Hortus - der Garten

  • "Das klingt interessant," sagte Melina und blickte in die Wolken, durch die Öffnung im Dach. Als ihr Bruder ihre Unangemessenheit ansprach, seufzte sie melancholisch. "Es ist für mich einfacher, das Leben zu leben, Iullus. Ich trauere auf meine Art, in meinen Träumen. Wenn ich mich nun zurückziehe, empfinde ich das nicht als Ehre. Er hätte dies auch nicht gewollt. Menschen sollten lachen, leben und nicht vergessen, warum wir hier sind. Er war auch mein Bruder, Iullus. Ich verbitte mir diesen Tonfall. Diese Familie sollte nicht daran zerbrechen." Sie atmete tief ein und aus. Melina warf die Decke zur Seite. Ihr Lächeln war verschwunden. "Ich werde nun gehen, wie du es wünscht. Iullus, mache dir aber bitte auch Gedanken über deine Zukunft, nicht nur über deine politische, sondern viel mehr um die Zukunft deiner Seele." Melina zog sich getroffen von den Worten ihres Bruders zurück. Er war immer noch ein kalter Mensch, der nach aufgesetzten Mustern lebte.

  • Das Leben zu leben. Träume. Er hätte es nicht gewollt. Lachen, leben. Nicht vergessen, warum wir hier sind. Nicht daran zerbrechen. Melinas Worte waren von einem auf den anderen Moment richtig tiefgründig geworden, erschien es Sermo. Er sah seine Schwester nachdenklich an, sagte jedoch nichts weiter. Sie befolgte seine Anweisung ohne Widerspruch, was ihn freute. Offensichtlich hatte die Zeit bei der Tante durchaus ihre Früchte getragen und Melinas Benehmen und Folgsamkeit hatte sich deutlich gebessert. Iullus, mache dir aber bitte auch Gedanken über deine Zukunft. Das würde er definitiv tun. Hoffentlich jedoch verzweifelte er nicht an seinen Aussichten und Möglichkeiten. Versonnen starrte er seiner Schwester hinterher, während sie den Hortus verließ. Dabei ertappte er sich bei dem Gedanken, dass sie eine durchaus hübsche junge Frau war, die gewiss in vielen Männern Begehren hervorrief. In Gedanken versunken verblieb Sermo dann noch eine ganze Weile im Garten, über die Geschicke seiner Familie nachsinnend und die Parzen des öfteren verfluchend.

  • Nach dem Aufwachen stakste Sermo, gefolgt von seiner nächtlichen Eroberung, hinaus in den Garten. Er hatte kurz in die Küche geschaut und Diomedes aufgetragen ein schönes Katerfrühstück vorzubereiten. Mit einem stibitzten Krug Milch ließ er sich auf einer der Bänke nieder und wartete bis Caelyn sich neben ihn gesetzt hatte. Er hielt ihr den Krug hin und streckte dann genüsslich die Beine von sich, das Kinn hochgehoben, so dass die Sonnenstrahlen sein Gesicht erwärmten. Der Tag fing schön an, auch wenn der vorangegangene viele unschöne Erlebnisse mit sich gebracht hatte. Noch immer kreisten Sermos Gedanken um Valentinus' Tod, auch wenn er bisweilen Ablenkung fand im Anblick der aufgegabelten Sklavin. Noch immer brummte Sermos Kopf ein wenig, doch das hielt ihn nicht davon ab dann endlich ein wenig Konversation zu betreiben. "Also, Caelyn." Er wandte sich ihr nun blinzelnd zu, die Sonnenstrahlen fielen auf sein Ohr. "Was treibt eine junge, hübsche Keltin wie dich eigentlich nachts auf den Straßen? Wo doch Trunkenbolde wie ich herumstreunen und ihr Leid womöglich an wehrlosen Passanten auslassen könnten?" Er nahm den Krug zurück und trank selbst einige gierige Schlucke, denn sein Nachdurst war nicht unerheblich.

  • Ich fragte mich, ob er mich hübsch fand. Er konnte ja kaum die Augen von mir lassen, obwohl ich noch gar nix anhatte. Mir machte das aber nix aus, so prüde war ich nicht.
    Aber nett war er, richtig nett! Endlich war ich mal an ´nen anständigen Kerl geraten. Hätte ich gewusst, was in seinem Hirn vor sich ging, hätte ich ihm meine Krallen gezeigt. So hatte er echt Glück und lernte nur die nette Caelyn kennen.
    Ich folgte Sermo die Treppe runter. Jetzt bei Tageslicht sah man endlich mal was genaueres von der Casa. Naja, ganz nett eingerichtet, aber lange nicht so komfortabel, wie es bei den Aureliern war. Und wie es schien, war das so was wie´n Ein-Sklaven-Haushalt. Tja, jeder fing mal klein an.
    Der Garten war übersichtlich aber schön. Semo ließ sich auf ´ner Steinbank nieder und ließ für mich auch noch Platz. Dann reichte er mir den Milchkrug. Ich nahm ´nen richtigen Schluck und leckte danach mit meiner Zunge den Milchrand von meinen Lippen.
    Die Morgensonne schien uns ins Gesicht. Nach dem gestrigen Tag, der für mich die reinste Katastrophe gewesen war, war das mal wieder ein guter Anfang und das im wahrsten Sinne des Wortes. War das eigentlich ´ne Flucht gewesen oder war ich nur verlorengegangen? Wenn ich jetzt nicht wieder zurück wollte, dann war ich auf der Flucht, oder? Eigentlich war mir das eh schnuppe, denn ich wollte auf keinen Fall mehr zurück, nicht nach gestern.
    Während ich so in meinen Gedanken verstrickt war, fing Sermo plötzlich an zu sprechen. Ihm jetzt die ganze Wahrheit zu stecken, wäre purer Selbstmord gewesen. In Nullkommanix hätte der mich zu den Aureliern geschleppt und hätte am Ende noch ordentlich abkassiert. Nö, das ging gar nicht! Die halbe Wahrheit tat´s auch!
    "Ach weißte, ich war auf ´ner Hochzeit. Der Typ, den ich geliebt hab, hat geheiratet, allerdings nicht mich. Deswegen hab ich mir gestern ordentlich die Kanne oder meinetwegen auch die Kannte gegeben. Auf dem Brautzug is mir dann schlecht geworden und ich musste kot.. mich übergeben. Als ich fertig war, waren alle schon weg. Naja und dann hab ich dich getroffen."
    Logisch, das war ein Fingerzeig des Schicksals gewesen, von den Parzen, oder so. Die Römer glaubten ja an so was. Also, wäre es voll daneben gewesen, jetzt wieder zu den Aureliern zu gehen.

  • Wirklich bedauernswert. Die Kleine hatte sich unglücklich in den Bräutigam verliebt. Wie gut, dass noch vor wenigen Tagen die Hochzeit zwischen Titus Aurelius Ursus und Tiberia Septima in den Garküchen der Stadt bequatscht wurde. So fügte sich Caelyns Erklärung beinahe wahrheitsgemäß in Sermos bisherige Erkenntnisse ein. Sie war also eine entlaufene Sklavin. Entlaufen wegen Liebeskummers. Sermo musste ein fieses Schmunzeln unterdrücken und setzte statt dessen eine mitfühlende Miene auf. "Du meinst er wollte dich nicht, oder er durfte dich nicht heiraten?" Nicht sonderlich feinfühlig war die Frage, das war wohl möglich. Aber wieso sollte er sich noch sonderlich viel Mühe machen? Er würde die Kleine nach dem Frühstück in die Schlafkammer der Sklaven sperren und einen Brief an den Aurelier aufsetzen und damit hätte sich die Geschichte für ihn bald wohl erledigt. Er bezweifelte, dass er die Entlaufene danach noch einmal wiedersehen würde. "Naja, so schlimm war es dann ja offensichtlich doch nicht, dass du gestern Nacht nicht die Braut warst, hm?" Er stupste sie mit dem Ellenbogen an und zwinkerte ihr keck zu, als Diomedes in den Garten kam. Er hatte einen kleinen hölzernen Klapptisch unter den Arm geklemmt. In der Hand hielt er einen Korb mit etwas Brot, in Tuch eingewickelten Räucherschinken und Käse. Mit einem Stirnrunzeln registrierte der alte Grieche die Blondine an Sermos Seite, sagte jedoch nichts. "Danke Diomedes," sagte der Herr lediglich und nahm den Korb entgegen, während Diomedes den Tisch aufstellte. Dann machte der Sklave sich wieder vom Acker, denn er wusste, dass er seinen Herrn nicht in dessen Frauensachen stören durfte. Sermo derweil packte vergnügt das Essen aus und schnitt sich mit einem Messer aus dem Korb ein paar Scheiben Brot, von denen er auch Caelyn etwas anbot. "Guten Hunger."

  • Zugegeben, ich war ganz schön naiv. Aber woher hätte ich denn auch wissen sollen, dass er die verflixte Tätowierung in meinem Nacken gesehen hatte? Hochzeiten gab es ja zu Hauf und noch viel mehr Leute, die aus Liebeskummer Scheiße bauten. Sermo jedenfalls verstand mich, so´n bisschen. Schließlich war er ja ´n Kerl und nach allem, was ich erlebt hatte heut Nacht, keiner vom andern Ufer.
    "Ich schätze mal, beides. Ja, leider. Aber weißt du, ich wusste nicht, wohin mit meinen Gefühlen. Er hatte mir ja damals mit meinem Bruder geholfen, der der jetzt tot ist. Gemocht hat er mich bestimmt, aber geliebt, nicht wirklich." Ich hatte jetzt echt Pippi in den Augen, Mann das nahm mich so mit! Aber von jetzt an sollte es besser werden und weil es das sollte, deswegen hatte ich Sermo getroffen, naja, dachte ich wenigstens.
    Seine Versuche, mich wieder aufzuheitern, gingen knapp an mir vorbei. Ich wollte eigentlich gar nicht die Braut in der Hochzeitsmacht sein. Wenn´s nach mir gegangen wäre, dann hätte diese beschissene Hochzeit erst gar nicht stattfinden müssen.
    "Ja", antwortete ich knapp und lächelte verlegen.
    Plötzlich kam der ältere Sklave auf uns zu, den ich vorher kurz in der Küche gesehen hatte. Er hatte das Frühstück und ´nen Klapptisch dabei. Echt praktisch, sowas!
    Ich sah Sermo und dem Sklaven dabei zu, wie sie herumhantierten. Der Sklave sah mich kurz an, runzelte seine Stirn, was immer das auch heißen mochte, sagte aber nicht und machte sich dann auch schon aus dem Staub. Pah, macht nix, dachte ich bei mir, soll er doch gucken! Den seh ich eh nie wieder!
    Sermo hatte sich schon an die leckeren Sachen aus dem Korb gemacht. Ich nahm mir die Scheibe Brot, die er mir gereicht hatte,
    bedankte mich und biss ein großes Stück ab. Mann, war das lecker! Käse gab´s auch und Schinken. Von jedem nahm ich mir noch ein bisschen. Man wusste ja nie, wann´s mal wieder was gab.


    edit: Zwischenteil eingefügt

  • "Dann ist es wohl besser so wie es geschehen ist," stellte Sermo nüchtern fest. Caelyn war erstaunlich offen auch ohne den Alkoholpegel des letzten Abends. Er freute sich darüber, auch wenn er wusste, dass sie wenig später wohl nicht mehr so offen sein würde. Auch ihre Verlegenheit freute ihn, denn so sah er sich einmal mehr bestätigt in seiner Fähigkeit Frauen durch seinen Charme rumzukriegen. Er erwiderte das Lächeln und aß dann erst einmal schweigend sein Frühstück. Caelyn schmeckte es offensichtlich gut, denn sie aß so viel sie konnte. Ihr Besitzer schien ihr offenbar keine sonderlich sättigenden Mahlzeiten zuzugestehen, was Sermo an dessen Sklavenhalterfähigkeiten stark zweifeln ließ. So saßen sie eine Zeit lang schweigend kauend da, nur ein paar verlegene Blicke wechselnd.
    Als Sermo satt war und seinen Durst gestillt hatte, entschied er sich endlich die Karten offenzulegen. Er drehte sich zu Caelyn und sah sie eindringlich an, dann fragte er sie: "Sag Caelyn, hatte dein Bruder eigentlich auch eine Markierung im Nacken?" Während er sprach, machte er sich bereits auf eine hastige Reaktion der Sklavin gefasst und spannte seine Muskeln an, bereit zum Aufspringen um sie fassen und festhalten zu können, denn er rechnete fest mit einem Fluchtversuch der süßen Keltin.

  • "Vielleicht," antworte ich leise und versuchte, ihn nicht anzuschauen, weil mir wieder diese blöden Tränen in den Augen standen. Jetzt merkte ich wieder, wie weh das immer noch tat. So weh tat es, dass es mir den Appetit verschlug. Ich hatte sowieso schon mehr als genug gegessen. Das reichte bis zum Abend.
    Irgendwie tat mir´s ja leid, ihm bald Lebewohl zu sagen, denn er war´n anständiger Kerl. Aber ich wollte noch warten, bis er mit dem Frühstück fertig war. Ich saß einfach neben ihm, genoss die warmen Sonnenstrahlen und grinste ihn hin und wieder an. Wieder überlegte ich mir, wenn ich die Frau von ´nen Kerl wie dem wäre. Das wär zu schön, um wahr zu sein. Und dass es nur ein Traum sein konnte, wurde mir bewusst, als Sermo mich plötzlich so ganz anders ansah und dann auch noch diese Frage stellte.
    Ich hielt den Atem an, das glaubte ich jetzt nicht! Er hatte es die ganze Zeit gewusst! Irgendwann heute Nacht oder am frühen Morgen, als ich noch pennte, musste er die verdammte Tätowierung entdeckt haben.
    Eigentlich hätte ich jetzt abhauen müssen. Ich hatte versuchen müssen, irgendwie raus auf die Straße zu kommen, denn Sermo war bestimmt wie alle anderen. Ich blieb aber ruhig neben ihm sitzen. Das Grinsen war verschwunden.
    "Nein, Louan hatte keine Markierung im Nacken. Nur ich," sagte ich gefasst. "Wann hast du´s entdeckt? Heute Nacht schon?" Vielleicht war er wie die anderen, vielleicht auch nicht.

  • Caelyn war sofort alarmiert, doch sie rührte sich nicht, was Sermo überraschte. "Ich bin vor dir aufgewacht," erklärte er und sprach in ruhigem Ton weiter: "Caelyn, ich fürchte ich habe keine Wahl, aber ich werde dich wohl zu deinem Eigentümer zurückbringen müssen." Das tat ihm ja schon irgendwo leid. Nicht, weil er Mitleid mit der Kleinen hatte, sondern weil er sie vielleicht auch selbst ganz gerne besessen hätte. Womöglich wollte dieser Aurelius so eine aufmüpfige Keltin ja bald loswerden? Er würde ihr schon Gehorsam beibringen, würde er die Chance erhalten. Aber bisher war das alles nur Spekulation, der es an einer Grundlage mangelte. Also erhob er sich langsam und wollte die Sklavin an die Hand nehmen, indem er schnell zupackte. Ihm war in diesem Moment egal was Caelyn dachte. Er wollte Geld und in einem möglichen Finderlohn sah er eine gute Chance an jenes zu kommen. Ihm war egal, wenn sie ihn für einen hinterhältigen fiesen Kerl hielt, denn genau das war er ja. Und er war es oft genug sehr gerne, denn er lebte sehr gut damit. Wenn er Glück hatte war Caelyn nicht vorsichtig genug und er bekam sie direkt kräftig zu packen, dann würde sie nicht mehr loskommen können.

  • Auf einen scheiß Tag war ´ne wundervolle Nacht gefolgt. Mit meinem Glück war der darauffolgende Tag logischerweise auch wieder beschissen. Ganz egal, ob die Sonne schien und das Frühstück reichlich gewesen war. Es hatte den Anschein, als wäre ich heute Morgen eh nah am Wasser gebaut und das sollte sich auch nicht unbedingt ändern. Dem Kerl, der mir damals die verdammte Markierung verpasst hatte, hätte ich nicht nur eine kleben sollen. Ich hätte ich vorher mit eigenen Händen erwürgen sollen! Das wäre besser für mich gewesen.
    Logisch, sagte er das. Das musste er sagen! Denn er war, wie die anderen. Er war einer von ihnen. Ich antworte nichts darauf, was hätt ich schon sagen sollen? Mir kullerten jetzt nur die Tränen beide Wangen hinunter. Ich hasste es, wenn ich flennen musste! Deswegen schaute ich nicht ihn an, sondern den mit Steinen gepflasterten Boden. Das machte zwar wenig Sinn, aber ich glaubte, er könne so nicht die dämlichen Tränen sehen. In dem Moment dachte ich nicht drüber nach, was Ursus machen oder sagen würde. Wahrscheinlich würde er mich bis in alle Ewigkeit nähen lassen, oder sowas. Ich dachte nur, wie schön dieses Gefühl der Freiheit gewesen war, das ich letzte Nacht erlebt hatte. Das war wie früher. Mir war gar nicht bewusste gewesen, wie sehr ich dieses Leben vermisst hatte! Der "Luxus", der einem selbst als Sklave eines Patriziers zuteilwurde, hatte mich blind gemacht für das Wesentliche.
    Als Sermo mich am Arm zu packen versuchte, musste alles ziemlich schnell gehen, wollte ich nicht wieder zurück. Und eines war Sonnenklar: ich wollte nicht ums verrecken wieder zurück!
    "Du elender Mistkerl! Die Pest sollst du kriegen!", schrie ich, aber das sollte nur Ablenkung sein.
    Im gleichen Moment schnelle ich hoch und rammte ihm mit ordentlich Schmackes mein rechtes Knie zwischen die Beine und zwar so, dass es sein Ziel garantiert nicht verfehlte und Sermo wahrscheinlich die Glocke des capitolinischen Iupiters in seinem Kopf läuten hören konnte. Dann rannte ich, so schnell ich konnte. Nur raus hier! Raus auf die Straße!

  • DAS waren Schmerzen!!! Sermo blieb die Luft weg, als das Knie sein Ziel mit voller Wucht traf. Sofort ließ er von Caelyn ab und krümmte sich. Ein schmerzensschrei blieb aus, bloß ein heiseres Keuchen war zu hören. "Uuuuurghl," stöhnte er und sank langsam zu Boden. Zu keinem klaren Gedanken fähig war es ihm auch egal, dass das kleine keltische Miststück sich gerade aus dem Staub machte und in Windeseile die Casa verließ. Sollte sie doch in Roms Straßen verrecken! Vielleicht hatte sie sogar das große Glück von ihrem Besitzer wieder eingefangen zu werden und glückliche Empfängerin einer saftigen Strafe zu sein. Auspeitschen, verprügeln, Strafarbeit auf irgendwelchen Olivenplantagen, ganz egal. Am besten ertränkte der Aurelius die Barbarin im Tiber, aber bitteschön langsam und qualvoll! Jene Gedanken würden Sermo jedenfalls später kommen, nachdem der Schmerz endlich irgendwann etwas abgeklungen war und er sich zumindest vom Boden auf eine Kline hatte schleppen können. Ein Glück, dass Diomedes in der Küche beschäftigt war und nichts von diesem peinlichen Vorfall mitbekommen hatte. Zügig verkroch der Quintilius sich unter leisen Flüchen und Verwünschungen in sein Cubiculum und legte sich dort ins Bett. Es dauerte noch lange, bis er wieder normal gehen und besonders sitzen konnte. Bona dea, sollte er diese Sklavin jemals wiedersehen, sie würde ihre Quittung noch bekommen.

  • Rufus Gesichtsausdruck zeugte von höchster Konzentration. Etwas unsicher sah er sich um und wankte leicht hin und her. Unsicher stand er auf seinen eigenen zwei Beinen. Das Gleichgewicht zu halten fiel ihm noch schwer. Das war ungewohnt, die Welt wirkte so ganz anders aus dieser Perspektive und der Boden schien so weit entfernt. „Mama“, krähte er fordernd und machte dann einen ersten unbeholfenen Schritt.
    Bei jeder Gelegenheit rief ihr Sohn nach ihr. Kaum dass er seine ersten Worte gelernt hatte, plapperte er diese auch ständig vor sich her. Dabei war Mama eindeutig sein Lieblingswort. Was wohl auch daran lag, dass Calvena sich jedes Mal nach ihrem Sohn umdrehte und Aufmerksamkeit schenkte, wenn er dann nach ihr rief. So auch dieses Mal, ihre Aufmerksamkeit hatte eben noch Diomedes gegolten, der ihr mitteilte, dass Duccia Vera, eine eher flüchtige Bekanntschaft sie zu sprechen wünschte. Die junge Frau hatte sie auf der Heimreise kennen gelernt, sie hatte ab und an kurz auf Rufus aufgepasst, wenn sie gerade anderweitig abgelenkt war oder aber die jungen Eltern ein wenig Zweisamkeit genießen wollten. Doch ehe sie sich den Kopf zerbrechen konnte, was die junge Frau denn von ihr wollte, fiel ihr Blick auf Rufus, der in diesem Moment einen weiteren wackligen Schritt auf sie zu machte. Sofort ging sie in die Knie und streckte die Arme nach ihrem Nachwuchs aus. „Komm zu mir, mein Schatz!“ lächelte sie begeistert. Es folgten noch zwei weitere Schritte, als plötzlich die Beine nach gaben und Rufus auf seinem Hinterteil landete. Für einen Moment sah es danach aus, als würde er direkt in Tränen ausbrechen. Das kleine Gesicht verzog sich und dann kicherte er. Calvena lachte und klatschte in die Hände. Sie hob Rufus hoch und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Das hast du gut gemacht. Wenn wir das deinem Vater zeigen, wird er staunen!“

  • Lächelnd betrachtete sie die Szene zwischen Sohn und Mutter vor ihr. Ihre Siebensachen lagen neben ihren Füßen. "Was ist das denn? Rufus hat laufen gelernt?? Das ist ja toll, Menschenskinder!" freute sich Sontje mit und applaudierte. "Heilsa zusammen! Ihr seid längst zu Hause. Ich bin vor zwei Tagen erst angekommen und ziemlich reisemüde. Wir haben viel gesehen und erlebt." legte sie nach und trat näher zu Mutter und Sohn. "Hej Rufus... ich bin's, die Vera. Na, du Prachtkerl!?!" Sie wusste nicht, ob der Junge sich noch an sie errinnerte. Vielleicht rief der Kosename 'Prachtkerl' eventuell manche Errinnerung hervor.

  • Das Vera bereits im Garten stand bemerkte sie nicht. Stattdessen drückte sie ihrem Sohn noch einen Kuss auf die Stirn. Drehte sich dann aber um, als sie die Stimme hinter sich hörte. „Heilsa, Duccia“, grüßte sie diese mit einem fröhlichen Lächeln. Auch Rufus drehte den Kopf der Stimme entgegen und zeigte ein Lächeln. „Rufus wird so schnell groß. Schneller als ich gucken kann“, schmunzelte sie. „Jeden Tag lernt er mehr. Wir sind schon vor Wochen angekommen, Rom und der Alltag haben uns wieder. Was führt dich zu uns?“ fragte sie dann und setzte Rufus erst einmal wieder ab. Diomedes hatte ihr zwar bereits erzählt, dass Vera auf der Suche nach einer Anstellung war, aber sie wollte es gern noch einmal von ihr hören.

  • "Heilsa!" grüßte Sontje zurück. "Schön, dass er so viel lernt. Er ist ein Stückchen größer geworden, als ich ihn zuletzt sah, stimmts? Hm, Rom hat mich noch nicht in seiner Hand! Ich bin mit Helmut und Uwe angekommen. Wir haben uns getrennt, weil jeder seine eigenen Wege gehen wollte. Und doch wissen wir, wo wir den anderen antreffen können." erzählte sie. "Ich habe unterwegs lange überlegt, was ich in der Stadt machen will und festgestellt, dass ich hier niemanden kenne. Ihr seid mir dann eingefallen. Die wenigen Abende, an denen ich auf Rufus aufgepasst habe, waren schön. Ich würde sie gerne fortsetzen. Ich möchte dich somit fragen, ob du mich als sein zukünftiges Kindermädchen annehmen würdest? Ich kann nicht nur auf ihn aufpassen sondern mich auch um deine Pferde kümmern. Du hast doch einen Stall? Nimmt er an den Rennen im Circus Maximus teil?"

  • Calvena machte eine kleine einladende Geste zum Brunnen und den flachen Bänken, welche davor drapiert waren. Von dort aus hatten sie einen herrlichen Blick über den blühenden Garten und auch ein Auge auf ihren Sohn. „Valerian fällt es auf, wenn Rufus wieder gewachsen ist, mir fällt das gar nicht so sehr auf“, erklärte sie und setzte sich dann erst einmal hin. Diomedes brachte eine kleine Erfrischung, stark verdünnten Wein und ein bisschen Obst. Er stellte ein Tablett auf das andere Ende der Bank ab und reichte ihnen dann erst einmal zwei Becher. Kurz lächelte er Vera zu. „Nun“, Calvena hatte eine nachdenkliche Miene aufgesetzt. Vera hatte zwar ab und an kurz mal auf Rufus aufgepasst, aber das war nicht lange gewesen. Immer nur kurze Augenblicke. Zum einen, weil sie ihren kleinen Sohn nicht wirklich aus den Augen lassen wollte und zum anderen, weil die Duccia zwar nett, aber ihr eigentlich gänzlich fremd war. Wirklich kennen gelernt hatten sie sich auf der Reise nicht, auch weil sie andere Dinge im Kopf gehabt hatte und mit einem hartnäckigen Schnupfen zu kämpfen hatte. „Ich habe keinen Stall, nur zwei Pferde und diese sind sehr gut untergebracht und versorgt. Dein Angebot weiß ich zu schätzen, aber die Pferde sind bereits Bestens versorgt. Sie sind auch keine Rennpferde. Was dein Angebot angeht als Kindermädchen anzufangen…“, sie machte eine kleine Pause und drehte nachdenklich den Becher in den Hände. „Hast du denn Erfahrungen mit Kindern? Ich meine richtige Erfahrungen, nicht nur das kurze Aufpassen auf Rufus. Weißt du denn was auf dich zukommt, wenn du Tag und Nacht für ein Kind verantwortlich bist?“ Sie wollte Vera nicht sofort zusagen.

  • Sie folgte Calvena hinterher zu den Sitzen und nahm mit einem dankenden Nicken den Becher an sich. Viel Reden rief Durst hervor. Sie trank kleine Schlucke, während sie der Hausherrin zuhörte. "Keinen Stall? Wie schade! Das ist gut, wenn deine Pferde gut versorgt sind." Calvena fragte sie nach ihren Erfahrungen mit Kindern, das katapultierte sie zurück ins duccische Haus. Wie war das gewesen? Mit nachdenklicher Miene betrachtete sie Rufus und strich die nervige Strähne zurück. "Ich habe und hatte nicht viel mit den Kindern aus meiner Verwandtschaft zu tun. Ihre Mutter hat sie praktisch alleine erzogen und seltenst in die Erziehung rein reden lassen. Da habe ich beschlossen, sie und ihre Kinder in Ruhe zu lassen. Wozu helfen, wenn das Konflikte auslöste?.Auf den Höfen, wo ich den Umgang mit kranken Pferden erlernte, gab es immer Kinder. Die verrückt nach kleinen und großen Pferden waren und diese unbedingt pflegen und reiten wollten." Sie lächelte verzagt, betroffen über die Erkenntnis, eigentlich gar nichts über Erziehung von Kindern sondern über Beschäftigung von Kindern zu wissen. "Ich denke, ich weiss, welche Verantwortung es, äh, ein Kind mit sich bringt." Nun würde sie sicher ein 'Nein' zu hören bekommen. Immer noch war Sontje ziemlich betroffen über die Erkenntnis.

  • Die Enttäuschung war Vera anzusehen, doch die Dinge ließen sich nicht so einfach ändern. Schon gar nicht, wenn sie mit der Unterbringung ihrer Pferde sehr zufrieden war. Sie schenkte ihr ein kurzes aufmunterndes Lächeln. „Wenn du dich unbedingt um Pferde kümmern willst, dann solltest du vielleicht bei den Factiones vorbei schauen“, schlug sie ihr vor. Sicherlich konnten diese immer ein paar zuverlässige Hände gebrauchen. Wobei sie sich nicht sicher war, ob sie tatsächlich eine Frau einstellen würden. Es war eine Tatsache dass die Frauen in Rom eigentlich nur verheiratet werden sollten. Zwar gab es ein paar Möglichkeiten doch ein wenig Tätig zu werden, aber nicht viele Frauen wollten in den Dienst der Götter treten.
    Leicht runzelte sie die Stirn. Die Duccia hatte fast keine Erfahrungen mit Kindern. Es zählte nicht einmal, dass sie kurz auf Rufus aufgepasst hatte. Er hatte dann ohnehin meistens geschlafen. Schwer war es ja nicht auf ein schlafendes Kind zu wachen. Verantwortung traf es durchaus schon, aber sie hatte kein gutes Gefühl dabei, der Duccia die Erziehung ihres Sohnes zu überlassen. Auf der anderen Seite war die Duccia ja so etwas wie ein Familienmitglied. Zwar nur entfernt Verwandt mit ihrem Mann, aber sie war es. Dennoch hatte sie kein gutes Gefühl dabei, ihr Rufus anzuvertrauen. Es schien Vera selbst erst jetzt aufzufallen, dass sie eigentlich keine Ahnung hatte. Dabei war diese eigentlich alt genug um selbst bereits ein Kind zu haben. „Du kannst sicherlich verstehen, dass mir das nicht reicht. Du hast kaum Erfahrung mit Kindern… Warum bist du überhaupt nach Rom gekommen?“ fragte sie dann nach um sich Zeit zum nachdenken zu verschaffen. Nett war sie ja, das stand außer Frage, doch war sie der Verantwortung gewachsen, die ein Kind mit sich brachte? Sie könnte sie auf die Probe stellen, doch was war, wenn es schief ging und die junge Frau hoffnungslos überfordert war?

  • "Bei den was? Den öffentlichen Ställen, meinst du diese?" fragte sie nach und runzelte die Stirn. Nunja.. sie hatte sich schon ein paar Mal als Mann verkleidet und kaum probleme gehabt. Einige Männer hatten sich daran gestört, dass sie ihre Haare wachsen liess, anstatt diese in typischer Männerhaarkürze abschneiden zu lassen. "Stimmt, ich habe kaum Erfahrung mit Kindern. Es war recht kompliziert..." gab sie ganz offen zu. "Warum ich nach Rom gekommen bin, hat mit verschiedenen Gründen zu tun. Mein Zwillingsbruder Duccius Verus hat hier seine Priesterausbildung abgeschlossen und ist zurück nach Mogontiacum gegangen. Er hatte keine Zeit mehr übrig, warum hat er mich dann zu sich geholt? Es gab eine Hochzeit, während welcher ich mich verliebte. Es war leider der Falsche, der war schon vergeben. Dazu kam, dass ich in der familieneigenen Taverne die Leitung inne hatte (mir ist zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen) und einen Überfall miterlebte. Ich wollte danach nicht mehr aus dem Haus gehen. Doch so konnte es nicht auf Dauer weitergehen. Irgendwann riss denen das Seil und ich wurde hinauskomplimentiert mit dem Befehl der Familie endlich Ehre zu machen."


    Sie lachte mit verbitterter Miene und schüttelte den Kopf. Die Wut kam wieder hoch. Sontje trank den Becher leer und stand auf, um vor Calvena hin und her zu laufen. "Ich suchte mir Arbeit in dem was gut kann: mit Pferden umgehen. Dann traf ich einen aus der Familie, der inzwischen Vater geworden war, und der schrie mich an: Ich würde sie und die Familie verhöhnen. Sie dachten, ich wäre wie von Ihnen befohlen zurück hinter dem Limes bei Mutter. Dahin bin ich aber nicht zurück gekehrt. Sie denken, ich wäre der Faimilie davon gelaufen. Jawoll, ich habe gegen den Willen der Sippe verstoßen, weil ich mich dem nicht beuge. Dabei habe ich beschlossen denen nicht mehr auf der Tasche zu liegen und schon gar nicht noch einmal zu begegnen. Weisst du, was der noch gesagt hat?!? Geh zurück nach Hause, lern Kochen, Weben und den Haushalt führen und heirate endlich einen Mann, der deinen Acker bestellt! Du bist eine verdammte Schande für die Familie. Das alles sagte derjenige in den ich verliebt gewesen war." Nach dem letzten Wort verschränkte sie die Arme und ballte die Hände zu Fäusten. "Bei wem könnte ich denn sonst unterkommen? Ich bemühe mich und will lernen."

  • „Die Factiones sind die Rennställe. Sie tragen die Wagenrennen aus, unterhalten Ställe, Trainingszentren, Pferde und auch die Wagenlenker. Es ist jedes Mal ein riesiges Spektakel wenn Rennen ausgetragen werden. Jeder einflussreiche Römer hat seinen Favoriten. Wenn du also tatsächlich dich um Pferde kümmern möchtest, dann solltest du es bei den Vertretern der Factiones versuchen. Ich weiß nur nicht ob sie eine Frau anstellen würden….“, gab sie vorsichtig zu bedenken. Zumal Vera nicht irgendeine Peregrini war. Deren Familie besaß ja das Bürgerrecht. Da standen die Dinge ja anders. Dass Vera so wenig Erfahrung mit Kindern hatte, behagte ihr nicht so recht. Schließlich würde Rufus nicht lange in diesem pflegeleichten Alter sein. Sie war sich ziemlich sicher, sobald ihr Sohn etwas größer war, würde er nur Unfug anstellen. Calvena hatte ihre Bedenken und konnte sich nicht mit diesem Gedanken anfreunden. „Deinen Bruder habe ich kennen gelernt. Ich bin ebenfalls ein Mitglied des Cultus Deorum“, warf sie kurz ein. Die Duccia indes redete sich in Rage. Sie schien mit ihrer Familie gebrochen zu haben, oder aber diese mit ihr. Es war durchaus verständlich dass die Familie gewisse Erwartungen in Vera setzte. Das hatte jede Familie an ihre Töchter. Wobei ihr Onkel in dieser Hinsicht nicht ganz so war. Nicht viele junge Frauen hatten das Glück den Mann zu heiraten in den sie sich verliebt hatte. Sie bildete eine der großen Ausnahmen. Ganz leise seufzte sie, als sie hörte, dass Vera anscheinend in Ungnade bei ihren Verwandten gefallen war. Ein wenig tat sie ihr Leid, es war sicherlich nicht einfach, allein zurecht zu kommen und dann auch noch so vor den Kopf gestoßen zu werden. Auf Veras Worte folgte eine lange Pause. „Nun… jede Familie setzt ihre Erwartungen in ihre Kinder…“, meinte Calvena im ruhigen Ton. „Selten ist es einfach diesen Erwartungen gerecht zu werden… warum bist du nicht zu deiner Mutter gegangen?“ wollte sie dann noch wissen. Sie klang nicht vorwurfsvoll, sondern wollte nur verstehen, was Vera so umtrieb. Und ob sie auch wirklich bereit war Verantwortung zu übernehmen. Aus eigener Erfahrung wusste sie ja, dass es nicht einfach war sich den Vorstellungen anderer anzupassen und dabei noch man selbst zu bleiben.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!