Oikos des Timokrates

  • Timokrates mustert den jungen Attiker noch einmal ausgiebig, bevor er in blumiger Sprache zur Antwort ansetzt:

    "Als ich das erste Mal nach Alexandria gekommen bin, hat mir diese Stadt von Anfang an gefallen. Mir gefällt sie immer noch. Sie ist die schönste und großartigste und bunteste Stadt, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Aber ich habe auch die Kehrseiten gesehen: Die drückende Armut und den Hass zwischen den Völkern. Und ich habe mich gefragt, was der Grund dafür zu sein scheint.


    Dann habe ich die öffentlichen Plätze besucht, die Agora, das Gymnasion, das Theater. Ich habe mit vielen mächtigen, reichen und einflussreichen Männern geredet, mit Großhändlern, Magistraten und Demagogen. Und dort ist mir aufgefallen, wo das Problem dieser Stadt liegt: Alexandria wird seit Jahrzehnten von alten und selbstgefälligen Männern regiert, Männern, die sich einen Dreck um das Volk und die Sitten des Hellenentums scheren, und damit beschäftigt sind auf ihren Landsitzen weitab der Stadt zu sitzen und sich den Bauch vollzuschlagen. Ihre Politik besteht darin, die eigenen Pfründe zu sichern, Intrigen zu spinnen um ihren Reichtum zu vergrößern. Sie arbeiten mit den Rhomäern zusammen, die ebenso dekadent und korrupt sind wie sie. Das Herz der Stadt ist von innen her faul. Und das muss geändert werden.


    Deshalb habe ich beschlossen, in die Politik zu gehen. Diese Stadt braucht einen Führungswechsel, einen neuen Frühling. Die alte und korrupte Elite hat versagt, wir brauchen fähige Männer und vor allem Männer mit Idealen, Männer, die anpacken und diese Stadt zu dem machen wollen, was sie einst war."


    Damit beendet er seine obligatorische und bereits gut eingeübte Rede. Nach einiger Zeit fügt er noch hinzu. "Die Familien, gegen die es vorwiegend geht, scharen sich um die Krateiden, welche die Stadt seit über 50 Jahren fest in ihrer Hand haben. Ein paar der großen Familien, wie das Haus des Aristophanes oder des Leonidas stehen auf meiner Seite."

  • "Ich kann deinen Gedanken nur zu gut folgen.", sagte Nikolaos. "Eine Polis kann nicht ewig von innen faul sein, ohne dass sie einst in sich zusammenfallen wird wie der Brustkorb eines verwesenden Kadavers." Er fuhr sich über das Gesicht. "Kläre mich bitte darüber auf, wie du gedenkst, die Ämter zu verteilen, wer welches Amt übernehmen sollte. Es ist äußerst wichtig, auch auf niederen Positionen fähige Männer sitzen zu haben, denn jeder Teil der Polis muß gut funktionieren, damit das Ganze funktioniert und überleben kann. Es ist wie mit dem Körper des Menschen. Der Kopf ist vielleicht höher angebracht, doch ohne die Füße wäre er gezwungen, da zu bleiben, wo er ist. Und was wären alle Dinge wert, die der Kopf erdenkt, wenn es keine Hände gäbe sie auszuführen?"

  • Aha! Große Forderungen für einen, der gerade erst dem Kindesalter entwachsen ist. Aber Timokrates lässt sich den Gedanken nicht anmerken.


    "Ich hätte eigentlich keine besonderen Forderungen an dich oder so, falls du das meinst. Als Mitglieder des Prytaneions wären wir allesamt Kopf und nicht Hände. Nur zwei Bedingungen schweben mir vor: Einmal das Amt des Eutheniarchen für mich und zum Zweiten absolute Kooperation zwischen unseren beiden Amtssitzen. Wäre das in Ordnung für dich?"

  • Nikolaos fragte sich, welche Forderungen der Kyreniker gemeint haben könnte. Oder hatte er die stilisierte Rede des Atheners missverstanden? Nikolaos war durch das, was er vom politischen Leben in seiner Heimatpolis mitbekommen hatte, viel zu abgeklärt, um das Angebot des Timokrates als unethisch zurückzuweisen, zumal Nikolaos eigene Ethik darin bestand, dass er für gut hieß, was ihm selbst guttat. So kam seine Antwort ohne Zögern und im gewohnt selbstsicheren Ton. "Meinetwegen sollst du die dieses Amt erhalten, und ich werde im Rahmen meiner durchaus sehr bescheidenen Möglichkeiten versuchen dazu beizutragen, dass du es bekommst. Sollte unser Bündnis für das Amt das Strategos oder das des Agoranomos noch einen Kandidaten benötigen, würde ich mich gerne zur Verfügung stellen, wobei ich das des Strategos vorziehe. Dass wir zusammenarbeiten müssen, versteht sich beinahe von selbst."

  • Timokrates grinst.


    "Dann wären wir uns ja einig, oder?"


    Er spuckt sich in die Hand und reicht sie Nikolaos zum Einschlagen, ein, wenn auch nicht gerade appetitlicher, doch aus einem gewissen Aberglauben zwingender Händlerbrauch.

  • Sichtlich erfreut meint Timokrates: "Gut, dann hat sich das ja erledigt!"


    Er nimmt sich noch ein Stückchen Brot und tunkt es wiederum in irgendeine andere Paste, die ihm allerdings nicht so zusagt. "Hast du schon eine Idee, wo du wohnen könntest?"

  • "Das ist in der Tat eine Sache, die ich noch bedenken müsste. Ich wäre sehr froh, wenn ich übergangsweise bei dir wohnen dürfte. Sofern unser Plan bezüglich der Ämterverteilung aufgeht und sobald ich ein Sälar für die Arbeit als Strategos beziehe, gedenke ich, mich irgendwo günstig einzumieten, natürlich in für einen Hellenen respektabler Gegend. Doch selbst wenn ich ersteinmal Geld verdiene, würde die Arbeit und eventuelles Beliebtmachen mich mehr kosten, als diese paar lausigen Drachmen. Mit dir kann ich offen darüber reden: Geld bleibt ein Problem für mich." Er griff zum Brot und beschmierte es mit dem Honig, der ihm so gut gefiel. Er fuhr ernst, jedoch freundlich fort. "Darf ich dich fragen, ob du eine Ahnung hast, wie ich in Alexandria schnell und sicher an Geld kommen kann? Mein Problem ist auch, dass ich kein Kapital habe, um ein Unternehmen aufzubauen. Hättest du eine Idee, wer mir da weiterhelfen könnte?" Natürlich war Nikolaos klar, dass er an einen eventuellen Jemand zwar nicht seine Seele, jedoch sein politisches und gesellschaftliches Handeln verkaufen müsste und diesem jemand immer einen Gefallen schuldig bleiben würde. Doch das schreckte ihn erstaunlich wenig ab. Sollte er einst in eine Sache geraten, die seinen Aufenthalt in Alexandria gefährden könnte, würde er so schnell wie möglich abreisen. Das war sein Vorteil, er war ungebunden. Und das Imperium der Rhomäer war groß, irgendwo würde sich ein Schlupfwinkel für ihn finden. Sollte er von seiten der römischen Ämter eines Tages verfolgt werden, würde er kurzerhand ins "wilde" Parther-Land fliehen. Ihm standen so viele Fluchtwege offen, dass er gar keine Skrupel hatte, sich auf Abenteuer einzulassen. Und er wusste, dass es schwer sein würde, ohne krumme Geschäfte in den Angelegenheiten der Polis mitspielen zu können. Er würde sich auf das Wagnis einlassen und abspringen, wenn es zu gefährlich werden würde.


    edit: rechtschreibung ist schon so eine sache...

  • Sehr übertriegen gastfreundlich meint Timokrates, nachdem er alles genügend in seinem Köpfchen bearbeitet hat: "Natürlich könntest du die erste Zeit bei mir verbringen, wer wäre ich denn, dass ich als Zugereister einem Leidensgenossen mein Dach verwehren würde.


    Was das Geld angeht..." Er zögert kurz. "Ich selbst habe keine Arbeit, aber ich kenne da eintfernt so einige Leute, die vielleicht Arbeit für dich hätten, gute Arbeit, hoch dotiert. Ich werde diese Leute einmal fragen, ich denke, es ließe sich sicherlich ein Gespräch mit ihnen arrangieren." Unschuldig und scheinbar vollkommen ohne jeglichen Zusammenhang mit dem Thema setzt er hinzu: "Bist du ein frommer Mann, Nikolaos?"

  • Sim-Off:

    Entschuldige, habe deinen Beitrag übersehen. *blush*



    "Ich danke dir für deine Großzügigkeit und versichere dir, dass ich mich dir erkenntlich zeigen werde, wenn ich Gelegenheit dazu bekomme." Nikolaos reagierte auf die übertriebene Freundlichkeit seines Gastgebers seinerseits mit ausschweifender Freundlichkeit. "Ich wäre froh, wenn du das für mich tun könntest.", antwortete er auf das Versprechen, das ihm Timokrates da gab. Die plötzliche Frage bezüglich seiner Frömmigkeit, die sein Gegenüber so unbedarft stellte, verwunderte Nikolaos. "Ich bin, wie ich gestehen muss, kein Mann von großer Frömmigkeit. Ich vernachlässige die Verehrung der Götter, seit ich Athen verließ. Doch ich bin mir sicher, dass ich in meiner neuen Heimat wieder Gelegenheit dazu finden werde.", antwortete Nikolaos ruhig, und so, als wäre diese Frage völlig passend zu dem, was Timokrates zuvor gesagt hatte.

  • Timokrates denkt zwar bezüglich der Frömmigkeit nicht in die selbe Richtung, in die Nikolaos dachte, aber er lässt sich das nicht anmerken. Deshalb kommentiert er schwach: "Deine Vorsätze sind löblich." und geht wieder zum ursprünglichem Thema zurück. "Schau mal nach Rhakotis, da gibt es eine gewisse Insula, vielleicht können die dir dort weiterhelfen. Nenne einfach deinen Namen, ich werde dafür sorgen, dass man ihn kennt." Er überlegt kurz und setzt dann nach: "Und lass dich nicht vom Ambiente abschrecken. Wie gesagt, manche Geschäfte in dieser Stadt sind sehr schmutzig und als Politiker muss man auch diese Seite beachten. Man kann in einer so großen und reichen Stadt eben nicht erwarten, dass alles nach Recht und Gesetz verläuft. Ich persönlich denke sogar, es ist für die Stadtpolitik besser, auch in diesen Kreisen ein Standbein zu haben, denn nur so kann man es ein bisschen unter Kontrolle halten und die schlimmsten Ausschreitungen verhindern. Sieh meine Empfehlung also als erste politische Aufgabe, auch wenn wir die Stadtpolitik noch nicht kontrollieren."
    Der letzte Satz klingt so, als hätte Timokrates nicht den geringsten Zweifel daran, dass dieser Anspruch bald Wirklichkeit wird.

  • "Ich bin in bezug auf Gegenden, in denen manche Bürger nie auch nur einen Fuß setzen würden, nicht zimperlich.", sagte Nikolaos, etwas süffisant. "In deiner Behauptung bezüglich der Kontrolle möchte ich dir zustimmen. Man darf nie die Welt nur in Schwarz und Weiß einteilen, niemand ist vollkommen rein in der Seele, und sehr wenige Menschen sind völlig verdorben, und es gibt unendlich viele Schattierungen. Diese Tatsache kann man verfluchen, es ist aber klüger und vielleicht sogar besser, sie anzunehmen und es sich mit ihr einzurichten. Ich werde von dir besagtes Haus bald besuchen. Es kann nie schaden, sich auch mit Menschen in Gegenden bekannt zu machen, die nach außen hin eher abschrecken. Und im Grunde ist mancher sogenannte Verbrecher besser als mancher sogenannter anständiger Bürger. Zumindest schützt ein Verbrecher kein Moralempfinden vor, er ist nicht verlogen wie der Bürger, der den Verbrecher verflucht, sich seinerseits aber viel bösartiger an Menschen vergeht, an seiner Frau, die er schlecht behandelt

    Sim-Off:

    sanfte Unterdrückung ist natürlich für Nikolaos vollkommen in Ordnung... .

    , der die Seelen seiner Kinder zerstört, der jene Menschen, die von ihm abhängig sind, ausnutzt und demütigt." Er kratzte sich am Kinn, das viele kleine Narben aufwies. Nikolaos war etwas eitel und so entfernte er sein Gesichtshaar sogar häufiger als mancher Römer. Er hatte für sich beschlossen, einen prächtigen, männlichen Bart, wie er bei Hellenen häufiger vorkam, erst wachsen zu lassen, wenn er alt war. "Es wäre gut, wenn du mir eine kleine Zeichnung anfertigen könntest, die mir zeigt, wo ich das gewisse Haus finde."

    Sim-Off:

    In der Antwort schreiben: "Timokrates kritzelte etwas in eine Wachstafel" reicht aus, SimOff werde ich den Weg schon finden ;)

  • Timokrates grinst. Trotz der feinen Art gefällt ihm der Junge. "Na dann sind wir ja einer Meinung sozusagen. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich habe zu tun. Such dir einfach beizeiten ein Zimmer aus, hier steht ja sowieso alles leer."


    Timokrates kritzelte etwas in eine Wachstafel. ;)


    "Ach, und hier, der Weg zum fraglichen Haus."


    Dann verlässt er das Zimmer um sich in die Thermen beim Gymnasion zu begeben.


    Sim-Off:

    Hab dir den Link ja schon vorher gegeben

  • Nikolaos nahm die Wachstafel entgegen und lächelte Timokrates freundlich an. "Ich danke dir, Timokrates. Lebe wohl! Wir werden uns bald wiedersehen." Als sein Gastgeber gegangen war, ging er, seinen Lederbeutel schulternd, hinauf in das obere Geschoss und blickte sich in einigen leeren Räumen um. Die Räume, die wahrscheinlich Timokrates als Schlaf- oder private Wohnräume dienten, ließ er unangetastet. Zwar hatte er reges Interesse daran, Hinweise zu finden, wie weit nun Timokrates mit erwähnten "Leuten" zu tun hatte, doch Nikolaos wollte ihn nicht ausspionieren. Wenn Timokrates ihm von einigen Dingen noch nicht erzählt hatte, hatte das seinen Grund. Außerdem empfand Nikolaos sich gegenüber Timokrates in der Schuld. Deshalb wollte er die Gastfreundschaf des Kyrenikens nicht ungebührlich ausnutzen. Ein dritter Faktor war die Stimme seiner Amme, die ihm, wie ein Homunculus im Hirn saß und sich ab und an zu Wort meldete. Du sollst nicht in den Sachen herumwühlen, die deinem großen Brüder gehören! , sagte dieses Weib nun und sah ihn von innen heraus streng an. "Ja, Lydia. Ich weiß.", antworte er. Die Amme lächelte mild und strich ihm übers Haar. Du bist ein guter Junge, Nikolaos. "Geh weg", rief Nikolaos. Dieses innere Weib wurde er anscheinend nie los. Sehr wohl, mein lieber Kleiner. Doch ich werde bald wieder zu dir kommen... . Lydias Geist löste sich wie im Nebel auf. Nikolaos sah sich nach einem Zimmer um, dass ihm gefiel. Er fand einen sehr geräumigen Raum im zweiten Stockwerk, vor dem eine kleine Säulenhalle lag. Von dort aus hatte Nikolaos einen schönen Blick, sowohl auf den kleinen Garten hinter dem Haus, als auch über die Dächer der Stadt. Er legte seinen Lederbeutel unter das Bett und legte sich zu einem kleinen Mittagsschlaf nieder. In seinen Träumen kehrte Lydia nicht zurück, dafür eine andere, ebenfalls für den jungen Mann sehr prägende Frau... .

  • Kurz nach seiner Ankunft in Alexandria hatte er die Geschäfte wieder aufgenommen und als erstes stand ein Besuch bei seinem Klienten, diesem Timokrates Kyrenaikos, an. Er hatte einiges mit diesem zu besprechen, weshalb er sich entschlossen hatte, jenen persönlich aufzusuchen. Die Sänfte erreicht das Anwesen, daß zwar in Größe nicht mit seinem eigenen Haus in Delta mitziehen kann, aber dennoch über eine gewisse Stattlichkeit verfügt.
    Der Ianitor des Hauses öffnet die Tür und erkennt den Patronus und Hausbesitzer, weswegen er ihn sogleich hereinbittet, im Atrium zu warten, während er den Hausherrn ruft.


    Interessiert schaut sich Ioshua um, was für einen Einrichtungsstil der Klient besitzt. Einige Nippesfiguren stehen in den Wandnischen, auf dem Boden befindet sich ein Mosaik, es zeigt Alexander den Großen auf seinem Ross, welches er allerdings schon vorher dort anfertigen hat lassen, ehe sein Klient das Haus übernommen hat.


    Er hat noch etwas Zeit, die Einrichtung zu begutachten, denn die Ankunft des Klienten dauert etwas...

  • ... und wie Ioshua ganz richtig geraten hat, dauert die Ankunft des Klienten wirklich etwas länger, so dass der Tylusier Zeit hat, ausgiebig das Möbilar zu bewundern, bei dem sich übrigens seit dem Einzug von Timokrates überhaupt nichts verändert hat, denn dem Prytanen reicht eine standesgemäße Ausmachung vollkommen aus, aus persönlichem Hab und Gut macht er sich nichts. Und schon gar nicht wird er sich an irgendeinen materiellen Gegenstand binden.


    Mit gespielter Freude eilt Timokrates Ioshua entgegen: "Chaire, Ioshua! Was machen die Geschäfte so? Komm doch rein, willst du eine kleine Erfrischung? Dich hat doch hoffentlich niemand gesehen oder? Du weißt ja, die Nachbarn reden gerne..."

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