• Timos strahlte zurück, als er Pasiphaës Begeisterung vernahm. Er wurde leicht verlegen, ließ sich das jedoch nicht anmerken. "Danke," brachte er nur hervor und fügte noch hinzu: "Deine wundervolle Erscheinung lässt mein Herz allerdings auch schneller schlagen. Du bist heute von geradezu bezauberndem Anblick." Er bot ihr seine Hand und führte sie galant zum Sessel, den er der jungen Dame anbot.
    "Das ist alles nur für uns," erklärte Timos und musste schmunzeln. "Ich wusste du würdest dich freuen. Ich kenne doch deine Freude an der Schönheit der Natur und..." - jetzt musste er leicht grinsen - "...der Gesellschaft meiner Person."
    Nun saßen sie da. Nur sie zwei. Timos lächelte. "Du hast dich gut in Alexandreia eingelebt, das habe ich mit Erleichterung festgestellt. Gefällt dir das Haus meiner Familie?" Immerhin stammte auch sie nicht aus ärmlichen Verhältnissen. Doch sie beide konnten auf eine gemeinsame Vergangenheit zurückblicken, die Timos liebend gern wieder aufleben ließe. In etwas abgeänderter Form. Auch damals hatten sie so manche Stunde unter einem Dach verbracht und das Leben genossen. Manchmal sehnte der Strategos sich sehr nach dieser Zeit.

  • Ich musste lachen, als er das sagte. Aber es war ein aufrichtiges, nicht verhöhnendes Lachen. Eines, das seiner Vermutung recht gab. Ich hatte tatsächlich Freude an seiner Gesellschaft. Wie auch hätte ich dem grammateos sonst mit einer solchen Mischung aus Vorfreude und Grübelei hierher folgen können?


    "Ich habe mich sehr gut eingelebt, ja." sagte ich, als er das Gespräch wieder aufnahm. "Besser, als ich erwartete hatte. Denn nach einem ganzen Leben in Memphis hätte ich nicht erwartet, dass ich mich so schnell mit einer neuen Stadt arrangieren könnte." Ich hielt einige Sekunden inne und schaute auf die Umgebung. "Es ist sogar mehr, als nur ein Arrangement." fügte ich nach der kurzen Pause hinzu. "Es gefällt mir wirklich gut hier und es war eine große Freude und gänzlich unerwartet für mich, dass man mich in deinem Hause so nett aufgenommen hat." Tatsächlich hatte ich damit gerechnet, dass ich weit abgeschlagen in einem der billigeren Viertel hätte hausen müssen. Jetzt, wo ich auf mich allein gestellt war und ich hatte mich vor meiner Ankunft schon so an den Gedanken gewöhnt, dass ich regelrecht erstaunt war, als es doch anders kam. "Dein Haus gefällt mir auch gut. Ich habe noch nicht alles gesehen, aber was ich bisher entdeckte, hat mein Wohlgefallen errungen. Es ist ein hübscher Anblick und es lässt sich gut darin leben. Wirklich, du hast dir ein schönes Heim errichten lassen."

  • Severus atmete einmal kurz durch, dann lächelte er sanft und sprach ebenso. "Das konntest du ja nicht wissen. Woher auch?"


    Er dachte nach, welches andere Thema man anschneiden konnte, um die Situation doch noch halbwegs zu retten. "Wusstest du eigentlich, dass die Punier schon vor den Griechen zur See gefahren sind?"

  • Na, vielleicht war er durch ihre vorlaute Art doch nicht so erschreckt, wie Axilla schon befürchtet hatte. Er lenkte gleich ein, als er merkte, dass es ihr wirklcih leid tat, und wechselte dann das Thema, ehe das Schweigen zwischen ihnen beiden zu groß wurde.
    Natürlich bemerkte Axilla den plötzlichen Themenwechsel. Auch wenn sie selbst in einem normalen Gespräch meist etwa 20 Mal das Thema wechselte, weil sie auf irgendwas nicht antworten wollte, hieß das nicht, dass sie unaufmerksam war. Aber sie war Severus mehr als dankbar dafür und schaute auch gleich wieder neugierig, als wäre nichts gewesen, zu ihm zurück.
    “Die Punier? Das waren doch die mit den Elefanten?“ Wer könnte schon Hannibal vergessen? Es gab heute noch Schauergeschichten, die man mit Vorliebe kleinen Kindern erzählte. Wenn Axilla eine Weile Bedenkzeit hatte, würde ihr sogar bestimmt die ein oder andere Schlacht aus den punischen Kriegen einfallen, aber nicht jetzt so auf Anhieb. Ihre Leidenschaft galt mehr dem Alexanderfeldzug, sofern ein Mädchen für sowas eine Leidenschaft aufbringen durfte.
    “Und hatten sie gute Schiffe, oder solche Barken wie die Ägypter hier?“ Die Schiffe der Einheimischen waren für den Binnenverkehr auf dem Nil geschaffen und dafür auch ganz brauchbar. Allerdings auf dem Meer sahen sie eher aus wie Nußschalen, die bei der nächsten Welle kentern würden.

  • Ein verlegenes Lächeln war die Reaktion auf Pasiphaës hochschätzende Worte über das Haus seiner Familie. Thimótheos schenkte ihnen beiden vom verdünnten Wein ein und erwiderte dabei: "Alexandreia ist eben eine wundervolle Polis. Zwar gibt es keine Kanalisation, wie es in den meisten rhomäischen Städten der Fall ist und an manchen Tagen stinkt es hier wie im schlimmstvorstellbaren Moloch." Grinsend reichte er seiner Freundin ein Glas. "Aber für solche Tage gibt es ja auch diesen Ort der Entspannung und der Schönheit. Es ist wirklich großartig, dass es dir hier gefällt." Gut gelaunt prostete er seiner Gegenüber zu und fuhr fort. "Auf Alexandreia. Und auf die Gastfreundschaft." Er nippte vom Wein. "Du darfst deine Unterkunft im Hause Bantotakia als selbstverständlich und ohne zeitliche Begrenzung ansehen. Eine gute Freundin lässt man doch nicht in irgendeinem Gasthaus wohnen, wenn man selbst genügend Zimmer zur Verfügung hat." Timos nippte noch einmal am Wein und erfreute sich für einen Moment am Antlitz seiner Freundin, die ihn gerade in ihren Bann zu schlagen drohte. "Ich muss dich allerdings in einem Punkt korrigieren, meine Liebe. Es ist leider nicht ganz allein mein Haus, das du nun dein Heim nennen darfst. Offiziell gehört es meinem Bruder und seiner Frau, es ist ihr Geburtshaus. Doch da ich der Älteste bin in der Familie, nenne ich mich ebenfalls Kyrios." Er lächelte triumphierend und nahm ein Stück Apfel vom Teller, auf dem geschnittenes Obst bereitetet war. Eine Traube folgte ebenfalls und wurde nach kurzem Kauen geschluckt. "Aber dennoch, auch wenn es nicht direkt mein Haus ist: Danke für das Lob. Es freut mich zu hören, dass dein Lob von Herzen kommt und nicht nur pure Höflichkeit ist, wie es andere zu tun pflegen." Und plötzlich wurde der so selbstbewusste Bantotake ein bisschen nervös, denn seine Gedanken kreisten um die Worte, die er im Laufe dieses Gespräches irgendwann gut platziert anbringen wollte. "Aber so schön das Haus auch ist, ich bin noch nicht ganz glücklich damit. Etwas fehlt darin. Und ich meine nicht die Lücken, die das Bücherregal der Bibliothek aufweist. Auch nicht die noch unbepflanzten Flecken Erde im Garten. Nein, nein, daran hapert es gar nicht." Er nahm lieber noch einen tiefen Zug aus seinem Glas, denn abrupt beendete er seine Rede. Ein flaues Gefühl im Magen ließ ihn innehalten, während seine Beine sich merkwürdig weich anfühlten. Gut, dass sie in diesem bequemen Sesseln platz genommen hatten.

  • Es freute mich, zu hören, dass Timos offensichtlich bemerkt hatte, dass mein Lob über sein Haus tatsächlich von Herzen kam und nicht nur eine dieser leeren Floskeln war, die man so zu sagen pflegte, wenn man nette Belanglosigkeiten austauschte. Er verstand mich eben oder zumindest hoffte ich das.


    "Den Gestank bin ich von Memphis gewöhnt." sagte ich. "Ich glaube, meine Nase hat schon viel Widerliches wahrgenommen. Also musste du dir keine Sorgen machen, dass ich dir im nächsten Sommer davonlaufe." fügte ich scherzend hinzu.
    Ich nahm von dem Wein, den er mir anbot. Er schmeckte köstlich. Rein und gut und ich glaubte, dass es nicht allein am Wein, sondern vor allem an der Gesellschaft, in der ich mich befand, lag und am Ort, es war wirklich schön hier. Timos hatte Recht, wenn er sagte, dass dies ein guter Ort zum Entspannen sei.


    Wir saßen eine Weile so beieinander, redeten, doch plötzlich fühlte ich, dass mein Freund nervös wurde. Es war nur ein leichter Anflug von Unruhe. Doch ich nahm sie wahr, denn er leerte sein Glas nun härter, wie von einer Willenskraft getrieben, die noch keine Worte fand.
    Ruhig saß ich da und beobachtete ihn, dann wieder die Umgebung, dann wieder ihn und wartete auf das, was kommen mochte.


    Ich mochte seine letzten Worte noch nicht kommentieren. Die Anspielung war so deutlich. Die Leere, von der er sprach. Natürlich hatte ich verstanden, aber was sollte ich sagen? Ich hoffte zwar, ja, aber töricht wollte ich am Ende doch nicht sein.

  • Eigentlich hatte Timos diesen Moment noch etwas hinauszögern wollen. Die Ruhe im Paneion gemeinsam mit seiner Freundin aus Jugendtagen auskosten wollen. Unbeschwert, losgelöst, ohne jede Hast. Doch von einem Augenblick auf den anderen war eine Rastlosigkeit über ihn gekommen, wie er sie noch nicht oft erlebt hatte. Der junge Mann fühlte sich wie ein Händler, der bei Einbruch der Nacht auf die sich schließenden Stadttore zufuhr und noch auf Einlass hoffte. Sein Verstand sagte, dass Sorgen unangebracht seien. Dass er sich keine Gedanken um den Erfolg in seinem Vorhaben machen müsste. Pasiphaë und er kannten sich jetzt schon so lange, waren einander so zugetan. Es musste gelingen!


    Kurzentschlossen erhob Timos sich aus seinem Korbsessel und reichte der jungen Frau seine Hände, um sie sanft und wortlos zum aufstehen aufzufordern. Sie standen sich einen Moment schweigend Gegenüber, in dem der Bantotake seinen Mut sammelte. Sein eindringlicher Blick suchte den seiner Freundin. Endlich gab er sich einen Ruck und sprach weiter. "Pasiphaë, es mangelt mir an einer treuen Frau, die mir zur Seite steht, meinen Haushalt führt und mit der ich Nachkommen großziehen kann." Er hielt inne und drückte ihre Hände leicht. "Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass du diese Frau bist." Ein weiterer grausamer Augenblick der Stille unterbrach seine Worte, während er schluckte. Letztendlich entrangen sich die ersehnten Worte dennoch seiner Kehle. "Pasiphaë, willst du mich ehelichen?"

  • Ich war keine Kennerin der menschlichen Psyche im Speziellen und auch konnte ich nicht so gut in Menschen hineinsehen, dass ich all ihre unterschwellig ablaufenden Gefühlsregungen, die manchmal, ganz schwach, in kleinen Zeichen, an die Oberfläche drangen, verstand. Aber eines wusste ich: Timos war aufgeregt!


    Ich fing gerade an, mich zu wundern, was ihn wohl in diese plötzliche Rastlosigkeit versetzt haben mochte, wo der Tag doch so schön war und die Umgebung so ruhig. Dass es mit mir zu tun haben konnte, darauf freilich kam ich nicht, denn zwar wusste ich und hoffte, dass der Bantotake mich sehr mochte, jedoch nicht, dass seine schon seit Jahren unveränderten Gefühle nun ihren Höhepunkt finden sollten.
    Also stand ich da, ans Geländer gelehnt und sah ihn ganz ruhig an. Innerlich aber hielten mich meine Gedanken beschäftigt. Was wollte er sagen? fragte ich mich und fing an, zu rätseln.
    Musste er weg, aus Alexandria, geschäftlich? Würden wir uns lange Zeit nicht sehen? Konnte ich doch nicht weiter im Hause seiner Familie wohnen? Oder bewarb er sich am Ende um ein neues Amt, wollte er seine politische Karriere vorantreiben, sich ein Schiff kaufen?
    So stand ich da, überlegte und aß noch ein paar Weintrauben, um überhaupt etwas Sinnvolles zu tun.


    Ich hatte mich gerade gesetzt, als Timos mir seine Hände reichte und mich zum Aufstehen aufforderte. Ich kam der Geste nur gern nach, erhob mich und schenkte ihm meine volle Aufmerksamkeit.
    Wenn ich es richtig einschätzte, würde er mir wohl sagen, was ihn so beschäftigte und ich war schon gespannt, worum es nun eigentlich ging.
    Ich wartete also, geduldig und dann platze es förmlich aus ihm heraus.


    Er will mich heiraten! Mich! dachte ich, stand wie vom Donner gerührt da und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

  • Sie sagte nichts. Hera hilf! So sag doch etwas. Irgendetwas! Der Sand der Zeit verronn mit einschläfernder Langsamkeit. Eine Brise umscheichelte das Haar des Paares, das dort in den Gärten des Paneions stand und sich anstarrte. Und wie sie sich anstarrten! Timos wollte in diesen Augen beinahe versinken, die tiefer nicht sein konnten. Pasiphaës pechschwarzen Haare wehten ihr leicht ins Gesicht. Ihr wundervolles Gesicht! Diese filigranen Züge, die gerade Nase, die feinen Linien, die ihre Augenbrauen bildeten. All faszinierte ihn, hatte ihn schon immer fasziniert. Timos begehrte diese Frau!
    Aber warum erwiderte sie denn nichts? Weshalb sprach sie nicht mit ihm? War sie so entsetzt über sein Ansinnen? So sprachlos? Und - wenn ja - war sie positiv oder negativ sprachlos? Ob sie ihn auch zum Mann wollte? Timos' Verstand drehte sich, einem Wirbel, einem Sandsturm gleich, machte klares Denken unmöglich. Und so folgte er ganz einfach seinem Gefühl, seinem Instinkt. Seinem Bauch, auf den er schon vor Jahren hätte hören sollen.
    Ganz sachte - so als könnte Pasiphaë in seinen Händen zerbrechen - hielt er sie, schloss seine Finger enger um die ihren. Nur wenige Handbreit trennten sie voneinander, die in Zeitlupe überwunden wurden. Ein Schauer lief über seinen Rücken, als ihre Gesichter sich näherten und Timos ihren Atem auf seiner Haut spüren konnte. Die Umwelt war nun völlig ausgeblendet, es zählten nur noch sie und er. Pasiphaë und Thimótheos. Frau und Mann.
    Und dann küsste er sie. Es war beinahe nur ein Hauch von einem Kuss, doch er war wundervoll. Timos erinnerte sich an diese Art Kuss. Er erinnerte sich plötzlich genau. Wie es damals gewesen war zwischen ihnen beiden. Wie sie sich kennen gelernt hatten, wie sie sich lieb gewonnen hatten. An die Zeiten, die guten wie die schlechten, die sie erlebt hatten. Und an den Schmerz, den er gelitten hatte, nach der Katastrophe. Als sein Vater ermordet worden war und die drei Brüder fliehen mussten. Thimótheos, Ànthimos, und Ilías. Aber das Vergangenheit. Das alles war vergessen, jetzt da er hier stand. Mit Pasiphaë, seiner treuen Freundin. Seiner Geliebten.
    Dem zögerlichen Berühren der Lippen folgte ein weiterer Kuss, diesmal fordernd, leidenschaftlich. Dieser dauerte länger an, ließ mehr Zeit zum fühlen, zum schmecken. Und zum gefühlt und geschmeckt werden. Wie süß ihre Lippen doch waren. Oh ja, Timos wusste, warum er sich für diese Frau entschieden hatte! Doch nichts dauerte ewig, und so ließ er letztendlich irgendwann von ihr ab, hielt jedoch weiterhin ihre Hände. Sein Blick suchte erneut ihre dunklen Augen, die ihn so inständig zu bannen wussten. Er wollte nicht sprechen, wollte diesen Moment viel lieber in Stille genießen. Doch er musste eine Antwort haben. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, während er Pasiphaë erwartungsvoll betrachtete.

  • Nun war es also soweit. Diese Geste war so unmissverständlich, dass selbst ich mir nicht mehr einreden konnte, dass ich mir alles nur einbildete. Nicht dass ich Timos nicht als Filou in Erinnerung gehabt hätte, aber so würde er sich nicht verhalten, wenn es ihm nicht tatsächlich ernst wäre.


    Wie soll ich beschreiben, was ich in diesem Moment empfand?
    Ich fühlte Timos Lippen auf meinen und war im ersten Moment starr vor seiner plötzlichen Impulsivität. Es war nicht der erste Kuss und doch ein ganz spezieller, denn dieses Mal stand ein Versprechen hinter der Berührung. Ich schloss die Augen und genoss. Ja, es war gut und es fühlte sich richtig an. Plötzlich wurde mir klar, dass ich schon auf dem Schiff nach Alexandria gehofft hatte, dass genau das geschehen würde, was in diesem Augenblick tatsächlich geschah.
    Als kleines Mädchen hätte ich gekichert und die Realität nicht wahrhaben können, doch nun fühlte ich mich ihm so nah und nahm die Umgebung so deutlich wahr, dass ich erkennen musste, dass alles nicht nur Einbildung, sondern Wahrheit war.


    "Timos." sagte ich, als er von mir abließ und ich in seine erwartungsvollen Augen sah. "Ich will Deine Frau werden, von Herzen gern. Tief in mir drin wollte ich es schon die ganze Zeit."

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