“Für die rhomäischen Factio Purpurea geht ihr bester Mann an den Start. Seine Name ist in der ganzen Welt bekannt: Dominator Spectatorum!
Drei Mal konnte er bereits den Sieg erringen und dazu fünf zweite Plätze, einen dritten und zwei vierte.“
Hippodrom
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Unruhig scharrten die Pferde des Curulis. Die Pferde schnauften und zogen an den Zügeln. Begierig waren sie in das Hippodrom zu laufen und ihrem Temperament freien Lauf zu lassen. Dominator stand im Schatten des Gewölbes und sah auf das breite Tor. Strahlendes Sonnenlicht fiel durch die Gitter und bildete ein geometrisches Muster auf dem Sandboden. Das Lärmen von Draußen drang bis zu dem Auriga. Es pulsierte bereits durch seine Adern und er war genauso begierig darauf, in den Circus zu fahren wie seine Pferde. Eifrig, endlich die Rufe und Begeisterung all der vielen tausend Menschen um sich herum zu vernehmen. Dominator atmete tief ein und aus. Seine Gedanken konzentrierten sich alleine auf ihn und den Wagen, mit dem er 'eins' werden wollte. Im Schlaf hätte Dominator den Curriculum fahren können, natürlich wenn er keine Gegner gehabt hätte. Er starrte zu den anderen Aurigae und schlang seine Hand fester um die Peitsche. Das Leder knarrte leise. Dann hörte er die laute und dröhnende Stimme des Praedicators. Ein breites Grinsen trat auf das Gesicht von Dominator. Und dann erhob sich bereits das Gitter. Seine Peitsche schwang durch die Luft und knallte laut über den Rücken der Pferde. Diese wieherten laut auf und preschten nach draußen.
Die goldenen Räder schienen über den Sand zu fliegen. Tausende Zuschauer bekleideten die Sitze über ihn. Bunte Farben schillerten in den Rängen. Fahnen wurden durch die Luft gewedelt und von vielen Stimmen hörte Dominator seinen Namen wiederhallen. Vielfarbige Blumen fielen hinab in die Arena. Wie er das doch liebte. Mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen fuhr Dominator die Arena entlang. Immer wieder hob er seine linke Hand und winkte dem Puplikum huldvoll entgegen. Einmal umrundete er die Spina des Hippodrom und zügelte die Pferd dann vor der Ehrenloge des Praefectus, vor dem er den Gruß entbot als ob der Kaiser persönlich dort sitzen würde. „Auriga Purpurea te salutat, Praefectus Alexandriae et Aegypti!“ Gewaltig war zwar das Stimmorgan des Auriga, aber noch lauter die Stimmen des Publikum.
AURIGA - FACTIO PURPUREA -
Zitat
Original von Leonidas Philotantos
....Lachen, Menschenlärmen, sogar das Plärren von Kindern in ihrer Nähe wurde Medeia ausnahmsweise heute nicht zu viel. Womöglich hatte sie bereits genug Stille in sich aufgenommen, um selbst den Kinderlärm ertragen zu können. Nachdenklich sinnierte sie über die Worte von Leonidas und gab ihm mit einem leichten Nicken zu erkennen, dass sie ihm durchaus zustimmen konnte. Ebenso mit den Worten: „Womöglich hast Du Recht. Es sind nicht alleine die Rhomäer, die Athen zu Grunde richten. Es sind die Athener selber.“ Was konnte denn schon aus einem Volk werden, dass nun abhängig von dem Gutdünken einer anderen Macht war? Medeia besah sich die Menschen im Hippodrom und sah nachdenklich auf Griechen und Ägypter. Ob es nicht bei den Ägyptern auch nicht anders war? Es gluckerte leise als ihr Sklave den Becher mit einem erfrischenden Saft fühlte. Medeia beachtete das Tun ihrer beiden Sklaven, auch der zwei anderen, den Leibwächtern, nicht sonderlich. „Immerhin hat Alexandria die wundervollste und glanzvollste Bibliothek der Welt. Es ist immer wieder beeindruckend all diese Schriften zu sehen, die von Händen geschaffen wurden, die zu einem Mann gehörten, der bereits fünfhundert Jahre tot ist. Und dennoch haben seine Ideen all die Zeit überdauert. Ist das nicht der Wunsch eines jeden Sterblichen? Ewig in die Geschichte einzugehen? Und nur wenigen, den strahlenden Menschen, ist dies wirklich vergönnt.“ Medeia ist sich sicher, dass es ihr auch nicht vergönnt sein wird. Höchstens, wenn jemand mal einen Blick auf die römischen Chroniken warf und mal ihren Namen sah als Aedil. Aber was bedeutete das schon? Im Angesicht hunderter Aedile war es bedeutungslos. Und zu dem keine große Errungenschaft, keine bedeutenden Verdienste. Medeia lächelte kurz und trank etwas von dem süßlichen Saft.
„Dann kann man nicht einfach in das Basileus-Viertel?“ Medeia hatte es auch noch nicht versucht, hatte bis jetzt doch keine Angelegenheit sie dorthin geführt. Wenn sie auch mal Aelia durchaus einen Besuch abstatten wollte. Denn Neugier war ja auch ein Laster von Medeia. Es verwunderte sie nicht, dass Leonidas sie für eine Römerin hielt. Denn trotz, dass sie ihre Muttersprache ihm gegenüber verwendet hatte, so war sie doch wie eine Römerin gekleidet. „Ich besitze zwar das römische Bürgerrecht und habe einen römischen Vater, aber in Wirklichkeit bin ich mehr eine Athenerin. Wie meine Mutter.“, fügte sie darum zur Erklärung an. Doch was Leonidas zu Alexander sagte, versetzte sie doch in Erstaunen. „Die Nase abgebrochen? Was für ein Frevel. Ist das durch den Krieg passiert, den Bürgerkrieg?“ Verwundert sah Medeia den Agoranomos an. Auf den Gedanken, dass jemand die Mumie angefasst hätte, da wäre Medeia nicht darauf gekommen.
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Auch den zweiten Tag, gleichwohl sie schon der erste Tag erschöpft hatte, wollte sich Medeia nun doch wieder nicht entgehen lassen. Und so hatte sie erneut den Weg von ihrem Haus am Meer bis zum Hippodrom gewagt. Immerhin war das Gedränge der Stadt nicht mehr notwendig und sie doch schnell vor den Toren des Hippodrom. Ihr Sklave eilte voraus, um ihr einen Platz zu ergattern. Langsam bewegte sich Medeia durch das dichte Drängen und hinauf zu den Rängen der durchaus imposanten Rennbahn. Und tatsächlich, abermals war es ihrem zwergenhaften Sklaven gelungen, ihr einen Platz zu beschaffen. Und sogar in der ersten Reihe mit einem guten Blick auf die erste Kurve. Medeia nahm auf dem Kissen Platz und strich sich die safranfarbene Palla zurecht, die sie der Sonne wegen mitgenommen hatte. Doch jetzt war es bereits sehr heiß. Nach einigen Minuten entschloss sie sich darum, die Palla ihrer Sklavin zu geben. Silbern funkelten zwei Armreifen an ihren blossen Armen und zwei Fibeln an ihrem dunkelblauen Gewand. Verwundert sah sich Medeia um. Zwar sah sie hier auch viele Farben der Factiones und die Begeisterung für den Rennsport schien genauso groß zu sein wie in Rom. Und dennoch, es war etwas anders hier. Lag es daran, dass die Rufe auf Demotisch, Griechisch und Römisch durch den Circus drangen? „Möchtest Du etwas trinken, Domina?“ Medeia nickte leicht. Ihr Sklave verschwand zwischen den Menschen, um ihr etwas zu trinken zu besorgen. Und schon kamen die ersten Gespanne. Natürlich schlug das Herz von Medeia für die Factio Purpurea und so freute es sie besonders einen Fahrer aus ihrer Factio erkannt zu haben. Medeia reckte sich ein wenig, um besser sehen zu können.
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Original von Artoria Medeia
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Nachdenklich nickte Leonidas. Er hatte noch nie besonders viel Zeit damit verbracht, über den Zusammenhang zwischen Verfall und Besatzung nachzudenken. Aber irgendwie war es auch wieder klar...die Rhomäer waren zwar Barbaren, aber die Macht hatten sie...und sie versuchten ständig, die Hellenen auch in der Kultur zu übertrumpfen. Aber da waren sie ja noch meilenweit entfernt..."Das Basileus-Viertel ist bewacht, damit kein Abschaum hineingelangt. Man muss schon einen speziellen Grund vorweisen können oder eben Bekannte dort haben."
Leonidas hatte leider keines von beiden, aber sein Amt würde ihm sicherlich - wenn er das Viertel besuchen wollte - die Tore öffnen, wie er hoffte.
Die Neuigkeit, dass sie tatsächlich Rhomäerin war, überraschte ihn nicht. Alexandrinerin war sie nicht, Athenerinnen spazierten selten ganz allein durch Alexandria, folglich blieben nur noch wenige Völker übrig. Abgesehen davon war sie ja wie eine Rhomäerin angezogen - so...schlicht? Dass ihre Mutter Athenerin war, war allerdings eine interessante Sache. Sie erklärte ihre Liebe zu dieser Stadt.
"Der Basileus Sebastos hat sie abgebrochen. Angeblich versehentlich, aber ich denke fast, er wollte sich damit ein extravagantes Souvenir sichern."
erklärte er dann eher trocken. Allein die Vorstellung fand Leonidas komisch: Ein rhomäischer General, der sich über die vertrockneten Überreste des jugendlichen Heerführers in all seiner Pracht beugten. Er hatte ihn sicher angestupst oder ähnliches und dann war sie abgebrochen. Der Agoranomos fragte sich, ob die Begleiter des Rhomäers gelacht hatten...
"Und was treibt Dich nach Alexandreia? Bist du auf Bildungsreise?"
Zwar würde Leonidas seine Tochter niemals durch die Welt schicken - das passte einfach nicht zu einer Frau - aber soweit er wusste, gab es durchaus Rhomäer, die ihre Töchter wie die Söhne bildeten.
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“Aus dem fernen Land Tylus kommt Lipodoros zu uns. Er stammt aus der Stadt Damman, wo er bei einem Rennen für junge Wagenlenker schon einmal Dritter geworden ist.“
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Original von Narrator Aegypti
“Seh't, dass ist Fortunatus. Er trägt das Weiß der rhomäischen Factio Albata.“
Ioshua kippte fast aus den Latschen, als er den weißen Fahrer wieder auf der Rennbahn sah. Dieser Fortunatus mußte unter dem Schutz der Götter stehen, daß er nun schon wieder ein Rennen bestritt.Als Lipodoros stolz erhobenen Hauptes über die Arena führ, umspielte ein Lächeln die Lippen des Ioshua. Stracks richtete er sich von seinem Platz, gestikulierte mit dem Arm richtung Sandbahn und tönte mit kräftiger Stimme
"Das ist mein Fahrer, Lipodoros von Damman, seht ihn euch an ! Er ist ein wahrer Held. Er wird noch eines Tages in Rom im Circus Maximus zu sehen sein !!"
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“Plinius tritt für die rhomäischen Factio Praesina an. Im vergangenen Jahr erreichte er bei den Ludi Martiales in Rom einen ehrenvollen dritten Platz. “
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In bereits gewohnter weise applaudierte der Präfekt dem Auriga der 'Grünen', wie die Praesina aufgrund ihrer Farben auch genannt wurde. Ein Seitenblick galt seiner Ehefrau, die eine große Anhängerin der 'Blauen' war, früher jedoch wie er wusste, den 'Grünen' zugetan gewesen war, obwohl zwischen beiden Factiones eine sehr alte und leidenschaftliche Gegnerschaft herrschte.
Die 'Blauen'... Seine eigene Familie hielt traditionell zu dieser Factio. Welchen ihrer Lenker hatten sie wohl geschickt?
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“Die Farben der rhomäischen Factio Veneta vertritt Rothar! Ein zweiter Platz steht bei ihm zu Buche und außerdem ein vierter, erst kürzlich errungen bei einem Rennen im rhomäischen Germanien.“
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Ahja, da war es ja, dass Gespann der Factio Veneta, der 'Blauen'. Germanicus Corvus übte sich in Zurückhaltung und versagte sich ein laut gerufenes 'Veneta Victrix!', denn als Statthalter und Ausrichter dieses Rennens konnte man einen unparteiischen Anschein von ihm erwarten.
Also bedachte er Rothar mit demselben höflichen, aber zurückhaltenden Applaus, mit dem er auch alle anderen Teilnehmer begrüßt hatte. -
“Aus Thracia, aus der Stadt Serdica kommt Alexandros zu uns. Begrüßt herzlich Alexandros!“
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Der Thracer war in diesem Rennen ein Außenseiter. Ein junger Mann, der in seiner Heimat bereits kleinere Rennen gewonnen hatte, aber noch von keiner der großen römischen Factiones unter Vertrag genommen worden war. Es würde interessant sein, zu sehen, wie er sich gegen die bereits etablierte Konkurrenz aus Rom behaupten konnte.
Corvus applaudierte auch ihm.
Doch Alexandros sollte nicht der einzige Außenseiter in diesem Rennen sein, denn noch fehlten zwei Teilnehmer...
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...denn es kamen noch zwei 'Lokalmatadoren' und der Ausrufer war keineswegs vollkommen neutral.
“Zum Schluss... und in der Hoffnung das die Götter sie morgen beflügeln werden... habe ich die Ehre zwei Einheimische anzukündigen. Zwei Männer, die voller Stolz ihre Heimat beim morgigen Rennen vertreten werden.
Tragt sie mit eurem Jubel nach vorne!
Begrüßt Mehaf, aus dem immergrünen Land am See Moeris und Hakor aus dem schönen Naukratis!“ -
Zitat
Original von Narrator Aegypti
“Wir begrüßen Quintus Arius. Er vertritt die rhomäische Factio Aurata und wurde vor zwei Jahren schon einmal Vierter bei den Cerealia-Spielen in Rom.“Arius ist sich sicher, dass er vor zwei Jahren bei den Spielen in Rom nicht teilgenommen hat, aber das wundert ihn nicht wirklich, denn er ist ja nicht der einzige Namensträger in seiner Familie. Nichts desto trotz erwartet er sich auch für dieses Rennen nicht wirklich etwas, hat er doch schon bei den letzten Testfahrten nicht gerade überzeugen können. Für dieses Rennen nimmt er sich daher vor erst einmal auf Vorsicht zu fahren und abzuwarten, jedoch jede Chance zu nutzen, die sich ihm bieten wird.
Voller Anspannung überblickt er die Strecke und vor allem auch die anderen Aurigae. Viele von ihnen haben schon einiges an Erfahrung mehr als er. Wenn er schon nicht gewinnen kann, kann er vielleicht etwas lernen.
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Der Praefectus Aegypti hob beide Hände zum Zeichen das er sprechen wollte.
Dann blickte er zu den zehn Aurigae mit ihren Quadrigen hinunter.
“Ich danke euch dafür, dass ihr meiner Einladung zu diesem Wettrennen gefolgt seid. Mein Dank ist auch der Dank von Rom und Alexandria.
Morgen werdet ihr gegeneinander antreten und jeder von euch weiß: Das Publikum wird euch zujubeln, wenn ihr euren Mut beweist.
Der Gewinner soll in ganz Alexandria und im ganzen Imperium Romanum gerühmt werden und ich verspreche ihm 3000 Sesterzen als Prämie für seinen Sieg. Dem Zweiten will ich 1000 geben und dem Dritten 500.Heil Euch, mutige Aurigae. Auf das wir morgen ein großes Rennen bestaunen können.“
Damit schloss Germanicus Corvus seine Rede und entließ die zehn Teilnehmer.
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Im weiteren Verlauf des Tages wurden noch ein paar Ansprachen gehalten, interessante Gespräche geführt, ein paar unvermeidliche Danksagungen an die Götter gesprochen und vor allem noch viel gefeiert, gegessen und getrunken.
Die Buchmacher hatten an diesem Tag Hochkonjunktur. Zwar war es ihnen untersagt, innerhalb des Hippodroms ihren Geschäften nachzugehen, aber das ließ sich kaum kontrollieren und vor der Rennbahn blühte das Wettgeschäft ohnehin.
Ein Favorit war bei diesem Teilnehmerfeld schnell ausgemacht: Die Quoten für Dominator Spectatorum waren mit Abstand am schlechtesten, denn er war der einzige Teilnehmer, der bereits ein großes Rennen gewonnen hatte.
Alle anderen römischen Gespanne lagen mehr oder minder gleichauf, obwohl sie teilweise doch recht unterschiedliche Erfolge aufweisen konnten. Aber scheinbar traute man in Ägypten jedem römischen Gespann einen vorderen Platz zu. Denn immerhin betrieben die römischen Factiones auch den größten Aufwand, was Material, Übungsmöglichkeiten und Vorbereitung anging.
Das tylusische Gespann war den Wettern ein Rätsel. Einige schworen darauf, dass der Tyluser im Hippodrom von Alexandria viel besser als die Römer zurecht kommen würde, Andere trauten dem Orientalen grundsätzlich nichts zu und wieder Andere behaupteten, der Mann könne wahre Wunderdinge bei seinen Pferden bewirken und sie ganz sicher zum Sieg beflügeln.
Den Thracer Alexandros kannte niemand und kaum einer wettete auf ihn. Seine Quoten waren die höchsten.
Was nun die beiden Ägypter anging, so glaubten die Kenner trotz ihres Heimvorteils nicht an ihren Sieg. Aber gar nicht so Wenige setzten ihr Geld aus Sympathie auf die heimischen Teilnehmer. Häufig waren das in diesen Fällen nur kleine Geldbeträge, aber es genügte, dass ihre Quoten mit denen des Tylusers Lipodoros in etwa gleichauf lagen.Doch es waren alles nur Wetten. Die Wahrheit würde sich am nächsten Tag auf der Rennbahn erweisen...
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Original von Leonidas Philotantos
[...]Eine Flamingozunge musternd, die in Honig getränkt auf ihrem Teller lag, hörte Medeia Leonidas doch aufmerksam zu. Nur kurz fragte sie sich, warum ausgerechnet eine solche Speise sich auf ihren Teller verirrt hatte. Stattdessen griff sie nach einem Stück Brot und tunkte diesen in die Soße. Eigentlich mochte sie es nicht, öffentlich zu essen. Doch an diesem Tag gehörte das im Hippodrom unvermeidlich dazu. Und wer wäre sie, derart eine 'freundschaftliche' Begegnung zwischen Römern, Hellenen und Ägypten abzulehnen? Verstehend nickte Medeia. „Nun, das ist natürlich verständlich. Sonst würden sich wohl alle Bettler der Stadt dort tummeln, in der Hoffnung etwas vom Reichtum der Menschen ab zu bekommen.“ Medeia war zwar nicht immer knausrig und gab den Bettlern durchaus immer mal wieder was. Aber die drei Bettler im Rhakotisviertel hatten sie etwas verunsichert, was die 'Echtheit' dieser Bettler anging und ob es nicht doch Betrüger waren.
Ein Kaiser hatte die Nase abgebrochen? Medeia blinzelte verblüfft. Einen Moment vergaß sie das Essen. Sie stellte sich vor, welcher Kaiser das wohl gewesen sein mochte. Basileus Sebastos? Medeias runzelte einen kurzen Moment lang verwirrt die Stirn. „Welchen der Kaiser ist denn das Malheur passiert. Sebastos ist doch lediglich die Bezeichnung für Augustus? War das der erste Princeps persönlich?“ Dann war es schon kein Frevel mehr. Sondern selbst Geschichtsträchtig, wie Medeia befand. „Dann hoffe ich doch, mir womöglich doch noch die sterblichen Überreste dieses großen Königs ansehen zu können. Sofern mich die Wachen vorlassen.“ Medeia lächelte kurz.
Bildungsreise. Treffend war der Ausdruck durchaus, wenn sie auch damit junge Menschen assoziierte, die sich nach Griechenland oder eben Ägypten aufmachten, um ihren Horizont zu erweitern und sogar die Hörner abzustoßen. Medeia schüttelte den Kopf. „Ganz unrecht hast Du mit Deiner Vermutung nicht. Aber ich bin eher wegen meiner Arbeit hier. Ich bin Praeceptor an der Schola von Rom. Und ich bin hierher geschickt worden, um mich ein wenig um die Belange der Schola am Museion zu sorgen. Aus dem Grund wird mein Aufenthalt hier sehr wahrscheinlich länger währen. Aber mir ist das nicht unrecht. Denn Alexandria gefällt mir außerordentlich gut.“ Bis auf die Hitze. Aber die wäre auch in Rom im Sommer unerträglich gewesen. „Du hast doch sicherlich früher auch am Museion studiert, kann das sein? Oder bevorzugt man in den gehobenen Kreisen von Alexandria dann doch einen Privatlehrer?“
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Dezent hatte Medeia mit einem purpurfarbenen (so ähnlich man die Farbe imitieren konnte) Fähnchen gewunken als ihr Fahrer der Factio vorbei fuhr. Eigentlich mochte Medeia Wagenrennen nicht. Aber doch viel lieber als noch die Gladiatorenspiele. Aber sie gehörte nun mal der Factio Purpurea an und so wackelte das Fähnchen zwischen all den vielen Zuschauern hin und her. Schließlich drückte sie es ihrem zwergenhaften Sklaven in die Hand. „Wedel damit, Pumilus.“ Eifrig nickte Pumilus. Oh, er liebte die Wagenrennen. „Dooominator!“ schrie der kleine Mann laut. Was jedoch von der Menge an Rufen auch verschluckt wurde. Eigentlich schlug das Herz von Pumilus auch für die Veneta, aber natürlich würde er das niemals vor seiner Herrin zugeben. So wedelte er nun eifrig mit dem purpurnen Fähnchen und brüllte immer wieder begeistert den Namen des Auriga.
Erst als der Praefectus sich anschickte, etwas zu sagen, verstummte auch der Sklave. Aufmerksam lauschte Medeia der Rede, wenn sie auch nur Fragmente davon vernahm. Aber die Worte wurden von einem Zuschauer zum Anderen weiter gegeben. Wenn natürlich auch die stille Post die Botschaft etwas verzerrte. Am Ende kam bei Medeia nämlich eine Summe von 30 000 Sesterzen als Belohnung an. Erstaunt blinzelte Medeia und meinte zu dem Nachbarn: „Bist Du Dir sicher?“ Der zuckte mit der Schulter. „Weiß nicht. Der da vorne ist ein Ägypter. Man weiß doch, dass die nicht rechnen können.“ Medeia sah den Mann verwirrt an. „Ist das so?“ Medeia war da zwar etwas skeptisch, aber den heutigen Ägyptern konnte man wohl nicht mehr viel zutrauen.
„Domina. Darf ich wetten?“ Medeia wandte sich ihrem Sklaven zu. „Wetten? Nein, das ist unschicklich.“ Pumilus starrte sie enttäuscht an. Er hatte sogar eigenes Geld von seiner Herrin bekommen. Wie auch Olympia. Die hatte das jedoch in einer großen Tüte süßer Datteln investiert. Aber Pumilus, ja, der war gewitzt, der wollte sein Geld vermehren. „Auch nicht auf Dominator? Immerhin wird er gaaaanz sicher siegen.“ Medeia seufzte leise und nickte schließlich. „Also gut.“ Strahlend watschelte Pumilus davon. Natürlich setzte er auf Dominator. Aber nur fünf Sesterzen. Dreißig setzte er auf den Fahrer der Veneta. Seine Herrin würde das ja eh nicht erfahren. Hoffentlich.
So lauschte Medeia noch einigen salbungsvollen Reden, verspeiste noch einiges (mehr als in den letzten Tagen zusammen) und verließ erst am Nachmittag wieder die Veranstaltung. Womöglich würde sie noch bei bei dem Rennstall vorbei sehen, aber eher nicht. Und am nächsten Tag ganz gewiss wieder sich einen Platz im Hippodrom erkämpfen müssen.
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Der dritte Tag der Feiern war angebrochen. Er würde den Höhepunkt des Festes sehen, nämlich das große und am Vortag ausgiebig angekündigte Wagenrennen.
Bereits am frühen Morgen strebten die ersten Besucher zum Hippodrom. Davor boten Buchmacher in gedämpftem Tonfall noch eine schnelle Wette an und jeder von ihnen versprach mit arglosem Augenaufschlag die beste Quote von allen. Viel lauter waren dagegen die derben Weiber vom Lande, die ihre gerösteten Sperlinge am Spieß oder getrockneten Datteln feil boten. Es gab nicht weniger als sieben Bucklige die Talismane anboten und drei von ihnen hatten sogar echte Buckel. Dann waren da noch rund ein Duzend bettelnde Blinde und ebenso viele Krüppel, denen ein Bein oder Arm fehlte. Einer von ihnen hatte sogar beide Beine eingebüßt und nur noch einen Arm. Er hatte auch den größten Erfolg bei den Zuschauern, die nun in immer größerer Zahl zu den Eingängen der Rennbahn drängten.
Plötzlich gab es vor einem der Eingänge ein kurzes Durcheinander. Ein Mann drängte nicht hinein, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Im nächsten Augenblick hatte ihn die Menge auch schon wieder verschluckt.
“He, man hat mich bestohlen! Mein ganzes Geld... haltet den Dieb!“, rief einer, aber da war es schon viel zu spät und der Missetäter über alle Berge.
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