[Legio I] Manöver "Prima in optima forma" - Marschlager - Vor dem Zelt des Primipilus


  • Die Sonne war bereits untergegangen und die Prima Vigilia hatte begonnen, die Stationarii waren auf ihren Posten, die Tesserarii kontrollierten, ob auch niemand fehlte oder sich sonstige Vergehen zu Schulden kommen ließ. Der Himmel war sternenklar und das große silberne Band aus tausenden von Sternen zog sich hin, klar sichtbar. Hier und da hörte man ein Schnarchen oder eine leise Unterhaltung, offenbar wurde in oder vor noch so manchem Zelt gewürfelt, irgendwo am anderen Ende der Castra bellte ein Hund, was von nervösem Wiehern einiger Pferde begleitet wurde, und das Knacken des Holzes in den Feuern, aus deren Zungen tausende kleine Funken aufstiegen und vom Wind weggetragen wurde, nur um nach einigen Augenblicken wieder zu erlöschen, war bis zu ihm hörbar.


    Avitus trat aus seinem Zelt und streckte sich ersteinmal, holte tief Luft und knackte dann das eine oder andere Gelenk. Zwei der Primi Ordinis, der Hastatus und der Hastatus Posterior waren bereits da, etwas zu früh scheinbar, aber so genau konnte man das nicht sagen.
    "Salvete Männer"
    grüßte Avitus die Kameraden. Die beiden erwiederten die Begrüßung. Der Umgangston war recht locker, die Stimmen der Centurionen - ein seltenes Bild - leise. Einerseits, um nicht groß gehört zu werden, andererseits, um die Männer in dem nächsten Zelt nicht zu stören, damit diese ihre wohlverdiente Ruhe genossen und für die Nachtwache fit sein konnten.
    "Nun, warten wir noch auf die beiden principes"
    sagte er. Die Centurionen nickten. Der Hastatus keute an einem Strohhalm, der Hastatus Posterior stand mit einem Becher da. Avitus deutete mit einer Kopfbewegung darauf.
    "Wein?"
    Fragte er hoffnungsvoll.
    "Aber sicher doch"
    antwortete dieser mit einem Grinsen.
    "Auch was?"
    Avitus zucktemit den Schultern.
    "Klar doch..."
    sagte er und nahm einen Schluck. Der Wein war kühl, perfekt verdünnt und schmeckte gut, vor allem am Abend vor einem Feuer und nach einem Marschtag. Er nahm noch einen Schluck und reichte den Becher zurück.
    "Du auch?"
    fragte der Centurio den Hastatus und als dieser nickte und den Strohhalm ausspuckte, setzte er einen gespielt enttäuschten Gesichtsausdruck auf.
    "Hätte ich gewusst, dass ich hier eine Runde ausgeben muss, hätte ich mehr mitgebracht"
    sagte er halbernst.
    "Gar keine schlechte Idee. Jetzt, wo du es sagst, kannst du tatsächlich eine Runde ausgeben"
    entgegnete der Hastatus. Jetzt wirkte der Gesichtsausdruck des Hastatus Posteriors tatsächlich enttäuscht.
    "Was? Im Ernst?"
    protestierte er. Avitus lachte leise.
    "Nun komm, tu nicht so, als müsstest du weit gehen"
    Das Zelt lag zwar am anderen Ende der Via Principalis, was einen Lauf Hin und Zurück von etwa 400 Metern bedeutete, aber der Hastatus Posterior hatte sich nunmal selbst reinmanövriert.
    "Ihr macht mich noch fertig hier"
    seufzte er, erhob sich aber und ging zu seinem Zelt, um Nachschub zu holen, während Avitus und der Hastatus, der an einem neuen Strohhalm kaute, zurückblieben und auf Aristides und den Princeps Posterior warteten.

  • Tausende Blätter rauschten leise im Wind der hereingebrochenen Nacht und eine Eule schrie leise als Aristides den Weg durch die Zeltreihen nahm. Müde und verschlafen gähnte er und massierte sich eine verspannte Schulter, wobei er grübelnd über den Witz von centurio Bruseus nachdachte, der an seiner Seite über den stoppeligen Weg lief, der auf das Zelt des primus pilus zuführte. Es ging Marcus nicht auf, obwohl er aus Sympathie mit Bruseus gelacht hatte, der ihn stets mit dessen Kollern ansteckte und umgekehrt wohl auch, in dieser Hinsicht waren sie sich recht ähnlich. Nach einigen Schritten gab es Marcus auf und sah zu dem prachtvollen Firmament hinauf, der seine Lichter wie tausend kleine Diamanten auf samtenem Tuch präsentierte. Ob der Himmel in Parthia auch so schön war? Marcus entsann sich an den Himmel in Africa und hatte bis jetzt keinen Schöneren gesehen, doch sicherlich würde er bald seine Frage beantwortet bekommen. Marcus seufzte, auch Bruseus tat es in jenem Augenblick und beide tauschten ihre Blicke aus, lächelten andeutungsweise und Marcus zuckte mit der Schulter.


    „Letzte Wache, oder?“
    „Ja, wie meist. Ist auch nicht übel.“


    Marcus nickte und beide Männer traten die letzten Schritte zu dem Zelt an. Ein Lagerfeuer brannte in der Nähe und warf seinen warmen Schein auf den schon fest getrampelten Weg, den Hunderte von Fußpaaren in den letzten Stunden geschaffen hatten. Bestimmt ging Marcus an dem Lagerfeuer vorbei und auf die beiden wartenden centuriones zu, den primus pilus und den hastatus, denen Marcus höflich und kameradschaftlich zunickte.


    Salvete!“


    Auch Bruseus schloß sich mit dem Gruß an und trat an das Feuer um seine Hände daran zu wärmen. Marcus reckte seine Schultern ein wenig unter der Rüstung, der Schmerz am Rücken wollte einfach nicht weggehen. Zu dumm, daß er Nortruna im castellum gelassen hatte, sie hätte ihm sicher noch die Muskeln vor der Nachtwache lockern können, wenn sie ihm nicht mit einem Dolch an den Hals gesprungen wäre. Bei der Germanin- wie man es wohl bei allen Germanen nicht sein konnte- war sich Marcus einfach nicht sicher, was sie als nächstes machen würde. Rebellieren oder die anschmiegsame Katze sein.


    “Ein guter Tag heute, um den Einstand zu üben für längere Märsche. Die Männer machen sich wirklich gut, trotz der Neuigkeiten und der langen Wintermonate.“


    Marcus zog seine paenula über die Schulter als die aufkommende Nachtkälte seine Rüstung auskühlte und bis unter den Rüstungsschutz drang.

  • "Salvete, comilitones"
    antwortete Avitus. Vom Hastatus kam eher ein gelangweiltes
    "Hmpf"
    als Begrüßung. Er war nicht schlecht gelaunt oder müde, sondern von Natur aus ein eher zurückhaltender, wortkarger Mensch. Dafür war er ein Centurio mit umso mehr Eifer.


    "Ja, wohl wahr. Die milites machen sich gut. Die heutige Beförderung dürfte ein zusätzlicher Ansporn für den ein oder anderen sein, sich noch mehr anzustrengen, um dem neuen Rang gerecht zu werden"
    sagte Avitus und warf einen Blick die Via Principalis entlang, um zu prüfen, wie lange der Hastatus Posterior noch brauchen würde, bevor er endlich mit dem versprochenen Wein ankam. Zu seiner Überaschung musste Avitus - enttäuscht - feststellen, dass der Mann nicht einmal auf die Idee kam, sich zu beeilen und sich stattdessen gemütlich auf sein Zelt zubewegte, offenbar in ein lockeres Gespräch mit einigen Milites vertieft, die ihn ein Stück begleiteten.


    Avitus schüttelte leicht den Kopf. Irgendwie erinnerte ihn der Hastatus Posterior an seinen Schreiber in der Principia, diesen Livius. Viel zu locker und viel zu vertraut mit den einfachen Soldaten. Avitus fand es nicht gut, wenn sich Centurionen all zu kameradschaftlich, ja geradezu kumpelhaft den Milites gegenüber verhielten. Dass sie Abstand wahrten, war keine Frage der Eitelkeit oder des Ranges. Sollte er einmal gezwungen sein, seinen Männern Befehle zu geben, die sie in Lebensgefahr würden bringen können, durfte er nicht zögern, nur weil er die Männer mehr als Freunde, denn als Untergebene ansah. Und die Männer durften nicht zögern, eben diese Befehle bedingungslos zu befolgen, nur weil sie meinten, mit ihrem Centurio diskutieren zu können, getäuscht von seinem freundlichen, lockeren Umgangston.


    "Wenn jemand Durst hat, so möge er sich bitte noch gedulden, ehe unser hastatus posterior mit etwas Wein zurück ist"
    er deutete in die Richtung des Centurio.
    "Aber da der gute Mann sich ohne Gewissensbisse zu haben Zeit zu lassen scheint, kommen wir schon einmal zum Thema unserer kleinen Zusammenkunft. Ich war vorhin im praetorium, um in Erfahrung zu bringen, was es mit der Mobilmachung auf sich hat, welche Auswirkungen sie auf das Manöver hat und so weiter..."
    Avitus warf einen Blick in die Runde.
    "Ihr habt es vielleicht schon mitbekommen, dass wir einen neuen tribunus angusticlavius bekommen haben. Der Mann wurde bei dieser gelegenheit dem Stab vorgestellt. Er ist Veteran des letzten Germanenkrieges und ehemaliger Volkstribun. Appius Terentius Cyprianus. Kennt ihn jemand?"

  • Nicht nur der Ansporn erfreute Marcus, sondern daß er die elende Grundausbildung von der Backe hatte. Sicherlich freute es ihn sehr, wenn die Männer Fortschritte machten, und er sowieso nur daneben stand und einzig seine Stimmbänder fordern mußte, aber er kümmerte sich lieber im Moment um die wirklich wichtigen Angelegenheiten seiner centuria. Marcus hob die Hand und rieb sich seinen Nacken, wobei sein Umhang etwas von seiner Schulter und der Rüstung herunter rutschte, der frische Wind, der in jenem Augenblick über das Lager fuhr, das Feuer peinigte und dann wieder hell aufflackern ließ, brachte Marcus jedoch kaum merklich zum Frösteln. Schnell zog er den Umhang wieder höher und dachte sich, daß er doch schlimmeres erlebt hatte. Und in der Wüste war es nachts auch bitterlich kalt, so sollte er sich lieber schnell daran gewöhnen.


    „Sie müssen sich auch mehr anstrengen, denn sie werden im kommenden Krieg am wenigsten Erfahrung haben, was doch der Ausschlag zwischen Leben und Tod sein kann. Ich hoffe, die Neuen machen sich, denn so viel Zustrom wie wir in letzter Zeit hatten, könnten sie auch eine große Schwächung für uns bedeuten. Aber Mars wird sie sicherlich mit der nötigen Kraft und Mut ausstatten, da bin ich mir sicher.“


    Nach Wein gelüstete es Marcus sicherlich, brachte er doch Wärme und Glückseligkeit mit sich, doch Marcus konnte sich noch gedulden und rieb sich nur die Hände, lauschte dem ersten centurio der Legion und dachte über all die Neuigkeiten nach. Terentius Cyprianus…Terentius. Weder die gens, noch der Name sagte ihm etwas. Nein, dem Mann war er sicherlich noch nie begegnet. So zuckte Marcus mit der Schulter und sah ratlos zu Avitus. Bruseus jedoch, hob den Blick vom Feuer und nickte bestätigend.


    “Ja, schon gehört von dem. Der war mal bei der secunda Soldat. Später auch noch centurio, hat sich dann jedoch für die Politik entschieden. Ich glaub, der war sogar Volkstribun und hat ordentlich gegen die Patrizier gehetzt…“


    Bei den letzten Worten warf Bruseus Marcus einen vergnügten Seitenblick zu, denn manches Mal machte auch Bruseus gerne in Anwesenheit von Marcus seine Witze über dessen Stand. Marcus zuckte gleichgültig mit der Schulter. Männer, die sich über seinen Stand brüskierten, kannte er zur Genüge. Bruseus dachte kurz nach und hob verwundert die Augenbrauen.


    „Seltsam ist, daß er nicht im Senat ist, sondern noch als Ritter unterwegs…nun ja, vielleicht meint der Kaiser, daß wir den gebrauchen können…“


    ’Gebrauchen’ war durchaus mit Ironie gesprochen, denn auch Bruseus hielt wenig von den tribuni. Meist machten sie nur Arbeit und standen im Weg herum. Marcus hatte sich in dieser Hinsicht weder eine positive, noch eine negative Meinung gemerkt, schloß sich somit mit keinem Kommentar an, sondern sah nur nachdenklich ins Feuer ehe auch er wieder zu den Männern blickte.


    „Wurde schon verlautbart, wann es in den Krieg geht? Wahrscheinlich erst, wenn der Kaiser eintrifft, oder?“

  • Avitus ging in die Hocke und nahm ein Stück Holz von dem kleinen Stapel, der unweit des Feuers lag. Er stocherte damit ein wenig im Feuer herum, um die bereits brennenden und knisternden Holzstücke etwas beiseite zu schieben, damit Platz für das neue geschaffen wurde und legte es dann rein, bevor er sich wieder erhob.
    "Ja, es könnte in der Tat zum Problem für und werden, wenn zu viele von ihnen wegen Unerfahrenheit fallen sollten. Die Parther sind, wie man hört, meisterhafte Schützen und schicken ihre schwere Kavallerie erst dann zum Frontalangriff, wenn ihre Bögen die Reihen ihrer Feinde dezimiert und vor allem demoralisiert haben"
    er blickte die ganze Zeit ins Feuer, während er sprach.
    "Ich denke, nichts ist entmutigender, als ununterbrochen von einem beritteten Gegner aus der Entfernung beschossen zu werden"
    Zum Glück ließ Avitus seine Rekruten dieses Gefühl zumindest im Ansatz kennenlernen, indem er zu Beginn der Ausbildung, dann, wenn die Männer dasScutum kennenlernten, einige Contubernia erfahrener Milites antreten ließ, allesamt mit Steinen bewaffnet und diesen den befehl erteilte, die Rekruten erbarmungslos mit einem Steinhagel einzudecken. So lernten viele ihr Scutum in den ersten Stunden ihrer Ausbildung schätzen.
    "Da kannst du Gift drauf nehmen"
    pflichtete ihm der Hastatus bei. Seinen Strohhalm hatte er wieder ausgespuckt und kaute stattdessen an einem dünnen Zweig.


    Aber nichts destotrotz befürchtete Avitus, seine Ausbildung zu sehr auf die Begegnung mit nordischen Barbaren fokusiert zu haben und fürchtete nun, dass die Männer vielleicht nicht richtig vorbereitet in den Kampf mit einem so beweglichen und taktisch anspruchsvollen gegner wie den Parthern geschickt würden. Selbst das Agmen Quadratum würde ihnen nichts nützen. Crassus hatte diese Taktik angewandt, ohne den geringsten Erfolg. Solange die Parther laufend mit Pfeilen versorgt wurden, würden sie früher oder später jede noch so disziplinierte Linie zusammenschießen und letztlich mit ihren furchterregenden gepanzerten Reitern sprengen. Doch wie auch immer... wie schon der Prineps sagte, war er voller Hoffnung, nein Überzeugung, dass Mars den Männern - und damit auch ihm selbst - den nötigen Kampfgeist und die erforderliche Kraft verlieh, damit sie stets standhaft blieben.


    Avitus hörte den Worten des Princeps Posterior zu, der den Mann zumindest grob zu kennen schien. Zu deutlich hörte er dessen Meinung über die Tribuni heraus und musste lächeln. Die allgemeine Abneigung einfacher Soldaten - die Centurionen standen zwar an der Spitze derer, waren aber nichtsdesto trotz Teil der Masse einfacher, kämpfender Soldaten, zumindest empfand es Avitus so - gegenüber den Tribuni war legendär, auch wenn senatorische Tribuni normalerweise ein weit aus schlechteren Ruf hatten, als ritterliche.
    "Nun, wie auch immer. Der Mann ist jetzt hier. Morgen wird er die Nachhut übernehmen. Die Erste..."
    damit war die Kohorte gemeint
    "... bildet wieder die Spitze. Das Manöver wird, wie beim Appell angekündigt, ersteinmal fortgesetzt. Mit einer Verlegung in den nächsten Tagen ist daher wohl nicht zu rechnen, gänzlich auschließen will ich das jedoch nicht. Wir warten auf Kunde aus Rom"


    Avitus warf noch ein Stück Holz ins Feuer. Einen Augenblick lang sah es so aus, als wehrte es sich gegen die Flammen, doch dann griffen sie über und erfassten es, frassen sich ins Holz hinein und verwandeltes es nach und nach zu toter Asche.
    "Du kannst es wohl nicht abwarten, hm?"
    fragte er Aristides. Avitus lächelte. Kam nicht wirklich oft vor, dass er lächelte. Natürlich sah er selbst dem Krieg mit einer gewissen - vielleicht seltsamen, ja geradezu unnatürlichen - Freude und Ungeduld entgegen. Wie viele andere Soldaten verdrängte er die Sorge um das eigene Wohlergehen, die unweigerlich aufkam, jedoch von der Aussicht auf Ruhm und Beute zurückgedrängt wurde. Bei anderen war es die Angst, als Feigling abgestempelt zu werden, die diese Sorge verborgen hielt, wieder andere waren verrückt genug, derlei Sorgen nicht zu kennen. Jeder ging halt auf die eigene Art und Weise mit seinen Gefühlen und Ängsten um.

  • Ohne wirklich das Feuer zu sehen, betrachtete Marcus die züngelnden Flammen, die durch das Holz, welches Avitus nachgelegt hatte, wieder höher und gieriger stiegen und in einer liebenden Umarmung das Feuerholz umschlangen. Meditativ mutete das Feuer an, indes sah Marcus auf und zu dem ersten centurio und nickte andeutungsweise. Marcus dachte einen Herzschlag nach, atmete tief ein und kratzte sich am Nacken, wiewohl es nicht juckte, aber bei ihm eine Mischung aus Ratlosigkeit und Verwirrung darstellte.


    „Ja…Tausende von Reitern mit Bögen. Das wird nicht sehr einfach werden, zu dem auch noch die Hitze des Landes, die feindlichen Bewohner. Aber womöglich überschätzen sich die Parther auch, schließlich sollen sie in Armenia eingefallen sein. Wenn wir ihnen den Rückzug abschneiden und dann sie angreifen, werden sie genauso demotiviert sein…“


    …oder noch viel wilder, weil sie verzweifelt waren. Männer, die keinen Rückzug hatten, wussten, daß sie um Leben und Tod kämpfen mussten, daß sie keine Möglichkeit hatten, außer zu siegen. Es war nicht das erste Mal, daß selbst eine kleine Truppe eine größere Streitmacht aus diesem Grunde besiegen sollte und wohl auch nicht das letzte Mal, selbst Jahrhunderte später sollte das so sein. Doch Marcus wollte die Schwarzseherei nicht laut aussprechen. Warum auch, schließlich würden sie in den Krieg ziehen und die Strategie würde von dem Kaiser und legatus getroffen werden. Und groß Sorgen über die Kampfkraft der ersten Legion machte sich Marcus auch nicht, im Kampf würde es sich schon beweisen und zu viele Grübeleien diesbezüglich brachten nun auch nichts mehr. Um dem Ausdruck zu verleihen- mehr unwillkürlich- zuckte Marcus mit der Schulter und sah in Richtung des Weinspendierenden centurio, dessen Rückweg Avitus bereits angedeutet hatte. Doch er war nicht in Sicht und somit das gute- oder auch schlechte- Tröpfchen ebenso nicht. Zustimmend nickte Marcus auf die Feststellung zu Cyprianus Wirken und Werken in Zukunft. Die Legionen hatten in den vergangenen Generationen auch schlimmere Dinge als unfähige tribuni überstanden, somit war es auch nicht sonderlich schlimm, sollte sich dieser Cyprianus als ein fauler Apfel im Korb erweisen. Marcus seufzte leise, Ungewissheit, Warten, das war wohl das Schlimmste. Seine Augenbraue wölbte sich in die Höhe und verwundert sah Marcus auf, musterte Avitus, um in seiner Miene ein Zeichen nach Schalk zu entdecken. Aber die Frage war wohl ernst gemeint. Marcus zuckte mit der Schulter, denn eigentlich hatte er es nicht sonderlich eilig. Viele unerledigte Dinge harrten noch auf seine Arbeit, viele familiäre Pflichten galt es noch zu tätigen. Wie sollte er da hoffen wollen, bald abzureisen?


    „Nein, eigentlich nicht. Der Krieg wird kommen, wenn die Götter es so wollen. Dann, wenn es passt oder nicht, aber wir können nichts anderes tun als uns dem Schicksal in die Hände zu übereignen. Oder sagen wir besser: Unserem legatus und dem göttlichen Kaiser.“


    Prüfend taxierte Marcus die anderen Männer, sah die frostigen Ausdruck von Bruseus, denn dieser war gar nicht erpicht auf den Krieg, und betrachtete auch den von Avitus. Ob dieser ein Liebchen hatte, wie sein scriba es ausgedrückt hätte, oder sonst jemanden, der ihm sehr wichtig war, das wußte Marcus nicht. Er wußte eigentlich fast gar nichts über den primus pilus, war dieser doch- wie er fand- ein oft zurückhaltender Mann, wenn es um die privaten Angelegenheiten ging. Von Bruseus wußte er zumindest, daß er mehrere Frauen in Mantua mit seinen Besuchen „beehrte“ und keine war davon eine lupa. Genauso hatte Marcus mittlerweile alle Kinder von Bruseus kennen gelernt und so manch eine Verwandte seiner Frauen, die ihm Bruseus als Verbindung andrehen wollte. Dieser glaubte wohl, Marcus Name könnte einen nicht unbedeutenden Einflussfaktor für ihn und seine Familie bedeuten. Marcus schmunzelte bei dem Gedanken.


    „Das Schwierigste wird wohl sein, die Familie zurück zu lassen. Hmm…“


    Gerade als Marcus an Feldpost dachte, mit der man sich immerhin weiter mit seiner Familie verständigen konnte, kam ihm ein anderer, sehr unangenehmer Gedanke.


    “Es werden wohl auch einige Prätorianer mitkommen, oder? Ist schon bekannt, wer sie anführen wird?“


    Nicht dieser Caecilius, nicht dieser Caecilius! Inbrünstig und lautlos stieß Marcus die Worte gen Himmel und war nahe dran, Mars noch mal einen Stier zu versprechen, wenn dieser sich ihm erbarmte.

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