Eine durchwachsene Schiffreise lag hinter Serenus, aber laut dem Kapitän würde man in ein oder zwei Tagen endlich Alexandria erreichen. Alle waren gereizt und Serenus Stimmung war auch von Tag zu Tag schlechter geworden.
Die ersten Tage des Reise waren von Neptuns Segen und Serenus und Didos Seekrankheit geprägt gewesen. Neptun schien die Flucht von Serenus nach Ägypten zu unterstützen, denn besser hätte der Wind für den Verband der fünf Handelsschiffe nicht sein können. Allerdings war selbst eine ruhige See nicht jedem Patrizier seine Sache. So waren Serenus und Dido, nebst anderen Mitreisenden, seekrank geworden, wollten nichts essen, behielten das wenige Essen nicht bei sich und kotzten in einer Tour. Apollo sei Dank wurde es in den folgenden Tagen besser.
Dann stellte sich Nero, der Kampfhund von Serenus, als echter Kraftakt heraus. So ein riesiger Hund brauchte Auslauf und das Schiff war nun einmal eindeutig kleiner als der Garten der Villa Flavia. Also mußte ein Dienstplan aufgestellt werden, welcher dem Hund Bewegung verschaffte, indem die Trägersklaven und die Leibwächter den ganzen Tag mit dem Hund vom Bug bis zum Heck und zurück ihre Runden drehten. Der Hund empfand diese Bewegungseinschränkung und das fehlende Stöckchen-Apportieren als sehr unbefriedigend und war dementsprechend schlecht gelaunt. Die Bestie in diesem Hund kam mehr und mehr in der Vordergrund und ließ sich nur mit Mühe von Dido und Serenus kontrollieren.
Dann wurde das Tempo der Schiffe durch einen Gegenwind stark ausgebremst, auch wenn die Mannschaften diverse Manöver einleiteten um dem entgegen zu wirken. Dies verschaffte Serenus mehr Zeit sich mit den anderen Reisenden zu beschäftigen und zu unterhalten. Wenn auch nur um die schreckliche Langeweile an Bord zu bekämpfen. Außerdem verschafften die Mitreisenden eine angenehme Atmosphäre mit der die nächtlichen Alpträume vertrieben wurden, unter denen Serenus seit dem Überfall auf der Strasse nach Ostia litt. Immer wieder sah er das viele Blut und den Sklaven vor sich, welchen er getötet hatte.
Zunächst einmal fiel ihm angenehm auf, daß ihm die ausländischen Mitreisenden den angemessenen patrizischen Respekt entgegen brachten. Ganz anders als in der Villa Flavia, wo er immer nur der Kleinste und Jüngste war.
Die vielen griechischen Gelehrten an Bord, lauter solche Theodoros-Verschnitte, begrüßten es, daß die Patrizier ihre Kinder nach Alexandria, in die Wiege der Bildung und Kultur, entsandten. Es ergaben sich etliche philosophische Gespräche, bei denen Serenus viel zuhörte und auch Fragen stellte, die ihm ausführlich beantwortet wurden. Die Männer gingen viel mehr auf ihn und sein Alter ein. Vielleicht belebte Konkurrenz ja das Geschäft, denn er bekam zahlreiche Hinweise und Empfehlungen, was er unbedingt an Schriften lesen sollte, an wen er sich in Alexandria wenden könne und auf wen er gerne wieder zukommen könne, wenn er einen Hauslehrer suchen würde. Einladungen wurden ausgetauscht. Mitunter mußte man am Anfang auf Latein ausweichen, denn die verschiedenen griechischen Dialekte stellten eine Hürde da, aber zum Ende der Reise hin verstand und sprach Serenus wieder fließend Griechisch und auch sein Rhodos-Akzent und sein Sklave-Hannibal-Akzent wurden wohlwollend akzeptiert, denn fast jeder an Bord sprach einen anderen Dialekt, wenn er sich nicht um ein sauberes und altertümliches Griechisch bemühte.
Die Juden an Bord waren wiederum ein ganz eigene Sorte von Mensch. Das Thema Religion, Götter und Kulte mied man besser bei ihnen. Sie waren sehr unbeherrscht und emotional in diesen Dingen. Und konnten dann stundenlang mit einem diskutieren und versuchten einen vom ihrem Standpunkt zu überzeugen. Das lag vielleicht daran, daß die Römer so viele Götter hatten und sie sich nur an einen Gott klammerten. Und mit der emotionalen Diskussion versuchten sie ihren Mangel zu kompensieren, da sie sich in ihrem Herzen für nur einen Gott schämten.
Auch das Thema Essen war ein schwieriges Feld. Sie waren sehr gastfreundlich, aber sie hatten so viele Gebote und Verbote was sie wann essen durften, daß ein Jude wohl nur einen Juden heiraten durfte, wenn er zu Hause eine permanente Ehekrise vermeiden wollte. Obgleich das exotische Essen aus deren Küche durchaus schmeckte, zumindest wenn man auf See war und immer Hunger hatte. Aber ansonsten waren sie sehr nett, höflich und kinderfreundlich. Serenus und Dido waren gern gesehene Gäste und lauschten ihrer Sing-Sang-Sprache, die man sie auch zugleich etwas lehrte. Die Juden konnten auch tolle Geschichten erzählen. Und jeder schien jeden zu kennen und mit jedem irgendwie verwandt zu sein, da alle Juden aus nur 12 Gentes stammten. So hatte Serenus am Ende der Reise mindestens 60 Namen von Ansprechpartnern und Händlern, wenn er irgendetwas in Alexandria benötigen würde.
Die restliche Zeit an Bord nutzte er um etwas Ägyptisch zu lernen. Lesen, Schreiben, Sprechen. Ägyptisch war neben dem sonderbaren Gekritzel der Juden die vermutlich komplizierteste Sprache der Welt und kannte unglaublich viele Dialekte. Das Schreiben war eher ein Zeichnen von Symbolen. Er hätte die Sprache vermutlich nie angefangen, wenn es an Bord nicht so langweilig gewesen wäre. Hin und wieder ließ er sich von seinem Leibwächtern im waffenlosen Kampf, Dolchkampf und dem Kampf mit dem Gladius unterweisen. Oder übte das flavische Heben der Augenbraue mit einem Handspiegel.
Kurze Aufregung gab es nur einmal als man ein fremdes Segel am Horizont entdeckte und als Piratenschiff identifizierte. Aber zur Enttäuschung von Serenus fuhr es einfach weiter, nachdem es der Größe des Handelschiffverbandes gewahr wurde. Auch das Angeln bot nur kurze Aufregung als er einen Hai am Haken hatte. Aber der biss kurzerhand die Leine durch und verschwand.
Schließlich entdeckte er am nächtlichen Hinmmel dann ein Licht. Laut der Mannschaft sollte es sich dabei um den Leuchtturm von Alexandria handeln und die Reise näherte sich ihrem Ende.