[Theatrum Marcelli] Ludi Praetorae - Schauspiel

  • Nicht nur zum Herzen einer Frau konnten Komplimente der Königsweg sein, auch Gracchus war von jeher ein wenig eitel und auf sein Äußeres bedacht, so dass er geflissentlich über den Schalk, welcher aus Leontias Stimme sprach, hinweg hörte und sich ihre Schmeichelei wie Öl die Kehle hinabrinnen ließ. Einzig der Umstand, dass seine Base die Farbe seiner Augen viel genauer zu kennen schien, als seine Gattin dies tat, welche vermutlich schon allein zur Grundfarbenbestimmung auf eine entsprechende Frage hin sich ihm erst einmal würde zuwenden müssen, ließ Gracchus ein wenig nachdenklich werden. Auf dererlei Gedanken gebracht musste er jedoch ebenfalls feststellen, dass er zwar vermuten würde, dass Antonias Augen in tiefem Braun gehalten waren, dies jedoch nicht mit Bestimmtheit konnte behaupten.
    "Ein wenig hölzern womöglich, ist doch gerade die Antigone ein Stück, welches durch die darstellerische Umsetzung der Emotio bestechen muss, von brennender Leidenschaft zu den Traditionen und Göttern durchwirkt, vom unbändigem Drang zur Pflichterfüllung entgegen allen Zwängen und nicht letztlich zur unabdingbaren Konsequenz über alle Zweifel hinweg. Doch gedulde dich, meine Liebe, dies war sicherlich nur als Präludium zu sehen, welches sich in sukzessiver Steigerung dem Höhepunkt hin zuwenden wird, vielleicht garade ob dessen so reduziert, um hernach den Bruch zwischen persönlich-emotionaler und geforderter staatlich-frostiger Pflicht zu versinnbildlichen."
    Nicht nur um seine Gemahlin ebenfalls in das leise Gespräch einzubeziehen wandte sich Gracchus kurz jener zu, sondern gleichsam, um herauszufinden, ob ihre Augen tatsächlich von einem Braun durchdrungen waren und wenn ja, von welcher Art, eher derjenigen hellen der Haselnuss oder aber der von dunklem Nussbaumholz, oder gar womöglich von einer Spur Gold, Ebenholz oder Honig durchzogen.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Zitat

    Original von Sergia Plotina
    "Wenn man die Schauspieler so auf der Bühne agieren sieht, bekommt man richtig Lust, so etwas auch mal zu machen, findest du nicht? Das ist doch allemal besser als die Schauspielerei, die wir uns so im Alltag auferlegen."


    Varena nickte lachend.


    "Ja, allerdings. Doch würde es sich wohl nicht sonderlich ziemen dort unten aufzutreten. Aber, für meinen Teil, reicht mir das Theater im Alltag manchmal schon völlig aus. Aber wenn du möchtest, könnten wir mal ein kleines Theaterstündchen einlegen und Texte lesen. Natürlich nicht öffentlich." erwiderte die Terentierin zwinkernd.

  • Zitat

    Original von Terentia Varena
    "Ja, allerdings. Doch würde es sich wohl nicht sonderlich ziemen dort unten aufzutreten. Aber, für meinen Teil, reicht mir das Theater im Alltag manchmal schon völlig aus. Aber wenn du möchtest, könnten wir mal ein kleines Theaterstündchen einlegen und Texte lesen. Natürlich nicht öffentlich." erwiderte die Terentierin zwinkernd.


    "Nein, wir uns selbst dort unten hinstellen - das wäre wohl eine Blamage. So ähnlich wie bei jenem Kaiser, dessen Namen man nicht so gerne ausspricht - du weißt schon, der mit "N" anfängt und mit "ero" aufhört."


    Jetzt war es an Plotina, ihrer Sitznachbarin zuzuzwinkern. ;)


    "Ein Theaterstündchen mit dir wäre für mich allerdings schon fast zuviel der Ehre. Gleich bei deinen ersten Äußerungen habe ich gemerkt, dass du von den Dramen viel mehr verstehst als ich. - Ich könnte allenfalls bei dir in die Lehre gehen, ich fürchte, ich hätte es nötig."

  • Zitat

    Original von Sergia Plotina
    "Nein, wir uns selbst dort unten hinstellen - das wäre wohl eine Blamage. So ähnlich wie bei jenem Kaiser, dessen Namen man nicht so gerne ausspricht - du weißt schon, der mit "N" anfängt und mit "ero" aufhört."


    Jetzt war es an Plotina, ihrer Sitznachbarin zuzuzwinkern. ;)


    "Ein Theaterstündchen mit dir wäre für mich allerdings schon fast zuviel der Ehre. Gleich bei deinen ersten Äußerungen habe ich gemerkt, dass du von den Dramen viel mehr verstehst als ich. - Ich könnte allenfalls bei dir in die Lehre gehen, ich fürchte, ich hätte es nötig."


    "Da kann ich dir vollkommen Recht geben. Aber ein Lacher für die Stadt wäre es wohl."


    Varena grinste Plotina an und blickte für einen Moment auf die Bühne hinunter. Noch nichts zu sehen von der nächsten Szene.


    "Ach was. So ein Talent bin ich nicht. Keine Sorge. Es ist eigentlich nur die Antigone, da sie zu meinen Lieblingsstücken gehört, in der ich mich gut auskenne. Ich bin mir sicher, es gibt Stücke, die du viel besser beurteilen kannst als ich."

  • Plotina folgte dem Blick ihrer Sitznachbarin hinunter auf die Bühne, wo sich immer noch nichts tat. Na, was soll's, dachte sich Plotina, Unterhaltung habe ich hier neben mir ja die beste!


    "Ja, da hast du Recht, ständen wir auf einer Bühne, wäre es ein Lacher für die Stadt! Ehrlich gesagt, habe ich oft das Gefühl, mich auch so hier ein bisschen lächerlich zu machen. Ich bin in Rom noch nicht so recht heimisch geworden. - Wie sieht es mit dir aus? Hast du, abgesehen von deinem Aufenthalt in Hispania, immer hier gelebt?"


    Plotina blickte ihrer Sitznachbarin, die ihr leider immer noch nicht ihren Namen verraten hatte, lächelnd und interessiert ins Gesicht.

  • Zitat

    Original von Sergia Plotina
    Plotina folgte dem Blick ihrer Sitznachbarin hinunter auf die Bühne, wo sich immer noch nichts tat. Na, was soll's, dachte sich Plotina, Unterhaltung habe ich hier neben mir ja die beste!


    "Ja, da hast du Recht, ständen wir auf einer Bühne, wäre es ein Lacher für die Stadt! Ehrlich gesagt, habe ich oft das Gefühl, mich auch so hier ein bisschen lächerlich zu machen. Ich bin in Rom noch nicht so recht heimisch geworden. - Wie sieht es mit dir aus? Hast du, abgesehen von deinem Aufenthalt in Hispania, immer hier gelebt?"


    Plotina blickte ihrer Sitznachbarin, die ihr leider immer noch nicht ihren Namen verraten hatte, lächelnd und interessiert ins Gesicht.


    Varena nickte und blickte die Römerin an.


    "Ja, ich lebe schon immer hier in Rom und es gibt keine Stadt, die ich so sehr liebe wie diese. Gut, andere Städte sind auch sehr schön, aber mein Herz ist immer hier."


    Nach einem Moment des Überlegens, blickte sie leicht fragend und gleichzeitig entschuldigend zu Plotina.
    "Habe ich mich eigentlich schon vorgestellt? Terentia Varena"


    Die Terentierin war sich nicht wirklich sicher, da sie dies schon öfters vergessen hatte in der letzten Zeit.

  • Plotina blickte überrascht zu ihrer neuen Bekannten auf.


    "Ach, das hätte ich ja gar nicht gedacht, dass eine solche Musenfreundin wie du aus einer Soldatenfamilie stammt. - Ich bin doch richtig informiert, dass die Gens Terentia sich sonst eher auf Übungsplätzen als in Theatern tummelt?"


    Jetzt fiel Plotina aber ihre eigene Unhöflichkeit auf; deshalb setzte sie auf der Stelle strahlend hinzu:


    "Also, sei noch einmal herzlich gegrüßt, Terentia Varena!"

  • Bei deren Worten musste Varena unweigerlich lachen. Es stimmte schon, was Plotina da sagte, doch klang es irgendwie belustigend in ihren Ohren.


    "Du hast schon Recht, aber als Frau kann man wohl kaum dem Vater in das Heer folgen. Soweit ich weiß, sind alle meine männlichen Verwandten Soldaten. Da muss ich mir ja auch einen Zeitvertreib suchen. Und neben dem Interesse am Heer, bin ich da eben aufs Theater gestoßen."


    erwiderte die Terentierin grinsend und nickte dankend Plotina zu. "Ich danke dir, Plotina"

  • "Nein, eine so elegante, anmutige Erscheinung wie dich bei den Soldaten durch Schlamm waten zu lassen - das wäre wirklich eine Beleidigung der Götter!"


    Plotina musste lachen bei dieser Vorstellung.


    "Aber du deutest an, dass du dich durchaus auch für das Heer interessierst? Ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber darf ich fragen, ob auch einer deiner Verwandten an dem Zug gegen die Parther beteiligt ist?"


    Bei dieser Frage war Plotina schlagartig wieder ernst geworden und machte sich bewusst, in welch privilegierter Lage sie hier im Theatrum Marcelli saß.

  • Der Chor der thebanischen Alten betrat die Bühne und teilte sich in zwei Gruppen auf, die sich links und rechts der Bühne aufstellten.


    Die linke Hälfte des Chores begann mit Strophe I.


    Strahl der Sonne, das schön-
    ste Licht, das dem siebentorigen Theben aufging
    von allen früheren,
    endlich bist du erschienen, o goldenen
    Tages Auge; über die Dirk-
    ischen Fluten kamst du,
    den Mann mit dem weissen Schild aus Argos,
    der in voller Rüstung antrat,
    den triebst du, dass er flüchtend davonlief
    mir schärfer angelegtem Zügel.
    Ihn hatte gegen unser Land Polyneikes geführt,
    als der sich erhopb infolge trennenden Streites;
    jener aber flog mit schrillem Schrei
    wie ein Adler ins Land,
    von schneeweissem Gefieder bedeckt,
    mit vielen Waffen
    und rosshaargeschmückten Helmen.


    Die Gegenstrophe I wurde dann von der rechten Hälfte des Chores dargeboten.


    Er stand über den Dächern mit tod-
    bringenden Lanzen, rings umlauernd
    den siebentorigen Mund;
    er musste gehen, ehe noch mit unserem
    Blut er seinen Rachen sättig-
    te und ehe den Kranz der Türme
    Hephaist mit seiner Kienfackel erfasste.
    Also erhob sich im Rücken
    ein Wirbel des Ares, für den Gegner
    des Drachens nicht zu bewältigen.
    Denn Zeus hasst grosssprecherischer Zunge Prahlen
    über alles, und als er sie sah,
    wie sie sich in breitem Strom heranwälzten
    übermütig in goldklirrender Rüstung,
    warf er den Blitz nach dem,
    der auf den hohen Mauern
    schon ansetzte, "Sieg" zu schreien.


    Es wechselte für Strophe II wieder auf die linke Seite.


    Auf die Erde stürzte er, hingeschmettert, dass sie dröhnte,
    der Feuerbringer, der in wildem Angriff
    bakchisch taumelnd heranschnob
    mit der Urgewalt feindlicher Stürme.
    Doch es erging ihm nicht wie erwartet,
    den anderen teilte mit schwerem Schlag ihr Los zu der mächtige Ares,
    der kraftvolle Helfer.
    Denn sieben Führer an den sieben Toren
    aufgestellt, Mann gegen Mann, liessen
    dem siegverleihenden Zeus den ehernen Tribut,
    ausser dem schrecklichen Brüderpaar, das von einem Vater
    und einer Mutter abstammend gegeneinander
    die beidstarken Lanzen richtete und den Teil
    gemeinsamen Todes bekam, beide zusammen.


    Ein letztes Mal erhob die rechte Hälfte für die Gegenstrophe II die Stimme.


    Aber es kam Nike, mit dem grossen Namen,
    jubend entgegen der wagenreichen Thebe
    nach dem Kriege denn:
    Macht Platz dem Vergessen jetzt,
    gehen wir doch zu allen Tempeln der Götter
    im Tanz die ganze Nacht lang, der Erschütterer Thebens,
    Bakchios gehe voran.


    Doch siehe, es kommt nunmehr König dieses Landes
    Kreon, des Menoikeus Sohn, ein neuer Führer
    durch die letzte glückliche Fügung der Götter;
    welche Überlegungen wälzt er hin und her,
    dass er diesen Rat der Alten
    zum Gespräch bestellte
    durch allen gemeinsamen Heroldsruf?

  • In diesem Augenblick aber ging das Geschehen auf der Bühne weiter: Der Chor der thebanischen Alten betrat die Bühne. Plotinas Kopf drehte sich sofort wieder in die entsprechende Richtung; sie lauschte andächtig den Strophen.


    Als der Chor geendet hatte, ließ Plotina dessen wohlbekannte Worte noch eine Weile in ihrem Inneren nachklingen. Dann wandte sie sich aber wieder ihrer Gesprächspartnerin zu:


    "In diesen ganzen griechischen Tragödien haben mich die Chöre fast immer am meisten beeindruckt. Aber ich kann mir nicht helfen: Diese Aufführung, der wir hier im Moment beiwohnen - sie erscheint mir irgendwie so konventionell, ja fast routiniert gespielt."


    Die Sergierin blickte versonnen vor sich hin.

  • Stella versteht eh nur die Hälfte, denn einerseits singen die alten Leute nicht so gut, wie sie findet (sie kann das natürlich besser), andererseits steht ein dicker Mann vor ihr, der alle Schallwellen irgendwie absorbiert. Das ist natürlich keinr gute Konstellation, denn obendrein benutzt der Chor auch noch so viele Fremdworte, dass es Stella schnell langweilig wird und sie anfängt, die Füße zu zählen, die sie von ihrem Standpunkt sehen kann. Eine Frau hat so gigantische Füße, dass Stella sie mit großen Augen anschaut und dann das Gesicht anguckt. Auch die Nase ist echt riesig. Gerade sagt die Frau was, das Stella auch nicht recht versteht. Aber da sie ja nicht auf den Mund gefallen ist, fragt sie einfach mal nach.


    "Duhuu? Was heißt konnwennzjonell?" Was routiniert heißt, weiß sie. Sklaven schlägt man manchmal mit Ruten, also muss routiniert sein, dass man die alten Sänger vorher geschlagen hat. Klingt zwar komisch, muss aber so sein.

  • Auch Leni stand etwas doof neben ihrer Schwester und versuchte zu hören und zu sehen. Aber der dicke Mann vor den beiden reichte aus um sie beide vor allem möglichen abzuschirmen, was interessant sein konnte. Aber Lenaea hatte auch nicht den Worten gelauscht, die um sie herum so gesprochen wurden. Da wurde ohnehin zu allen Seiten so viel nebenher geplaudert, dass es Leni unmöglich vorkam alles mitzubekommen. Und so war sie auch verwundert darüber, dass ihre Schwester auf einmal das Wort ergriff und sich einmischte.


    Stumm hob auch sie den Kopf um zu sehen, wen Stella angesprochen hatte. Mochte die angesprochene Frau sich umdrehen mochte sie da zwei gleichaltrige Mädchen vor sich stehen sehen, die sich sehr ähnlich sahen und gleiche Kleider trugen. Ohne jeden Zweifel Schwestern. Nur dass Stella vermutlich mehr neugierig und Leni mehr überrascht dreinschaute. Auch hielten die beiden Mädchen sich wie so oft an den Händen und Leni warf ihrer Schwester kurz einen fragenden Blick zu.

  • Noch immer ließ Plotina die Worte der "Antigone" und ihre eigenen Gedanken in ihrem Geist nachklingen, als sich plötzlich eine Kinderstimme in dieses stumme Orchester mischte. Plotina blickte auf. Bisher war sie ganz auf ihre Sitznachbarin Varena fixiert gewesen, und so bemerkte sie erst jetzt ganz in ihrer Nähe zwei Mädchen, die einander sehr ähnlich sahen und sich an den Händen hielten. Ob das Zwillinge waren? schoss Plotina gleich durch den Kopf. Aber hatte nicht eine von ihnen etwas gefragt?


    Plotina war sich nicht sicher; sie lächelte die Mädchen daher verlegen an und rieb sich an ihrer großen Nase, beugte sich zu ihnen und flüsterte:


    "Salvete, ihr beiden! Sagt mal, habt ihr mich gerade etwas gefragt? - Ich heiße übrigens Plotina!"

  • Stella schaut Leni mit bedeutungsvollen Blick an, die sie an der Hand hält. Eigentlich hat sie doch gar nicht so leise gesprochen, warum hat die Frau ihr dann nicht zugehört? Ha, sicher, weil sie nur ein Kind ist. Manche Erwachsenen denken dann immer, man muss Kindern eh nicht so genau zuhören, weil die dumm sind oder so. Dabei wissen die nur nicht so viel wie alte Leute, weil alte Leute ja auch viel länger Zeit haben zum Lernen. Das ist bei Lehrern auch so, die wollen auch immer, dass man ganz viel in ganz kurzer Zeit lernt, das weiß Stella noch von dem griechischen Hauslehrer in Ravenna bei der Tante. Sowas ist echt nervig. Aber die Frau ist bestimmt kein Lehrer, also ist Stella da mal nachsichtig, aber nur ausnahmsweise.


    "Ja, ich hab dich was gefragt. Was konnwennzjonell heißt. Ich bin Stella und da ist Leni. Und wir können gar nichts sehen und gar nichts hören wegen dem Mann da", beschwert sich Stella und zeigt mit dem nackten Zeigefinger auf den dicken Römer, der gerade laut lacht. Dabei bewegt sich seine Tunika und das Fett drunter in Wellen und er wirkt wie eine Qualle. Stella verzieht angeekelt das Gesicht. Na dann lieber Macer heißen und auch mager sein. Der Onkel ist zwar knochig (das hat Stella bei der Begrüßung gemerkt), aber er isst nicht für vier und nimmt Kindern auch nicht die Sicht.

  • Nachdem sie mit ihrer Schwester einen kurzen Blick ausgetauscht hatte, hob auch Leni wieder den Kopf um Plotina misstrauisch anzusehen. Stella hatte Recht damit, wenn sie immer wieder behauptete, dass manche Erwachsenen ihre Nasen zu hoch trugen. Und Leni dachte genau das gleiche wie ihre Schwester.


    Auch weiterhin blieb Leni stumm und sah wie hypnotisiert auf die wallenden Fleischberge vor sich. Das alles war faszinierend wie ein schwingendes Pendel, das einen für Minuten bannen konnte. Zumindest ging es Leni so, die mit kritischem Blick weiterhin die dicken Wulste des Mannes vor sich betrachtete. Erst als Stella mit dem Finger auf ihn zeigte, nahm Leni ihren Blick von dem Kerl und schluckte einmal. Auch sie war total angewidert, aber es war wie bei einem Unfall, wo man einfach hinsehen MUSSTE. Er sah aus, als hätte er sich die gesamte lucanische Wüste um die Taille geschnallt.

  • Was heißt eigentlich konventionell? Plotina musste schlucken, als sie die Frage hörte. Hilfesuchend sah sie sich zu Varena um, doch dann beschloss sie, dass sie selber versuchen wollte, diese Frage zu beantworten. Um Zeit zu gewinnen, sagte sie erst einmal:


    "Also, nochmal: Salvete, Stella und Leni!"


    Dann dachte sie stark nach, und auf einmal hellte sich ihr Gesicht auf.


    "Konventionell heißt einfach, dass etwas so ist, wie es immer ist, so wie alle es erwarten, nichts Besonderes, nichts Neues, keine Überraschung."


    Dann blickte sie die beiden Mädchen wieder unsicher an: Die beiden schienen sehr kritisch zu sein; Plotina fühlte sich fast wie bei einer Prüfung.


    "Habe ich dir damit etwas geholfen?"


    Jetzt fiel ihr Blick aber auch auf den Mann, der schräg vor ihr saß. Bisher war er ihr gar nicht sonderlich aufgefallen, aber Stella hatte schon Recht: Er war wirklich ziemlich dick, und hinter ihm konnten die Mädchen mit Sicherheit nicht viel sehen und hören.


    "O je, ich kann mir vorstellen, dass ihr nichts seht. Ist es hier vielleicht besser?"


    Plotina rückte ein bisschen auf, um den Mädchen Platz zu machen.

  • Stella sieht Plotina argwöhnisch an. Sie wirkt zuerst, als ob sie nicht recht weiß, was sie da gesagt hat, aber dann erklärt sie schließlich doch, was konnwennzjonell heißt. Stella schaut streng, so streng wie der griechische Hauslehrer in Ravenna, der Leni und Stella immer getriezt hat mit schweren Fragen wie Wo liegt Griechenland? Wie heißt unser göttlicher Kaiser? und so. Dann aber lacht sie hell auf. Die Frau mit der großen Nase gefällt ihr, und sie bietet den Zwillingen ja auch einen besseren Platz an, damit sie endlich was sehen können. Auch wenn das Schauspiel jetzt irgendwie vorbei zu sein scheint, denn gerade singt und spricht niemand.


    "Ah, so. Das heißt das. Warum gibt es denn nur immer so viele schwierige Worte für ganz leichte? Mann kann doch einfach die leichten Worte nehmen. Oder darf man als Erwachsener nur noch die schweren Worte sagen?" fragt sie und schaut dabei abwechselnd Plotina und Lenaea an. Dann zuckt sie mit den Schultern und klettert auf die Bank neben Plotina. Leni passt da sicher auch noch irgendwie hin. Jetzt sitzt eine kleine Römerin vor den beiden und sie sind den dicken Mann los. Stella grinst zufrieden, fragt aber vorsichtshalber noch mal nach: "Ist das Theater jetzt schon aus?" Fragende Kinderaugen schauen Plotina leicht enttäuscht an.

  • Auch Leni ließ sich nicht lange bitten und hopste ihrer Schwester hinterher auf den Platz neben Plotina. Die beiden Mädchen saßen dann auch dicht nebeneinander, sodass der Platz ausreichte für sie beide. Sodann streckte Leni nochmal den Hals in alle Richtungen um enttäuscht festzustellen, dass die Aufführung wohl schon zu Ende war. Nun hatte sie vom eigentlichen Stück gar nichts mitbekommen und biss sich kurz auf die Unterlippe, während sie Stella darüber sinnieren hörte, warum Erwachsene Leute immer so schwere Worte benutzten.


    Das war ihr Stichwort, denn Leni war ja bekannt dafür, ihre Schwester immer verbessern zu wollen. "Na, das ist doch logisch. Die sagen immer so schwere Wörter, wo sie manchmal selbst nicht wissen, was sie bedeuten, um wichtig zu klingen und ernstgenommen zu werden. Wenn sie sich unterhalten würden wie wir, würden die anderen denken, dass sie Kinder sind und dumm. Darum lernen sie sich so grässliche Wörter an. Ich weiß es genau!", sagte Leni und schaute ihre Schwester ernst an.

  • Zitat

    Original von Purgitia Lenaea
    Das war ihr Stichwort, denn Leni war ja bekannt dafür, ihre Schwester immer verbessern zu wollen. "Na, das ist doch logisch. Die sagen immer so schwere Wörter, wo sie manchmal selbst nicht wissen, was sie bedeuten, um wichtig zu klingen und ernstgenommen zu werden. Wenn sie sich unterhalten würden wie wir, würden die anderen denken, dass sie Kinder sind und dumm. Darum lernen sie sich so grässliche Wörter an. Ich weiß es genau!", sagte Leni und schaute ihre Schwester ernst an.


    Stella und Leni hatten sich jetzt zu Plotina gesetzt und schienen sich auch weiter mit ihr unterhalten zu wollen. Inständig hoffte die Sergierin, dass ihr dabei weitere Prüfungsfragen erspart bleiben würden! :D


    Und tatsächlich nahm das Gespräch jetzt eine andere Wendung, die sofort Plotinas ganze Aufmerksamkeit erregte.


    "Ja, du hast wohl Recht, Stella, auf der Bühne ist jetzt nicht viel los. Aber ehrlich gesagt, höre ich fast noch lieber euch zu. Ich glaube nämlich, Leni, dass viel Wahres an dem ist, was du gerade gesagt hast. Wir Erwachsenen spielen nämlich alle gerne Theater und wollen mehr scheinen als wir in Wirklichkeit sind. Die anderen sollen nicht sehen, wie es uns geht, und deshalb spielen wir eine Rolle, von der wir meinen, dass sie die anderen beeindrucken wird."

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