Der Aberglaube ist die Poesie des Lebens...

  • ""Ausgehöhlt ist Kumaes Fels zur riesigen Grotte; breit ziehn hundert Schächte hinab, der Mündungen hundert, hundertfältigen Lauts dröhnt auf der Spruch der Sibylle. Kaum an der Schwelle, begann die Jungfrau: 'Zeit ist, zu flehn um Schicksalsspruch. Der Gott, o siehe, der Gott!' So rief sie, stand am Tor, jäh wechselt ihr Antlitz, wechselt die Farbe, hoch auf flattert ihr Haar, hart keucht ihre Brust, voller Wut schwillt wild ihr Herz, hoch wächst sie und wächst, kein sterbliches Wort mehr spricht sie, steht im Anhauch ganz des näher und näher waltenden Gottes."


    Die Worte in Vergils Aeneis, im sechsten Buch, erfüllten Epicharis, die vor dem Eingang zur Grotte auf Aristides wartete. Sie waren zwar nicht in Cumae, sondern in Rm, aber das machte schließlich keinen Unterschied. Epicharis stand neben ihrer Sänfte und wirkte etwas verloren, fragte sich, was heute hier offenbart werden würde, und ob es wirklich eine so gute Idee war, die Sybille über die Zukunft zu befragen. ihre Schwester Prisca hatte nach der Orakelweissagung ihren eingeschlagenen Weg angezweifelt und sich umgewandt, um fortzugehen. Epicharis hoffte inständig, dass dies nicht auch ihr passieren würde, auch wenn man sich da niemals sicher sein konnte. Nervös nestelte sie an ihrer dunkelgrünen Palla herum, die zur weißen und sie unschuldig wirken lassenden Tunika passte. Immer wieder sah sie sich nach einer flavischen Sänfte um, welche wohl jeden Augenblick den Hügel hinauf streben und ihren verlobten heranbringen würde. Der einzige Grund, aus dem Epicharis unbedingt den Orakelspruch hören wollte, war ihr Aberglaube. Niemand, so vermutete sie, war so abergläubisch wie sie. Zumindest niemand aus ihrer Familie. Von Aristides wusste sie bereits, dass er den Worten der Sybille nicht so sehr Glauben schenkte, aber Epicharis war felsenfest davon überzeugt, dass die Worte des Orakels der Wille der Götter waren.


    Hin und wieder waren Schritte aus dem Inneren der Grotte zu hören, mal hörte man leise Schreie und dann wieder ein rhythmisches, an- und abschwellendes Summen, Murmeln und vielleicht auch etwas, das entfernt an Gesang erinnerte. Die Luft war selbst hier draußen schon schwer und erfüllt von den unterschiedlichsten Düften, allen voran Weihrauch. Mit zunehmender Wartezeit nahm auch Epicharis' Nervosität an Intensität zu, wie sie neben der Sänfte stand und den Punkt fixierte, an welchem ihr Verlobter bald auftauchen musste.

  • Düsteren Gesichtsausdruck marschierte Marcus die Strassen Roms entlang auf den Weg zum Orakel, an seiner Seite seinen Sklaven bei sich habend. Düster war Marcus von der Stimmung her, da es zu einem Ort ging, der ihm mehr oder minder – wohl mehr eher- Furcht einjagte. Denn einen Blick auf die eigene Zukunft zu erhalten war nicht immer sonderlich gut. Und um diese Stimmung zu vertreiben war er, trotz des heißen Tages und unbequemer Kleidung, zu Fuß aufgebrochen, anstelle einer der Sänften der villa zu wählen. Die dunkelblaue paenula, die er statt der toga angezogen hatte, ließ ihn jedoch schnell schwitzen. Aber sie war immerhin ein adäquater Ersatz für die toga gewesen. Immer wieder seufzte er leise unter der Hitze, ließ sich von Hannibal ein kleines Tuch reichen, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Sein Gesicht färbte sich durch die Sonnenstrahlen und den Marsch schnell mit einer kräftigen Röte und er schnaufte trotz des Trainings in der legio.


    „Vielleicht verstehen wir die Worte der Sibylle auch nicht. Womöglich wird sie auch nichts sehen können.“


    Mutmaßte Marcus bereits als er auf die Strasse kam, die direkt zum Orakel führte. Wenn es etwas Gutes bedeutete, was das Orakel sagen konnte, würde Marcus sich sicherlich freuen. Aber es konnte auch was Böses bedeuten und dann…ja, was dann? Man wußte doch, das Schicksal war nicht abänderbar, sondern von den Göttern vorher bestimmt. War es vielleicht gar falsch, so derart in die Karten von den Göttern sehen zu wollen? Marcus schob alles beiseite in Gedanken als er die mysteriös anmutende Stätte der Seherin ausmachte und eine claudische Sänfte davor. Mit einem tiefen Einatmen durch die Nase vertrieb Marcus alles schlecht Gelaunte an sich und fand zu seinem doch normalerweise freundlichen Gesichtsausdruck zurück. Nach einigen Herzschlägen der Pause nahm die Hitzeröte in seinem Gesicht auch wieder etwas ab. So strebte er auf die Sänfte zu und neigte höflich und freundlich den Kopf zum Gruße.


    „Salve, Epicharis, einen wunderschönen Tag wünsche ich Dir. Ich hoffe, ich habe Dich nicht lange warten lassen?“


    Das war nun mal der Nachteil, wenn man zu Fuß durch Rom lief. Die Stadt war dreckig und voll, wenn man nicht mit schmutzigen Füßen, stinkenden paenularand auftauchen wollte und keine cohors von Sklaven mit sich nahm, dauerte es nun mal länger. Und die Entscheidung- toga oder keine toga- war nicht sehr einfach gewesen, was ebenfalls Zeit in Anspruch genommen hatte.

  • Bald tauchte Aristides auf, und Epicharis war die Erleichterung darüber deutlich anzusehen. Nicht, dass sie sich Sorgen gemacht hätte - immerhin war er Soldat und wusste wohl auf sich aufzupassen, außerdem kannten sie sich ja noch kaum, und die Verlobung war auch noch nicht vor dem Gesetz bestätigt und eingetragen und... - aber Epicharis war einfach froh, nicht länger warten zu müssen. Dass jedoch nicht die Sänfte auftauchte, sondern Aristides zu Fuß zum Orakel kam, verwunderte sie zugegebenermaßen etwas. Zudem trug er auch keine Toga, sondern einen Poncho, dessen korrekten Namen sie vergessen hatte. Irgendetwas Militärisches, das wusste sie. Pestula? Sie wusste es nicht mehr, also schob sie den Gedanken fort und lächelte ihrem Verlobten entgegen. "Marcus! Ja, wunderschön ist der Tag. Die Sonne strahlt und die Blumen duften herrlich. Ich habe nicht lang gewartet, keine Sorge. Hast du den Weihrauch bekommen?" erkundigte sie sich und legte forschenden Blickes den Kopf schief. Er wirkte etwas außer Atem, der Gute, und seine Gesichtsfarbe wies einen rötlichen Schimmer auf, auch wenn sie sich zusehends normalisierte. Epicharis schmunzelte, vielleicht sollte er doch mehr Wert auf die eigene Leibesertüchtigung legen statt auf die seiner Probati? Fröhlich - und zum Teil ihre Ehrfurcht vor dem Orakel und die Aufregung damit gekonnt überspielend - deutete sie in die Grotte hinter sich hinein. "Wollen wir hineingehen?" fragte sie mit hörbar zitternder Stimme. Das war nun also der Moment der Offenbarung... Wie würde sie reagieren, wenn das Orakel die Zukunft schwarz wie das Gefieder eines Raben zeichnete? Sie wusste es nicht. Epicharis lächelte tapfer und zwang sich, die ersten Schritte vor Aristides hinein zu tun.


    Kaum hatte die Grotte sie verschluckt, schien der betörende Geruch von Weihrauch, der die Luft schwängerte, auch ihren Körper zu durchdringen. So zäh war die stehende Luft, dass das Atem beinahe schwer fiel und der Verstand etwas erlahmte. Epicharis suchte Aristides' Blick und hätte am liebsten nach seiner Hand gegriffen, um etwas Halt zu haben - sie war wirklich sehr aufgeregt - doch sie hielt sich zurück, widerstand dem Drang danach und warf ihm lediglich einen ängstlich-verlegenen Blick zu. "Hast du schon einmal ein Orakel aufgesucht, Marcus? In Baiae war ich bei einer Sybille....sie war seltsam und weissagte mir irgendetwas mit silbernen Löffeln und einem starken Stier, der-" Oh, die Sybille hatte geweissagt, dass dereinst ein starker Stier kommen und Epicharis zu seinem Opferdolch erwählen würde. Damals hatte die Claudierin nur verständnislos geschaut. Auch Prisca hatte nichts mit dieser seltsamen Weissagung anfangen könne. Nun aber... Epicharis musterte Aristides verstohlen. Wie ein Stier sah er nicht gerade aus, eher wie ein....


    Ehe Epicharis den Gedanken zu Ende denken konnte, trat jemand auf sie zu. Glücklicherweise, mochte man wohl mit Bedacht auf Aristides' männliche Ehre sagen, denn wie ein Adler sah er trotz seiner Nase nicht gerade aus. Epicharis wartete, in der Hoffnung, dass Marcus ihr gemeinsames Anliegen vortragen würde.


    Sim-Off:

    Hihihi :D :P

  • Mit fest aufeinandergepressten Lippen beobachtet die junge Priesterin das eintretende Paar von ihrer Position hinter einer Säule aus. Seit die Frau vor dem Eingang gewartet hat, liegen die Priesterinnen auf der Lauer und das junge Mädchen war ausgewählt worden, die Frage der Dame aufzunehmen. Mittlerweile ist auch noch ein Herr hinzugekommen und die Priesterin wartet noch ein wenig, um die Spannung, die bei so einem Akt der Orakelbefragung immer besonders wichtig ist, zu steigern.


    Dann tritt sie eilig hinter der Säule hervor. Für die beiden Fragesteller muss sie anscheinend urplötzlich aus dem Nichts erscheinen, denn wer würde schon vermuten, dass sie schon die ganze Zeit hinter der Säule ausharrt?


    "Salve!" Obwohl sie versucht sehr bestimmt und sicher zu klingen ist ihre Stimme doch nur die eines jungen Mädchens, das gerade wenige Monate zu den Frauen gezählt wird.

  • Marcus wußte, Frauen hatten, was das Übersinnliche anging, größeren Mut als Männer. Seine Mutter erzählte ihm einst- er war noch ein kleiner Bengel damals gewesen-, daß eine Frau der Welt der Geister näher stand, sie mit dem Reich der Toten verbunden waren, wenn sie auch das Leben selbst gebaren. Marcus hatte das als Jungen tief beeindruckt und so die Macht der Frauen in dieser Hinsicht nie unterschätzen lassen. So erstaunte es ihn wenig, daß die schöne Patrizierin beherzt vor ihm voran ging- nachdem er auf ihre ersten beiden Fragen genickt hatte. Ihm war die Stimme aus unerfindlichen Gründen weggeblieben, oder vielleicht lag es an diesem Ort hier?- und sie die Dunkelheit des Orakels zu verschlucken schien. Wenn Männer auch auf dem Feld der Ehre den Ruhm eines großen Kampfes und einer Schlacht bestreiten konnten, stets- für Marcus war das auch noch mehr theoretisch- danach suchten, das Imperium noch größer zu machen, so waren auch sie gegenüber den Geistern und dem Schicksal nur von den Göttern geführte Figuren. Ein Schaudern jagte über Marcus Rücken und er folgte mit einem Zögern- was einige Herzschläge währte- in den dunklen Raum hinein, bemühte sich dabei eine gefasste Miene zu bewahren. Wild tanzten die Schatten der Säulen auf den von dem Ruß der Kohlebecken geschwärzten Wänden, ließen groteske Bilder und zuckende Wesen aus den Tiefen der Unterwelt erscheinen. Das ist nicht das Orakel von Baiae, Marcus!, schelte sich Marcus und trat neben Epicharis, bemühte sich den Hauch von Optimismus und Zuversicht zu verstrahlen.


    „Nein, ich war nie bei der Sibylle von Baiae. Es war mir stets zu…nun, schauderlich.“


    Einige Male hatte Marcus vor dem Eingang zu der Grotte gestanden, einige seiner Freunde hatten ihren ganzen Mut zusammengekratzt, hatten sich der Mutprobe gestellt. Und nur er und Nero hatten sich damals nicht hineingetraut, was zur wochenlangen Häme ihrer kleinen „Bande“ geführt hatte- weswegen Marcus und Nero noch bessere Freunde wurden als gemeinsame Leidensgenossen dieser Hänseleien. Die Gerüche und die verbrannten Kräuter in der düsteren Halle, deren Kühle auch von dem warmen Sonnenschein nicht berührt wurde, ließen Marcus schwindeln. Und schon stand im nächsten Moment- als er sich noch über die Weissagung über Stier und Löffel zu wundern begann- eine junge Frau vor ihm. Marcus hielt dem Atem an, widerstand der Versuchung einen hastigen Schritt zurück zu machen, in der Hoffnung, die Larvin würde vor ihm gar wieder verschwinden, doch dann sprach sie gar noch. Einige Herzschläge später war Marcus fast überzeugt davon, die Frau, mehr das Mädchen- so knabenhaft erschien sie Marcus- war doch aus weltlichem Fleisch und Blut. So nahm er den Beutel, dem ihm Hannibal aus dem Hintergrund reichte und gab den ledernen, dunkelblauen Beutel an die junge Frau weiter.


    “Salve, wir möchten das Orakel um eine Weissagung bitten, sofern die Götter ihr einen Blick in unsere Zukunft gewähren möchten und das Orakel heute bereit wäre, unsere Frage entgegen zu nehmen!“


    Marcus war sich allzu deutliche bewusst, daß er der Sibylle damit zwei Gelegenheiten gab, sein Ansinnen abzulehnen. Daß er das tat, lag gewiss nicht daran, was vor ihm lag und daß eine Hochzeit anstand, sondern daß er einfach Angst hatte einen Ausblick auf seine Zukunft zu erhalten.

  • Mit großen Augen sah Epicharis ihren Verlobten an. Es war ihm zu schauderlich gewesen, die Sibylle von Baiae aufzusuchen? Nanu? Dabei war doch so gut wie gar nichts dabei, in eine stockfinstere Grotte einzutreten, aus der mythisch anmutende Musik und ein Grollen von der Ferne erklang....lediglich mit einer schwachen Gänsehaut, so wie jetzt gerade, musste man rechnen. Gerade wollte Epicharis Aristides damit necken, dass er ein Angsthase war, da tauchte eine grässliche Hydra aus dem Nichts auf und sprang ihnen förmlich in den Weg. Augenblicklich hatte Epicharis allen gutmütigen Spott vergessen und machte nun selbst einen erschrockenen Satz, der sie auf peinliche Tuchfühlung mit Aristides brachte. Wie von selbst hatte ihre Hand erschrocken den Weg in die seine gefunden - im Schutzsuchen waren Frauen einfach unschlagbar. Das Herz pochte ihr bis zum Hals, und nur langsam verwandelte sich die giftspeiende Hydra in ein Mädchen, das gar nicht einmal so böse dreinsah. Trotzdem blieb da die Frage, wo sie so plötzlich herkam... Epicharis brachte wieder einige Zentimeter Luft zwischen sich und Aristides' Seite, ließ jedoch ihre Hand in seiner. Sie nun wieder fortzunehmen, wäre ihr wie ein Stoß vor den Kopf vorgekommen. Außerdem würde sie ihm irgendwann ohnehin nahe sein - und hier drinnen sah sie sowieso niemand, wie sie Händchen hielt.


    Aristides schien weitaus gefasster zu reagieren als die Claudierin, wie sie mit einem zweifelnden Blick feststellte. Entweder, er war ein erstaunlich guter Schauspieler - oder die Geschichte war gelogen, dass er sich niemals zu der Sibylle in Baiae hineingetraut hatte. Nur was von beiden der Fall war, vermochte sie schwerlich zu sagen. Bald fand ein blaues Säckchen den Weg von ihm zu dem Mädchen, welches Epicharis sich immer noch skeptisch besah, um für den Fall der Fälle (wenn ihr Schlangen aus dem Kopf sprossen) schnellstens Kehrt zu machen und zu türmen. Das musste der Weihrauch sein, und Epicharis fragte sich, wozu man in dieser ohnehin schon klebrig-stickigen Luft noch mehr von dem Zeug verräuchern wollte. Aber die Diener der Sibylle würden schon wissen, was sie taten, also schwieg Epicharis dazu und ließ Aristides reden. Seine Worte waren komisch gewählt, doch den Sinn hinter seiner ausflüchtigkeitbietenden Sprachweise ergründete Epicharis der Aufregung wegen nicht, sondern stand weiterhin leicht nach hinten versetzt neben Aristides und gab sich alle Mühe, weder ängstlich noch abenteuerlustig zu wirken und auch nicht in irgendeiner Weise wie ein dummes Frauchen oder aber eine allwissende Matrone. Kurz: Epicharis stand neben ihrem Verlobten und wirkte schlicht und ergreifend......anwesend.

  • Das Mädchen nickt ein wenig schüchtern und nimmt den Weihrauch entgegen. Sie öffnet den Beutel, greift hinein und holt ein paar Körner heraus. Nach einer Riechprobe nickt sie nochmal und versucht dabei sehr weise und erfahren auszusehen. "Die Sibylle ist bereit, eure Frage entgegen zu nehmen, ob die Götter ihr und damit auch euch eine Antwort gewähren, dies liegt nur im Ermessen der Götter."


    Umständlich hält sie den Beutel in der einen Hand, während sie mit der anderen eine Tabula hinter ihrem Rücken hervor zieht, die dort zwischen Kleid und Gürtel hing. Noch etwas mehr um Würde bemüht und mit ernster Stimme, rezitiert sie dann den Warnhinweis, der knapp zweitausend Jahre später womöglich 'Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie ihren Arzt oder Apotheker.' geheißen hätte, an diesem Tag doch folgendermaßen lautet: "Stellt nun eure Frage, Sterbliche, doch wählt weise, denn manches mal ist es besser, Antworten im Verborgenen zu lassen, als nach ihrer Enthüllung zu trachten!"

  • Marcus schluckte! Eine junge Frau, nein ein Mädchen hatte ihn durchaus mit wenigen Worten etwas aus der Fassung gebracht. Denn manches mal ist es besser, Antworten im Verborgenen zu lassen, als nach ihrer Enthüllung zu trachten! Fürwahr, so sah Marcus das auch. Nur mit Mühe unterdrückte Marcus den Impuls Hilfe suchend zu seiner Verlobten zu sehen. Doch ein Teil seiner Selbstbeherrschung war noch vorhanden und er sah die Priesterin starr und mit verschmälerten Lippen an, eh er sich leise räusperte um ein wenig Zeit zu schinden. Denn die junge Frau stellte eine nicht unbedeutende Frage. Nämlich die Frage um ihre Frage und ihr Anliegen. Wird sie mit Tellern nach mir werfen? Nein, das war wahrlich keine richtige Frage, denn dann würde Epicharis- ob sanftmütig oder nicht- wohl doch zu derartiges gereizt werden. Wird die Ehe eine Tartarusfahrt werden? Doch eigentlich war Marcus nicht so ein Pessimist. Im Gegenteil, frohen Mutes und doch recht entspannt hatte er den Anfang ihrer Verbindung erlebt und alle schlimmen Erinnerungen an seine erste Frau verdrängt. Zumal war er immer mehr positiv von Epicharis überrascht gewesen. Sie war weder übertrieben schüchtern, verbiestert oder affektiert.


    So bestimmt das Mädchen den Blick auf ihn- Marcus Flavius Aristides- richtete, erwartete sie wohl durchaus von ihm die Frage. Marcus dachte nach, legte eine Hand- die Rechte- auf den Rücken und mit der Linken trug er sein Gewand- was in den letzten Jahren immer öfter statt der toga getragen wurde- auf der richtigen Höhe um nicht würdelos vor einer Priesterin oder dem Ohr des Orakels zu wirken.


    „Wir gedenken zu heiraten. Und wir möchten- voller Ehrfurcht vor den Göttern- um ihre Gunst bitten, ob sie uns einen Blick auf unsere Zukunft gewähren mögen. Wird unsere Verbindung unter einem guten Stern und sie vor den Göttern und den Augen der Menschen wohlgefällig sein, dabei lange währen?“


    Jetzt sah Marcus doch zu Epicharis, denn er wollte nicht die Frage an die Götter- die vor einem Orakel seine Erste war- gar noch vermasseln. Herrje, vielleicht hätte er Hannibal noch vorher um eine kluge Frage bitten sollen? Doch jetzt war es zu spät zu seinem Sklaven zu spähen und zu erfahren, was er hätte besser sagen können.

  • Epicharis staunte nicht schlecht. So ein junges Mädchen, und sie klang schon sehr erfahren und reif. Die Situation kam ihr zunehmend gruseliger vor. Verstohlen warf sie Aristides einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Die Priesterin schnüffelte an dem Weihrauch herum und zauberte ganz plötzlich eine Wachstafel samt Griffel hervor. Auch der Mann an ihrer Seite schien leicht angespannt. Doch so ängstlich Epicharis auch war, so aufgeregt und abenteuerlustig war sie, was dieses Unternehmen anging. Nun fand ihre kleine Hand doch den Weg in jene ihres Verlobten, und zwar ganz von selbst. Die Claudierin machte einen halben Schritt nach vorn und räusperte den Frosch in ihrem Hals fort, denn er fühlte sich eher wie eine dicke, schleimige Kröte an. Es folgte eine eindringliche Warnung der Priesterin an das Pärchen, und Epicharis warf Aristides einen Blick zu. Jetzt wurde es spannend! Sollten sie das Orakel fragen, ob sie hübsche Kinder bekommen würden? Damit täten sie es austricksen, denn wenn es mit einem Ja antwortete, war raus, dass Aristides Epicharis ehelichen würde. Wenn es aber nein sagen würde, so wäre nicht klar, ob nur die Kinder hässlich oder gar die Ehe nicht zu Stande kommen würde. Unschick nagte Epicharis an ihrer Unterlippe, und unterließ es sofort, als sie es merkte. Vielleicht sollte sie auch fragen, ob er wirklich so charmant und zuvorkommend war - oder ob er sich nur so gab, um sie zu umgarnen? Aristides jedoch wirkte nun vollkommen gefasst und souverän, als er die Frage formulierte. Zufrieden vernahm sie seine Worte, sie hätte die Frage, die eigentlich aus vielen kleinen Fragen bestand, nicht besser formulieren können. Als er sie ansah, lächelte sie ihm kurz zu; seine Hand zu drücken erschien ihr dann doch zu viel für den Moment. Dann sah sie die Priesterin erwartungsvoll an, wie sie eifrig auf der Tafel kritzelte. Nun hieß es wohl warten.

  • Wie üblich versuchen die Fragesteller ihre Einschränkung auf eine Frage zu umgehen, in dem sie gleich mehrere Fragen in einen langen Satz einbauen. Die junge Priesterin mag noch nicht lange Priesterin sein, aber die Tricks sind immer die selben. Aber die Götter lassen sich nicht austricksen, das weiß das Mädchen. "Wartet hier."


    Sie dreht sich um und tritt mit federnden Schritten in den Gang zum Heiligtum. Ihr langes, weißes Kleid geht bis auf den Fußboden und verdeckt, dass sie auf den Zehenspitzen wippt und so ihren schwingenden Gang erzeugt. Ihre Arme schwingen im Rythmus der Schritte zur Seite und ihre ganze Gestalt hat den Anschein, als würde sie ein paar Finger breit über dem Boden schweben. Nicht zuletzt wird dieser Eindruck durch den Wechsel aus Licht und Schatten verstärkt, durch welchen sich die Priesterin hindurch bewegt, bevor sie in der Grotte der Sibylle verschwindet.


  • Epicharis blickte der wallenden Gestalt sprachlos hinterher und wagte es erst zu flüstern, als das Mädchen schon weit genug weg war, um ihre Worte zu hören. "Hast du das gesehen?" wisperte sie. "Sie ist beinahe geschwebt! Wie lange muss man wohl üben, um so beschwingt gehen zu können?" Fasziniert sah Epicharis der Priesterin noch hinterher, bis sie endgültig ein einem der Schatten verschwand, die immer wieder vom Licht durchbrochen wurden. Schließlich wandte sie sich zu Aristides um und zog ihre Hand, die in seiner lag, mitsamt der seinen hervor, um einen kurzen Augenblick darauf zu schauen. Bald fand ihr Blick jedoch den seinen. "Jetzt müssen wir warten. Jetzt wird es sich entscheiden."


    Die Stimme klang so gar nicht mehr wie die ihre, sondern wirkte fast ein wenig melancholisch und verwirrt, zugleich aber auch sanft, was wohl die Umgebung machte und der Umstand, dass Epicharis leise sprach, wie sie so vor ihrem Verlobten stand und zu ihm aufsah.

  • Verblüfft bemerkte Marcus die zierliche Hand, die sich in die Seinige schob. Einen Herzschlag war Marcus darüber nur verwundert, doch dann schloß er sanft seine schwielige Hand um die von Epicharis und sah unverwandt auf die Priesterin, die sich schon umwandte und auf eine höchst erhabene Art durch das Wechselspiel von Licht und Schatten, was ihrer schmalen Gestalt die Erscheinung einer sphärischen Wesen verlieh, glitt. Daß genau dies der beabsichtigte Eindruck war, den Gedanken hegte der in dieser Hinsicht noch gutgläubige Marcus nicht. Zumal er von der zarten Berührung der jungen Frau an seiner Seite etwas aus dem Konzept- wenn er eines hier hätte- gebracht wurde. Marcus wandte sich zu Epicharis um und sah in ihr schönes Antlitz und insgeheim befand Marcus, daß Epicharis durchaus ebenso erhaben gehen konnte wie das Priestermädchen. Es war dann ein ganz eigentümlicher Moment, eigentlich wollte Marcus dementsprechend etwas erwidern und öffnete schon den Mund. Doch eine seltsame, gar schon aufwühlende Aura umgab sie, Epicharis Blick minderte dies nicht im Geringsten. Marcus freie Hand hob sich zu ihrem Kinn und streifte sie sanft an ihrer zarten Haut an der elegant geschwungenen Kinnlinie. Ein Teil von ihm war in jenem Moment sehr versucht, die junge Frau zu küssen. Doch dann wurde er sich der Blicke der Sklaven bewusst und unterdrückte dieses Verlangen, wenn es auch seine Augen einen Herzschlag offenbart hatten, ebenso die Haltung seines Körpers. Doch dann wandte er den Blick von Epicharis ab und guckte durch den Licht durchfluteten Gang, der sich so harmonisch mit dem Schatten vereinte. Leise murmelte er, dabei innerlich recht angespannt:


    „Ja…jetzt wird es sich zeigen…“

  • Kreischen, Gekicher und Heulen dringt zuerst leise aus dem Gang heraus und geht bald über in ein leises Gejammer. Aus dem Heiligtum weicht sonst nur das Flackern des Feuers im Inneren und es dauert lange, bis das junge Mädchen den Gang entlang zurück schwebt. Sie bemüht sich, ein ernstes Gesicht zu wahren, bis sie vor Aristides und Epicharis steht. Es ist nicht einfacht, ihren langsamen Schritt beizubehalten, denn das Drängen in den Gesichtern der Fragenden ist immer gleich.


    "Dies sind die Worte der Sibylle" Verkündet die Priesterin und beginnt die Worte von einer Tabula zu lesen.



    Den Apfel möget ihr auf den Kopf treffen, doch bedenket es fällt der Nagel nicht weit vom Stamm.
    Göttern ist viel zu versprechen, doch wer mag ihnen die Sterne vom Himmel rauben?
    Ist der Wurm erst im Holz versenkt, so wird auch der späte Vogel nicht Gold am Abend finden.
    Alles was der Morgen bringt hat der Abend verloren und dennoch wird wieder der Tag geboren.
    So wird auch der Abend niemals am Anfang stehen, sollte die Welt auch zugrunde gehen.
    Völlig in Einklang sind der Parzen Gewebe, gleich was der Mensch im Leben glaubt.
    Egal was geschieht hat noch jedes Jahr der Hades die Proserpina geraubt.
    Aber der Lauscher mit den großen Löffeln an der Wand hört gar nur seine eigene Schand.
    Meinen die einen zu gefallen, meinen die anderen zu fallen, doch werden die Worte nur leer hallen.
    Segen und Wohl, so wollen es die Ahnen verlangen, so muss es sein.
    Habt Acht und Sorge, denn der Tartaros ist nie weit.
    Ihr müsst doch beide vergehen, ob alleine oder zu zweit.


    Bestimmt hält das junge Mädchen den beiden die Tafel hin.

  • Der Umstand, dass Aristides seine Hand um ihre schloss, beruhigte die junge Dame doch etwas, und sie sah es als gutes Zeichen an, dass sie nicht der pure Ekel überkam, wenn sie ihren Verlobten berührte oder er sie, wie es jetzt der Fall war, da er ihr in einer zärtlichen Geste über das Kinn strich. Epicharis musste unwillkürlich lächeln dabei. Sie sah ihn einen Moment an und schlug die Augen anschließend nieder. Jetzt würde es vermutlich passieren! Wie es wohl sein würde? Tanta Sagitta hatte ihr von ihrem ersten Kuss als nass und widerlich erzählt. Nun ja, genaugenommen wäre das sogar Epicharis' zweiter Kuss - sofern man diesen ungestümen Elfjährigen damals in Tarraco berücksichtigte und nur Küsse auf die Lippen zählten, hieß das. Doch nichts dergleichen geschah, und indem er den flüchtigen Moment vorbei gehen ließ und sich anschließend abwandte, verwirrte er Epicharis nur einmal mehr. Zugleich war sie aber auch seltsam erleichtert, dass dieses "nasse und widerliche" Ereignis wohl noch etwas auf sich warten lassen würde.


    Seine Stimme klang leicht verändert, und obwohl Epicharis Aristides noch nicht sehr lange kannte, so sagten ihr die weiblichen Sinne, die jeder Frau zu eigen sind, doch, dass er mindestens ebenso angespannt auf die Priesterin wartete wie sie selbst. Ein Schreien, Gesang und Wimmern erklang derweil, und Epicharis verlagerte rastlos das Gewicht von einem Bein auf das andere. Bald darauf (Epicharis wäre vermutlich in Bälde vor innerer Anspannung vergangen) erschien die Priesterin am Ende des Ganges und näherte sich dem wartenden Paar. "Sie sieht so schrecklich ernst aus", wisperte Epicharis ehrfürchtig, ehe die Priesterin sie hören konnte. Ob das etwas mit der Offenbarung zutun hatte? Mit einem Mal bekam sie nun echte Angst. Ihre Hand in Arisitides' wurde noch kleiner als ohnehin schon, denn die Claudierin ballte sie zur Faust. Mit angehaltenem Atem vernahm sie nun die Worte des Orakels.


    Als die Priesterin geendet hatte, stieß Epicharis die Luft in einem langgezogenen Seufzer aus und wandte den Blick zu Aristides. Kein Wort kam über ihre Lippen, und doch stand da leichte Ratlosigkeit in ihrem Blick. Diese Weissagung klang so...neutral? Bei ihren vorherigen Weissagungen war zumindest ein Hauch von Pro oder Contra ersichtlich gewesen, aber diese Worte... Epicharis war verwirrt, und das spiegelte sich in ihrem Blick auch nur zu deutlich wider. Mechanisch nahm sie die Tafel und nickte der Priesterin dankend zu.

  • Allerlei verblüffte, verwunderte und auch etwas verschreckte Mienenspiele waren bei Marcus zu erkennen als er das Gekreische und das Wimmern, die Laute wahren religiösen Eifers und der göttlichen Offenbarung vernahm- dahingehend war Marcus nun mal genauso leicht zu beeindrucken. Doch nach einer Weile wurde das Unbehagen in ihm doch etwas geringer, so dass er sogar fast erleichtert war, als die Priesterin zurück kehrte und die Worte der Götter mit sich trug. Aufmerksam lauschte Marcus den Worten, eine Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen, denn schon nach den ersten beiden Zeilen war Marcus heillos verwirrt und konnte nicht mehr recht dem Sinn und dem Inhalt folgen. Wobei der erste Spruch Marcus noch gänzlich aufging, denn er hätte ihn sicherlich ähnlich formuliert. Das mit den Steinen, Würmern und Vögeln war Marcus dann schon wieder zu ominös. Eigentlich kam es ihm sogar ein wenig absurd vor, doch er verbot sich solche Gedanken. Sicherlich waren das hohe Weisheiten, die nur ein großer Philosoph oder ein Gelehrter zu entziffern vermochte und nicht einer wie er, Marcus. Am Ende der Weissagung war Marcus genauso schlau wie vorher und sah ratlos zu Epicharis, womöglich hatte sie es verstanden. Doch die junge Frau sah genauso ratlos- oder unzufrieden bis verblüfft?- wie Marcus zu der Priesterin. Marcus spähte auf die tabula, überließ sie lieber Epicharis, denn die Blöße, sie im Tempel leise flüsternd wieder geben zu müssen, in seiner üblich stockenden Leseweise, das wollte er wahrlich nicht. Auch wenn er irgendwie schon gerne wissen wollte, ob er sich nicht einfach verhört hatte. Mit einem marginalen Lächeln wandte sich Marcus noch an die Priesterin.


    „Wir danken dem Orakel und werden den Rat und die Weissagung der Götter stets gut bedenken. Vale.“


    Marcus hatte nicht den blaßesten Schimmer, was er daran berücksichtigen sollte und was überhaupt der Rat war, aber dafür gab es genug Priester in der Familie. Marcus lächelte Epicharis zu und wandte sich dann um, verließ mit einigen Schritten auch den Tempel. Am Fuße des Tempels und neben den Treppen blieb Marcus wieder stehen und atmete die frische Luft Roms- wie üblich stinkend und etwas morastig- ein. Aber es war alles besser als das betäubende Weihrauchgemisch im Inneren des Tempels.


    „Nun, Epicharis, ich muß zugeben, die Worten haben mir auf Anhieb nicht ihren Sinn verraten. Außer...“


    Marcus verstummte. Das mit dem Tartaros klang nicht gerade sehr optimistisch und Marcus wußte nicht recht, was er davon denn halten sollte.

  • Der ratlose Blick, den Epicharis von Aristides auffing, konnte sie nur in gleicher Weise zurückgeben. Sie war eigentlich felsenfest davon überzeugt gewesen, dass man den Worten des hiesigen Orakels zumindest etwas entnehmen konnte, aber nun schien ihr das unmöglich. Sie unterdrückte den Impuls, sich ungeniert und gleichsam ratlos am Kopf zu kratzen, murmelte der Priesterin einen Dank zu und wandte sich um, um an Aristides' Seite diese stickigen Gewölbe zu verlassen.


    Als sie hinaustraten, tat sie es ihm gleich und atmete zuerst einige Male tief ein und aus, die Luft genießend, die zwar längst nicht so frisch wie die auf dem Land, aber doch weniger opiatgeschwängert war als jene in den Gewölben des Orakels. Sie sah auf, als Aristides gestand, die Worte nicht deuten zu können. Etwas bedrückt blickte sie sodann auf die schmale Wachstafel und überflog einige Wortfetzen, sah aber erneut forschend auf, als Aristides plötzlich verstummte.


    "Außer...?" hakte sie nach. Doch es blieb dem Flavier nicht genug Zeit für eine entsprechende Antwort, da Epicharis sogleich weitersprach und ihre Ansicht der Dinge nur allzu ausführlich und ziemlich verworren zum Besten gab. "Ach weißt du, ich denke, So wird auch der Abend niemals am Anfang stehen, sollte die Welt auch zugrunde gehen bedeutet, dass die Götter in unserem Fall nicht vorhersagen können, welche Auswirkung letztenendes eine Entscheidung in dieser Sache haben wird. Oder hier...Völlig in Einklang sind der Parzen Gewebe, gleich was der Mensch im Leben glaubt...das bedeutet doch, dass wir auf die Schicksalsspinnerinnen vertrauen sollen. Und darauf, dass sie unser Boot in sichere Gewässer lenken werden, meinst du nicht auch? Segen und Wohl, so wollen es die Ahnen verlangen, so muss es sein....hmm, das klingt, als ob alles rechtens ist, wenn wir nur traditionsgemäß leben und nicht auf die alten Bräuche vergessen."


    Epicharis ließ die Tafel sinken und blinzelte Aristides nach Bestätigung suchend an. Habt Acht und Sorge, denn der Tartaros ist nie weit, ihr müsst doch beide vergehen, ob alleine oder zu zweit... Das wusste wie zwar nicht recht zu deuten, nicht einmal ansatzweise, aber da das Orakel nichts abgrundtief Negatives von sich gegeben hatte, war Epicharis eigentlich bester Dinge. "Marcus?"

  • Stumm und lauschend verschränkte Marcus seine Händer vor der Brust und war weiterhin ratlos. Woher sollte auch gerade er- der doch am Wenigsten in der Familie von solchen Belangen wußte- den Spruch des Orakels deuten können? Da Marcus nicht ganz folgen konnte, schweifte seine Aufmerksamkeit ab, besonders da einige Sklavinnen vorbeigingen, die tönerne Amphoren auf ihren Schultern trugen. Einer der von der Sonne geliebkoste Sklavin hatte es Marcus sofort angetan. Seine Augen blieben auf ihrer goldbraunen Haut hängen, auf ihren runden Schultern, die Wölbungen, die sich unter der dünnen tunica abzeichnete und ihr wohl geformtes Gesäß, was sich bei jedem Schritt munter bewegte. Marcus lächelte entzückt und sah weiter dorthin. Die Sklavin, die seinen Blick spürte, wandte ihren Kopf, lächelte ebenfalls und zwinkerte Marcus keck zurück. Tief einatmend mußte sich Marcus schwer beherrschen und war völlig von diesem Bild gefangen- bis er seinen Namen aus Epicharis Mund vernahm. Ein Wenig irritiert riß er seine Augen von dem Anblick los und wandte sich Epicharis zu. Ein „Ähm?“, kam von ihm. Er sah die tabula, dann wieder Epicharis an und nickte ein Wenig.


    „Darf ich...?“


    , fragte er und ließ sich die Weissagung reichen. Völlig ratlos sah er auf das Gekritzel und hob seinen Finger, um die Zeilen besser lesen zu können.


    „Vielleicht fragen wir einfach meinen Vetter Gracchus. Er ist ein wahrhaftes Genie, zudem kennt er sich mit Sicherheit mit solcherlei Dingen aus...hmmm....also...ja, Du wirst wohl recht haben...“


    Eigentlich hatte Marcus nur die Hälfte mitbekommen von Epicharis Worten. Irgendwas mit Boot und Schicksalsweberinnen. Sein Finger ruhte auf dem ersten Wort, was er leise von sich gab- Marcus konnte einfach nicht lautlos lesen, dafür war er zu ungeübt. Manche Wörter schien er jedoch nur noch zu Wispern, andere sprach er klarer aus.


    „ Deeen.....Göt-teern...hmm.....Also....Ist....“


    Marcus grummelt leise vor sich hin, ehe ihm abermals ein Wort und noch Eines entschlüpfte.


    „...Al-les....So...Vööl-lig...“


    Marcus kratzte sich verwundert am Nacken, für ihn war das einfach eine Geste, die er nicht unterbinden konnte.


    „...Eeegal...“


    Marcus mühte sich, so leise es ging und so wenig peinlich es wirkte mit der tabula weiter ab.


    „...Aber.....Meinen....“


    Kopfschüttelnd verharrte Marcus und seufzte leise, doch er wollte unbedingt noch mal die letzten Worten schaffen, um doch noch einen Sinn dahinter zu entdecken.


    „...Segen....Habt....Ihr......! Hmmm....also Tartaros klingt wirklich nicht gut.“


    Marcus sah auf und zuckte verwirrt mit der Schulter. Gracchus mußte ran, das war Marcus nun völlig klar.

  • Wie er so mit den verschränkten Armen dastand, kam er Epicharis zum ersten mal wie der Centurio vor, der er ja auch war. Und als er dann völlig ungeniert dieser vorbeiwatschelnden Sklavin hinterherstarrte, zog Epicharis verstimmt die Lippen und Brauen zusammen. Ihr erschien Aristides mit einem Mal mehr Mann zu sein als noch vor wenigen Minuten. Noch ließ sie ihm das durchgehen, aber wenn sie ersteinmal verheiratet waren...


    Wortlos reichte sie ihm die Wachstafel und stellte sich sodann so hin, dass sie mitlesen konnte. Was sie zugegebenermaßen etwas erschreckte und gleichzeitig in eben dem gleichen Maße faszinierte war, dass Aristides scheinbar nur unter einiger Anstrengung lesen konnte. Abwechselnd sah sie auf die Worte, welche in das Wachs geschrieben waren, dann auf seine leise flüsternden Lippen und zu seinen zwischen den Worten hin- und herhuschenden Augen. Da sie so nah bei ihm stand, konnte sie die gemurmelten Worte vernehmen, fragte sich aber, wo er sie ablas. Irritiert versuchte sie die Stelle im Text zu finden, wo er gerade las, doch es gelang ihr nicht. Begierig darauf, den Rest dieses imaginären Textes aus Aristides' Mund zu erfahren, lauschte sie weiter. Am Ende sah sie ihn sekundenlang nur verblüfft an.


    "Den Göttern also ist alles völlig egal, aber meinen Segen habt ihr?" fragte sie ihn, ohne allzu viel Verständnis für diesen Satz mitzubringen. Mit großen, fragenden Augen sah sie ihn an.

  • Das Lärmen und die Tumulte gingen um sie herum weiter. Die Scheibe der Welt- so in Marcus Vorstellungen- drehte sich unerheblich in jenen Momenten weiter, aber dennoch ohne auf ihre Belange zu achten. Und so war es scheinbar auch mit den Göttern, die in ihnen beiden nicht mehr als zwei Menschenleben in dem Treiben der ewigen Stadt sahen oder zumindest mit Kriegsplänen in Parthia- zumindest Mars- mit dem Bewachen des Goldschatzes- Saturn- oder einfach mit dem sich herumtreiben lassen und Frauen nachstellen- Iuppiter- beschäftigt waren. Nichts ahnend stand Marcus noch im Lichte von Sols Strahlen, hatte die Augenbrauen gerunzelt und starrte konzentriert auf die Wachstafel hinab. Nein, es wollte ihm einfach nicht aufgehen, was dort stand, was der Inhalt und besonders der Sinn dahinter war. Womöglich konnte er auch seinen Sklaven um Rat fragen, der hatte doch einen Faible für Philosophie- im Gegensatz zu Marcus, der Empedokles oder die Stoa für ein exotisches Gericht gehalten hätte. Doch dann kam die Lösung, von den Lippen seiner Verlobten. Marcus sah auf und Epicharis sprachlos an. Woher wußte sie das? Und das nach so einem kurzen Moment.


    „Ist das der Sinn hinter den Worten, Epicharis? Und wie hast Du das heraus gefunden? Das ist wahrlich...“


    Frauen eben, dachte sich Marcus. Die konnten so was. Wenn er da nur an seine Mutter dachte, dann verwunderte ihn das Ganze nicht. Marcus lächelte und sann einen Herzschlag über die Worte nach. Den Göttern war es egal? Nun, das klang nicht so großartig. Aber ihren Segen hatten sie?

    „Aber was wohl mit 'meinen Segen' gemeint ist? Das des Orakels? Aber nun, ich kann Deinen Scharfsinn nur bewundern, Epicharis. Dann ist das Rätsel um das Orakel gelöst. Aber ob es zufrieden stellend ist? Nun, die Götter sind nicht immer derart gnädig, unsere Wünsche sofort zu erfüllen. Aber vielleicht erkennen wir noch eines Tages, was die wirkliche Bedeutung jener Worte sind, meinst Du nicht auch?“

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