[Via Latina] Das Familiengrab der Tiberier

  • Im Inneren des kühlen Mausoleums verschnaufte er kurz. Es roch nach Weihrauch und verwelkten Blumen. Vor ihm waren die Reihen der Grabsteine an der Wand befestigt, dahinter standen die Urnen. Rasch erkannte Durus die für Quintus bestimmte Vertiefung: Man hatte bereits Löcher gebohrt, um den Grabstein darauf zu setzen. Dieser wurde auch schon von zwei Sklaven gehalten, um sofort auf die Öffnung gesetzt zu werden. Durus entzifferte im dämmrigen Licht die sauber gearbeiteten Buchstaben:


    D M Q TIBERII M F VITAMALACI LEG LEG I TRAI
    ANAE P F CONST AED CVR Q COSS TRIB MIL II >
    MAG ARVAL FR DIPLOMATVS II PHALERATVS II


    Er selbst hätte den Centurio wohl verschwiegen, doch man konnte nicht wissen, ob man die Manen des ewigen Soldaten erzürnte, wenn man ihm seinen wohl geliebtesten Rang vorenthielt! Also ließ er den Winkel, der in der Epigraphie seiner Zeit den Rang eines Centurio bedeuteten, stehen und stellte das Gefäß an den bestimmten Ort.


    Einen Augenblick verharrte er, dann wandte er sich um, ergriff seinen Stock und kehrte in die Welt der Lebenden zurück.

  • Als Consular Tiberius Durus wieder aus dem Inneren des Mausoleums trat, nickte Livianus seinem Sklaven andächtig zu, der sich darauf hin möglichst unauffällig einen Weg durch die versammelte Menschenmenge bahnte. Zurückhaltend und respektvoll trat er schließlich an den Consular heran und öffnete behutsam das mitgebrachte Bündel, welches er die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte und zog ein sauber zusammengefaltetes Stück Stoff hervor, dass er dem Tiberier schließlich mit gesenkten Blick entgegen hielt.


    "Verzeiht Consular Tiberius. Meinem Herrn wäre sehr daran gelegen, wenn dies noch Platz im Grab des verstorbenen Legatus findet."


    Es handelte sich bei dem zusammengelegten Stück Stoff um exakte Nachbildung der persönlichen Standarte des Legatus Legionis der Legio I bzw. seiner Leibwache. Livianus hatte sie von einem alten Veteranen, der während seiner aktiven Dienstzeit in der Rüstkammer gearbeitet hatte und dort für die Instandhaltung der Feldzeichen und Standarten verantwortlich war, noch einmal als Duplikat anfertigen lassen. Diese Standarte sollte den verstorbenen Legaten auf seinem letzten Weg begleiten und auch im Elysium weithin sichtbar machen, welch ehrenwerter Feldherr im Anmarsch war. Zumindest wenn es nach dem Decimer ging.


    Livianus beobachtete die Szene vom Rande aus und hoffte auf eine positive Reaktion Durus, der nicht gerade zu seinen Befürwortern zählte.

  • Durus war ganz in Gedanken, als ihn plötzlich ein Fremder ansprach und ihm etwas unter die Nase hielt. Zuerst war er ein wenig verwirrt, dann jedoch nahm er das Stück Stoff und entfaltete es. Natürlich erkannte er sofort, dass es sich um eine Standarte handelte!


    "Wer ist dein Herr?"


    fragte er, um zu überspielen, dass er nicht wusste, was für eine Fahne er da vor sich hatte. Er blickte sich um, konnte jedoch nicht sofort identifizieren, wer der Herr des augenscheinlichen Sklaven war.

  • Der Sklave sah in die Richtung aus der er eben gekommen war. Mit den Händen herumzufuchteln und in eine Richtung zu deuten war nicht angebracht, daher hoffte er, dass der Consular seinen Blick folgen würde.


    Zwischen den Köpfen einiger Trauergäste ragte schließlich auch ein zwei Reihen dahinter der von Livianus hervor, der den Tiberier grüßend zunickte, als sich schließlich die Blicke der beiden Senatoren trafen.

  • Der Sklave war offenbar kein Freund großer Worte, doch als Durus dem Blick folgte, erkannte er, dass Livianus der mysteriöse Schenker sein musste. Durus und er waren niemals große Freunde gewesen, dennoch musste der Tiberier es respektieren, wenn ein Feldzeichen von einem ehemaligen General für seinen Cousin gespendet wurde. Also nickte er dem Decimer zu und wandte sich an einen seiner Sklaven


    "Nimm das und leg es unter die Urne des Verstorbenen, bevor man das Grab schließt."


    Der Sklave wirkte erst etwas ratlos, dann beeilte er sich jedoch, dem Befehl seines Herrn nachzukommen. Durus unterdessen sandte einen Blick zu Livianus, der Dankbarkeit ausdrücken sollte - zwar wusste er nicht, was für eine Standarte es genau war, doch da Livianus der Kommandeur von Vitamalacus gewesen war, musste es wohl eine Art letzte Ehre der Legio I sein!

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