• “Ach ja, Tiberius war's,“ sagte er dann schnell und nickte, um die so die Lücke in seinem Wissen zu füllen. Ja, Götter konnte man sich recht einfach merken, nur mit den Namen von Menschen sah es da schon ganz anders aus. Doch das Nicken wurde ebenso schnell von dem Kompliment unterbunden, welches er nun für seine Erzählungen von Frau Seiana bekam. Pure Überraschung spiegelte sich dann auf seinem Gesicht und diese wechselte sich mit Verlegenheit ab. Was sie allerdings mit „feilen“ meinte, in Kombination mit „am Schluss“, würde er bei Gelegenheit noch einmal erfragen müssen. Doch nicht jetzt.


    Lanassa sagte, wie sehr ihr Blumen gefielen, während sie alle drei noch mit der bloßen Erkundung des Hügels mit den Augen beschäftigt waren. Auch Frau Seinana wirkte angetan und bedauerte, dass ihr Patron diesen Garten nicht sehen konnte.“Vielleicht kommt man auf dem Weg da rauf irgendwo an einen Ableger. Den könnte man dann nach Rom schicken.“ Was das Schicken anbelangte saßen sie ja immerhin an der Quelle, nur er war sich nicht sicher, ob die wachsamen Augen der Blumenpfleger es gerne sahen, wenn man sich an ihrer Pracht zu schaffen machte. Bestimmt aber gab es einen legalen Weg. Wenn nicht, dann wäre es wirklich schade. Während Firas noch über Ableger und deren Erwerb sinnierte, lag sein Augenmerk eher auf dem Gesicht der Sklavin. Sie war so gar nicht wie Ophelia, was bedeutete, dass sie wirklich anders war. Allerdings bedeutete dies nicht, dass sie schlechter war, oder besser, größer oder kleiner, brünetter oder hellhaariger. Sie war einfach nur...interessant.


    “Ich würde sagen, wir machen uns gleich an den Aufstieg, dann bleibt noch genügend Zeit, sich auf der anderen Seite die Tiere anzusehen.“ Tiere interessierten ihn mehr als Pflanzen, doch dass es nun Pferde waren, die sie auf der anderen Seite erwarteten, das brauchte er gar nicht erst zu hoffen. Das Leben im Haus des Herrn Archias und das Wirken in dessen Küche war zwar dem Leben in den Ställen bei Weitem vorzuziehen, doch dann und wann vermisste er die Pferde doch. Beim Gehen schweiften seine Gedanken jedoch wieder zurück, als er bei dem gedanklichen Stochern in seiner Vergangenheit über eine Gelegenheit stoplerte, die er sogleich kund tat: “Es gäbe eine Möglichkeit an so eine Pflanze zu kommen. Ich habe einmal ein abgefallenes Stück von einem Kaktus gefunden. Das habe ich einen Becher mit Wasser gestellt und es hat Wurzeln bekommen.“ Er strahlte über das ganze Gesicht. “Nach zwei bis drei Wochen konnte ich es einpflanzen und siehe da...! Es ist gewuchert!“ In der Luft deutete er die imensen Ausmaße der Pflanze an und diese waren nicht einmal übertrieben. “Der ist riesig geworden und einmal im Jahr hat er geblüht. Das waren richtig große, rote Blütenkelche.“ Den originalen Namen des Kaktus kannte er nicht, nur den inoffiziellen, den er ihm gegeben hatte: Felix. Wenn man auch hier Glück hatte, so ließ sich wieder ein Stück Kaktus finden. “Wenn wir Glück haben, dann liegt hier auch was der Straße,“ fügte er noch an, ehe er weiter ging.

  • Firas schien überrascht zu sein von ihrem Kompliment, sagte aber nichts weiter dazu, und Seiana lächelte ihm nur noch einmal zu, um ihm zu zeigen, dass sie ihre Worte ernst gemeint hatte. Vielleicht wollte er ja in dieser Richtung mehr lernen – Seiana hatte etwas dagegen, Talent verkommen zu lassen, und Talent hatte er, fand sie. Sie nahm sich vor, mal mit Archias darüber zu reden, inwiefern es machbar war, dass Firas die ein oder andere Unterrichtsstunde bekam. Wenn er selbst das wollte, hieß das. Dass er am liebsten irgendwo in einem Stall arbeiten würde, hatte sie schon mitbekommen, aber damit konnten sie nun leider nicht dienen, es denn, sie würden irgendwann einmal nach Tarraco ziehen, und dort auf dem Gestüt ihres Onkels unterkommen – was allerdings ziemlich unwahrscheinlich war.


    „Ja“, lächelte Seiana dann versonnen, als Lanassa von den Blumen und den Göttern sprach. „Wobei es auch ein schöner Gedanke ist anzunehmen, dass die Götter sie einfach nur geschaffen haben, um schön zu sein. Nicht für irgendjemanden, sondern einfach nur für sich. Für ihre bloße Existenz. Um ihrer Schönheit willen.“ Schönheit als Selbstzweck, sinnierte sie für einen Augenblick. Irgendeinen Sinn hatten die meisten Pflanzen, Schönheit in der Natur diente selten keinem anderen Sinn als dem, einfach nur schön zu sein – aber so pragmatisch Seiana manchmal sein konnte, sie konnte auch schwärmen, gerade wenn es Schönheit betraf, und in dieser Hinsicht hatte sie eher das Empfinden einer Künstlerin. Sie zeichnete Bilder und entwarf Gegenstände, derzeit häufig Gefäße, Lampen und schlichte Dekorationsgegenstände, und wenn es schicklich gewesen wäre, sie hätte sich auch hingesetzt und ihre Entwürfe selbst herzustellen versucht. Vermutlich war es ganz gut so, dass sich genau das nicht schickte, denn ob sie dafür irgendein Talent besaß, wagte sie dann doch zu bezweifeln. Aber die in ihrer Töpferei Angestellten hatten das Talent, um ihre Ideen umzusetzen, und neben der Ware, die sich einfach gut verkaufen ließ, stellten sie auch stets Unikate her, die in Seianas Augen dann nur dem einen Zweck dienten, schön zu sein, selbst wenn sie in zweiter Linie durchaus auch Gebrauchsgegenstände waren.


    Firas riss sie wieder aus den Gedanken, und sie nickte ihm erfreut zu. „Das mit dem Ableger ist eine gute Idee, wir könnten ja jemanden fragen, ob es da eine Möglichkeit gibt. Wir könnten welche mitnehmen für die Wohnung. Und wenn sich daraus etwas ziehen lässt, kann ich einige Exemplare dem Aurelius schicken, ich hoffe nur es sind welche, die er noch nicht hat.“ Firas’ Vorschlag folgend, machten sie sich nun an den Aufstieg, folgten dem Weg, der sich die Anhöhe hinaufschlängelte. „Wirklich? Na wenn das so ist… Es kann ja keiner was dagegen haben, wenn wir etwas mitnehmen, was Abfall ist… Trotzdem…“ Seiana wiegte den Kopf hin und her. „Wir sollten jemanden fragen. Schon allein, weil ich gerne wissen möchte, was wir da dann mitnehmen.“ Für sich selbst wollte sie das wissen, aber noch viel mehr, wenn sie tatsächlich den ein oder anderen Ableger ihrem Patron schickte – da wollte sie ihm schon schreiben können, welche Pflanzen sie ihm für seinen Garten schenkte. Sie deutete hinüber auf eine Sukkulente, die eine prächtige, orange-weiße Blüte trieb. „Eine in der Art fände ich schön, für den Balkon. Was meint ihr?“

  • Lanassa tänzelte weiter über den Weg und schnüffelte hier und da an einer Blume. Sie schien zufrieden.


    Sie beugte sich über ein kleines Feld auf dem einige wunderschöne Blumen wuschen. Sie kniete sich auf den staubigen Boden, um einige dieser Exemplare zu pflücken. Ihre Hände zupften vorsichtig die Stängel heraus. Langsam summierten sich die Blumen in ihrem Arm zu einem Strauß.


    "Darf man hier Blumen pflücken", fragte Lanassa Firas vorsichtig. Sie trug bereits einen Strauß bei sich und roch an diesem, bevor sie ihn Firas verlegen reichte.
    "Hier. Kannst du ihn für mich halten? - Ich möchte noch weitere Blumen pflücken."


    Sie lächelte glücklich.

  • Firas ging neben Frau Seiana her und lauschte auf ihre Ausführungen. Sicher war es besser, wenn sie jemanden fragten, der sich mit den Pflanzenreich hier auskannte und darüber hinaus auch noch sagen konnte, wie sie legal an einen Ableger kamen. Zwar wäre es ihm das allerliebste, wenn sie tatsächlich auf der Straße lagen, doch an ein derartiges Glück wollte er schon nicht mehr glauben. Schon hatte er sich umgeschaut, nach jemanden der Rat aussah, doch es war niemand da. Nur Touristen und andere Leute, die die Blüten ebenso bestaunten wie sie selber es taten. “Eine in der Art fände ich schon, für den Balkon. Was meint ihr?“ Firas hob den Kopf. “Was?“ Sein Blick ruhte sofort auf der orange-weißen Blüte. “Oh, die ist wunderschön,“ sagte er und trat einen Schritt näher, um sie eingehender zu beäugen. In Wirklichkeit hatte er überhaupt keine Ahnung von Blumen und dergleichen und wieder war der leise Wunsch in ihm da, dass sie besser auf den Pferdemarkt gegangen wären. Da hätte er mitreden können, doch diese Blüte hatte durchaus ihren Reiz. “Duftet auch gut,“ stellte er fest und schnupperte ein wenig in der Luft herum. “Vielleicht findet sich ja jemand, der uns sagen kann, ob wir so etwas mitnehmen können. Und ob sie sich auch hält, wenn man sie in eine Kiste steckt und verschickt?“
    Fragend hatte er seine Stirn gerunzelt und Frau Seiana angesehen.


    “Darf man diese Blumen hier pflücken?“, ertönte eine weibliche Stimme neben ihm und Firas war sofort wieder im Hier und Jetzt. Instinktiv schüttelte er den Kopf, als er zu Lanassa sah, doch seine Augen weiteten sich sogleich, als er den Strauß erblickte, der sich in ihren Händen befand. Ohne sein bewusstes Zutun nahm er die Blumen, die sie ihm reichte und blickte sie entgeistert an. Sie wirkte verlegen und das ganze an sich wirkte schon irreal. Ein schräges Lächeln trat in sein Gesicht und hilfesuchend sah er dann zu Frau Seiana hinüber. Hatten sie nicht erst fragen wollen? Lanassa hingegen wollte noch weitere Blumen pflücken und ihr Lächeln sah über die Maßen glücklich aus. “Ähm,“ brachte Firas hervor, der weniger glücklich den Strauß hielt und sich hastig umsah, “Das ist lieb von dir!“. Bildete er sich das ein oder schauten die Leute schon? “Die sind wundervoll und ich glaube, die reichen schon aus,“ sagte er schnell. Im Geiste sah er schon ein finsteres Verließ und einen übel dreinblickenden Mann der mürrisch Wasser und Brot verteilte. Mit einem Mal trat Schweiß auf seine Stirn und er wedelte ein wenig mit den Blumen in seiner Hand. “Äh ja, wir sollten weiter….gehen und mal sehen, ob es oben…also ganz oben, äh….“ Wieder suchten seine Augen die Gegend ab. Es war wirklich zu hoffen, dass das alles unbeobachtet geblieben war. Ein Impuls verlangte, dass er das Gebinde einfach Frau Seiana in die Hand drückte und weiter den Weg hinauf hastete, doch er konnte ihn im letzten Moment unterdrücken und schnappte nach Luft.

  • Obwohl Severus ein Haus in der Nähe des Hafens besaß, was vor allem als Warenlager und Unterkunft bei seinen Handelsfahrten gedient hatte, hatte er nie die Zeit gefunden, sich die Stadt einmal richtig anzusehen. Deshalb musste er auch zu seiner eigenen Schande eingestehen, dass er noch nie zuvor am Paneion war. Zumindest hatte er es aber gefunden, sogar auf Anhieb. Andererseits sollte man das von einem Navigator auch erwarten können.


    Er hatte sich am Vortag mit Axilla hier verabredet, damit sie ihm mal die Stadt von oben zeigen konnte. Natürlich hätte er das auch jede x-beliebige Person fragen können, aber die Iunierin war ihm sympathisch und er wollte gerne ein wenig Zeit mit ihr verbringen. Außerdem hatte er das Gefühl, dass er auch ihr sympathisch war. Er war wohl etwas zu früh, und das, obwohl er lange überlegt hatte, was er anziehen soll. Normalerweise war er entscheidungsfreudiger, aber diesmal war es ihm schwer gefallen. Schließlich hatte er sich für dunkle Sandalen, eine ozeanblaue Tunika und, nach langem Zögern, auch für die weiße Toga entschieden. Obwohl letztere einen ganz leichten Grauschleier vom Waschen hatte. Seinen Siegelring als Octavier trug er an der linken Hand, obwohl er ihn sonst meistens an einer Kette unter der Tunika trug. Er war ein wenig nervös, ob die Kleidung nicht eventuell falsch gewählt war, doch ließ er es sich nicht anmerken, während er am Fuße des Hügels stand und dank seiner Körpergröße über die Menschenmenge blickte, wobei er versuchte, Axilla zu entdecken.

  • Eigentlich hätte Axilla gar nicht ja sagen sollen zu diesem Treffen. Eigentlich hätte sie Urgulania davon sofort berichten sollen, wenn sie sie schon nicht um Erlaubnis gefragt hatte. Und noch viel eigentlicher hätte sie gleich mehrere Sklaven mitnehmen sollen. Tja, eigentlich.
    Uneigentlich hatte Axilla nur Leander im Schlepp, der seine Herrin davon abhielt, allzu schnell durch das Straßengewirr voranzuschreiten. Nachdem sie sich soviel Mühe damit gegeben hatten, die wilden Haarsträhnen in eine ordentliche Frisur zu verwandeln und auch noch Kunstvoll die Kette mit den kleinen Seepferdchen eingeflochten hatten, die Axilla so gerne mochte, sollte sich das ganze nicht schon auf dem Weg in Wohlgefallen auflösen. Und auch die durchsichtig-grüne Palla machte mehr Anstalten, davonzufliegen, als auf dem Kopf zu bleiben.
    So war sie etwas spät dran, als sie endlich zum Paneion kam. Zwei Häuserecken vorher musste sie auch ganz anhalten, damit sie nicht so abgehetzt aussah und gemütlich schlendernd ankam. Der Nauarchos sollte ja auf keinen fall denken, sie hätte sich seinetwegen beeilt. Auf eine Dame wartete Mann schließlich gerne, und nicht andersherum. So kam sie in ihrem grünen Kleid, das sie so gerne mochte und ihre Augenfarbe so schön unterstrich, langsam zu der verabredeten Stelle. Leander folgte ihr in kaum zwei Schritten abstand, aber wie es sich für einen Sklaven gehörte irgendwo dennoch unsichtbar.
    Den großen Octavier sah sie schon aus einiger Entfernung. Bei den kleinen Griechen stach seine Gestalt regelrecht heraus, noch dazu, wo er sich so römisch gekleidet hatte. Aber es sah gar nicht schlecht aus. Nein, überhaupt nicht schlecht.
    “Ich hoffe, du musstest nicht lange warten“, meinte sie lächelnd zur Begrüßung und versuchte in seinem Gesicht zu lesen, was er wohl über sie gerade dachte. Hoffentlich nur gutes.

  • Als er sie endlich entdeckte, stand sie auch schon fast vor ihm. Er hatte davor in die völlig falsche Richtung gesehen. Er erwiderte ihr Lächeln sofort und konnte seine Freude nicht so recht verbergen, obwohl es seine dignitas eigentlich von ihm verlangte. "Nein, ich warte nicht allzu lange. Also, jedenfalls nicht so lange, dass es unangenehm wäre."
    Er musterte sie kurz. Das Kleid stand ihr sehr gut und die durchsichtige Palla passte ganz ausgezeichnet zum Kleid. Und zu den Augen. "Du siehst bezaubernd aus." Severus lächelte verlegen, war das doch mehr, als er eigentlich sagen wollte. Jetzt war sie endgültig dahin, seine dignitas. Um wieder so selbstbewusst auszusehen, wie er als Nauarchus und Römer aussehen sollte, blickte er kurz hoch zum Paneion. "Von da oben hat man sicher einen ganz hervorragenden Blick auf Alexandria. Vermutlich ist nur vom Pharos die Aussicht besser."

  • Bei seinem Kompliment schlug Axilla schüchtern die Augen nieder, aber ihr Lächeln verriet, dass es ihr gefiel. Auch wenn es vielleicht nicht ganz schicklich war, aber auf sowas legte sie ohnehin eigentlich keinen Wert. Das passierte wohl mal, wenn ein Kind auf dem Land aufwuchs und mehr mit dem Klettern auf diverse Bäume beschäftigt war, als mit der feinen Gesellschaft der Stadt. Andererseits kam Axilla so auch wunderbar mit jedem aus, egal welchen Stand er hatte. Einfach, weil sie sich über sowas nur äußerst selten Gedanken machte.


    Im Moment aber waren ihre Gedanken nur in dem üblichen Chaos, das in ihr schlummerte, und sie war sehr konzentriert darauf, nicht allzu freudig zu strahlen und das Kompliment nicht zu sehr zu genießen. Urgulania hatte ja schon so manches Mal sie auf ihre dignitas hingewiesen, die sie doch bitte bewahren sollte. Aber würdevolles Auftreten verlor einfach gegen nette Komplimente.


    “Oh, ja. Von da oben sieht man die ganze Stadt, und nach Süden hin kann man bis über den Lacus Maetoris blicken. Abends ist das toll, wenn die Sonne untergeht, dann scheint der Horizont ganz rot und…“ Das interessierte wahrscheinlich weniger, also rettete sich Axilla erst in ein rhetorisch sehr wertvolles “äähm..“, ehe sie schließlich mit “also, sieht wirklich hübsch aus, wenn man sich sowas gerne ansieht.“ schloss.
    Komm schon, Verstand, ich weiß, du bist da irgendwo. Arbeite!, versuchte sie ihre grauen Zellen in Gang zu bringen, bevor sie nochmal so drauf losplapperte.


    Ein wenig verlegen schaute sie also kurz zurück zu Leander, dann wieder zu Severus. In seiner Toga war es sicher kein so leichter Weg, es war schon ein ganzes Stück zu laufen.
    “Ist dir in der Toga nicht warm?“ fragte sie wieder schneller, als sie über ihre Frage hätte nachdenken können und biss sich direkt danach auf die vorlaute Zunge. “Ähm, ich meine, also… was ich sagen wollte, wir können auch hier im Park im Schatten, wo es kühler ist… ähm… weil der Weg ist ziemlich steil, und… ich weiß ja nicht, wie gut man mit einer Toga so hinaufgehen kann. Also… das geht bestimmt, nur… ich…“
    Am besten sagte sie gar nichts mehr. Je mehr Axilla redete, umso mehr erschien ihr das eben gesagte als absolute Katastrophe. Sie sollte wirklich unterricht bei Nikolaos nehmen! Ganz dringend!

  • Severus freute sich, dass Axilla das Kompliment zu gefallen schien. Es machte ihm auch nichts aus, dass sie einfach so losplapperte. Das machte sie eher noch sympathischer.
    "Den Sonnenuntergang würde ich mir gerne mal von da oben ansehen. Weißt du, das sind für mich immer die schönsten Momente auf See, wenn bei klarem Wetter die Sonne im Meer versinkt und sich tausendfach in den Wellen spiegelt." Ein wenig Sehnsucht sprach aus seiner Stimme und er lächelte verträumt dabei. Dignitas! Denk an deine dignitas! Du bist Nauarchus! Und Römer! "Ähm... ja, also... wenn ich mal die Zeit dazu habe und mich nicht um die Besatzung kümmern muss... also... also dann schaue ich mir gerne mal den Sonnenuntergang an. Hilft einem ja auch bei der Navigation, weil da ist dann ja Westen. Also da, wo die Sonne untergeht. Ungefähr jedenfalls." Was redest du da nur für einen Blödsinn, Severus?


    Die Frage, ob ihm zu warm war, war eine durchaus gute Frage, auch wenn sie in Gestammel endete. "Naja, wenn man da auch nach Sonnenuntergang wieder runter findet, kann man ja später am Tag hochlaufen und bis dahin die Zeit im Park verbringen. Prinzipiell. Oder ich lege die Toga ab und gehe dann... wobei... ist dann ja auch dumm, wenn ich sie wieder anziehen muss. Ist ja auch... ist ja auch so, dass man sich abends den Sonnenuntergang ansehen... also, nur, wenn es die nichts ausmacht? Ähm..." Severus zupfte ein paar Falten seiner Toga zurecht. So konnte er wenigstens seine Nervosität etwas überspielen. Warum war er eigentlich so nervös?

  • Sie war ansteckend! Jetzt brachte Severus auch schon keine zusammenhängenden Sätze mehr heraus! Damit war für Axilla der Beweis geführt, dass Wahnsinn tatsächlich eine ansteckende Krankheit war, und das war die Vorform davon. Sowas wie Schnupfen, nur eben auf geistiger Basis.
    Verlegen schaute sie ausgiebig zu Boden, und die Bäume in der Umgebung fielen ihr auch plötzlich viel mehr auf als sonst. Sie kratzte sich, wie sie es oft machte, nervös am Unterarm und versuchte, eine Antwort zu finden, die vernünftig klang.
    “Naja, ich bin nur einmal auf dem Schiff gefahren, von Tarraco hierher, und da war mir die ganze Zeit schlecht. Aber dafür kenn ich nun den Unterschied zwischen Luv und Lee…“
    Und dass das wohl auch kein Thema war, das man tiefer erörtern sollte. Bestimmt hatte Severus als Nauarchos oft genug mit Passagieren zu kämpfen, die ihr Frühstück auf der falschen Seite von Bord bringen wollten und fand das wohl nicht ganz so scherzhaft. Und überhaupt war das wohl kein sehr ergiebiges Gesprächsthema, und peinlich obendrein.
    Und erst, als Severus mit seinem Vorschlag geendet hatte, bemerkte Axilla auch, was er da eigentlich gesagt hatte. Er wollte sich mit ihr gerne den Sonnenuntergang am Paneion anschauen? Kurz schaute sie etwas irritiert zu ihm hoch – und aufgrund seiner Größe musste sie wirklich hoch schauen. Er sah gerade zu ihr herunter, und sie bemerkte, dass er graue Augen hatte, die ihr bislang noch gar nicht aufgefallen waren. Vielleicht schaute sie eine Idee zu lang hinein, denn sie schaute ganz verlegen wieder weg und räusperte sich kurz, ehe sie wieder sprach.
    “Ähm, aber ich dachte, du wolltest die Stadt dir zeigen lassen? Ich meine, hier im Park sieht man davon ja nicht so viel. Oh, außer die wilden Tiere, die sind wirklich sehenswert. Seit letzter Woche haben sie ein Giraffonom oder so ähnlich. Die sind riesig, und gefleckt wie ein Leopard. Hast du schonmal so eins gesehen?“
    Puh, ausgewichen. Sie konnte ihm ja nicht einfach so zusagen, wie sähe das denn aus? Vielleicht, wenn es sich ergab… es wäre sicher sehr schön… aber Urgulania würde sie wohl köpfen… wenn sie es mitbekam… wenn…
    “Aber die Sonne geht hier sehr schnell unter. Es wird wohl noch heiß sein, wenn wir dann hinaufgehen. Also, wenn du das noch magst.“

  • Severus wusste nur zu gut, wie schlimm es einige Menschen mit der Seekrankheit erwischen konnte. Zumal dann meistens auch noch die Besatzung den ohnehin schon Leidenden auch noch dumme Sprüche drückte oder Späße mit ihnen trieb. Das war für ihn als Nauarchus meist ein Ärgernis, mindestens genauso wie das Ärgernis, dass die Seekranken mehr als oft genug der Besatzung im Weg standen. "Mir war auch schlecht, als ich das erste Mal auf See war. Aber man gewöhnt sich dran." kommentierte er lapidar.


    Zum Glück wechselte sie dann das Thema. "Ähm, naja, eigentlich wollte ich ja auch die Stadt sehen, aber bevor ich unter der Toga eingehe... wobei... halte ich schon irgendwie aus. Wenn wir da nicht gerade hochrennen." Das war doch mal gut die Kurve gekriegt. "Andererseits würde mich so ein Giro... Gira... Giraffo... dingsda schon auch interessieren. Weil gesehen habe ich noch keins. Vielleicht schauen wir uns das zuerst an und gehen dann hoch zum Paneion?"

  • Ein klein wenig erinnerte sie die Situation gerade an die mit Rufus, als sie das Hippodingens suchen wollten. Axilla hatte schon wieder den Namen von diesem Tier vergessen, dabei hatte sie doch erst von einem Monat ein Bild davon verschickt. Nun, eigentlich war es auch egal, hier im Tierpark war ohnehin keines, und auch war die Situation irgendwie ganz anders als damals.
    Axilla lächelte und nickte. Auch wenn Severus fast so unsicher schien wie sie – was sie sich eigentlich nicht vorstellen konnte, immerhin war er ein Kapitän, da konnte man doch nicht so unsicher sein – fand sie seinen Plan gut. Vor allem, da er so gut zu ihrem passte.
    “Gut. Der Tierpark ist gleich da hinten, halb um den Hügel herum. Abends gibt es dort auch Fackeljongleure und Schlangenbeschwörer und all sowas. Aber… bis dahin sollte ich wohl besser wieder daheim sein, sonst macht sich meine Cousine noch Sorgen.“
    Verlegen biss sich Axilla ein bisschen auf der Unterlippe herum, nachdem sie Urgulania erwähnt hatte. Die gute wusste ja gar nicht, dass Axilla überhaupt hier war. Nun, wenn sie nur so hier wäre, wäre das auch nichts, worüber sie mit Urgulania gesprochen hätte. Aber sie war ja nicht hier, um allein ein wenig zu spazieren, und der Umstand, dass sie einen Octavier begleitete, der hätte ihre Cousine bestimmt interessiert. Ein Grund, warum Axilla es nicht erzählt hatte, denn dann hätte sie am Ende vielleicht sogar noch nein dazu gesagt.


    So machten sie sich auf den Weg, langsam und gemächlich. Axilla lief zwar nah neben Severus her, aber so, dass sie einander auf keinen Fall berührten. Ein wenig Anstand hatte sie ja doch, wenn sie sonst auch immer viel zu übereifrig und unbedacht war. Sie sah zu ihrer Begleitung hinüber. Bestimmt war ihm warm.
    Sie war nun schon über ein Jahr hier und hatte sich an das Klima gewöhnt. Auch war ihre Kleidung den Umständen hier angepasst. Auch wenn ihr Kleid einen römischen Schnitt hatte und damit nicht ganz so luftig und freizügig wie ein griechischer Chiton war, der Stoff war leicht und dünn gewebt, so dass sie darin nicht schwitzte.
    Das war eines der Dinge, die hier sehr gefragt waren: Hauchdünne Stoffe. Angeblich hatte Cleopatra damals Marcus Antonius als Venus empfangen in einem Kleid, das so dünn gewebt war, dass man komplett hindurchschauen konnte durch den Stoff. So dünn war Axillas Kleid nun nicht, aber doch war es viel luftiger als alles, was sie aus Tarraco kannte.


    “Und du bist schon lange Nauarchos?“ versuchte sie einfach auf gut Glück ein Gespräch anzufangen.

  • Auch wenn es Axilla wohl nicht glauben würde, Severus war unsicher. Er, der selbst in schweren Stürmen die Ruhe behielt und Strecken fuhr, die man zumindest als gewagt - wenn auch schnell und piratenfrei - bezeichnen musste, fühlte sich in Gegenwart schöner Frauen oft unsicher. Da kam es ihm ganz gelegen, dass sie sich etwas bewegten. So musste er sich mehr darauf konzentrieren, dass die Toga nicht verrutschte.


    "Du lebts dann folglich bei deiner Cousine? Sollte man sie kennen?" fragte er neugierig. Axillas Cousine musste ja zumindest älter sein, wenn sie da lebte und die sich Sorgen machte.


    Berühren konnte Severus Axilla nicht, das ließ die Toga nicht zu. Immerhin war man zu einer gewissen Haltung gezwungen, damit sie nicht verrutschte. Wobei die lokale Kleidung sicher eine bessere Wahl gewesen wäre.
    "Ich bin schon seit fünf, fast sechs Jahren Nauarchus. Das ist so Tradition bei uns. Also, in meinem Zweig der Octavier. Sobald man sui iuris wird, erhält man von seinem Vater ein Schiff. Da muss man dann was draus machen und sein eigenes Geld verdienen. Wir fahren schon seit Generationen zur See. Das fing wohl mal damit an, dass ein Octavier auf die Idee kam, den Wein, für den wir ja bekannt waren, in die Provinzen des Imperiums zu bringen und dort zu verkaufen. Irgendwann kam dann einer meiner Vorfahren auf die Idee, dafür Schiffe zu verwenden und so wurden wir zu Fernhändlern und Nauarchi. Naja, so ging das dann weiter." Er sah kurz zu Axilla und lächelte. "Weißt du, meine erste Fahrt auf einem Schiff hatte ich mit zehn Jahren. Danach wurde ich jedes Jahr mindestens zweimal von meinem Vater mit einem seiner Schiffe mitgeschickt, wo ich vom jeweiligen Nauarchus in Navigation und Schiffsführung unterwiesen wurde. Zu Hause in Ostia musste ich auch noch ganz viel andere Sachen lernen. Vor allem Mathematik, Astronomie, Buchführung und Sprachen aus den Provinzen. Hin und wieder fand ich auch Zeit, mich mit Literatur zu beschäftigen. Und mit 16 Jahren bekam ich dann mein eigenes Schiff. Eine Einmast-Corbita. Ein schönes kleines Schiff, sehr zuverlässig und gut im Wind. Ich habe sie aber nach drei Jahren durch ein größeres Schiff ersetzt. Das ist aber leider vor einer Woche im Sturm gesunken. Ich habe nur einen Matrosen dabei verloren, alle anderen haben sich retten können. Nur das Schiff ist halt weg mitsamt der Ladung." Er zuckte mit den Schultern. "Kann passieren. Arbeite ich halt für jemanden und verdiene mir das Geld für ein neues Schiff. So leicht gibt ein Nauarchus nicht auf." Severus zwinkerte Axilla zu und machte dabei sogar einen recht fröhlichen Eindruck. Der Verlust des Schiffes kümmerte ihn auch nicht so wirklich, so lange er am Leben war und die Chance auf einen Neuanfang hatte. Zur Not würde er sich auch jederzeit an seine Verwandten wenden können.

  • “Ob man Urgulania kennen sollte? Zumindest in Alexandria sollte man das, ja.“ Axilla lächelte ein wenig verschmitzt bei der Frage nach ihrer Cousine. “Sie war letztes Jahr hier Eutheniarche und dieses Jahr wurde sie zur Exegetes gewählt und zur Archo… nein, Archepyrtanes. So muss es heißen.“ Schon wieder ein Versprecher, und das nach nun über einem Jahr hier in der Provinz. Ein wenig verlegen schaute Axilla weg. Sie wäre gerne viel selbstsicherer und gewandter, aber andauernd verhaspelte sie sich, stieß irgendwo an oder veranstaltete kleinere bis mittelschwere Katastrophen. Ihr alter Hauslehrer hatte das den Geist des Chaos genannt, der in ihr wohnte. Aber in Momenten wie diesen wünschte sie sich besonders, sie könne ein wenig mehr wie ihre Cousine sein.


    Während Axilla so zuhörte, dass es bei den Octaviern wohl so war, dass sie alle zur See fuhren, betrachtete sie Severus ein wenig aus den Augenwinkeln. Mit der Toga sah er schon sehr römisch aus, was in diesen Breiten schon ein verdammt seltener Anblick war. Hier trug eigentlich alles römische einen Brustpanzer. Sie fragte sich, wie unbequem so ein Ding wohl war. Als Frau trug man sowas ja nie. Außer vielleicht, man arbeitete in einem gewissen Gewerbe. Viel bequemer als eine Stola aus dicken Stoff konnte das auch nicht sein, da waren die Männer sicher nicht zu beneiden. Und ein bisschen sah es aus, als müsse er beim Gehen den Stoff festhalten, damit er nirgends runterrutschte.
    Ein wenig musste Axilla noch breiter Lächeln bei dem Gedanken. Hoffentlich nahm er es ihr nicht übel. Vielleicht sollte sie lieber ein wenig erzählen, um davon abzulenken?
    “Ich glaub, ich kenn keinen Iunier, der zur See gefahren ist. In meinem Teil der Familie sind eigentlich alles Soldaten. Außer mein Cousin Merula, das ist der Sohn von einem jüngeren Bruder meines Vaters, der ist Priester geworden.“
    Sie hatte sich sehr über den kleinen Briefwechsel damals gefreut. Vielleicht wollte er sie besuchen kommen, hatte er geschrieben. Oder vielleicht besuchte sie ihn ja mal in Rom? Wäre auch eine Möglichkeit.
    “Du hast wohl großes Glück gehabt, dass Neptun euch wieder ausgespuckt habt. Seid ihr dann gestrandet, oder wie bist du hierher gekommen?“
    Schiffbruch klang abenteuerlich. Axilla liebte Abenteuer, auch wenn sie sich eines auf See eigentlich nicht vorstellen konnte. Sie glaubte kaum, dass sich ihre Übelkeit auf See je legen könnte. Lieber auf dem Festland bleiben, da gab es schließlich auch genug, was man erleben konnte. Auch, wenn man das als Mädchen nicht sollte.

  • Severus hörte aufmerksam zu, als Axilla von ihrer Cousine erzählte. "Hmm... vielleicht sollte ich... Urgulania... mal kennen lernen. Jedenfalls, falls wir uns häufiger treffen wollen. Das wäre, denke ich, dann angebracht. Also, nicht wegen diesem einen Treffen, aber wenn wir uns eventuell wieder treffen könnten... ähm... also..." Wenn er jetzt wüsste, was er gerade sagen wollte, wäre es sicher besser um seine Rhetorik bestellt.


    "Ihr seid also eine Soldatenfamilie? Dann sollte ich es mir besser nicht mit dir verscherzen, hm?" Severus lachte fröhlich. "Wir Octavier haben auch einige Soldaten gestellt. Der Senator Octavius Victor war beispielsweise Soldat, bei den Cohortes Urbanae, wenn ich mich nicht irre. Und aus meiner näheren Verwandtschaft war Octavius Nauticus bei der Classis. Er war sogar Praefectus Classis in Misenum. Er hat mir ein paar Kleinigkeiten beigebracht, die mal recht nützlich sein könnten."


    "Ich denke, dass Neptun nur den Matrosen bestrafen wollte, der in dem Sturm auch umgekommen ist. Dass er dabei mein Schiff mitgenommen hat, ist meiner Meinung zwar übertrieben, aber so ist es zumindest uns allen eine Warnung, also macht das auch irgendwie Sinn. Wir hatten auch genug Trümmer vom Schiff übrig, dass wir darauf ausharren konnten, bis am nächsten Tag ein anderes Schiff vorbei kam und uns rausgefischt hat. Mit denen sind wir auch nach Alexandria gekommen. Ehrlich gesagt, so schlimm war es gar nicht. Obwohl das Schiff zerborsten ist, habe ich nie mein Leben in Gefahr gesehen. Ich habe mich irgendwie sicher gefühlt. Seltsam, oder?" Severus war ein wenig nachdenklich geworden dabei, was er dann aber schnell durch ein Lächeln beendete. "Und, wie kommt es, dass du hier bist? Zum Studium im Museion?"

  • Er wollte sich Urgulania vorstellen, wenn sie sich öfter trafen? Axilla schaute ihn einen Moment ganz verwirrt an. Hieß das, er wollte sie öfter treffen? Also, nicht nur jetzt, damit er die Stadt sehen konnte, sondern wegen ihr? War das hier ein Rendezvous? Vor lauter Gucken übersah Axilla gleich mal einen etwas größeren Stein auf dem Weg und glitt leicht aus, fing sich aber wieder. Ihr wilder Hüpfer sah aber sehr undamenhaft aus.
    “Nichts passiert“, sagte sie gleich, einem Automatismus schon folgend. Sie stieß sich so häufig oder fiel beim Kippeln vom Stuhl oder lief irgendetwas um, dass das schon gleich von selbst kam.
    Sie versuchte, eine möglichst würdevolle Position neben Severus wieder einzunehmen und war froh, dass er auch gleich weiterredete. Bei seinem Scherz musste sie lächeln, auch wenn es noch ein wenig von Nervosität durchdrungen war. In ihrem Kopf gingen viele Fragen herum, die aber allesamt eher wenig mit dem Soldatenleben zu tun hatten.


    “Ach, das kenn ich. Als Kind bin ich immer überall auf den Bäumen rumgeklettert, dass meinem Lehrer beinahe das Herz stehengeblieben ist. Und ich hab ja meiner Cousine versprechen müssen, dass ich immer einen Sklaven nun mitnehme zum Spazieren. Wegen der Unruhen, die kürzlich waren, und überhaupt. Davor bin ich immer allein in die Stadt und über den Markt. Mir würd auch jetzt nichts passieren, wenn ich allein losgehen würde, da bin ich mir sicher. Aber versprochen ist versprochen. Aber Angst hatte ich da noch nie.“
    Axilla war noch so in Gedanken, dass sie gar nicht merkte, wie ehrlich sie im Moment war. Nun, sie war schon immer eine Spur zu ehrlich und aufrichtig gewesen, doch manchmal wäre eine abgeschwächtere Version der Wahrheit doch besser. Eigentlich sollte Severus besser nicht wissen, wie sorglos sie im allgemeinen war und wie unbedacht sie mit ihrer Sicherheit umging. Aber dafür waren ihre Gedanken viel zu sehr noch immer mit seinem ersten Satz beschäftigt.
    Erst die frage, was sie hier nach Alexandria geführt hatte, riss sie jäh aus ihren Gedanken. Kurz hielt die Maske nicht, die sie sich mühsam antrainiert hatte, also schaute sie zur Seite, ehe sie wieder gleichmütig, fast lächelnd herüberschauen konnte. Sie hatte es nun schon oft erzählt, aber dennoch tat sie es nicht gerne.
    “Mein Vater ist gefallen, als ich 12 war. Danach war ich mit meiner Mutter allein in Taracco. Sie war ziemlich krank und ist vor anderthalb Jahren dann gestorben. Allein bleiben konnte ich ja schlecht, also wurde Silanus mein Vormund und ich bin zu ihm nach Alexandria gereist. Und naja, jetzt ist das hier mein zuhause…“
    Axilla mochte nicht so trübsinnige Gespräche führen. Vor allem wollte sie sich nicht mit dem Tod ihrer Eltern auseinandersetzen, erst recht nicht mit dem ihres Vaters, obwohl der schon deutlich länger her war. Also machte sie das, was sie immer machte, und redete einfach weiter über etwas anderes.
    “Meine Cousine will mich ja überreden, dass ich am Museion studiere. Aber ich wüsste gar nicht, was. Und ich weiß nicht, ob es mich nicht langweilen würde. Da bleib ich lieber weiterhin Scriba bei Nik… beim Gymnasiarchos. Da lern ich auch was und bin beschäftigt. Und ich hab ja auch noch zwei Betriebe, um die ich mich kümmern muss.
    Naja, eigentlich macht das alles der Vorarbeiter, aber ich schau halt immer mal vorbei, und so.“

    Hoffentlich hatte sie ihn jetzt nicht mit Informationen überflutet. Sie hatte manchmal diese Eigenschaft, hatten schon mehrere Leute ihr gesagt, und ihre Gedanken sprangen gern von einer Sache zur nächsten und weiter. Aber andererseits hatte sie ihn so vielleicht weit genug abgelenkt von den Dingen, die sie nicht so gerne mochte.

  • Als sie stolperte, wollte Severus Axilla schon irgendwie auffangen, aber da war die Toga doch eher hinderlich. Glücklicherweise war aber nichts passiert. Und sie konnte über seinen kleinen Scherz zumindest lächeln, das war doch schon mal was. Als sie dann so erzählte, wie sie als Kind auf Bäume geklettert war, musste er schmunzeln. Das sah sicher lustig aus, wenn ein Mädchen auf Bäume kletterte. Dass sie keine Angst zu haben schien, imponierte Severus schon irgendwie udn machte Axilla auch gleich noch etwas interessanter für ihn. Immerhin wagte er sich ja auch ganz gerne auf Strecken, die andere nur ungern fuhren.


    Er merkte, dass sie nicht über ihren den Verlust ihres Vaters sprechen wollte, deshalb fragte er da auch nicht weiter. Dann kamen erst mal recht viele Informationen auf einmal, die er kurz in seinem Geist auseinander dividieren musste. "Naja, du könntest ja Literatur studieren. Immerhin sind die Griechen da recht gut drin. Oder Philosophie oder Matehmatik. Oder einfach das Leben." Er lächelte verschmitzt. "Wobei das Leben wohl eher in der Stadt zu studieren ist und nicht in den Büchern. Ich finde es aber gut, dass du finanziell auf eigenen Beinen stehst. Betriebe sind gut, das zeugt von Geschäftssinn. Gefällt mir."

  • Gefällt ihm? War das ein Kompliment? Verdammt, musste er sie so durcheinander bringen? Sie fühlte sich ganz durcheinander, wenn er sowas sagte. Axilla war für feine Andeutungen nicht geschaffen, und auch nicht für versteckte Komplimente. Sie fiel mit der Tür immer gleich ins Haus und war es auch gewohnt, dass ihr gegenüber klare Ansagen gemacht wurden. Da brachte sie Severus jetzt ganz schön durcheinander, was ihrer Nervosität neuen Nährboden gab.
    Flirtete er mit ihr? Das war so verdammt schwierig für sie festzustellen. Der einzige Mann, der mit ihr wirklich je geflirtet hatte, war Timos gewesen, und der war darin nicht so römisch-stoisch-würdevoll gewesen, sondern sehr direkt und fordernd. Und bevor Axilla nach Alexandria gekommen war, war sie nie groß in Gesellschaft gewesen, als dass irgendein Mann mit ihr hätte flirten können. Aber sie konnte Severus ja schlecht danach fragen.
    Und er lächelte so süß!
    Noch nervöser fing sie an, auf ihrer Unterlippe herumzukauen. Sie hatte absolut keine Ahnung, was sie machen und wie sie richtig reagieren sollte. Sie konnte ihm ja nicht einfach irgendwas unterstellen, was gar nicht stimmte. Das wäre dann am Ende noch peinlicher. Sie merkte, dass sie auch leicht mit den Händen wrang und zwang sich selbst zur Ruhe, auch wenn ihr Gang dadurch nun etwas steif wirken mochte.



    Zum Glück kam aber auch gerade der Tierpark des Paneions in Sicht, so dass sie um eine einfältige Antwort wohl drum herum kam.
    “Oh, schau, da vorne sind schon die Käfige.“

  • Severus hatte Axilla wohl etwas in Verlegenheit gebracht. Vielleicht war sie es gar nicht gewohnt, Komplimente zu kriegen? Er verwarf den Gedanken sofort wieder. Eine junge, hübsche Frau wie Axilla hörte doch sicher dauernd Komplimente. Oder die Ägypter und Griechen standen nicht so auf Römerinnen, dann wäre das natürlich anders. Bei den Griechen konnte er sich das durchaus vorstellen, aber bei den Ägyptern? Die hatten vielleicht andere Probleme und waren natürlich auch die unterste Schicht und kamen deshalb gar nicht in Frage. Während er so nachdachte, wies ihn Axilla auch schon auf die Käfige hin. Interessiert sah er in die Richtung. "Da bin ich ja mal gespannt, was die hier für Tiere haben. Elefanten und Löwen muss es hier ja eigentlich geben und Krokodile. Aber was da wohl sonst noch so ist?"


    Severus ging zum ersten Käfig, in dem ein paar Affen waren. Belustigt schaute er sich die Primaten an, wie sie herumtollten und Grimassen schnitten. Manchmal waren sie einfach zu menschlich. "Affen sind lustige Tiere. Manchmal kommen sie einem vor wie kleine Kinder. Nur mit deutlich mehr Haaren." Er lachte herzlich.


    Einige Käfige weiter sah er einen Tiger. Ohne lange zu zögern, deutete er auf das Tier. "Einen Tiger hatte ich mal an Bord transportiert. Ein wirklich schönes Tier, aber sehr gefährlich."

  • Gut, ein Glück, er hakte nicht weiter nach. Sie kamen als ersten bei einem Käfig mit Affen vorbei. Ein großer Nubier hielt die Leute davon ab, zu nah an die Tiere heranzugehen, so dass man sie nur aus ein paar Schritt Entfernung anschauen konnte. Sie schauten mit großen Augen zurück und kreischten immer wieder mal, kratzten sich oder schlugen Purzelbäume auf dem Boden des Käfigs.
    “Ja, sie scheinen gerne zu spielen.“ Zumindest sah es so für die Iunierin aus, als sie sah, wie sie umeinander herumhüpften und sich um die Früchte, die noch im Käfig lagen, zankten. Wobei sie die Meinung mit den Kindern nicht unbedingt teilen konnte. Sie hatten schon etwas, das sie ähnlich wie Menschen aussehen ließ, aber Kinder waren doch irgendwie ganz anders. Axilla war ja ohnehin nicht der mütterliche Typ, aber bei den Tieren bekam sie noch weniger mütterliche Gefühle.


    Der Tiger allerdings war etwas, wofür sich Axilla schon mehr begeistern konnte. Kaum hatte Severus das Wort gesagt, wirbelte sie auch schon auf der Ferse herum und schaute in die angegebene Richtung. Einen Tiger hatte sie bislang nicht gesehen. Ein paar Löwen, eine Hyäne, einen Leopard und etliche Geparden (die sich sogar wie Hunde anleinen ließen. Angeblich hatte Cleopatra auch zwei besessen), aber noch nie einen Tiger aus dem Osten. Und so war sie mehr als nur ein bisschen neugierig.
    “Die sind ja riesig“, stellte sie voller kindlichem Erstaunen fest, als sie sich dem Käfig näherte. Der Tiger lag und war dennoch so groß, dass sie wohl zweimal in ihn hineingepasst hätte. Seine Augen waren irgendwo zwischen gelb und grün und blickten stur geradeaus, während sein gewaltiger Kopf auf seinen Pfoten lag. Das rote Fell sah wundervoll aus, und die streifen waren fast schon hypnotisierend für Axilla.
    Gedankenlos ging sie näher an den Käfig heran, weil sie es sich anschauen wollte. Plötzlich richtete sich das Tier auf und brüllte ihr wütend entgegen. Seine Zähne waren lang und gelb und spitz, und sein Atem roch nach totem Fleisch.


    Axilla war nur ganz leicht zusammengezuckt, hatte sich aber sonst keinen Milimeter gerührt. Auch jetzt hatte sie eigentlich keine angst. Der Tiger war ja hinter dicken Gittern und konnte ihr gar nichts tun. Sie legte den Kopf leicht schief und sah ihm in die wütend blitzenden Augen, ehe sie wieder ein wenig zurücktrat.
    “Er ist ziemlich wütend“, stellte sie ziemlich nüchtern fest, ehe sie Severus anlächelte. “Wäre ich wohl auch, wenn man mich einsperrt.“ Jetzt lachte sie wirklich ein bisschen, schaute dann aber fast ein wenig traurig zu dem Tiger zurück. Auch wenn es nur ein Tier war, ein bisschen tat er ihr schon leid.
    “Und hast du auch schon andere Tiere transportiert? Und wohin hast du sie gebracht? Bestimmt hast du schon viele Orte besucht, oder?“ plapperte Axilla plötzlich drauf los, ehe sie merkte, dass sie ihn vielleicht nicht so löchern sollte und entschuldigend lächelte. “Entschuldige, ich bin sehr neugierig. Ich bin noch nie viel gereist. Ich kenne nur das hier und Tarraco.“

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!