Hortus - der Garten

  • Melina schien verstanden zu haben. Auch wenn sie nicht gerade glücklich aussah, sie hatte offenbar seinen Standpunkt begriffen und würde hoffentlich seine Worte beherzigen. So knuffte Sermo die kleine Schwester und lächelte aufmunternd. "Keine Sorge, eine Modeschnepfe wirst du schon nicht. Nicht, solange ich hier noch etwas zu sagen habe." Er grinste, musste er sich die freche Quintilia doch im modischen Kleidchen, mit hochgesteckten Haaren und frommem Gesichtsausdruck vorstellen, was ihm irgendwie unvorstellbar komisch vorkam. "So, jetzt wollen wir etwas essen. Ich habe einen unglaublichen Kohldampf!" Wie bei seiner Ankunft im alten neuen Heim waren als Vorspeise Oliven und Brot mit einer würzigen Soße serviert worden. Dazu gab es allerdings keine gefüllten Weinblätter und Eier, sondern kleine Teigtaschen, wahlweise gefüllt mit Hackfleisch und Gemüse. Sermo bedeutete Melina sich zu bedienen und nahm sich selbst eine Teigtasche, die er sich genüsslich in den Mund schob. Als er geschluckt hatte, stellte er fast beiläufig eine Frage, die ihm schon die Ganze Zeit auf der Zunge brannte. "Sag mal...wo hast du dich denn nun eigentlich die ganze Zeit herumgetrieben? Wie hast du überlebt und mit wem warst du unterwegs?" Interessiert sah er die Jugendliche an, die von Fortuna übermäßig gesegnet zu sein schien.

  • Melina atmete beruhigt aus. "Ich dachte schon," sagte sie mit einem freundlichen Lächeln. Melina griff sich mehrere Teigtaschen mit Gemüse, um sich diese schwungvoll in den Mund zu stopfen. Natürlich achtete sie ein wenig auf sich aber man sah doch einige Kaubewegungen. Sie kaute wahrlich, wie eine Kuh. Sie wandte sich mit ihren wunderschönen Augen zu ihrem Bruder. Sie schluckte kräftig, um nicht mit vollem Mund zu sprechen. Sie kicherte.


    "Überall!" Melina streckte ihren zarten Arm in den Himmel. "Nur dort noch nicht!" Sie lachte laut. "Ich trieb mich auf der Straße herum und arbeitete hier und da. Ich konnte mich über Wasser halten. Mit wem ich unterwegs war? Mit meinen Freunden, meiner Bande! Ich musste sie leider zurücklassen." Melinas Blick füllte sich kurz mit Traurigkeit. "Es waren ehrliche Menschen, nicht so sinnleer, wie die meisten Menschen." Ihr Blick hellte sich wieder auf als sie sich ihren Becher erneut füllte. Sie trank diesen gefüllten Becher in einem Zug leer und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.


    "Brüderchen, das Essen ist köstlich!" Mit einer ausnahmsweise sanften und weiblichen Bewegung legte sie ihren Arm um ihren Bruder. Sie klimperte kurz mit ihren doch schwungvollen Wimpern. "Sag', wie erging es dir? Ich möchte alles wissen!"Schnell versuchte sie wieder von sich abzulenken und ihren Bruder reden zu lassen. Ihre Vergangenheit sollte nun nicht weiter aufgewärmt werden. Zumal Melina neugierig war.

  • Oliven fanden ihr Ende in Sermos Schlund. Melinas beinahe barbarisches Gehabe beim Essen quittierte er mit einem tadelnden Blick, beließ es allerdings dabei. Sie war überall gewesen? Mit einer Jugendbande offenbar. Der große Bruder seufzte und verputzte eine weitere Olive. Bei Bacchus' Wampe, wie er diese Dinger liebte! Melinas Trauer über den Verlust der Freunde berührte ihn nicht im Geringsten. Stattdessen beobachtete er seine Schwester genau und musste feststellen, dass sie offenbar zu saufen gelernt hatte wie ein Loch. Er nahm ihr die Weinkaraffe aus der Hand und ermahnte sie wohlwollend. "Melina, du solltest nicht so viel trinken. Warte erst einmal auf den Hauptgang. So viel Wein bekommt dir nicht gut." Auch wenn es nur stark verdünnter Wein war, doch Sermo wollte so schnell kein Risiko eingehen. Immerhin war die Kleine erst seit nicht einmal über einer Stunde zuhause!


    "Diomedes hat wunderbar gekocht, ja. Ich bin schon sehr gespannt auf den Hauptgang, der wohl bald fertig sein müsste." Zu Sermos Überraschung gab Melina sich nun plötzlich ganz sanft und weiblich, klimperte sogar mit den Wimpern. Der Bruder warf ihr nur einen gespielt entsetzten Blick zu und begann dann in knappen Worten eine Zusammenfassung seines Werdegangs bis zu diesem Moment.
    "Du willst nicht alles wissen. Aber dennoch: Ich hatte eine sehr schöne Zeit in Griechenland. Dorthin bin ich zwecks meiner umfassenden Bildung in Rhetorik, Geschichte, Geographie, Mathematik, Philosophie und all den anderen wichtigen Künsten gezogen. Unsere Brüder haben übrigens auch dort gelebt und gelernt, zusammen mit mir. Seit ich von hier weggezogen bin sind nun auch schon...er musste überlegen...nun, es sind auf jeden Fall schon einige Jahre ins Land gegangen. Damals waren wir noch jugendliche Pimpfe, jetzt sind wir alle drei Männer geworden."
    Sermo musste grinsen und begutachtete in einer Redepause ein Stück Brot mit Soße, bevor er es sich in den Mund schob. "Und jetzt bin ich hier, seit einigen Tagen. Ich habe als letzter die Reise in die Heimat angetreten und freue mich wieder hier zu sein. Im guten, alten, stinkenden Roma."
    In diesem Moment kam Diomedes und brachte endlich den Hauptgang. Der war heute schlicht gehalten, denn Sermo hatte darauf bestanden nicht so oft Geld für teures Fleisch ausgegeben wurde, wenn ohnehin nur er in der Casa aß. Es gab Linsensuppe mit Speckstückchen und - natürlich - Fladenbrot. Sermo dankte Diomedes und betrachtete das neue Essen mit wässrigem Mund. "Wundbar. Ich liebe diesen Sklaven, er ist ein ausgezeichneter Koch!" Und schon schaufelte er die dickflüssige Suppe in die beigestellten Holzschälchen, von denen er eine seiner Schwester reichte. "Guten Hunger," wünschte er und schlürfte die warme Köstlichkeit.

  • Widerwillig ließ sie sich die Kanne aus der Hand reißen. "Na' gut," kommentierte sie das ganze und blickte träumend in ihren fast leeren Becher. "Geizhals!" Das dachte sie in diesem Moment.


    Aha! Ihr Bruder war ja so ein Streber. Lernen und Lernen, das war alles, was er kannte. Doch wo war der Spaß? Melina grübelte angestrengt und legte ihre warme Stirn in Falten. "Du hast also nur gelernt?" Sie schob ihre Unterlippe über ihre Oberlippe, um einen gespielt ernsten Blick aufzusetzen. "Wo ist denn da der Spaß?" Sie kicherte über die nicht ganz ernst gemeinte Aussage. Ihre Lippen verwandelten sich wieder in Venus-Netze.


    Als die Suppe aufgetischt wurde, schüttelte Melina sich. Linsensuppe, bah! Plötzlich stellte ihr Sermo ein Schälchen vor die Nase. Sie schluckte angewiedert. Linsen ein gar fürchterlicher Geschmack für einen Damengaumen, zumindest für ihren. Sie griff sich ein Fladenbrot, riss ein Stückchen heraus und kaute dann bockig, wie eine Kuh, auf dem Stück herum. Diese Suppe würde sie nicht anrühren, niemals! Da blieb sie besser bei Brot und den anderen Dingen auf dem Tisch. Linsen, bah! "Dir auch," sagte sie und kaute weiter bockig vor sich hin.

  • "Natürlich habe ich nicht nur gelernt!" rief Sermo entsetzt. Etwas ruhiger fuhr er fort. "Ich habe durchaus meinen Spaß gehabt. Bei Symposien, Wettkämpfen, mit Freunden, mit Frauen..."
    Pah, warum regte er sich überhaupt so auf? Von seinen Erfahrungen konnte Melina ja sowieso nur träumen! Sie hatte auf der Straße vermutlich nur Diebstahl und Überlebensangst kennen gelernt. Worum er sie nicht sonderlich beneidete. Er verdrehte die Augen und widmete sich seiner Suppe, die ein wahrer Genuss war. Die Vorspeise hatte nur bedingt seinen Hunger gestillt und so schob er sich Löffel um Löffel in den Rachen, bis er merkte dass Melina noch immer an ihrem Brot herummümmelte.
    Verwundert wandte er sich zu ihr um und fragte: "Hast du keinen Hunger?" Aber er registrierte ihren bockigen Gesichtsausdruck und verzog ärgerlich den Mund. "Jetzt erzähl mir nicht, dass du die Suppe nicht essen willst! Wenn du so lange auf der Straße gelebt hast, wirst du doch wohl kaum wegen einer Linsensuppe zieren!" Der große Bruder redete sich gerade tierisch in Rage. "Was ist bitte in dich gefahren? Hast du in deiner verfluchten Bande immer nur süßen Kuchen bekommen oder was?" Er hatte vor Wut sein Schälchen auf den Tisch zurückgestellt und den Löffel zur Bekräftigung seiner Worte irgendwo zwischen seine Füße auf den Boden gepfeffert. Dieses Gör machte ihn rasend, und das schon so kurz nach ihrer Ankunft!

  • Spaß mit Frauen? Ihr Bruder war wohl so einer. Melina verzog eine Braue und schmollte. Als Sermo auf die Suppe zusprechen kam, öffnete sie ihren Mund und starrte ihn entsetzt an. Sofort stand Melina auf. Das musste sie sich nicht bieten lassen. Ihr Bruder beschimpfte sie, weil sie ihre Suppe nicht essen wollte? "Pah", knatterte sie und stampfte mit einem überaus rigorosen Hüftschwung davon. Nach einigen Momenten kehrte sie um und stellte sich mit den Händen an der Hüfte vor ihren Bruder. "Das muss ich mir nicht bieten lassen! Ich mag einfach keine Linsen, deswegen musst du hier nicht so einen Aufstand machen!" Sie presste ihre vollen Lippen zusammen, die zu einem Strich verschmolzen. Ihr Bruder war ein ganz schöner Spießer, zumindest in ihren Augen. Sie schaute symbolisch an die Decke und machte: "Hmmm Hmmmm...Hmmm"


    Sermo sollte sich entschuldigen, denn sie hatte nichts Falsches getan. Sie wollte nur die blöde Suppe nicht essen. Ekelige Linsen, niemals! Da würde sie lieber sterben als Linsen zu essen. Sollte er doch weiter wüten und die Wohnung demolieren, sie bliebe stur. Hier begann nun der Krieg um's Recht haben!

  • Nun war es an Melina ihrem Zorn freien Lauf zu lassen. Und das machte sie nicht schlecht. Sermo blickte ihr zuerst stumm hinterher, nur um wenig später ihr Gefauche mit anhören zu müssen. Als sie geendet hatte, runzelte er böse die Stirn. "Na dann...gibt's eben keine Linsen für dich." Er nahm kurzerhand ihre Schüssel und kippte ihren Anteil zu seinem Rest dazu. "Viel Spaß mit Trockenbrot," fügte er gehässig hinzu und begann seine Suppe in aller Seelenruhe weiterzulöffeln. Diese kleine Zicke konnte rumnöhlen wie sie wollte, davon würde er sich doch nicht einschüchtern lassen. So würdigte er sie weiterhin keines Blickes, sondern nahm sich lieber noch ein Stück Brot zum eintunken.

  • Melina setzte sich starr neben ihren Bruder und nickte erbost. "Aber gerne doch!" Nun huschte doch wieder ein freches Lächeln über ihre Lippen, während sie sich bewusst ein Stück Brot griff. Natürlich standen noch die anderen Speisen dort, doch diese ließ sie nun bewusst außen vor. Nach einigen Momenten des sturen Brotkauens, stockte sie.. Sie wandte ihren wunderbar frechen Augen zu ihrem Bruder, bevor sie ihn locker anschaute.


    "Sag' mal, Iullus! Du erzähltest etwas von Weibergeschichten. Nun bin ich neugierig." Sie war wirklich neugierig und wollte mehr von ihrem Bruder erfahren, besonders, mit was er sich abgegeben hatte. Frech lächelte sie ihn an als sie sich ein weiteres Stück Brot hinter die wohlgeformten Lippen schob. Für Melina war der Streit abgehakt. Sie war kein Mensch, der ewig auf einem Thema herumtanzte.

  • "Das geht dich überhaupt nichts an," blaffte Sermo zurück. "Meine Erfahrungen mit Frauen sind nichts was ein Mädchen in deinem Alter zu hören bekommen sollte." Tjapp. Und mehr sagte er auch nicht weiter. Vielmehr löffelte er genüsslich seine Suppe, die Melina so bockig verschmähte. Es bereitete ihm eine gewisse Freude, jetzt ebenso stur zu reagieren. Natürlich waren die Dinge auch ohne seine Sturheit nichts was er Melina erzählt hätte. Sermo nahm sich noch etwas Brot hinzu und biss davon etwas ab. Kurz hielt er inne und warf seiner Schwester einen fragenden Blick zu. Wollte sie etwa mehr darüber wissen? Gespielt überrascht zog er die Augenbrauen hoch, widmete sich dann jedoch wieder der Suppe.

  • "Mich geht es schon etwas an! Ich bin deine Schwester," fuhr sie ihn an aber hielt ihre Stimme dezent zurück, denn sie wollte keinen neuen Streit vom Zaun brechen. "Ach, wirklich? So etwas Schlimmes tust du in deiner Freizeit, dass ich es nicht hören darf?" Sie grinste schnippisch und lehnte sich erfrischend frech an die Lehne. Sie befeuchte ihre vor Wut getrockenten Lippen mit einem kurzen Pinselstrich ihrer Zunge. Mit ihren funkelnden Augen blieb sie bei ihrem Bruder. "Leg' los. Ich bin ganz Ohr," sagte sie und umgriff den Becher. Melina wollte etwas in der Hand halten, um darin Rückhalt zu finden. Mit dem Becher in der Linken und dem Blick auf ihrem Bruder verharrte sie neugierig. Mal sehen, was Sermo nun herausrückte.

  • Sermo räusperte sich und ließ sein Essen für einen Moment nebensächlich sein. "Na hör mal. Dass du meine Schwester bist, heißt noch lange nicht, dass ich jetzt zur Plaudertasche mutiere, die aus ihrem Nähkästchen erzählt. Meine Erlebnisse mit Frauen gehen dich nichts an. Basta." Er hatte ganz ruhig gesprochen, auch er wollte den gerade verrauchten Zorn nicht wieder entfachen. "Und jetzt iss auf, es wird Zeit schlafen zu gehen." Sermo hatte Melinas Fragerei schlichtweg satt und würde sich daher nach der Cena zügigst ins Bett verkriechen. Morgen würde er dann umso früher das Haus verlassen können, um die Thermen zu besuchen.

  • Rumms! Melina rammte den Becher auf den Tisch und stand auf. Sie ließ sich doch nicht ins Bett befehligen, dieser Punkt hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Ihr Bruder hatte sich mal wieder direkt gegen sie gestellt und ihr Herz gebrochen. Warum war er immer nur so aggressiv zu ihr? Was hatte sie getan? Es war doch eine freundliche Frage, nach den Geschichten. Sie stampfte davon, ohne Worte, Richtung Schlafgemach. Sie würde erstmal nicht mehr mit ihrem Bruder reden. Er hatte es sich mit ihr verscherzt. Traurig und wütend hörte man noch ihr Schluchzen, dann war sie verschwunden.

  • Sermo verdrehte die Augen und seufzte, als seine Schwester die beleidigte Räucherwurst spielte und ins Haus stürmte. Verdammte Weiber dachte er bei sich und schlürfte grummelnd seine Suppe, obwohl ihm der Appetit vergangen war. Da war Melina heute erst hier angekommen und schon lagen sie im Streit miteinander. Welch wunderbares Familienglück! Sermo rief Diomedes und bedankte sich zerknirscht für das Essen, dann ließ er ihn in Ruhe abräumen und begab sich ebenfalls zu Bett. Melina würde sich schon noch beruhigen und in ihre Rolle hier einfinden.

  • Nach der Andacht für ihren verstorbenen Bruder Valentinus hatten sich Sermo und seine Schwester Melina auf der Steinbank im Garten niedergelassen. Diomedes brachte zwei schmiegsame Wolldecken, die sie vor dem kalten Lüftchen schützte, das sich hier durch die Zweige der Sträucher und Bäumchen kräuselte. Um einen unbekümmerten Ton bemüht, wandte Sermo sich an seine Schwester. "Ich bin froh, dass du wieder bei mir bist, Melina. Umso bedauerlicher ist, dass ich bald gen Ostia aufbrechen werde, um dort den Weg in die Stadtverwaltung einzuschlagen." Er wollte nicht direkt wieder zu herrisch klingen, deshalb drückte er seinen nächsten Wunsch vorsichtig und sehr gewählt aus: "Ich würde es begrüßen, wenn du in nächster Zeit den Einstieg in die römische Gesellschaft meistern würdest." In einem Moment der Beklemmung musste er abrupt an die letzte Gelegenheit zurückdenken, als sie hier so gesessen hatten. Melina und er hatten sich damals ganz ordentlich in die Haare gekriegt, weshalb war ihm entfallen. Vermutlich war es dabei um ihr furchtbares Benehmen gegangen.

  • Melina zog die Decke eng an ihren Körper. Es war doch recht recht frisch. Die Tränen waren zwar getrocknet, doch blieb ihre Mimik traurig. Der Wind wirkte seltsam auf ihrer Haut. Einerseits empfand sie ein Gefühl von Kälte aber andererseits auch ein Gefühl von Freiheit. Sie vermisste Valentinus aber nun mussten Entscheidungen getroffen werden. Melina hatte sich vor diesen Entscheidungen ihr bisheriges Leben lang gedrückt. Sie hasste es, entscheiden zu müssen.


    Melina blickte Sermo in die Augen als dieser begann. "Ich freue mich auch wieder bei dir zu sein," sprach sie leise, nicht, wie sonst so aufbrausend laut. Er wollte in die Stadtverwaltung? Ihr Bruder, ein Beamter? Gut, das passte zu ihm. "Das passt zu dir," kommentierte sie also schlicht. "Kann ich dich begleiten?" Dies war die direkte Anschlussfrage an seine Ausführungen. Sie wollte nicht allein in Rom zurückbleiben. Sie wollte bei ihm sein. "Das wird kein Problem sein, Brüderchen. Die römische Gesellschaft ist doch auch nur ein Theater und du weißt, wie gut ich schauspielern kann," sagte sie mit einem leichten Schmunzeln. Die Sonne schien, trotz der sie umgebenden Kälte, in ihr Gesicht zurückzukehren. Sie drückte sich leicht an ihren Bruder. "Lass' mich bitte nicht allein, inordnung?"

  • Melinas Worte über sein Vorhaben entlockten ihrem Bruder nur ein schwaches Schmunzeln. Ja, es passte wohl zu ihm, da hatte sie Recht. Auch, wenn er sich die Rolle eines Militärs ebenso gut vorstellen konnte. Als Nachfolger seines Vaters quasi. Doch dafür müsste er erst einmal mehr auf die Rippen bekommen, mit dem Schwert umzugehen lernen und das Ringen noch eine Spur professioneller beherrschen. Und natürlich die Examina an der Militärakademie absolvieren.
    "Mich begleiten? Hm," machte Sermo auf ihre Frage hin. Er war unschlüssig. War es sinnvoll, Melina mit nach Ostia zu nehmen? "Ich weiß nicht...ich glaube du solltest lieber hier bleiben. Auch wenn du gewiss eine gute Schauspielerin bist." Er lächelte aufmunternd, während er fortfuhr. "Ich werde ja oft zu Besuch kommen, so weit liegt Ostia ja nicht von Rom entfernt. Und Diomedes ist ja auch noch hier. Wenn du möchtest, kaufe ich dir auch eine Sklavin, damit du nicht mit dem alten Griechen allein über den Markt streifen musst." Er zwinkerte ihr zu und zwang sich zu einem breiteren Lächeln. Er wollte Melina in Rom wissen, wenn er fort war. Hier konnte, nein musste sie den Umgang mit anderen wohlhabenderen Römerinnen pflegen und sich die Tugenden einprägen. Aber das hatte er ihr ja schon einmal erzählt, wiederholen würde Sermo sich gewiss nicht. "Ich werde dich nicht allein lassen," bekräftigte er jedoch noch einmal, zur Beruhigung.

  • Melina kannte die Wahrheit oder zumindest kannte sie das, was sie dafür hielt. Sie blickte ihren Bruder erschüttert an. "Zu Besuch ist nicht das selbe, wie anwesend, Iullus." Sie blickte auf den Boden. "Du verstehst mich nicht. Was ist, wenn ich dich dringend brauche und du in diesem Moment nicht da bist? Ich fürchte mich davor, einsam zu sein," sprach sie offen mit einer leichten Angst in der Stimme. "Doch du lässt micht allein," schimpfte sie. "Eine Sklavin kann doch darüber nicht hinwegtäuschen. Du bist mein Bruder, lass mich dich doch begleiten." Melina blickte ihren Bruder vorwurfsvoll an. "Bitte," bekräftigte sie mit einem traurigen Hundeblick. Beruhigen wollte sich Melina nun nicht. Ihr Bruder hatte sie soeben verraten und sie in das Gefängnis Rom verbannt. Es erschien ihr fast so, als ob er sie loswerden wollte.

  • Bedauernd betrachtete er Melinas Mienenspiel. Sie hatte ja irgendwo recht, das wusste Sermo doch. Aber was sollte er denn in Ostia mit ihr machen? Er war doch kein Paedagogus, der sie ständig beaufsichten konnte, damit sie keinen Blödsinn anstellte. Und erst recht konnte er ihr nicht regelmäßig ein Lehrer der Tugenden sein, wenn er einmal richtig in der Arbeit steckte. Resignierend seufzte er auf und zuckte mit den Schultern. "Hm," machte er unschlüssig. "Ich kann dir natürlich auch nicht so direkt verbieten, mitzukommen..." Besonders jetzt konnte er ihr nicht einfach diesen Wunsch ausschlagen. Na, sollte sie ihn eben begleiten. Sie würde schon merken, wie langweilig Ostia für sie sein konnte. Oder, wenn Sermo Glück hatte, gefiel ihr der kleine Küstenort ja sogar. Das würde sich dann zeigen. "Also gut, dann komm eben mit mir nach Ostia. Du wirst ja sehen was du davon hast," stimmte er vorsichtig und warnend zugleich ihrer Bitte zu und machte sich bereits auf eine herzliche Umarmung oder ähnliche peinliche Gefühlsausbrüche gefasst.

  • Melinas Gesicht erhellte sich. "Danke, Brüderchen," strahlte sie ihren Bruder an. "Du sag: Wie ist Ostia eigentlich?" Melina war neugierig und hoffte wilde Geschichten über einen düsteren Ort voller Abenteuer zu hören. Sie war abenteuerlustig und freute sich wahrlich darüber, ihren sturen Bruder begleiten zu dürfen. Vielleicht half es ihm sogar, nicht komplett in der Arbeit aufzugehen und menschlich zu bleiben. "Ich werde in Ostia schon auf dich aufpassen," scherzte sie mit einem wilden Funkeln in den Augen. "Ich weiß ja, dass du mich nicht dabei haben wolltest, da ich dir und deinen Frauengeschichten im Weg gestanden hätte. Da ich nun mit dir komme, werde ich schon die passende Frau für dich auswählen. Was hälst du von einer Fischverkäuferin?" Melina gluckste und kicherte.

  • Melinas Freudenstrahlen wärmte Sermo in dieser schweren Stunde wohlig. Er erwiderte ihren Dank mit einer abwinkenden Geste und einem schmalen Lächeln. "Ostia?" wiederholte er den Kern ihrer nächsten Frage. "Es ist sehr viel kleiner als Rom, selbstverständlich. Vierzigtausend Menschen leben dort. Aber es ist ein schöner Küstenort. Der eigentliche Hafen ist ein paar Minuten von der Stadt entfernt gelegen, so dass der Großteil der Verladearbeiten gar nicht in Ostia selbst wahrgenommen wird. Dennoch, die Bevölkerung ist ebenso vielfältig wie die von Rom. Menschen aus allen Teilen der Welt kommen mit dem Schiff dorthin oder wollen von dort aus nach irgendwo fort. Waren vom gesamten Erdkreis werden in Ostia verladen und Neuigkeiten, die über's Meer kommen, werden dort auch zuerst bekannt, bevor sie nach Rom durchdringen." Sein kleiner Abriss über Ostia wurde unterbrochen durch Melinas Geplapper über Frauengeschichten und Heirat. Sermo bedachte seine Schwester mit einem missbilligenden Stirnrunzeln. Valentinus war gerade erst für tot erklärt worden und nun schwatzte Melina bereits über so fröhliche Dinge wie Heirat? Das konnte nicht ihr Ernst sein! "Melina, kein Wort mehr!" wies er sie zurecht. "Valentinus ist tot, hast du das bereits vergessen? Halte sein Gedenken gefälligst angemessen in Ehren, bevor du über Familienplanung zu philosophieren beginnst!" Er erhob sich und wies auf die Tür zum Inneren der Casa. "Genug für heute. Ich muss Vorbereitungen treffen; und du solltest dir auch vernünftige Gedanken über deine Zeit in Ostia machen." Und mit befehlsgewohnter Stimme trieb Sermo seine Schwester mit einem einzigen Wort an, das keinen weiteren Widerspruch duldete: "Ab!"

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