Hortus | Die Schönheit und der Marspriester (Claudia Antonia et C' Flavius Aquilius)

  • Innerlich seufzte ich, denn die Erklärung, warum ihr Gemahl so anders mit ihr umging, war simpel, schnell gesprochen und vollkommen unmöglich ihr zu entdecken. Ich musste also einen Weg finden, sie zu beruhigen, ohne dass ich dieses Geheimnis berührte - dass es einer Lösung bedurfte, verriet ihr Verhalten, es schien sie wirklich zu beschäftigen, aber wen wunderte das schon, wenn man bedachte, dass sie seit vielen Wochen nur Ehefrau war, und eine Ehefrau noch dazu, deren Gemahl sie offensichtlich scheute?
    "Nein, ich sah ihn mit beiden nicht, aber denke doch einmal nach, Antonia: Leontia ist mit ihm verwandt, und er kennt sie schon sehr lange. Dass sich dort ein Verhältnis zueinander entwickelt, das von Lockerheit und Freundlichkeit geprägt ist, ist doch nicht erstaunlich, ich gehe mit Manius auch anders um als mit jedem anderen Menschen in Rom, eben weil wir uns schon lange kennen und nicht viel gegenseitig erklären müssen. Tiberia Livia ... nun, ich habe sie auf irgendeinem Empfang einmal beobachtet, und sie scheint mir von derselben distanzierten Natur wie Gracchus selbst. Würdest Du nicht eher mit einem fremden Menschen zurecht kommen, wenn Du ahnst, dass er oder sie Dir ähnelt? Er tut sich einfach schwer mit anderen, deren Temperament dem seinen gegensätzlich oder unähnlich ist, Antonia, und das ist bei euch beiden, wenn ich es recht bedenke, der Fall."


    Ihre Finger waren angenehm warm, die Berührung prickelte auf meiner Haut, deutlicher und lebendiger, als ich es vermutet hätte, eine so spontane, arglose Geste war es, dass ich mich fast für das jäh aufflammende Begehren dieser leidenschaftlichen Frau schämte. Wäre sie die meine, würde sie sich über dergleichen sicherlich niemals wieder Gedanken machen müssen. "An Dir ist alles richtig, Antonia, glaube es mir, ihr kennt euch nur noch nicht lange genug, wisst zu wenig voneinander, um euch miteinander groß angefreundet zu haben. Vielleicht werdet ihr euch nie lieben, aber das ist für das Funktionieren einer Ehe auch weit weniger wichtig als die Tatsache, sich gegenseitig zu respektieren und anzuerkennen, was der andere ist und kann. Und um das zu tun, muss man den anderen erst kennenlernen. Was weisst Du über Manius' Interessen? Weisst Du, was er gerne liest, was er gerne tut, wenn er nicht arbeitet? Quäle Dich nicht zu sehr, denn ich werde Dir helfen, einen Weg zu finden, dass ihr beide miteinander auskommt und euch schätzen lernt, denn ich bin euch beiden wahrlich verbunden." Und wie, dachte ich still bei mir und seufzte innerlich darüber, dass ich mir gerade wahrscheinlich selbst überhaupt keinen Gefallen getan hatte. "Komm, setz Dich wieder zu mir, dann wollen wir überlegen, wie wir diese Schlacht angehen." Damit tippte ich einladend auf die Steinbank und den freien Platz neben mir.

  • Hm.
    Was er sagte klang so einfach, so einleuchtend, dass es Antonia schon fast wieder zu einfach war. Dennoch kann sie nicht leugnen, dass Aquilius wohl recht hat. Gracchus kannte Leontia schon lange und war Livia ähnlich. Nichtsdestotrotz flüstert eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf noch immer, dass es auch ihre Schuld sein musste.
    Allerdings beruhigen seine Worte das aufgewühlte Innere der Claudia auch ein Stück weit, überzeugen sie davon, dass wenigstens nicht alles allein ihre Schuld sein muss.


    Aber.. , setzt sie an.
    Erneut kaut sie auf ihrer Unterlippe, während sie langsam wieder zur Bank kommt und sich niederlässt.
    Manius und ich kennen uns doch nun wirklich auch schon einige Zeit.
    Mit ihrem Zeigefinger malt sie imaginäre Linien auf die Sitzfläche der Bank.
    Weißt du, wir haben ja auch bereits einmal darüber gesprochen und wollten unser Verhältnis verbessern.. nunja, was daraus wurde siehst du ja.
    Noch allzu gut erinnert sie sich an jenes Gespräch. Wie ein Unmensch würde er sich in ihrer Nähe vorkommen, hatte er gesagt. Unmensch.. als würde sie ihm je mit so viel Distanziertheit begegnen wie er ihr.
    Und wie soll man sich kennen lernen, wenn man sich meidet wie die Pest? Er erträgt meine Gegenwart nicht und ich ertrage nicht die Seine. Jedesmal wenn ich seine strafenden, vorwurfsvollen Blicke auf mir spüre, würde ich am liebsten den Raum verlassen.

  • Vielleicht sollte ich ein Honorar verlangen. "Du fragst, Onkel Aquilius antwortet" oder etwas in der Art, vielleicht als Kolumne der Acta Diurna oder etwas in der Art. Ich würde als Berater in Eheproblemen und sonstigen kleineren Streitigkeiten reich werden, mir mein Landgut kaufen und als schrulliger alter Herr langsam aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit schwinden, mit einem Haufen hübscher Sklaven und Sklavinnen, die im Nachlass freigelassen würden. Im Augenblick fühlte ich mich jedenfalls ausgesprochen seltsam, als Eheberater zu fungieren, während ich gleichzeitig die Ehe mied wie ein Gesunder einen Aussätzigen zu meiden hatte, um sich nicht anzustecken. Ehefrauen waren so ungleich verlockender, wenn es nicht die eigenen waren. Also ergab ich mich in mein Schicksal und versuchte, meinem Kopf eine passende Lösung herauszuzwingen, die das Dilemma zwischen Gracchus und seiner Gemahlin lösen konnte.


    "Ich würde fast vermuten, dass ihr beide euch gegenseitig meidet, weil ihr nicht wisst, wie man mit dem anderen umgehen soll, und lieber aus dem Weg geht, bevor ihr den anderen verletzt oder selbst etwas falsch macht, das der andere nicht schätzt und mit Ablehnung reagiert," überlegte ich laut und blickte zu ihr. "Ich kann mir kaum vorstellen, dass er Dich vorwurfsvoll anblickt, Antonia, denn wenn ich euch beide miteinander erlebt habe, wirkte er eher überfordert, denn strafend, ein strafender Gracchus benimmt sich gänzlich anders als er, wenn man euch gemeinsam sieht. Ihr seid vielleicht verheiratet, aber ich glaube kaum, dass ihr euch gut kennt - nenne mir doch einmal eins der Bücher, die er gern liest, eins seiner Lieblingsgerichte oder was er gern tut. Ich bin mir sicher, dass Du es nicht weisst, und dass er es nicht wüsste, würde ich ihn nach Dir befragen - weil ihr dasselbe Problem habt und es nicht leicht ist, eine aus Vernunft gegründete Ehe in die Ebene der Freundschaft zu heben. Versuche, etwas über ihn herauszufinden. Sein Leibsklave weiss viel über ihn, vielleicht kann er Dir weiterhelfen. Ich würde Gracchus ein Geschenk machen - oder viele kleine - die beweisen, dass Du Dich mit ihm beschäftigst, und dass er Dir nicht gleichgültig oder widerwärtig ist. Auch Männer fürchten ein solches Urteil von einer Frau, das kannst Du mir glauben. Vor allem Männer, die sich mit dem anderen Geschlecht ein wenig schwertun und allgemein eher distanziert sind."

  • Das Gesagt lässt sich Antonia durch den Kopf gehen, kommt jedoch zu dem Schluss, dass das nicht funktionieren würde. Sie würde sich schlicht seltsam vorkommen, würde sie Gracchus' Leibsklaven über ihn ausfragen, würde sich lächerlich vorkommen, wenn sie ihm etwas schenkte.
    Ich weiß nicht recht..


    Gracchus und überfordert? Das passt für sie so wenig zusammen wie Britannier und gutes Essen. Er, der alles im Griff hat, er, der nie einen Fehler gemacht hatte, sollte mit seinem kleinen Frauchen überfordert sein? Ein eisiges Lächeln zeichnet sich auf ihren Lippen ab, als sie sich etwas Derartiges vorstellt. Sie kommt nicht umhin, bei diesem Bild ein wenig Genugtuung zu verspüren, fühlt sie doch ihr Unglück durch das ihres Gatten ein wenig ausgeglichen. Wenn es denn so wäre, wie sein Vetter sagte.
    Nachdem sie ihr Bewusstsein jedoch wieder ins Hier und Jetzt gezogen hat, weicht das Lächeln einem Stirnrunzeln.
    Aber du hast recht, ich weiß nichts über ihn. Nicht mehr, als vielleicht einer seiner Klienten und selbst der könnte mehr wissen.
    Nun weiß sie zumindest, was sie in den nächsten Tagen und Wochen tun konnte. Etwas, das ihr das sie vom ewigen Herumsitzen, Einkaufen und Grübeln ablenken würde.


    Und nun, sagt sie in fast fröhlichem Tonfall, als wären die letzten paar Minuten nie gewesen, lass uns von etwas Anderem sprechen. Ich werde schon zurechtkommen. Wenn nicht, weiß ich ja wo ich dich finde.
    Sie sieht Aquilius direkt in die Augen und schon schafft sie es nicht, eines ihrer einstudierten Lächeln aufzusetzen, das suggerieren sollte, alles sei in bester Ordnung. Irgendetwas hält ihren Blick gefangen, macht es ihr unmöglich, die übliche Farce zu spielen, die sie für den Rest der Welt spielte.
    Plötzlich steht sie auf, geht einige Schritte und dreht sich schließlich wieder um, eine Hand zum Flavier ausgestreckt.
    Lass uns weitergehen.

  • Ich hoffte wirklich, dass meine Worte ein wenig gefruchtet hatten, aber allzu viele Hoffnungen machte ich mir nicht. Sie war immerhin eine Patrizierin, von hoher Abkunft, mit allen Gaben gesegnet, die sich ein Mensch nur im Leben wünschen konnte, und, was die Sache noch komplizierter gestaltete, sie war eine Frau, und die wenigsten Frauen verziehen es, wenn sie über längere Zeit hinweg uglücklich waren, ohne dass es der Mann, der es bemerken sollte, bemerkte. Ihr fröhliches Lachen, diesen gekünstelten Tonfall, der alles andere bedeutete, als dass nun wieder allesi n Ordnung war, kannte ich nur zu gut von meiner eigenen Mutter, die auf diese Weise versucht hatte, mit den Unzulänglichkeiten meines Vaters zurecht zu kommen, die sie nicht ändern konnte, und wahrlich, es waren reichlich viele gewesen, sodass ich selten geglaubt hatte, sie wirklich lächeln zu sehen.


    "Ich werde Dir gerne helfen, wann immer es nötig sein sollte, Antonia, solange das Licht in meinem Arbeitszimmer oder im cubiculum brennt, bist Du auch willkommen mit Sorgen und Fragen - aber auch mit einem Lächeln, wenn Du denn eines zu mir tragen willst," erwiederte ich leiser nun und blickte ihr in die Augen, diese tiefen, schimmernden Augen, in denen ein Mann sich allzu leicht verlieren konnte. In diesem Augenblick ahnte ich auch, ihr wahres Gesicht zu sehen, fern des Patriziercodex, sich stets zu verbergen, selbst jenen gegenüber, die einem vielleicht nahe standen. Zumindest hoffte ich, dass es nun ihr wahres Gesicht war, denn wissen konnte ich es nicht, konnte ich doch nicht in ihren Kopf blicken. Als sie die Hand zu mir ausstreckte, erhob ich mich und bot ihr wie zuvor den Unterarm, um sie beim Gehen zu stützen, gedachte ihr ein leichtes Lächeln zu und meinte: "Du hast Recht, sprechen wir von etwas, das diesem strahlend hellen Tage angemessener ist. Gibt es etwas, worüber Du Dich unterhalten möchtest? Ich bin zu fast jeder Schandtat bereit."

  • Mit Mühe und Not verdrängt Antonia wieder die unliebsamen Gedanken, macht Platz für ein wenig Freude. Zum Teil ist sie sogar erfolgreich.
    Erneut bei Aquilius untergehakt gedenkt sie nicht, ihn so schnell wieder los zu lassen, auf dass die trübe Grüblerei noch möglichst lange ihrem Bewusstsein fern bleibt.


    Zu fast jeder Schandtat sagst du?
    Ein diabolisches Lächeln erscheint auf ihren Zügen, doch kann sie die Fassade nicht lange aufrecht erhalten und beginnt stattdessen zu kichern.
    Hm, lass mich nachdenken.
    Die Augen halb geschlossen, wendet sie ihre patrizische Nase der Sonne zu.
    Sag, warst du schon einmal in Britannia?
    Umgehend verliert die Sonne das Privileg Antonias Aufmerksamkeit zu erhalten.
    Eine alte Bekannte ist vor einiger Zeit dorthin gereist, weil ihr Mann dort Tribun oder so etwas wurde. Bisher hat sie allerdings noch nicht geschrieben, ob diese ganzen Geschichten wahr sind.. du weißt schon, blaue Menschen, immer Regen, grauenhaftes Essen..
    Sie kann nicht verhehlen, wie amüsant sie es fände, wenn dem so wäre, ist besagte Freundin doch ein recht empfindliches Wesen.
    Ich muss gestehen, ich war bisher nur in Achaia und Hispania. Dabei würde ich so gerne noch mehr vom Imperium sehen. Aegyptus, zum Beispiel. Oder Syria.
    Sollte sie jemals einen Sohn gebären, hatte sie sich vorgenommen, anschließend eine Reise zu machen, als Belohnung, gewissermaßen.
    Ob Germanien wohl auch eine Reise wert wäre? Germanische Sklaven sehen ja schon sehr abenteuerlich aus, das Land muss herrlich sein. Im Sommer.
    Immer mehr dringt ihr Abenteurergeist hervor. Erneut eine Marotte von ihr, wenn auch eine wenig patrizische. Doch die einzige dieser Art, die sie sich gestattet.

  • Gemächlich führte ich sie tiefer in den Garten hinein, nun auf einem sehr schmalen, gekiesten Weg, der uns in Richtung eines kleinen künstlich angelegten Bachs führen würde, in dem es sogar umherschwimmende Fische gab - ein idyllisches Eckchen Garten, in dem man den Lärm von Rom gut vergessen konnte und in dem um diese Zeit sicherlich kein Mensch sein würde, ebensowenig irgendwelche Skalven, denn diese waren im Haus selbst mit der Vorbereitung des Abendessens beschäftigt und natürlich auch damit, sich um die Wünsche der heimkehrenden Bewohner zu kümmern. Ob ich bei diesem Weg Hintergedanken hatte? Aber natürlich, denn ich war gerne mit ihr alleine, und wer wusste schon, wann ich die Gelegenheit wieder haben würde, mit ihr einen Nachmittag zu verbringen, ohne dass uns die Bande der Gesellschaft gewisse Schranken auferlegten.


    "Britannia? Nein, bisher noch nicht, meine Wege haben mich, genau wie Dich, bisher nur nach Hispania und Achaia geführt," erwiederte ich schmunzelnd, wieder eine Gemeinsamkeit, die wir hiermit entdecken konnten. "Aristides wird Dir sicherlich einiges von Germania erzählen können, aber soweit ich weiss, war keiner der in Rom ansässigen Flavier bisher in Britannia - ich habe wie Du auch nur Geschichten gehört. Diese blau angemalten Stammeskrieger aus dem Norden sollen sehr wild und sehr gefährlich sein," führte ich den Gedanken fort. "Wünsche Dir nicht zu sehr, dieses Volk kennenzulernen, ich glaube, sie würden eine schöne Römerin wie Dich nur zu gerne entführen und mit sich verschleppen." Es war ein Scherz, aber ich überlegte mir unwillkürlich, wie es wohl wäre, einer dieser blaugesichtigen Frauenentführer zu sein und sie mit mir zu nehmen - ein Gedanke, der mich schmunzeln ließ, bevor ich den Gedanken schnell verwarf, bevor sie mich noch dabei ertappen konnte.


    "Aber Germanien ... ich besitze einen germanischen Sklaven und ich sage Dir, ein aufsässigeres und halsstarrigeres Volk wie diese Germanen habe ich nie kennengelernt, er ist ein stetiger Unruheherd. Wenn das Land dem Volk auch nur ein wenig entspricht, ist es sicher nichts, was man bereisen sollte, wenn man lebend zurückkehren will." Sanft half ich ihr über eine Wurzel hinweg, arrangierte es so, dass sie für einen Moment meinen Körper berühren musste, und genoss das aufbrandende Prickeln auf meiner Haut, diese vage Duftwolke, die sie stets verlockend umgab ... schnell rettete ich mich in weitere Worte. "Aber sicherlich wäre eine Reise dorthin ausgesprochen abenteuerlich, ebenso nach Aegyptus oder Syria. Solltest Du eines Tages dorthin reisen, lass es mich wissen, vielleicht findet der cultus deorum für mich irgendeinen Botendienst, dass ich ganz offiziell mitreisen kann, das macht vieles für die gesamte Reisegesellschaft leichter."

  • Beim Weg über den Kies verflucht Antonia ein ums andere Mal ihr Schuhwerk, muss sie doch des Öfteren stehen bleiben und ein Steinchen herausschütteln. Andererseits gibt ihr dies Gelegenheit, sich ein wenig näher zu Aquilius zu beugen, wenn sie sich an ihm festhält. Schließlich befindet sie die Schuhe für hervorragend und beschließt am nächsten Tag noch ein weiteres Paar zu kaufen.


    Wild und gefährlich, ja..
    Unversehens gleitet sie ab in einen Tagtraum, voll von blauen, muskulösen Kriegern, wild aussehenden Landschaften, einer unwirklichen Welt.. am Rande dringt 'schöne Römerin entführen' an ihr Ohr, was auch bei der Claudia ein Schmunzeln verursacht. Oder war es mehr ein genießendes Lächeln?
    Oh, um die mache ich mir keine Gedanken.
    Glatt gelogen. Andererseits macht sie sich vermutlich nicht die Art Gedanken, die ihr Begleiter vermuten würde.
    Ich würde ja nur im römischen Gebiet reisen. Obwohl, wer weiß, wie Britannien aussieht, wenn ich endlich einmal Zeit und Muse finde, dorthin zu reisen.


    Seiner Erzählung über Germanien hingegen lauscht sie nun aufmerksam. Einladend klingt das nicht wirklich. Aber aufregend.
    Meinst du?, fragte sie und wiegt den Kopf hin und her.
    Nun gut, dann zumindest keine germanischen Sklaven für mich.
    Grinsend stoppt sie einen Moment, um die Wurzelhürde zu nehmen.
    Erneut lässt die Vorstellung einer Reise mit Aquilius einen kleinen Film vor ihrem inneren Auge ablaufen.
    Erschrocken über sich selbst sucht sie ein neutraleres Objekt im Garten, das sie ansehen kann. In letzter Zeit scheint ihre Phantasie öfter mit ihr durchzugehen, als ihr lieb ist, das musste sie unbedingt wieder unter Kontrolle bringen.
    Das werde ich, verlass dich darauf. Einen besseren Reisebegleiter könnte ich mir nicht vorstellen.
    Merkur vielleicht. Schmunzelnd schüttelt sie über sich selbst den Kopf und setzt ihren Weg fort.

  • "Zumindest Londinium und die Gegend um Aquae Sulis (Bath) oder Inis Witrin (Glastonbury) sollen landschaftlich sehr reizvoll sein, nach allem, was ich bisher über Britannia gelesen habe. Wenn man sich überlegt, dass dieses Volk eine sehr alte Kultur hatte, gegen die sich die unserige erst durchsetzen musste, dürfte es sicherlich sehr interessant sein, auf deren Spuren zu wandeln, so weit es eben möglich ist," führte ich den roten Faden dieser Unterhaltung weiter und gab acht, dass sie nicht zu sehr an diesem unpraktischen Weg scheiterte, dessen Kies auch mir zwischen die cabatinae zu rutschen versuchte. Aber ich kannte den Weg, achtete einfach mehr darauf, langsam zu gehen und die Füße gut anzuheben, damit dies nicht passierte, und konnte relativ unbehelligt voranschreiten. Woran sie wohl denken mochte? Einmal mehr wünschte ich, ich könnte erahnen, was sich in ihrem Kopf ereignete, welche Bilder einer fremden Welt sie sah und was sie daran am meisten ersehnte. Ob sie frivolerweise an die kräftigen Gestalten der barbarischen Kämpfer dachte? Zumindest ich fand diese Vorstellung eines wohlgestalten Männerkörpers durchaus anregend.


    "Du ehrst mich, auch wenn ich glaube, keine halb so angenehme Reisebegleitung zu sein, wie Du es Dir vielleicht vorstellst ... lass uns doch einfach eine Reise ausmalen, Du hast mich jetzt viel zu sehr auf dieses Thema fixiert, als dass ich etwas anderes denken wollte. Was würdest Du in Aegyptus besuchen wollen, würden wir dorthin reisen, hm?" Unsere Schritte führten uns unter den Zweigen einer Weide hindurch, und schon hatten wir einen der breiteren Ausläufer des künstlichen Baches erreicht, über den sich in einiger Entfernung ein schmaler Steg wand, wenn man ihn überschreiten wollte.
    "Ich fände die Pyramiden interessant, aber auch die Tempel von Abu Simbel und Carnak, wenngleich auch der Statthalterpalast in Alexandria und die Reste der Bibliothek sicherlich faszinieren wären. Oder eine Kreuzfahrt auf dem Nil, immer Nilabwärts, bis man zu den Stromschnellen gelangt ... auch wenn das nicht weniger gefährlich wäre als der Norden Britannias."

  • Darauf werde ich dich jetzt festnageln., verkündet sie mit überlegenem Lächeln. Britannien könnte 'interessant' sein, sagst du. Das bedeutet, du kommst dorthin mit. Keine Widerrede, das werde ich auch nicht vergessen.
    Mit ihrer freien Hand beschreibt sie eine Art Reiseroute in die Luft.
    Zuerst quer durch Gallia-
    Die 'gallische Galanterie', von der sie so viel gehört hat, will sie schließlich einmal mit eigenen Augen sehen.
    Dann auf ein Schiff nach Britannia. Sollten wir das überleben, geht es kurz nach Germanien - um uns davon zu überzeugen, dass das Land so schrecklich ist, wie die Menschen, die dort wohnen.
    Die Vorstellung entlockt ihr einmal mehr an diesem Tag ein Schmunzeln.
    Es sei denn du willst lieber nach Hispania, aber mir persönlich ist es dort zu.. hm.. sagen wir, ich finde die Menschen dort sonderbar.
    Ein Schulterzucken fügt hinzu, dass sie diese Abneigung nicht erklären kann.
    Danach sehen wir uns in Syria um und erobern schließlich Aegyptus.
    Mit einem Nicken bekräftigt sie diesen Plan und befindet ihn für gut.


    Warum glaubst du denn, keine angenehme Reisebegleitung zu sein? Wirst du seekrank? Erzählst du schlechte Witze?
    Lächelnd legt sie ihm die eben noch gestikulierende Hand auf den Arm.
    Das kann ich mir nicht vorstellen. Du hast bestimmt einige interessante Geschichten zu erzählen.
    Wohingegen ihr im Moment keine einzige einfällt. Keine, die wirklich geschehen wäre zumindest.
    Aegyptus. Das ist schwierig, in diesem Land gibt es so viele wundersame und faszinierende Dinge, die ich gerne sehen würde. Wahrscheinlich würde ich den Rest meines Lebens damit verbringen, alle Städte und Sehenswürdigkeiten zu bereisen. Die Acta würde schreiben 'Tochter aus dem Hause Claudia nach Besichtigung des zweitausendsten Tempels in der Wüste verschollen.'.
    Wie ein Starreporter hat sie mit beiden Händen eine Art Schlagzeile in den Himmel gemalt.
    Oder 'Tollpatsch in den Nil gefallen und von Krokodilen gefressen worden. Familie möchte anonym bleiben'.
    Lachend hakt sie sich wieder ein und folgt Aquilius durch die Untiefen des flavischen Hortus'.
    Aber wenn ich mich auf die wichtigste Sehenswürdigkeit beschränken sollte, wären das wohl die Sphinx und die Pyramiden.

  • "Festnageln?" wiederholte ich das Wort und musste unwillkürlich lachen. "Ich wusste gar nicht, dass die Frauen aus dem Haus der Claudier sich auch auf handwerkliche Grausamkeiten verstehen - ich hoffe doch, es ist nicht die Form des Nagelns mit Hammer und Nagel, auf Dauer wäre das dann doch ein bisschen zu schmerzhaft." Ihre vorgeschlagene Reiseroute war auf jeden Fall anspruchsvoll und hatte irgendwie so gar nichts mit Gracchus zu tun - aber an Manius wollte ich jetzt nicht denken, jetzt, da gerade die Sonne zurückgekehrt war, Gedanken an ihn überschatteten mir so oft meine Tage, wie es eben immer jene Dinge und Menschen zu tun pflegten, die man nicht bekommen durfte und die einem niemals gehören würden.
    "Hispania muss nicht unbedingt sein, ich bin dort aufgewachsen, und glaube mir, mit der Zeit kann man eine Provinz satt bekommen, wenn die Menschen sich heillos provinziell aufführen, anstatt sich auf ihre Werte als Römer zu besinnen." Und ich hatte wenig Lust, mich an meine Jugend an jeder Ecke des Landes erinnern zu lassen, manche Dinge waren ganz gut, wenn man sie vergaß und sie irgendwo im Dunkel verloren gingen.


    "Ah nun, als Reisebegleitung würde ich Dich wohl in vielem aufhalten. Ich feiere gerne, wenn sich die Gelegenheit bietet, und das Feiern bedeutet, das Leben in allen Dingen zu genießen, sei es im Essen, im Trinken oder in der Leidenschaft ... nach solchen Festlichkeiten braucht man meist den ein oder anderen Tag, um wieder auf die Beine zu kommen, und das ist einer zügigen Reise doch zumeist abträglich," bekannte ich meine Laster und schmunzelte dabei, ahnend, dass sie das nicht zu sehr verabscheuen würde, sie schien mir lebenslustig genug, um meinen Standpunkt zu verstehen. Wie amüsant sie scherzen konnte - das war mir an jenen Abenden, an denen ich sie in Manius' Begleitung gesehen hatte, nicht aufgefallen, aber vielleicht war die Freude am Scherzen für sie auch eher etwas, das sie im privaten Rahmen übte.
    "Zur Not würde ich mir ein Seil um die Tallie binden und Dich an das andere Ende, damit Du in keinem Tempel verloren gehst - bei den Krokodilen musst Du mich dann allerdings herausziehen," gab ich den Scherz zurück und blieb am Ufer des künstlich angelegten Baches stehen, überlegend, ob wir bis zum Steg weitergehen sollten oder ob ich die günstige Gelegenheit nutzen sollte, die sich hier bot.


    Ich entschied mich für zweiteres. "Du entschuldigst?" fragte ich und ließ ihr gar keine Zeit für eine Antwort, sondern nahm sie kurzerhand auf meine Arme hoch, einen Arm unter ihre Knie gelegt, den anderen um ihre Schultern, dass sie sich festhalten konnte, um dann einen großen Schritt über den Bach zu machen, bevor ich sie auf der anderen Seite nach einem genussvollen Moment körperlicher Nähe wieder herunter ließ und sie unschuldig anlächelte. "Beim Nil wird das leider nicht so leicht gehen."

  • Ach, erwidert sie, bemüht möglichst unschuldig auszusehen, Grausam ist es ja nur für den, der festgenagelt wird. Aber wenn du so unkooperativ sein willst, lassen wir eben die Nägel weg.
    Dass die Gens Flavia ihre ganz eigene Geschichte mit Hispania hat, ist Antonia in diesem Moment völlig entfallen gewesen. Lebhaft hat sie noch jenen Tag in Erinnerung, jenen einen Tag, an dem Gracchus wegen Hispania aus seiner Haut gefahren und emotional reagiert hatte. Sie beschließt, dieses Thema zu meiden und legt stattdessen den Kopf schief.
    Na, habe ich gesagt, dass es eine schnelle Reise werden muss?
    Keine Antwort erwartend, spricht sie umgehend weiter.
    Genau genommen finde ich, je länger eine Reise dauert, desto besser ist sie. Wie heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel.
    Besonders wenn der Weg sie immer weiter von Rom, von ihrem Gatten und von allen Problemen fort brachte. Doch diesen Gedanken lässt sie unausgesprochen.


    Du glaubst, ich hätte die Kraft, dich herauszuziehen?, fragt sie lachend. Aber wenn du so viel Vertrauen in mich hast-
    Sie hebt einen Arm und spannt die Muskeln an. Kein wahrhaft beeindruckendes Schauspiel, wie sie selbst schmunzelnd feststellt.
    - werde ich natürlich tun was ich kann.


    Den Mund schon halb geöffnet, um zu fragen, was sie entschuldigen soll, erübrigt sich die Frage. Nur einen kurzen Moment hängt sie in der Luft und doch scheint ihr dieser Moment unendlich lange. Sie kann nicht verhindern, dass ihr Teint leicht rötlich wird. Weniger aus Scham, mehr aus innerlich aufsteigender Hitze. Nur zu deutlich spürt sie Aquilius' Hand auf ihrem Rücken, seine Brust an ihrer Seite, seine Tunika unter ihrer Hand..
    Ich.. äh.. ja.. danke. Äh, nein, beim Nil nicht., beeilt sie sich zu sagen und blickt nach unten, um ihre Tunika glatt zu streichen.

  • Endlich wusste ich, was ich hatte wissen wollen - dass sie auf mich reagierte, und dieses zarte, höchst weibliche Erröten sagte mir mehr, als es jedes Wort hätte tun können. Es war so elegant, sie musste nichts dazu sagen, die Wangen zart gefärbt, und noch lächelte sie, wenngleich sie mich nicht anblickte, und ich war mir ziemlich sicher, dass ihr die Berührung nicht unangenehm gewesen war. Wieso ich mir so sicher war? Die meisten anderen Frauen hätten mir spätestens jetzt entweder Einhalt geboten oder mir schlichtweg eine Ohrfeige verpasst, die noch deutlicher gewesen wäre als jedes Wort. Dafür richtete sie sich ihre Tunika, blickte nicht zu mir und ich bot ihr einfach wieder den Arm, als wäre dies alles nicht geschehen. Es war so verlockend, sie in diesem Augenblick in die Arme zu schließen und mir jene Küsse zu rauben, nach denen es mich immer mehr gelüstete, aber noch hatte ich Geduld, schwer genug fiel es mir indes.


    "Ich würde, wenn ich in den Nil falle, einfach darauf vertrauen, dass Du die Krokodile tüchtig ausschimpfst und sie geknickt das Weite suchen," führte ich unsere Unterhaltung wieder auf die seichten Pfade des Scherzens zurück. "Immerhin bist Du eine Claudierin, mit der ganzen dignitas einer Patrizierin gesegnet. Die Krokodile tun mir heute schon leid, solltest Du wirklich einmal zornig auf sie sein." Der Gedanke war zugegebenermaßen ausgesprochen amüsant, auch wenn ich bezweifelte, dass es mir gegen die Krokodile helfen würde. "Doch fürchte ich, dass diese Form der Reise miteinander leider eine allzu süße Utopie bleiben muss, Claudia Antonia, denn dies wäre wohl ein sehr großes Eingeständnis dem Klatsch der Leute gegenüber. Würde es Dir wirklich gefallen, als meine Geliebte vermutet zu werden? Nicht, dass mir dieser Gedanke allzu sehr missfiele, aber ich glaube doch, dass das Gerede der Leute hier in Rom kein Ende fände." Ich machte eine Kunstpause und blickte sie dann von der Seite an. "Oder aber Du gehst dieses Risiko bewusst in Kauf, um umso leichter sündigen zu können?" Mein Ton war noch immer scherzhaft, aber ein vager Funke Ernst schwebte dann doch darin - ich war einfach zu neugierig.

  • Du hälst mich wohl für eine Xanthippe?, witzelt sie und spielt die Beleidigte. Was ist es? Meine Stimme? Sie klingt furchteinflößend, wie?


    Ihr Gesicht wird allerdings bei der Schilderung der Folgen, respektive des Klatsches, der Reise immer länger.
    Affäre? In Kauf nehmen? Sündigen? Unsicher, ob er nun Scherze macht, oder das Ganze Ernst meint, runzelt Antonia die Stirn. Sie entscheidet sich schließlich für Ersteres und reckt den Hals.
    Also bitte, ich bin eine Claudia, das liegt uns im Blut. Was kümmert mich das Gerede der Leute?
    Allein die Reaktion ihres Mannes würde sie noch interessieren. Wäre es ihm egal, würde sie noch weiter in seiner Gunst sinken, oder würde er einen Tobsuchtsanfall bekommen?
    Weißt du, auf einen mehr oder weniger würde es im Endeffekt auch nicht mehr ankommen.
    Schelmisch grinsend zwinkert sie ihm zu und hofft nur, dass weit und breit kein Sklave mit übermenschlichem Gehör in den Büschen sitzt.


    Aber dummerweise hast du wohl recht. Entweder müssen wir dann also noch jemanden finden, der nichts Besseres zu tun hat, als durchs Imperium zu reisen, oder wir zwingen jemanden.
    Wir könnten einen Aushang am Forum machen: 'Junger Mann zum mitreisen gesucht'. Oder etwas in der Art.

  • Es lag den Claudiern im Blut, Affären zu leben? Der Gedanke gefiel mir irgendwie, auch wenn ich selbst sicherlich kein Claudier war und niemals sein würde, die Flavier hatten dazu schließlich auch das ein oder andere Talent. Auch wenn ich manchmal glaubte, dass jeder in unserer Familie ein klein bisschen verrückt war, oder besser, jeder seine eigene Verrücktheit kultivierte.
    "Meinst Du nicht, dass es noch ein bisschen verwerflicher wäre, statt einem Mann, der nicht Dein Gemahl ist, gleich zwei Männer mitzunehmen? Ich kann mir die Schlagzeilen der Acta auch schon recht gut dazu ausmalen: "Zügellose Claudierin unternimmt Lustreise durch die Provinzen" oder "Flavischer Frauenverführer verdirbt claudische Gemahlin seines Vetters" oder etwas in der Art," nun musste ich auch lachen, solche Schlagzeilen waren zugegebenermaßen für die Acta eher untypisch, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sich damit die Nachrichten über das Imperium ausgezeichnet würden verkaufen lassen.



    "Aber der Gedanke hätte etwas für sich, die Welt mit Dir entdecken zu fahren,"
    plauderte ich gelassen dahin und führte sie zu einem weiteren der üppig bestückten Rosenbeete, die dem Hausherrn der Villa so sehr gefielen. Dunkelrote Rosen, die doch neben Antonias Schönheit zusehends verblassten und mir den Wunsch erweckten, zu erkunden, ob ihre Haut wirklich weicher als diese ganzen Rosenblätter war. "Zumindest müsste ich mir keine Sorgen um irgendwelche Heiraten mehr machen, weil mir die heiratsfähigen jungen Römerinnen die Tür einrennen würden. Sie würden sich sagen: Wenn eine Frau wie Claudia Antonia mit diesem Mann freiwillig ihre Zeit verbringt, kann er so schlecht nicht sein!" Ich verharrte und betrachtete sie genussvoll. Die weiblichen Tugenden schien sie ungleich mehr zu verkörpern als jede andere Patrizierin, die ich bisher kennengelernt habe, hinter ihrer Unschuld lag ein Funke, der mich reizte, der versprach, dass sie einen immer wieder überraschen würde, wenn man sie nur ließe ... ach, hochgeborene Frauen würden noch eines Tages mein Verderben sein, soviel war sicher.

  • Mit Zweien macht es doch viel mehr Spaß.
    Todernst und trocken kommen diese Worte über ihre Lippen, nur ihr Gesichtsausdruck verrät, dass sie davon eigentlich keine Ahnung hat.
    In jedem anderen Fall hätte sie wohl nicht im Traum daran gedacht, etwas Derartiges laut auszusprechen, nicht einmal wenn klar war, dass es nicht Ernst gemeint war. Doch hier, in der Abgeschiedenheit des Gartens, war eben alles ein wenig anders, als wäre es nur ein Traum, von dem ohnehin niemand anders erfahren wird.


    Sie löst sich einen Moment von Aquilius und geht näher auf die Rosen zu. Musste eine andere Sorte sein, als die, die sie zu Beginn angesehen hatte, die Farbe war anders.
    Vielleicht, beginnt sie und dreht sich lächelnd zu Aquilius, Würde es auch schon genügen, würdest du solche Komplimente nicht mir machen, sondern den heiratsfähigen jungen Römerinnen.
    Im Nu hat sie 'ihre' Rose wieder hervorgezaubert und hält sie zum Vergleich neben den Strauch. Faszinierend wie viele Farbfacetten Rot zu haben schien. Andächtig dreht sie die Blüte im Sonnenlicht hin und her.

  • Warum nur wurde ich den Gedanken nicht los, dass sie nur halb so viel von dem wusste, von dem sie sprach? Sicher, ich lachte über ihren Scherz und schüttelte übertrieben den Kopf, als würde ich wirklich ihre Worte in Zweifel ziehen, aber irgend etwas sagte mir, dass die tatsächliche Wahrheit hinter diesen Worten eine ganz andere war. Wie es sich für eine Patrizierin gehörte, war sie sicherlich unberührt in die Ehe gegangen - oder zumindest mit rudimentärem Wissen darüber, wie man einen Mann befriedigte - aber racchus konnte ihr kaum mehr über die körperliche Liebe zwischen Mann und Frau beigebracht haben, als er selbst wusste, und das mochte nicht allzu viel sein, wenn man vom grundlegenden Prinzip absah. Aber vielleicht täuschte ich mich auch nur, vielleicht wünschte ich es mir sogar, dass ihr eine gewisse Erfahrung fehlte, nichts war köstlicher, als eine Frau langsam aber sicher in die Geheimnisse der gegenseitigen Lustbereitung einzuweihen. Und jetzt dachte ich schon wieder an etwas, woran ich gar nicht denken sollte - innerlich seufzte ich, froh darum, einige Übung darin zu haben, meine Gedanken zu verbergen.


    "Vielleicht habe ich noch keine Römerin getroffen, die diese Art der Komplimente mehr verdienen würde als Du, Antonia," erwiederte ich und betrachtete sie mit gewissem Genuss. Sie war wirklich vollendet schön, durch die Perfektion der Rosen war die menschliche, niemals vollkommene Perfektion ihrer Schönheit noch reizvoller, allzu viel Perfektion wirkte oft kalt und unnahbar, aber diese Frau war reizvoll, in ihr war das Leben nur zu deutlich spürbar, der Pulsschlag eines leidenschaftlichen Leibes war für mich fast körperlich. "Vielleicht mag es falsch sein, aber ich habe in meinem Leben oft irgendwelche Fehler gemacht, und die wenigsten bereut. Sage mir, dass es ein Fehler ist, Dir zu sagen, wie schön Du aussiehst, und ich fürchte, ich werde es weiterhin tun."

  • Eigentlich schade., beginnt sie unvermittelt, ihren Blick noch immer auf die Rose in ihrer Hand gerichtet.
    Schon in ein paar Tagen wird sie verblüht sein und nichts von ihrer Schönheit wird übrig sein.
    Fast scheint ihr diese Tatsache wie ein Gleichnis für ihr eigenes Leben zu sein. Nur verblühte sie mehr und mehr, ohne dass jemand es sehen konnte. Eingesperrt in einem Leben, das sie sich völlig anders vorgestellt hatte, gefangen in einer Ehe, die nichts hervorzubringen schien, als Vorwürfe, Scham und Unwohlsein.
    Vielleicht hättest du sie nicht abreissen sollen.
    Ein letzter Blick und die Rose verschwindet wieder in den Falten Antonias Tunika.


    Aquilius' Worte bringen sie schließlich dazu, den Kopf wieder zu heben, wieder den Mann anzusehen, der sie an einem Tag öfter zum Lachen gebracht hat, als ihr Gatte während ihrer ganzen Ehe.
    Es ist kein Fehler, mir das zu sagen., erwidert sie nach einiger Zeit des stummen Anstarrens. Ich würde Lügen, würde ich sagen, es ist nicht schön, das zu hören. Der einzige Fehler ist, es nicht auch zu einer Frau zu sagen, die frei ist.
    Ein Lächeln, ein bitteres Lächeln, begleitet diese Worte. Warum war Gracchus nicht Aquilius? Warum war Aquilius nicht Gracchus? Immer wieder kreist in ihrem Kopf diese Frage.

  • "Sie wird so oder so verblühen, Antonia, das ist der Lauf der Dinge," erwiederte ich und trat langsam an ihre Seite, um die Rosenranken nun ebenso zu betrachten und vielleicht noch einen vagen Hauch ihres Duftes zu erahnen. "Ob ich sie nun heute breche oder ob sie morgen beginnt zu verwelken, ich habe dem natürlichen Prozess nur einige Tage gestohlen - aber sie hat Dich erfreut, und vielleicht ist das eine sinnvollere Existenz, als hier hinten im Garten den Augen so vieler verborgen zu bleiben. Und wenn es Dich zum Lächeln bringen sollte, würde ich alle hier brechen und Dir nachtragen, für einen Moment der Freude, die im Leben ohnehin selten genug sind. Rosen kann man ersetzen, aber die Möglichkeiten, einem anderen Menschen Freude zu schenken, werden Tag für Tag weniger, je länger man lebt." Ja, ich sah es wirklich so, und da war es mir auch gleich, wie lange Flavius Felix wohl an der perfekten Rose gezüchtet haben mochte. Die Freude eines anderen Menschen war mir mehr wert als irgendeine Blüte oder ein sonstiges Ding.


    "Warum sollte ich schweigen, wenn es Dich doch erfreut, was ich sage? Muss ich blind werden, um Dir nicht mehr ein Kompliment zu machen? Du magst vermählt sein, Antonia, aber deswegen bist Du lange nicht aus der Welt, und sicherlich gehörst Du deswegen nicht zu den Menschen, denen man keine Freude machen darf. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, sich freuen zu dürfen, ein wenig Sonne im Leben spüren zu dürfen, und ich fürchte fast, Du hast in der letzten Zeit wenig Sonne gesehen. Wenn ich davon ein wenig zurückgeben kann, so wird es mir sicherlich niemand verdenken, auch nicht Dein Gemahl. Die einzige Person, die mir verbieten darf zu sprechen bist Du, und selbst dann werden meine Augen immer spiegeln, was Du bist und dass ich Dich schätze." Sachte hatte ich ihre Hand ergriffen und drückte sie ermutigend - sie traurig zu sehen gefiel mir nicht, selbst wenn ich selbst vielleicht bedrückt sein mochte, ich hätte es mir nie nehmen lassen, sie zum Lächeln zu bringen.

  • Ein Tag kann viel ausmachen im Leben., gibt sie zu bedenken.
    Der Tag der Geburt, das Tag des Todes, der Tag der Hochzeit.
    An ihren Fingern hat sie begonnen aufzuzählen und hält nun mit einem Lächeln inne. Selbst der heutige Tag. Würdest du ihn missen wollen? Ich keinesfalls.
    Ein letzter gnädiger Blick fällt auf die Rosen, dann wendet sich Antonia gänzlich Aquilius zu.
    Du bist sicher, dass du mit Gracchus verwandt bist?
    Schelmisch lächelnd schlängelt sie sich an ihm vorbei und berührt wie zufällig mit ihrer rechten Seite seine Linke.
    Ihr seid euch so unähnlich. Er ist so.. kühl, zurückhaltend. Und du-
    Sie dreht sich um, sieht in sein freundliches Gesicht und lächelt stumm. Worte scheinen an dieser Stelle ohnehin nicht ausdrücken zu können, was sie sagen will.


    Aber du hast recht. Ich habe in letzter Zeit tatsächlich nur wenig Sonne gesehen.
    Sowohl im wörtlichen, als auch im metaphorischen Sinne trifft dies auf die Claudia zu, hat sie doch den Großteil der letzten Zeit in ihrem Cubiculum verbracht. Umso froher ist sie nun, dass sie mit diesem Verhalten heute gebrochen hat und in den Hortus gegangen ist.
    Aquilius' Hand in der Ihren löst erneut ein wohlig-warmes Gefühl in ihr aus, wie es jede Berührung tut, die die beiden verbindet. Um das Gefühl nicht zu schnell zu verlieren, legt sie ihre freie Hand auf die ihres Begleiters, fast als wolle sie sie dort zwanghaft festhalten.
    Und ich bin dir dankbar, Aquilius. Für alles. Du hast die Sonne heute heller scheinen lassen, als je zuvor.

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