich der Gedanke auf, dass Unaufrichtigkeit im Spiel war, was Loki nicht nur einen missmutigen, sondern auch einen anklagenden Blick von mir einbrachte. Demonstrativ drehte ich mich meinem Leibsklaven zu, der diese Geste sicherlich richtig verstehen würde und mich hoffentlich über den Inhalt der unverständlichen Worte unterrichten würde.


    Erst im Anschluss daran wollte ich meine Entscheidung mitteilen, die ich sicherlich erst nach umfassender Kenntnis der Sachlage treffen würde. Kurzzeitig ging mir durch den Kopf, das Vorhaben zunächst mit Marc zu besprechen. Andererseits begleiteten mich stets genügend Sklaven, die für meine Sicherheit sorgen konnten. Zunächst wollte ich aber wissen, was der Germane vor mir verheimlichen wollte. Mit gewisser Spannung blickte ich Assindius an, hob die Brauen und ließ ein ungeduldiges „Hm?“ erklingen.

  • Ich fühlte mich gemustert. Diese Gefühl kannte ich noch vom Sklavenmarkt. Ein Gefühl, dass ich auf den Tod nicht ausstehen kann. Und sein Blick gefiel mir noch viel weniger. Wen würde es interessieren, wenn ich ihm gleich in den Hals scheiße. Der Herrin würde sicherlich der Geruch nicht gefallen.
    Cherusker scheint er sein, wenn ich mir seinen Dialekt so anhöre. Aber ich traue dem Braten nicht. Erst will er sie in die Wälder führen und jetzt wo ich hier bin will er das nicht mehr und jetzt lässt sich irgendeine Scheiße einfallen. Das die Herrin ihn falsch verstanden hat, kann ich mir nicht vorstellen, die ist nämlich clever, aber er vielleicht nicht.
    In meinem wunderbaren sugamberischen Ruhr-Germanisch antwortete ich:


    „Wat weiß denn ich, wie schlecht dein Latein ist, hömma. Ich hab dat nicht gehört und au nich, wat du ihr gesacht hass. Aber wat kann man sagen, damit jemand auf sowat kommt?“


    Die Herrin kuckt mich schon wieder so an, jetzt will sie wissen worum es hier geht. Ich gatschte mir in den Bart und sagte:


    „Er sagte, Ihr glaubt, dass die germanischen Götter in den Wäldern zu finden seien und dort umher spazierten und wollte wissen, ob es an seinem Latein läge. Ich sagte ihm, dass ich nicht gehört hatte, was er sagte und auch nicht wie sein Latein ist und das ich nicht verstehe, was man sagen kann, damit Ihr darauf kommt! Die Götter laufen bestimmt auch mal durch den Wald, aber gesehen habe ich noch nie einen!“

  • „Oh!“ Die Enttäuschung war mir nicht nur anzuhören, sondern auch anzusehen. Mir fiel gar nicht auf, dass nun von „germanischen“ Göttern die Rede war. Es war schlimm genug, dass sich meine Hoffnung auf eine interessante Erfahrung scheinbar zerschlagen hatte. Die Schultern sanken nach unten, das Lächeln verschwand. Ich fühlte mich wie eine Zwölfjährige, der man das einzige Spielzeug fortgenommen hatte: Ich war nicht bereit, mich bereits wie eine Erwachsene zu geben, aber ohne Spielzeug blieb nur die Aussicht auf langweilige Ersatzbeschäftigungen in der viel zu umfangreichen Zeit des Alleinseins.


    Sim-Off:

    Lass uns warten. Loki ist vorübergehnd abwesend.

  • Der germanische Sklave der Römerin war Loki mehr als nur suspekt. Den Dialekt des Mannes hatte er schon einmal gehört als er in südlicheren Gegenden unterwegs gewesen war, aber der Dialekt wurde eindeutig in nicht römisch-besetztem Gebiet gesprochen. Wieso war der Kerl dann ein Sklave? Loki würde sich später noch mal genauer über das Prinzip der Sklaverei im Reich schlau machen müssen, jetzt große Worte mit dem Mann zu wechseln schien wenig aussichtsreich zu sein...


    "Meine Fresse, woher soll ich das wissen? Sie wollte wissen was die Gegend an Unterhaltung und Aufregung zu bieten hat, woraufhin mir nur die Halbwesen in den Wäldern einfielen.", was denn sonst? So wie die Frau sich gab und kleidete schien sie größere Städte gewöhnt zu sein als Mogontiacum, sollte dieses verschlafene Nest wirklich was zu bieten haben? Er blieb skeptisch...


    "Wie dem auch sei, ich glaube kaum dass dieses Nest ihr viel zu bieten haben wird, und dass das aufregendste wohl immernoch ausserhalb des Limes und der Stadtmauern zu finden sein wird... DAS war es, was ich ihr versuchte zu erklären.", er wusste nicht genau ob er nun belustigt oder verärgert sein sollte, einerseits war dieses nebeneinander-her-reden so irrsinnig, dass man fast darüber lachen musste, andererseits nervte es ihn...


    Die Reaktion der Römerin überraschte ihn nun vollends... wie ein schmollendes Kind verhielt sie sich. Waren so die Frauen, die den Helden der Welt das Leben schenkten? Er verschränkte die Arme und konnte sich mit Mühe ein Grinsen verkneifen, aber dennoch zwang er sich zu einer kurzen Zusammenfassung: "Innerhalb der Stadtmauern werdet ihr wenig finden was ihr nicht schon in eurer Heimat hattet. Dies sind die Dinge die die Römer mitgebracht haben, als sie hierherkamen. AUSSERHALB der Stadtmauern findet ihr das Germanien welches die euren als wertvoll genug ansahen, es zu erobern. Es ist Teil des römischen Reichs, aber es bleibt germanisch in seiner Art."


    Er betete innerlich zu Forseti dass seine Worte dieses Mal auf fruchtbaren Boden trafen...

  • Die Enttäuschung währte nicht lange, ich ließ mich grundsätzlich nicht schnell entmutigen. Bereits während Lokis Rede hatte ich Pläne geschmiedet, ihm daher nur mit halbem Ohr zugehört. Als er geendet hatte, hallten seine letzten Worte in meinem Kopf wider.


    „Ich kenne Mogontiacum bereits und ich finde diese Stadt weder schön noch interessant. Du sagst mir also nichts neues, wenn du behauptest, dass ich innerhalb der Stadtmauern nichts Beeindruckendes erleben werde.“


    Ich zuckte mit der rechten Schulter. Mantua war wenigstens idyllisch, Rom war groß und bot mannigfaltige Abwechslung, aber Mogontiacum hatte von allem etwas und von vielem zu wenig. Bedauerlicherweise wollte sich der Einheimische auch nicht zu einer gemeinsamen Unternehmung überreden lassen, aber die würde ich nun auch ohne seine Begleitung starten, mein Interesse war geweckt.
    Gefahr schreckte mich schon lange nicht, schließlich war ich Tochter bzw. Adoptivtochter von Offizieren, Schwester eines Offiziers, Cousine eines Präfekten und Versprochene eines weiteren Offiziers. Was sollte da schon passieren? Mir lagen Mut und Kampfwille im Blut. Und auch im Befehle geben war ich seit Jahren geübt.


    „Assindius, du organisierst unsere Unternehmung folgendermaßen: Einer der Begleitsklaven gibt in der Villa Bescheid, dass ich eine mehrstündige Unternehmung plane. Sag ihm, in welche Richtung wir uns wenden werden. Als nächstes überlegst du dir eine Route, die als Ziel heilige Stellen in den germanischen Wäldern hat, aber innerhalb von Mogontiacum noch am Markt vorbeigehen wird – wir brauchen Trinken und Verpflegung. Aintzane, du wirst für Wasser in transportfähigen Lederbälgen sorgen.“


    Der Gedanke an Gedärm war jeweils so eklig, dass ich die Aussprache vermied.


    „Praktikables Essen für unterwegs brauchen wir ebenfalls, ein paar Decken wären sicher auch nicht schlecht. Man kann ja nie wissen.“


    Nach kurzer Überlegung sagte ich dann: „Ja, das war’s wohl. Wir starten JETZT.“


    Ich drehte mich um, raffte die Tunika und wollte bereits in die Sänfte klettern, als mir der Germane einfiel.


    „Dir steht es frei, uns zu begleiten“, sagte ich über die Schulter hinweg, bevor ich das Bein hob, um endgültig einzusteigen. Ich nahm Platz und wartete darauf, dass es losging. Ob der Fremde nun mitkam oder nicht, war inzwischen unbedeutend geworden. Für den Anstoß zu dieser Unternehmung war ich ihm dankbar, aber weiterhin hilfreich hatte er sich bisher nicht erwiesen.

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