Kurz nachdem die Sitzung in der Curie beendet war machte Glabrio sich auf den Weg zur Rednertribüne auf dem Forum. Es war höchste Zeit, seine Rede zu halten. Und es war das perfekte Wetter dafür. Die Sonne schien vom Himmel und viele Menschen aller Klassen waren unterwegs. Einige meinte Glabrio zu kennen, andere waren ihm völlig fremd. Nun, da der Augenblick gekommen war, war er aber nicht mehr im Entferntesten so aufgeregt, wie noch vor einigen Stunden. Als er das Rednerpult betrat sahen schon einige Menschen auf, das sah man hier nicht häufig. Während er einige wenige Notizen vor sich ordnete scharten sich immer mehr Menschen um ihn. Schließlich stellte er sich aufrecht hin und begann mit deutlich vernehmbarer Stimme.
"Bürger und Bürgerinnen!
Nun, fast 900 Jahre nach der Gründung der Stadt Rom, befindet sich das römische Reich in einer prekären Lage. Alle kennen dieses Problem, doch kaum jemand ist sich bewusst, welche Ausmaße jenes Problem mittlerweile angenommen hat. Mein Ziel mit dieser Oratio ist, euch diese Streitfrage vor Augen zu führen und einen sicheren Weg aus diesem Dilemma vorzuschlagen.
Das Problem, welches ich anspreche, ist die Sklaverei.
Die Tradition, von unseren besiegten Feinden Sklaven zu nehmen, ist uralt. Unsere Ahnen, betrachteten es als ihr ureigenes Recht, Sklaven von jenen Völkern zu rekrutieren, die unter das Joch geschickt worden waren und deren Schicksal in den Händen unserer Vorfahren lag. Durch Sklaven wurden Reiche groß. Niemals hätten Athen, Sparta und all die anderen griechischen Städte die Perser ohne Sklaven zurückhalten können. Niemals wären unsere Legionen an den Rhein, an die Themse, an den Euphrat und an den Nil marschiert ohne den Sklavenstand.
Doch ist die Sitte, Sklaven zu halten, ein zweischneidiges Messer.
Die Situation zur Zeit ist, dass die Population der Sklaven überhand genommen hat. Rom und sein Reich ist wie ein Fass ohne Boden, welches Sklaven verschlingt, welches sonst nicht seinen Status beibehalten könnte. Kurz, wir sitzen auf einer Blase. Mit jener Blase meine ich die Sklavenmassen. Sklaven sind unsere Leibdiener, unsere Feldarbeiter, unsere Schreiber, Putzleute, Türöffner, Fächerwedler, und sie sind zahlreich. Es wäre kein Fehler anzunehmen, dass es mittlerweile weitaus mehr Sklaven als römische Bürger gibt.
Natürlich sind die Vorteile, andere Menschen zu Sklaven, zu Tieren zu machen, offensichtlich.
Es sind unbezahlte Arbeitskräfte, die sich nicht beschweren dürfen und die den Arbeitsplatz nicht wechseln dürfen, sowie ein Projektionsfeld der Aggressionen von so manchen Zeitgenossen. Außerdem ist der Sklavenhandel ein lukratives Geschäft.
Zahlreich aber sind die Gründe, die gegen die Sklaverei sprechen.
Der erste Aspekt wäre betreffend unserer Sicherheit. Wer weiß nicht vom Aufstand des Spartacus? Dieser eine Aufstand war nur einer von vielen, und es kann zu jeder Zeit ein neuer kommen. Angesichts jener Überlegungen erscheint es offensichtlich, dass eine Befreiung der Sklavenschaft von oben weitaus besser und ergiebiger wäre, als dass sie sich von unten her befreit. Letzteres ist als großes Risiko zu sehen, und nur Spielernaturen werden sagen können, dass dieses Risiko hinzunehmen ist. Die Emanzipation der Sklavenschaft von oben ist risikolos und mit keinem Blutvergießen verbunden.
Des weiteren ist die Sklaverei eine schwere Last für das römische Reich im Vergleich zu anderen Mächten. Die Parther haben kaum Sklaverei, Sklavenaufstände sind ungefährlich für sie, und die Gesellschaft steht nicht auf den tönernen Füßen der Sklavenschaft. Deshalb dürfen wir uns nicht wundern, wenn man uns im Reich der Parther ob unserem Joch auslacht.
Auch darf man die Volkschaften, von denen wir die Sklaven rekrutieren, nicht vergessen. Wir jagen Sklaven in Germania, Aethiopia, Scythia, Mauretania, überall auf der ganzen Welt. Doch bedenken wir dabei nicht, dass wir dabei Hass auf uns ziehen - gemeinsamen, einigenden Hass. Dieser Hass macht es leichter für sie, sich zusammen zu schließen und gemeinsam das Reich zu überfallen. Schon jetzt bilden sich solche Tendenzen in Germanien, und die Götter gnaden uns, wenn eines Tages riesige Stammesverbände über unsere Grenzen ziehen!
Auch wirtschaftlich gibt es Gründe, die für eine Emanzipation sprechen.
Schädliche ökonomische Effekte sind nicht abzustreiten, die Institution der Sklaverei hindert sowohl Herren als auch Sklaven daran, neue, frische Ideen zum Wohle des Reichs und des Volkes zu haben und diese auch in die Tat umzusetzen.
Auch hindert die Immobilität der Sklavenschaft und ihre Gebundenheit an die Herren den kulturellen Austausch innerhalb des Reiches erheblich. Die Sklaven sind an ihre Herren gebunden und nirgendwo können sie hin, ohne dass sie nicht ihre Herren begleiten würden. Insbesondere im Agrarbereich ist für Sklaven Mobilität nicht möglich, sie sind an ihren Arbeitsplatz gebunden.
Dem hinzu zu fügen wäre, dass freie Arbeiter aus verständlichen Gründen bei weitem die bessere Moral haben als Sklaven und deshalb auch produktiver sind. Sklaven sehen mit Verachtung auf die von ihnen produzierten Waren oder Dienstleistungen hinab, Freie betrachten sie mit Stolz.
Des weiteren ist die Willkür und Brutalität, mit der manche Sklavenhalter ihre Sklaven behandeln, unmenschlich und dient weder dem Staat noch dem Volk, im Gegenteil, es schadet ihnen, da arbeitsunfähig geschlagene Leute keinen Beitrag zur Wirtschaft geben können.
Ein Argument aber noch zum Schluss der Aufreihung: Vergleichen wir einen einfachen Landarbeiter und einen Sklaven. Ein Landarbeiter oder einfacher Diener braucht nur einen nicht allzu großen Lohn, der aber genügend ist, immer satt zu sein und nicht darben zu müssen. Aber ein Sklave? Ein Sklave braucht zwar keinen Lohn, aber Verpflegung, Sicherheitsvorkehrungen und Wachen. Summa summarum ist ein freier Landarbeiter oder Diener nicht viel kostenintensiver als ein Sklave, dafür aber weder ein Sicherheitsrisiko noch verbunden mit der Last der Verantwortung für den Sklaven und die Taten des Sklaven.
Ihr mögt einwenden, die Sklaven oder besser, die gewesenen Sklaven könnten eine unvorstellbare Flut darstellen, die das römische Volk hinwegschwemmen würde. Gleichzeitig könnte die Größe des Römischen Reiches dahinschwinden, Feinde würden über uns hereinbrechen, die Äcker lägen brach.
Doch das muss nicht sein! Um diesem grausigen Szenario vorzubeugen möchte ich euch folgenden Vorschlag vorlegen: Ebenso wie bei der regulären Freilassung sollte man auch bei der groß angelegten Emanzipation vorgehen. Diese Freilassung regelt ein Gesetz, Codex Universalis, Pars Quarta, Lex Germanica Servitium, § 2, in dem es unter anderem heißt:
(2) Der Libertus ist der Client seines ehemaligem Herrn und hat deswegen die gleichen Rechte und Pflichten, die einem Clienten zustehen. Er darf den Patron nicht wechseln.
(3) Darüberhinaus darf der Patron seinen ehemaligen Sklaven eine gewisse Anzahl von Tagen festlegen, an dem der Libertus für seinen Patron arbeiten muß. Hiebei darf der Patron jedoch nicht in der Anzahl, noch in der Arbeit selbst dem Clienten unangemessene Härten aufzwingen.
Dies bedeutet, dass die ehemaligen Sklaven auch in unserem Falle für eine Übergangszeit noch verpflichtet wären für ihren Patron zu arbeiten, wie gewohnt, sie werden lediglich bezahlt -- Die Wachen fallen dafür jedoch nach kurzer Zeit weg. Nach einer festzulegenden Übergangszeit könnten die Sklaven sich dann entscheiden, ob sie weiterarbeiten wollen und ihre Kinder später die Chance auf die Staatsbürgerschaft haben sollen, oder ob sie es nicht wollen. Die Meisten werden sich jedoch dafür entscheiden, da sie längst aus ihrer Heimat entwurzelt sind und Geld zum Überleben brauchen.
Darum wäre der Vorschlag, die Sklaverei in Schritten abzuschaffen nicht so abwegig, wie er zunächst erscheinen mag. Ein solches Vorhaben kann dem Reich nur Vorteile bringen, aber auch Individualpersonen, welche sich von den Themen jener Oratio angesprochen fühlen, ist es möglich, eine private Emanzipation der Sklaven zu erwirken. Zum Abschluss jener Rede über die Irrentabilität und Unzuverlässigkeit der Institution der Sklaverei möchte ich auch noch den menschlichen und moralischen Aspekt in der noblen Tat, Sklaven freizulassen, herausheben. Denn wie sagte schon der große Philosoph Seneca: "Es sind Sklaven - es sind Menschen." Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!"
Nach seiner langen Rede, bei der er immer wieder versucht hatte seine Zuhörer zu fesseln, endete Glabrio leicht erschöpft und wartete auf erste Reaktionen, wie auch immer sie ausfallen würden.