• Ja, das war in jedem Fall schon mal ein Anfang ... und sehr aufschlussreich.


    „Sollen bestimmt nicht, aber vielleicht könnte es ja“, zuckte Phaeneas mit den Schultern.
    „Bedeutet dir die Aufgabe einzig etwas, weil es eine Ehre ist, oder auch das Amt selber?“, hakte er nach.

  • Interessant, was sich ein Sklave so für Gedanken machte....


    "Es ist eine Aufgabe, eine Herausforderung, die man übernimmt, zuerst, weil es der Kaiser so wünscht, dann weil man seine Arbeit macht und später, weil man Sympathie entwickelt für die provinz, die man verwaltet.
    Zumindest ist es bei mir so.


    Und natürlich bedeutet mir das Amt etwas, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir egal ist, wer bzw. was man ist. Es bedeutet Ansehen und Macht und beides ist in der Welt, in der ich lebe von Bedeutung und wichtig!"

  • Phaeneas lauschte den Stufen einer Statthalterschaft, ließ sich von Lucianus die Bedeutung seines Amtes interpretieren, nahm seine Welt hin, verfolgte aufmerksam die Worte seines Herrn.
    Sympathie für die Provinz ... Phaeneas musste schon fast lächeln. Wie sentimental.


    Anfangs beschäftigte Phaeneas die Schwerpunktsetzung des Herrn. Im ganzen gesehen schließlich erstaunte es ihn nicht, was er sagte, trotz seiner wie gesagt anfänglichen Schwierigkeiten. Es passte zu Lucianus.
    „Du langweilst dich also jeden Tag, der Provinz zuliebe?“, stellte Phaeneas schlussendlich eine sehr rhetorische Frage, bewusst übertrieben, damit man bemerkte, dass es nicht ernst gemeint war.

  • "Langweilen? Macht es den Eindruck? Mit Nichten, immerhin habe ich neben der Statthalterschaft auch ein Legionskommando und noch das Oberkommando über die gesamten Truppen der Provinz..... langweilig wird mir dabei nie.... nein, im Gegenteil, ichj könnte oft noch die eine oder andere helfende Hand gebrauchen!"

  • „Dass du beschäftigt bist ist offensichtlich, Herr. Du bist schließlich nicht umsonst von morgens bis abends eingespannt“, entlastete Phaeneas Lucianus vom Eindruck der Unbeschäftigtheit.
    Er hörte sich geduldig die Aufzählung von Aufgaben und Kommandos an.
    Er bekam letztendlich, was er wollte. Nämlich einen Einblick darin, wie Lucianus über das dachte, was den größten Teil seines Lebens einnahm. Was genau er wollte, das bekam er nicht, dafür aber einen gebührenden Ersatz.
    „Faszinierend“, sprach der bithynische Sklave und genau dieses Wort stand in sein Gesicht geschrieben. Der Herr war der einzige, der erwarten konnte, genauer an Phaeneas ablesen zu können, was gerade in ihm vorging. „Du denkst mehr an deine Pflicht als an dich selbst.“
    Mit nach wie vor faszinierter Miene, wandte sich Phaeneas schließlich zum Gehen.
    Mit dem dezenten Unterschied, dass er nicht weggeschickt wurde, sondern von selbst ging.

  • Lächelnd und Kopfschüttelnd sah ich dem Sklaven nach und hatte nichts dagegen, dass er sich selbst entfernte, denn immerhin, hatte ich ihn ja auch nicht gerufen, er war selbst gekommen, hatte gefragt und anscheinend war sein Wissensdurst nun gestillt... fürs Erste...

  • Ein Brief. Ein banaler Grund, der Phaeneas zu Lucianus lotste. Banal, für ihn, wusste er doch aus eigener Erfahrung tausend andere, teilweise spannendere Gründe dafür.


    Während des Weges hierher jedenfalls hatte sich Phaeneas’ Miene mehr und mehr aufgehellt. Zu Lucianus zu gehen war schließlich kein Grund ein missmutiges Gesicht zu machen.
    Seit letzter Zeit ging das jetzt so, dass Phaeneas Lucianus ein unbeschwerteres Gesicht zeigte.
    Und so kam es auch, dass er den Herrn mit einem freudigen Lächeln begrüßte. Es ließ die dunklen Augen leuchten, vertrieb die Kälte und ließ sie wärmer erscheinen.


    „Ein Brief“, ließ er, wie beiläufig, verlauten und reichte Lucianus die Schriftrolle.



    An Marcus Vinicius Lucianus
    Regia Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum, Germania


    Salve, mein Bruder,


    lange schon hast du nichts mehr von mir gehört, was allerdings auch daran lag, daß es kaum etwas zu erzählen gab. Und doch vermute ich, daß du meine Neuigkeiten schon längst in der Acta gelesen hast, dennoch möchte ich dich persönlich unterrichten. Zum einen hat der Senat beschlossen, mich als Proconsul nach Hispania zu entsenden. Da etliche meiner Freunde und Parteigänger mich schon Wochen zuvor ordentlich bearbeitet haben, habe ich mich halt dazu bereit erklärt. Es ist allerdings schon sehr lange her, daß ich Rom für eine längere Zeit verlassen habe, vielleicht erklärt sich dadurch mein früherer Widerwille. Wie dem auch sei, ich werde - sobald ich all meine Angelegenheiten erledigt habe - in den nächsten Tagen nach Tarraco abreisen. Ich war ja schon einmal dort, nette Gegend, soweit ich mich erinnere. Meine Tochter und den Großteil des Haushaltes nehme ich natürlich mit. Zum anderen, auch das wirst du vermutlich schon aus der Acta wissen, habe ich mich endlich dazu entschließen können zu heiraten. Es ist eine Tochter von Licinius Calenus, du kennst ihn sicher. Hübsch ist sie, und nicht allzu jung, nicht, daß sie mir so wie Livia beim ersten Kind wegstirbt. Die Hochzeit wird dann in Tarraco stattfinden, ich weiß, daß es dir nicht möglich sein wird zu kommen. Solltest du es dennoch einrichten können, würde es mich freuen. Zum Schluß habe ich noch eine Nachricht, und die hast du sicher nicht aus der Acta. Vor ein paar Tagen kam ein Jüngling zu mir, der sich als Sohn von Marcellus ausgab. Er konnte seine Identität auch mit einem Ring beweisen. Es ist mir unerklärlich, warum Marcellus eine Heirat und ein Kind verheimlicht hat. Oder wusstest du davon? Sabinus heißt unser Neffe, und hat sozusagen gerade erst die Männertoga angelegt. Ich werde ihn auch mit nach Hispania nehmen. Ein adolescenter Junge allein in Rom, nein, er würde nur Unsinn anstellen. Dies waren im großen und ganzen die Neuigkeiten aus Rom. Ansonsten war es sehr ruhig in letzter Zeit. Der Kaiser ist noch immer nicht gesundet, was zu denken gibt, aber andernorts schon merkwürdige Blüten treibt. Neulich hörte ich von einem Ritter, der sein gesamtes Geld auf das frühe Ableben des Kaisers verwettet und - da der Kaiser ja noch immer lebt - verloren und daher Selbstmord begangen haben soll. Ob es stimmt, weiß ich nicht, die Geschichte ist aber dennoch amüsant. Ich hoffe, dir und deiner Frau geht es gut.


    Vale bene,
    M. Vinicius Hungaricus

  • "Danke" sagte ich nur kurz und nahm die Rolle entgegen, überflog sie kurz und staunte nicht schlecht dabei...... aber eine Antwort musste warten.....


    "Gibt es soonst noch was, Phaeneas?"


    Vielleicht hatte er ja wieder ein paar Fragen, um seine Neugierde zu befriedigen.

  • Obwohl Lucianus den Text nur schnell durchging, konnte man ihm beim Lesen die Überraschung ansehen.
    Dann wandte er sich Phaeneas zu; in Zusammenhang mit einer Formulierung, die er oft benutzte.


    „Du fragst so, als würde die Welt aus Notwendigkeit bestehen, Herr ...“, stellte er sinnierend und leicht schmunzelnd fest.


    Dann machte er ihm doch noch einen sehr vernünftigen Vorschlag, der die Nähe zur Notwendigkeit schlecht leugnen ließ:
    „Falls du wieder etwas von Mogontiacum hören willst ... Das heißt, sage einer in einer Provinzstadt sei nicht viel los ...“ Die Einschränkung zu ‚etwas’.

  • Tja, Beamtenkrankheit, jede Gelegenheit am Schopf packen zu wollen, um möglichst alles gleich zu erledigen.


    So gab Phaeneas Lucianus einen Überblick über das Leben in Mogontiacum, einer geschäftigen, sich ständig verändernden Stadt - meistens erzählte er einfach, die Stimme ein wenig beiläufig, während er ein Schicksal neben das andere reihte. Nur sagte er es nicht nur sachlich herunter, sondern er ließ auch zu, dass die Worte lebendig wurden, wenn es zur Situation passte. Bisher hatte Lucianus von Mogontiacum nämlich nur sachliche Lageberichte gehört.


    „Tja, Herr, bei den Ducciern hat sich wieder einiges getan und tut es sich nach wie vor“, begann Phaeneas seine Ausführungen. „Zwei sind vor einiger Zeit nach Germania Magna gegangen, wo Duccius Germanicus inzwischen umgekommen ist.“ Nichts Neues, dass Duccier in Magna starben. „Ein weiteres Familienmitglied, das sein Glück in Hispania versuchen wollte, ist wieder zurückgekehrt und hier zur Legion gegangen. Zwei Duccier hat es nach Rom verschlagen, den einen zu den Praetorianern, der andere lässt sich zum Priester ausbilden. Von jenseits des Limes kamen auch wieder zwei, Brüder, sie werden jetzt langsam ins Leben hier eingebunden. Von dort aus fand auch ein junges Mädchen zu den Ducciern, das als Haushälterin angestellt wurde. Nach geraumer Zeit, in der sie ihren Dienst versehen konnte, ist sie nun verschwunden ... Man vermutet, dass sie entführt worden ist.“ Kurze Pause. „Ansonsten hat sich Duccius Lando die Taberna Silva Nigra zugelegt, samt Grundstück.
    Der Praefectus Portuensis lässt sich ein Haus bauen, Petronius Crispus hat sich eines gekauft und lässt es renovieren. Darüber hinaus hat er einen Steinbruch in Vicus Novus übernommen. Außerdem ist seine Ehefrau gestorben.“
    Eine weitere kurze Pause.
    „In Mogontiacum wird eine Verlobung erwartet, angeblich will sich Hadrianus Capitolinus“ – von den Hadrianern gab es im allgemeinen eher weniger in Mogontiacum – „mit einer Duccia verheiraten.
    Und Germanicus Sedulus hat jetzt inzwischen eine kleine Tochter.
    Dann gibt es gerade noch eine besonders nette Geschichte, wie die meisten finden: Eine Frau fand ihren totgeglaubten Mann in Mogontiacum wieder, bei der Legion.“
    Der Vollständigkeit halber fügte Phaeneas an: „Diese beiden haben nun zur Zeit eine Iulia zu Besuch.“


    Und das war wahrhaft nur das Wichtigste, mit ein paar auflockernden, weniger ausschlaggebenden Geschichtchen zwischendrin (einfach das Leben der Leute hier eben) – und da sollte jemand sagen, Mogontiacum sei eine ruhige, überschaubare Provinzstadt.


    Phaeneas betrachtete Lucianus. Dass er von dieser Wucht an Worten und Informationen nicht erschlagen wurde, wunderte den Bithynier jedes Mal wieder.

  • Während Phaeneas erzählte und ich bemerkte, dass es nicht wirklich imperiumbewegende Dinge waren, setzte ich mich daran eine Antwort an meinen Klienten zu verfassen.



    Ad
    Titus Aurelius Ursus
    Casa Aurelia
    Roma
    Provincia Italia



    Salve, Client!


    Zu allererst meine Gratulation zu deiner gewonnen Wahl. Mögest du dein Amt mit Würde ausfüllen und deine Aufgaben gewissenhaft meistern. Richte dem Consul meine Grüsse aus, ebenso wie von meiner Gattin.


    Zum Zweiten danke ich dir für die Flut an Informationen, es ist immer gut, auch andere Quellen, als die Acta zu haben.


    Was deinen Gedanken angeht, dir einen Sklaven anzuschaffen, hätte ich da ein Angebot für dich. Crinon, ein Saklve in meinem Haus hat sich schon lange als guter Leibwächter meiner Frau hervorgetan. Aus Gründen die nur Frauen verstehen, will sie ihn aber nicht mehr um sich haben und da ich für ihn keine andere gleichwertige Verwendung habe, könnte ich ihn dir überlassen.
    Allerdings hat er mir damals eine horrende Summe gekostet und ich würde ungern einen allzugrossen Verlust machen. Vielleicht möchtest du mir ja ein Angebot für ihn unterbreiten.


    Ich hoffe, Dir und Deiner Familie geht es gut und erwarte mit Spannung weitere Berichte aus Rom.


    Mögen die Götter stets mit Dir und den Deinen sein,


    Vale,





    Dann übergab ich die Schriftrolle an Phaeneas


    "Danke für die zahlreichen Informationen..... hier, bring den Brief in die Regia, er soll nach Rom verschickt werden"

  • Während er noch sprach, griff Lucianus nach Feder und Papyrus und begann zu schreiben.
    Phaeneas sah ihm von der Seite her zu.
    Der bithynische Sklave hatte vom Schreiben ohnehin keinen Begriff. Er für seinen Teil glaubte, dass ein gewisses Maß an Konzentration dafür nötig war. Jedenfalls war er überzeugt, dass er selbst es auf alle Fälle nötig haben würde. Eben noch verschärft durch die Tatsache, dass er keine Ahnung davon hatte, wie man Buchstaben aneinanderreihte, war es für Phaeneas unfassbar, wie man schreiben und nebenher auch noch zuhören und das Gesagte verstehen konnte.
    Phaeneas nahm die Schriftrolle entgegen. Dann nickte er: "Gut, Herr, ich kümmere mich darum!"


    Eilends zu kommen und eilends zu gehen hatte den Vorteil schnell wieder aus Reichweite des Herrn zu kommen, was der Bithynier oft als sehr vorteilhaft erlebt hatte. Phaeneas jedenfalls beeilte sich nicht übermäßig, als er Lucianus wieder allein ließ.
    Kaum dass er das Tablinum verlassen hatte ...

  • Unter seinen Füßen, die mit leichten Schritten dem Tablinum entgegenstrebten, die Flure der Domus, die gewohnte Umgebung, an der er vorbeikam. Phaeneas jedenfalls war in Gedanken schon längst dort, wo er gerade hinging. Es war schwer für ihn zu begreifen, aber was er fühlte war Vorfreude. Er freute sich immer, Lucianus zu sehen. Und es gab keinen Nachmittag, an dem er sich nicht freute, wenn Lucianus wieder von der Arbeit zurückkommen würde.
    Phaeneas war also auf dem Weg zum Tablinum und machte dabei einen recht munteren, sonnigen Eindruck.
    „Herr!“ Ein Schmunzeln flog über Phaeneas‘ Gesicht, als er in Lucianus‘ Arbeitszimmer war.
    „Ich hab hier etwas für dich“, redete er weiter und ging an ihn heran. „Es ist wieder mal ein Brief für dich eingetrudelt. Hier, bitte sehr!“ Und legte die Schriftrolle vor Lucianus ab.




    An
    Marcus Vinicius Lucianus
    Legatus Augusti pro Praetore
    Provincia Germania


    Salve Lucianus,


    Es ist ein besonders freudiges Ereignis, das mich den Griffel schwingen läßt, um Dir zu schreiben. Schon lang haben wir keine Worte mehr ausgetauscht. So bleibt es mir zu fragen wie es meinem geliebten Germanien geht und ob Du und Deine Frau gesund seid. Was macht der Winter und wie steht es um die Versorgung der Städte, wie verhalten sich die außerrömischen Nachbarn und was für Neuigkeiten gibt es sonst noch?


    Aus Rom möchte ich Dir davon berichten, das ich erneut Vater geworden bin. Lucilla schenkte mir einen Sohn auf dem Landgut ihrer Großtante. Noch lebt sie dort und ich darbe hier sozusagen allein in Erwartung ihrer und des Knabens Rückkehr.


    Noch ist der Winter milder als gedacht und die Versorgungslage der Stadt üppig. Ich hoffe das es das auch bleibt.


    Ich spiele mit dem Gedanken im nächsten Sommer evtl. für einige Wochen in die Heimat nach Mogontiacum zu kommen.


    Solltest Du zu einer Antwort Zeit finden, ich würde mich freuen. Bis dato verbleibe ich mit Grüßen aus der ewigen Stadt Rom,




  • "Danke, Phaeneas!" sagte ich und öffnete die Rolle sofort, las und schmunzelte....


    Ich sah auf und griff gleich zu Papyrus, als mir etwas einfiel...


    "Ach, Phaeneas..... wir haben doch mal vor langer Zeit geplant, dir Lesen und Schreiben beibringen zu lassen..... hat der Unterricht schon etwas gebracht?"


    Ein Feines wäre es, wenn ich meine Briefe nicht mehr selbst schreiben müsste.

  • Eigentlich wunderte sich Phaeneas jedes Mal wieder, dass Lucianus sich die Mühe machte seine Briefe selbst zu Papier zu bringen. Es wäre schließlich so einfach, das einen anderen Sklaven, der lesen und schreiben konnte, machen zu lassen. Andererseits bewies es einmal mehr, dass Lucianus eine treue Seele war und auf Phaeneas wartete.
    Was dem Bithynier auf sonderbare Weise schmeichelte.
    Während Phaeneas überlegte, wie er Lucianus die Angelegenheit darlegen wollte, verlagerte er sein Gewicht auf den linken Fuß und lehnte sich leicht zurück, als würde diese gelöste Haltung seine Gedanken besser unterstützen. Trotzdem wurde Phaeneas‘ Gesicht eine Spur ernster, als die Sprache auf dieses – nach Ansicht des Sklaven ernstzunehmende – Thema kam.
    Bei dieser Bewegung jedenfalls klimperte leise der Inhalt des Beutels, den Phaeneas seit Neuestem am Gürtel mit sich herumtrug, eine schmale Wachstafel mit einem Stilus nämlich. Zum einen für die Übungen, die der Lehrer ihm aufgab – der Lehrer, genauso wie Phaeneas anfangs nur von der Herr gesprochen hatte - , zum anderen versuchte Phaeneas sich darin, möglichst viel schriftlich in Worte zu fassen und kritzelte alles mögliche mit.
    „Na ja, ich weiß noch nicht recht, was das werden soll, aber der Lehrer meint, es würde sich schon gut entwickeln.“ Dieses Urteil gab erstaunlich gut Phaeneas‘ Einstellung zu sich wieder: auf unspektakuläre Weise unüberzeugt von sich selbst. „Angeblich geht jeder Schüler diesen Weg, der eine schneller, der andere weniger schnell. Aber ... für deine Briefe würde es noch lange nicht reichen, Herr, ich stoße bei dem, was ich schreiben will, noch recht oft, das heißt viel zu oft an meine Grenzen.“

  • „Tu das“, lächelte Phaeneas.
    Dann meinte er mit einem Nicken in Richtung Brief: „Na dann, amüsier dich gut!“
    Auf die für ihn manchmal typische ironische Art und Weise, eine Ader, die allerdings auch nur zum Tragen kam, wenn sich Phaeneas seiner Position sicher war, sprich, sich dort, wo er stand, sicher fühlte.
    Mit diesen Worten verabschiedete er sich aus dem Tablinum, von Lucianus, und ließ seinen Herrn mit den zwei Papyrusrollen allein.

  • Es wunderte Phaeneas, dass er sich bei all der Kälte noch keinen Schnupfen eingefangen hatte. Normalerweise begann er schnell zu schniefen, wenn es draußen immer kälter wurde, aber diesmal niesten alle (selbstverständlich fast alle) um ihn herum und er war nicht dabei. Na ja, vielleicht war er ja inzwischen durch den germanischen Winter abgehärtet.
    Mit zwei Schriftrollen unter dem Arm schneite ... nein, kam er also, ganz normal, ins Tablinum herein und legte selbige vor Lucianus ab. Sofort befand sich Lucianus in dem unmittelbaren Mittelpunkt von Phaeneas‘ Aufmerksamkeit – wie eben immer. Nach einem Tag bestehend aus Gleichgültigkeit, wie eben auch immer, gefiel es Phaeneas unglaublich jegliche Teilnahmslosigkeit beiseite zu schieben und auf einen Schlag vollkommen wach zu sein.


    An
    Marcus Vinicius Lucianus
    Regia Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum, Germania Superior


    Salve Marcus Vinicius Lucianus!


    Habe Dank für Dein Schreiben. Du hast darin Deinen Klienten Titus Aurelius Ursus erwähnt und bittest mich, dass ich mich für ihn einsetze und seine Ernennung zum Senator befürworte. Das will ich nur zu gerne tun. Wie Du bestimmt weißt, amtiert er nun bereits zum zweiten mal als Quaestor Consulum und ich habe seine Wiederwahl sehr unterstützt. Denn ich schätze Deinen Klienten sehr und bin davon überzeugt, dass ihm noch eine große Zukunft bevorsteht. Wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, werde ich also meinen Einfluss gelten machen.
    Bitte grüß' meine Base Paulina von mir. Ich hoffe, euch geht es wohl und der schlimme germanische Winter, von dem man immer wieder hört, setzt euch weniger zu als man befürchten muss.


    gez. Lucius Aelius Quarto



    ROMA - ANTE DIEM IX KAL IAN DCCCLIX A.U.C.
    (24.12.2008/105 n.Chr.)


    Ad Marcus Vinicius Lucianus
    Legatus Augusti pro Praetore
    Provinz Germanien
    Mogontiacum


    Salve Marcus,


    ich danke Dir für Deine Wünsche. Lucilla ist noch nicht vom Land nach Rom zurückgekehrt. Ich freue mich darüber, was fast nicht begreifbar ist. Sie kann mit dem Jungen in der Villa Rustica ihrer Großtante weit besser leben, als es selbst die luxeriösesten Verhältnisse in Rom zulassen. Die kalte Jahreszeit verbannt uns immer in unsere Häuser, fern ab von all dem Elend. Ich hoffe das bald wieder die ersten Blüten spriesen und Rom von dieser Dunstglocke befreit wird, die sich tief in die Wurzeln der Stadt gräbt, während es kalt und ungemütlich ist.


    Wenn die Sonne wieder lang am Horizont steht, will ich auf jeden Fall Germanien wiedersehen. Vielleicht kann ich auch meine Frau überreden mitzukommen, aber wenn sie die Reise für zu unwegsam erachtet, so will ich trotzdem allein Mogontiacum im nächsten Jahr bereisen. Eine Unterkunft haben wir zwar selbst in der Stadt, wie Du sicherlich weist, aber ich will Dein Angebot trotzdem nicht ausschlagen. Ein volles Haus ist eben immer anders zu bewerten, als eine leere übergroße Villa.


    Der Name Titus Aurelius Ursus ist mir wohl bekannt. Er leistet gute Arbeit für die Schola Atheniensis Phoebi Apollonis Divinis und auch sonst schafft er es sich in der Politik einen Namen zu machen. Aber als Senator muß ich natürlich auch die Verhältnisse im Senat beobachten und analysieren. Wieviel Patrizier vertragen wir noch und bei welchen von Ihnen können wir auf Fürsprache mehr hoffen, als auf offenen Kampf um jede Gesetzzeile?! In der Zukunft will ich dies mehr bedenken, als wahrscheinlich die Mehrzahl im Senat und doch kann und will ich Dir, alter Freund diesen Wunsch nicht ausschlagen... Du siehst also, das Rom heute nicht leichter durch den Senat zu regieren ist als früher. So mir die Götter in meiner Entscheidung zusprechen, will ich diesen Deinen Klienten unterstützen. Auch wenn in meiner kleinen Welt das Gleichgewicht zu kippen droht.


    Ich verbleibe mit guten, wie gesunden Grüßen aus Rom und bete darum, das auch Ihr gesund bleibt...



  • Als der Herr dieses Hauses nachmittags von der Arbeit in sein trautes Heim zurückkehrte, fand er im Tablinum eine Wachstafel vor. Die hatte Phaeneas dort für genau diesen Zweck deponiert (und sie am Rande erwähnt auch schon gelesen, ihren Inhalt aber als langweilig befunden):


    Legatus Augusti pro Praetore - Regia Legati - Mogontiacum



    M Petronius Crispus Legati Augusto pro Praetore Germaniae M Vinicio Luciano s. p. d.


    Ich möchte Dich untertänigst einladen, mich heute Abend in meinem Haus zu beehren. Gemeinsam wollen wir darüber sprechen, in welcher Art und Weise unser Plan von einer gemeinsamen Societas Wirklichkeit werden kann.


    Ich hoffe, Du kannst dies einrichten.


    Vide ut valeas



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