Return of the Red Dragon

  • Die Sänfte ward nicht einmal zur Gänze abgesetzt, als sich auch schon eine schlanke Frauenfessel zwischen den Vorhängen der geliehenen Sänfte hindurchstreckte. Eine rechte Hand folgte, an deren Ringfinger ein goldener Ring mit einem daumennagelgroßen, eingefassten Smaragd funkelte. Eine Sklavenhand half der Claudierin aus der Sänfte, und das strahlende Sonnenlicht ließ ihr rotes Haar so schimmern, dass es aussah, als stünde der holde Kopf in Flammen. Ofella zeigte auf einen Sklaven. "Du - geh und unterrichte meinen Gemahl von meiner Ankunft. Und sag ihm, er soll auch meinen Sohn auftreiben", wies sie ihn an. Der Sklave nickte und eilte der Rothaarigen voraus, die sich noch schnell die Kleidung - ein jagegrünes Gewand und eine elfenbeinfarbene stola - richten ließ und sich dann anschickte, die wenigen Stufen zu erklimmen.


    Die letzten Tage waren wahrhaftig ein Graus gewesen. Immer wieder hatte Ofella hungrig zu Bett gehen müssen, denn sie war das schlichte und karge Essen der mansiones nicht gewohnt. Beleibt war sie jedoch nicht, auch wenn sie durchaus etwas zugelegt hatte, vor allem nach der Geburt des kleinen Lucius, ihres Mausespatzes. Besonders Hintern und Hüfte wiesen doch etwas mehr Speck auf als beim letzten Aufeinandertreffen mit ihrem Gemahl. Aber um den ging es ihr schließlich auch nicht in erster Linie, obwohl es sie natürlich doch interessierte, ob er endlich etwas zustande gebaracht hatte. Ihr waren gerüchte zu Ohren gekommen, er sei wegen des Krieges ausgetreten, der feige Kerl, um sich der Politik zu widmen. Nun ja, wenn er Senator werden würde, dann hatte wenigstens auch Ofella etwas davon.


    Die Tür war inzwischen geöffnet worden und die Hausherrin wurde demütig empfangen. Hoch aufgerichtet betrat sie das Haus. "Heeeerius?" rief sie säuselnd. Sie wusste, dass er das nicht ausstehen konnte. "Heeeeeeerius..... Wo bist duuu? Deine geliebte Gemahlin ist zu Besuch...."

  • Bereits den ganzen Tag hatte Claudius einen Kloß im Hals. So sehr er sich mühte, er konnte ihn nicht wegbekommen. Die Arbeit ging ihm schlecht von der Hand, er war unkonzentriert. Dabei lag bei aller Grübelei kein ersichtlicher Grund für diese Anzeichen körperlichen Unwohlseins vor. Er machte die nicht zufriedenstellenden Fortschritte mit seinem Sohn dafür verantwortlich. Vielleicht mochte auch der in Aussicht gestellte Besuch seiner Gemahlin dazu beitragen, dass er seit vielen Tagen schlecht schlief.


    Er war über die Reisepapiere gebeugt, als ein Sklave klopfte und nach dem üblichen 'Herein', über die Türschwelle trat.


    "Herr, deine Gemahlin lässt nach dir rufen. Sie ist soeben eingetroffen. Den Herrn Brutus wünscht sie ebenfalls zu sehen."


    Der Tag war also gekommen, den sich die Götter zu seiner Bestrafung ausgedacht hatten. Claudius wusste nur nicht, wofür er bestraft wurde, hatte er doch stets seine Pflicht für Rom getan. Augenblicke vergingen, in denen er nichts sagte, sondern nur auf das vor ihm liegende Dokument starrte. Schließlich erhob er sich schwerfällig, denn warten verbesserte die Situation auch nicht.


    "Du gehst meinen Sohn holen." Die Anweisung war so monoton wie kraftlos gesprochen worden. Mehr ließ er sich jedoch nicht anmerken. Die Schultern strafften sich, als er dem Eingangsbereich zuschritt. Bereits von weitem hörte er seinen Namen in der wohl ungeliebtesten Ausführung erklingen. Seine Hand fuhr, während er weiter schritt, über die Stirn.


    "Die Götter mögen mir beistehen und die Dinge zum Guten wenden", murmelte er.


    Nach wenigen Schritten hatte er sein Ziel erreicht. Sein zugleich ausdrucksloses wie regloses Gesicht war Ofella zugewandt, als er zu ihr trat.


    "Salve, Ofella. Ich hoffe, du hast eine angenehme Reise gehabt", begrüßte er sie steif. Es war ihm unmöglich, sie in den Arm zu nehmen. Er musste zunächst das Terrain sondieren. Musste in Erfahrung bringen, welche Absichten sie hegte, wie sie beabsichtigte, ihm entgegenzutreten, was sie speziell von ihm wollte. Er blieb vorerst reserviert.

  • In diesem Moment wurde Lucius an der Hand seines großen Sklaven herbei geführt. Er hatte schon befürchtet wieder eine Strafe auferlegt zu bekommen und hatte daher schon vorsorglich versucht Tränen in die Augen zu pressen, was nicht so recht zu gelingen schien. Als er jedoch die vertraute Person sah, verschwand der trübe Blick, wich einem glücklichen Lächeln.
    Sofort riss er sich von dem Griff des Sklaven und eilte seiner heißgeliebten Mutter entgegen, dabei fing er gleich an zu heulen.


    "Maaaaaaaaaaaaaaaama!"


    Überschwänglich umklammerte er ihre Beine.


    "Nimm mich mit! Lass mich nicht mehr alleine! Bring mich weg von hier!"

  • Ofella hatte gerade ein weiteres, zuckersüßes und hohes Heeeerius rufen wollen, da kam das Objekt ihrer Beg... nun ja, nicht ganz, aber er kam um die Ecke. Die Rothaarige hob die Brauen und senkte das Kinn ein wenig gen Brustbein, was ihr ein tadelndes Aussehen verschaffte. So musterte sie, wie ihr Gatte näher kam. Man sah ihm deutlich an, dass dieser Militärkram nichts für ihn gewesen war. Tief in den Augen liegende Höhlen, ein ausgemergeltes Gesicht, ein schlaffes Auftreten - er schlich ja förmlich!), graue Haut und schütteres Haar. Und nun widmete er sich der Politik. Pah, da würde vermutlich zu allem noch eine zentimeterdicke Trägheits-Staubschicht hinzukommen!


    Ihr Gemahl begrüßte sie wie jedes Mal nach der Geburt des Jungen: platt, lieblos und stumpf(sinnig). Ofella rümpfte die Nase. "Ach. Da bist du ja", entgegnete sie schlicht, als hätte sie Äonen warten müssen, bis Vesuvianus erschienen war. Da aber sie selbst keinesfalls ein solch freudloser Mensch wie ihr Gemahl war, hob sie für einen Sekundenbruchteil den linken Mundwinkel um eine Winzigkeit an, die Wimpern klimperten einige Male entzückt - und dann machte sie einen Schritt auf ihn zu, schloss die Augen und spitzte die gefärbten Lippen zu einem feuchten Schnäbelchen, auf dass er sie auch richtig begrüßen würde.


    Die Götter indes schienen sein Flehen erhört zu haben, denn noch ehe er dieser offensichtlichen Aufforderung nachkommen konnte, gewahrte Ofella ein ihr nur allzu vertrautes Kreischen: Lucius war im Anmarsch. Augenblicklich wandte sich Ofella der Geräuschquelle zu, da hatte der Junge seine Mutter auch schon erreicht und klammerte sich wie ein Äffchen an ihre Beine. Ofellas Muttergefühle waren mit einem Schlag aktiviert, ihre Stimme war nun honigsüß, liebevoll und voller Verständnis. "Lucius! Mein kleiner Mausespatz, mein Sonnenschein...", rief Ofella aus und beugte sich herab, um sich den Fünfjährigen schlicht vom bein zu pflücken und zu herzen. Ofella drückte ihren Sohn, bedeckte sein verweintes Gesicht mit Küssen und hachte und seufzte. Dabei waren sie und ihr Sohn gerade erst etwas mehr als drei Wochen voneinander getrennt. "Mein kleiner Liebling, Mami ist so froh, dass sie wieder bei dir sein kann!" An ihren herumstehenden Gemahl dachte Ofella gar nicht mehr. Erst, als sie ob der Worte des Jungen stutzte, wandte sie sich mit dem durchdringenden Blick einer Raubkatze kurz vor dem Ansturm auf ihre Beute Vesuvianus zu, den sie ansah, ehe sie wieder mit Lucius sprach. "Aber warum denn, mein Spatz?" fragte sie ihn verdattert.

  • Lucius, der die Liebkosung nur zu gerne genoss, da er doch sehr anhänglich gegenüber seiner Mutter war, presste nun beleidigt die Lippen und blickte mit zusammen gekniffenen Augen seine Mutter an.


    "Du musst wissen, Mama..."


    Der kleine Kopf drehte sich langsam, um dieser Bewegung eine ganz eigene Bedeutung zukommen zu lassen, in die Richtung seines Vaters. Die Kleine Hand löste sich von dem Hals der Mutter und wies mit ausgestrecktem Zeigefinger nun ganz deutlich auf den Übeltäter.


    "Er da..."


    Und um dieser Szene nochmal etwas Besonderes einzuverleiben, atmete Lucius tief durch und zog die Mundwinkel merklich nach unten.


    "War ganz gemein zu mir, er hat mich angeschrien. Und weißt du was? Ich musste bei den Sklaven schlafen! Dort war es ganz kalt, ich hatte soooo viel Angst, da dort auch komische kleine Tiere waren. Dort hat es auch gestunken, huuuui, da konnte ja selbst nichtmal ich einschlafen."


    Nun war Opa Myrtilus nicht mehr alleine da, um ihn zu beschützen, nun stand es zwei gegen einen. Lucius war sich sicher, dass mit doppelter Leibwache dieser Unhold zur Strecke gebracht werden konnte. Opa Myrtilus schien Hemmungen zu haben, vielleicht sogar Angst, aber nun war Mama da und wenn sie sich verbünden würden, ja, dann wären sie stark genug, um diesen Herius zu verdrängen.
    Nachdem dieser Gedanke zu ende gesponnen ward, drehte er sich wieder ruckartig in den Armen seiner Mutter.


    "Pass auf, Mama, er ist böse und könnte dich auch zu den Sklaven schicken, wir müssen hier weg, schnell. Aber Opa Myrtilus dürfen wir auch nicht vergessen, am besten wir schicken Sklaven, um ihn zu holen, denn wenn er es nicht schafft, so sind wenigstens wir in Sicherheit."

  • Ofella klimperte geduldig mit den Wimpern, ihren kleinen Sonnenstrahl dabei glücklich und mit mütterlichem Stolz musternd. Sie hatte sich Lucius seitlich auf die Hüfte gesetzt, denn das war bequem und so ließ er sich besser oben halten als nur mittels der Arme. Ofella fand, dass er doch tatsächlich ein Stück gewachsen war in den drei Wochen, die sie sich nicht gesehen hatten. Und war nicht sein Haar auch etwas dunkler als noch in Baiae? Hm... In diese mütterlichen Überlegungen hinein offenbarte Ofellas Sohn ihr gar greueliche Dinge. Wie es sich für eine anständig schockierte Patrizierin und Mutter gehörte, riss die Rothaarige entsetzt die Augen auf und sah ebenso prüfend wie vernichtend zu ihrem Gemahl. Der Junge war gerade bei "Angst" angelangt, da schenkte Ofella ihm wieder ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit. "DAS hat er gemacht? Aber du warst doch gewiss so artig und brav, wie ich es mir von dir gewünscht hab, ehe du mit Opa Galeo fort gefahren bist?" fragte sie ihn verständnisvoll. Vesuvianus war vorerst (nach einem dämonisch anmutenden Blick, der besagte, dass ein solch sinnloses Machtverhalten seinerseits ganz sicher noch ein Nachspiel haben würde) Luft.


    Lucius drehte sich wieder der Mutter zu, und diese presste ihn an sich wie ein kostbares Schmuckstück, eine Hand um seine Hüfte gelegt und mit der anderen seinen Rücken an sich drückend. Der Ratschlag des Kleinen förderte ein gütiges Gesicht zu Tage, welches Ofella wenn überhaupt nur gegenüber ihrem Sohn oder an sehr, sehr guten Tagen zeigte. Sie schürzte die Lippen und zog die Brauen innerlich berührt zusammen. "Hach mein Spatz! Mach dir keine Sorgen, ich bin ja jetzt hier und passe auf dich auf. Kennst du noch die Geschichte von Kaiser Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus, die ich dir manchmal erzähle?" fragte Ofella. "Wenn du einmal genauso berühmt und angesehen werden möchtest wie Kaiser Claudius, dann musst du einen Lehrer bekommen, der dich hier in Rom unterrichtet und dir alles zeigt, was wichtig ist. Die Lehrer in Baiae sind allesamt dumm, und dort gibt es auch nicht so wundervolle Bauwerke wie hier. Hat dein Vater dir den Kaiserpalast gezeigt?"


    Kurz glitt der Blick zu Herius, doch schon einen Moment später sah Ofella wieder ins engelsgleiche Gesicht ihres geliebten Sohnes. Ihre Stimme war beinahe immer sanft und weich, während sie mit ihm sprach. "Mami wird dich nicht so schnell wieder allein lassen, mein Sonnenschein. Ich bleibe jetzt erstmal hier!" legte sie entschlossen fest, lächelte und nickte einmal bekräftigend. Armer Vesuvianus.

  • Zunächst sah es nach einem Friedensangebot aus, als der rot bemalte Mund auf Claudius zusteuerte, und obwohl er diese Farbanhäufung auf den Tod nicht leiden mochte, wäre er darauf eingegangen… Doch dann kam alles anders: Sein Sohn platzte in die Situation.


    Dem nun folgenden Beschwerdekatalog wohnte er schweigend bei, er sah sich nicht genötigt, dem Jungen das Wort zu verbieten. Ofellas Reaktionen jedoch betrachtete er mit besonderer Aufmerksamkeit. Bald schon wandelten sich seine Augen zu Schlitzen, sein Inneres nahm eine Abwehrhaltung ein. Er versteifte sich, wurde hart, engstirnig, unnachgiebig. Zudem kam er sich überflüssig vor.


    "Seid ihr nun fertig mit dem Austausch an Neuigkeiten?", fragte er unbewegt, als eine winzige Pause entstanden war. "Ich habe nicht vor, längere Zeit im Vestibulum zu verweilen."


    Damit drehte er sich um und schritt auf das Atrium zu. Es interessierte ihn nur bedingt, ob seine Familie ihm folgen würde.

  • Ofellas Gatte schien nicht sonderlich vom wahrheitsgemäßen Bericht seines Sohnes an sie begeistert zu sein. Aber das wäre Ofella an seiner Stelle auch nicht gewesen, wenn sie Lucius so derb behandelt hätte wie er. Die Wahrheit kam eben immer ans Licht, dachte sie grimmig. Nun, jedenfalls wandte sich Vesuvianus ohne eine weitere Erklärung einfach ab - Ofella hasste ein solches Benehmen - und vertraute scheinbar darauf, dass die beiden ihm aus dem atrium folgen würden. Nach einem kleinen Augenblick, den Ofella brauchte, um sich über dieses egoistische Verhalten zu ärgern, folgte sie ihm mit Brutus auf dem Arm.


    Dem Jungen schien plötzlich etwas einzufallen, und er bat seine Mutter, ihn herunterzulassen, damit er etwas holen konnte. Ofella kam diesem Wunsch augenblicklich nach und folgte dem Jungen mit den Augen, bis er dem atrium rennend entschwunden war. Ein Lächeln umspielte den sonst so strengen Mund. Vermutlich hatte er ihr etwas gebastelt oder ein Bild in eines tabula gekratzt, sie würde es ja gleich sehen. Vorerst aber folgte sie ihrem Ehemann ins tablinium und blieb dort stehen, um die Einrichtung kritisch zu mustern. Mit Kennermiene schüttelte sie den Kopf ob der dunkelroten Vorhänge. "Ach wie schrecklich, nein nein, das geht so gar nicht! Ein solch dunkles Rot im Sommer, nein wie furchtbar. Herius, man könnte meinen, du ließest germanische Sklaven dein Haus einrichten." Unverständlich schüttelte sie den Kopf und suchte den Blick ihres Gemahls. "Was genau hast du dir eigentlich dabei gedacht, den kleinen so hart zu strafen? Ihn im Sklavanstall nächtigen zu lassen... Wie grauenvoll! Wie soll er sich denn so je an den Gedanken gewöhnen, dass du sein Vater bist? Ich will gar nicht wissen, was hier sonst noch vorgefallen ist. Meine Güte, wie konntest du nur?" Fassungslos schüttelte Ofella den roten Lockenkopf und ließ sich in einen Sessel plumpsen.



    Sim-Off:

    Lucius, ich hoffe, das war in Ordnung mit dem Rausschreiben? :)

  • Er musste gar nichts sagen, Ofella kam ohnehin hinterher. Seufzend ließ er sich nieder und strich sich einige Male über die Stirn, als sie munter draufzu plapperte.


    "Um ehrlich zu sein, ist es mir vollkommen egal, welche Farbe die Vorhänge haben. Sie erfüllen ihren Zweck, darauf kommt es an", erwiderte er schließlich. "Und was die Erziehung meines Jungen betrifft, muss ich dir weder Rede und Antwort stehen noch steht es dir zu, mich zu kritisieren."
    Damit war der Punkt für ihn abgehakt.


    Um die Begrüßung etwas netter als bisher erfolgt zu gestalten, immerhin hatten sie sich ja geraume Zeit nicht gesehen, erhob er sich wieder, trat zunächst vor das Fenster und wandte sich dann seinem Eheweib zu.


    "Nur für den Fall, dass du Interesse hast … ich habe ein Geschenk für dich besorgen lassen", warf er die Information als Bröckchen hin.
    So sehr ihn Ofella teilweise auch nervte, sie war in gewisser Weise für ihn auch eine Herausforderung. Er wollte nie ein Lämmchen zu Frau haben, eine, die alles abnickte. Energische Frauen hatten etwas Erotisches, sie versprachen weniger langweilig im Bett zu sein. Sie wurden nie zu einer Ersatzmutter, sie blieben Geliebte. Die Frage war nur, ob sich dieses Potential über die Jahre bei Ofella gehalten hatte. Forschend betrachtete er die Konturen seines Weibes.

  • Ofella schürzte die Lippen und schüttelte mürrisch den Kopf. "Das ist mal wieder typisch für dich, Herius. Was sollen denn Gäste denken, wenn du sie ins tablinium lädst und sie diese Vorhänge sehen? Mag ja sein, dass dir lediglich die einwandfreie Funktionalität wichtig ist, aber da ich nun eine Weile hier wohnen werde, wirst du mir gestatten müssen, dieses Haus zumindest ein wenig wohnlicher zu gestalten." Ofellas Augenbrauen hatten sich ärgerlich zusammengezogen, denn sie ärgerte sich über das Desinteresse und die abweisende Haltung ihres Gatten. Da sie aber seltenst einfach nachgab, ließ sie seine Abweisung wegen der Erziehungsmaßnahme nicht einfach im Raum stehen, sondern antwortete ihm, den Kopf schüttelnd. "Hörst du dich eigentlich selbst reden? Ich bin gerade angekommen, muss hören, dass du unseren geliebten Sohn wie einen gewöhnlichen Straßenjungen behandelst, wofür du nicht einmal eine Erklärung des Grundes wegen abgibst und erwartest nun, dass ich das einfach so hinnehme? Du warst nie ein Mann, der Kinder gemocht hat, Herius. Du hast keine Ahnung, wie man einen Jungen wie Lucius behandeln sollte. Maße dir also nicht an, mich, seine Mutter, abspeisen zu können wie eine willenlose Sklavin!" Ofella stand inzwischen wieder, fuchtelte entrüstet mit den Armen und atmete schwer. Ein unterschwelliges Pfeifen begleitete das Atmen, was ihr sichtlich schwerer fiel als eben noch. Sie starrte auf Vesuvianus' Rücken, denn er stand inzwischen am Fenster und sah hinaus. Zarah eilte herbei und begann, mit einem federngesetzten Fächer Luft zu fächeln, nachdem sie Ofella ein Glas Wasser gereicht hatte. Die Claudia trank hastig und stellte das Glas fort, als sie den Blick ihres Mannes auf sich spürte. Ofella betrachtete ihn nun ebenfalls.


    Sie war nicht einmal eine halbe Stunde anwesend, und schon stritten sie sich. Das hatte sie nicht beabsichtigt, konnte es aber auch nicht verhindern. Ofella war noch nie eine Frau gewesen, die ruhig blieb und im Stillen Ränke schmiedete, sie war jemand, der stets an vorderster Front kämpfte und seltenst die Klappe hielt, schon gar nicht, wenn man dies von ihr erwartete oder ihr gar befahl. Immerhin, so sagte sie sich, war sie keine Sklavin, der man einfach so den Mund verbot. Wie ihr Gatte nun allerdings so da vor dem Fenster stand, beruhigte sich das aufgescheuchte Gemüt wieder etwas, und Ofella nahm sich vor, vorerst nicht weiter zu streiten - es sei denn, er legte es wirklich darauf an!


    Deswegen gab sie sich nun leicht ermattet, was sie eigentlich auch war, und überwand die kurze Distanz zum Fenster, vor dem ja immer noch Vesuvianus stand. Auf das Geschenk ging sie erstmal nicht ein. "Herius, warum beginnen unsere Zusammentreffen meist so, wie sie enden? Fast könnte man meinen, wir passen nicht zusammen..." Ofella seufzte und überwand auch noch den letzten Meter zwischen sich und ihm, legte beide Hände auf seine Brust und sah ihn abwartend an. Vesuvianus war nur etwas großer als sie selbst, weswegen sie kaum aufschauen musste. Geschenk, Geschenk...gut, Geschenke interessierten sie natürlich immer. Ofella seufzte und zwang sich, nicht danach zu fragen. Wenn er ihr etwas schenken wollte, konnte er das auch ohne Nachfrage ihrerseits tun, und bis dahin würde sie, im Inneren ungeduldig, warten.

  • Claudius hatte nichts dagegen einzuwenden, wenn sich seine Gattin mit der Dekoration der Innenräume befasste. Immerhin galt die These, dass Einkäufe Frauen zufriedener machten.


    "Ich kenne mich zwar nicht mit den Preisen aus, aber 5.000 Sesterzen sollten für die Vorhänge im Tablinum reichen. Fangen wir mal damit an." Hätte er gewusst, wie weit er mit der Summe daneben lag, würde er sich vermutlich schwarz ärgern. So aber genoss er das Gefühl, auch einmal nachgegeben zu haben, denn bereits beim nächsten Punkt wollte er das keineswegs.


    "Ofella, in die Erziehung meines Sohnes lasse ich mir von niemandem reinreden. Auch nicht von dir. Wenn er bislang nicht gelernt hat, den Unterschied zwischen einem Sklaven und einem Patrizier zu erkennen, muss er nicht nur diese Unterscheidung selbst erleben, sondern die Auswirkungen seiner unüberlegten Wortwahl am eigen Leibe spüren. Ich denke, diese Lektion wird dann sitzen. Und ich weiß, dass du nicht willenlos bist, das musst du nicht betonen, aber, meine Liebe, ich besitze auch einen beachtlichen Willen."


    Claudius schmunzelte. Er hatte sich mit der unerwarteten Ankunft seiner Gattin innerlich abgefunden, die Distanz des langen Getrenntseins schwand, er bekam wieder Fahrwasser. Sie machte es ihm zudem in diesem Augenblick leicht, sich zu entspannen, denn sie kam auf ihn zu - nicht nur räumlich, sondern vor allem innerlich. In Momenten wie diesem keimte dann in ihm Hoffnung auf, sein Weib könne sich einmal wieder von ihrer weiblich anschmiegsamen Seite zeigen, wie sie es früher mitunter getan hatte. Er merkte, dass sich seine Schutzrüstung, die sich fest um sein Inneres gelegt hatte, lockerte. Zumeist stellte sich jedoch heraus, dass die Annahme dieses Wesens einen Grund hatte, was ihn nicht regelrecht abschreckte, aber vorsichtig werden ließ. Heute jedoch schob er diese Vorsicht fort, weil sie eine durchaus berechtigte Frage stellte, die indirekt ein Bedauern enthielt. Zumindest hörte er eines heraus.


    "Glaubst du, dass Menschen umso besser zusammenpassen je weniger sie streiten? Liegt es bei uns nicht oft daran, weil sich niemand findet, der wortlos akzeptiert oder als erster zurücktreten möchte?"


    Er spürte ihre Hände auf seiner Brust, die einerseits den Wunsch nach Nähe ausdrückten, aber andererseits durch ihre Haltung eine direkte Anlehnung verhinderten. Aber sie hatte den ersten Schritt gemacht, es lag an ihm, den zweiten zu tun. Er legte seine Hände auf ihre Schultern und betrachtete sie für mehrere Liedschläge. Ofellas Äußeres war noch immer apart, vornehmlich dann, wenn ihre Züge weich waren. Er strich mit der Außenseite seiner Finger über ihre Wange.


    "Das Klima in Griechenland hat dir gut getan, du siehst blendend aus", sagte er mit gedämpfter Stimme. Er zögerte, wollte zunächst ihre Reaktion ergründen, bevor er sie in die Arme zog. Ofella war nicht immer berechenbar, er konnte sie fast nie richtig einschätzen.

  • Als ihr Gemahl ihr die Summe nannte, von welcher sie die Vorhänge auf den neuesten modischen Stand bringen sollte, musste Ofella es vermeiden, allzu große Augen zu machen. Von dieser Summe würde sie nicht nur die Vorhänge ersetzen, sondern auch sämtliche Liegen neu polstern lassen, das atrium komplett verschönern und ihr eigenes cubiculum, nun, wohnlicher einrichten können. Der Glanz in Ofellas Augen und die Freude waren echt, wenngleich sie auch nicht allzu lange währten, da Vesuvianus sie erneut an Lucius' bestrafung erinnerte. Ofella sagte nichts weiter dazu, musste aber insgeheim doch schon irgendwie zugeben, dass er Recht hatte, was den Unterschied zwischen Patrizier und Sklave anbelangte. Zugegeben hätte sie das jedoch niemals, nicht einmal unter Folter. Stattdessen sog sie nur die Luft ein, hielt sie einen Moment an und stieß sie dann in einem langen Seufzer wieder aus und fragte sich, warum ihr Gatte schmunzelte. Fand er es etwa derart witzig, sie vor den Kopf zu stoßen. Ofella konnte nicht anders und musste nun doch etwas erwidern, einfach schweigend aufzugeben lag ihr einfach nicht. "Ohne diesen Willen hättest du meinen Vater vermutlich auch nie überzeugen können", sagte sie trocken, schmunzelte aber bereits selbst wieder.


    Dass er sich nicht abwandte und Ofella stehe ließ, beeindruckte sie, hatte die Claudierin doch angenommen, dass ihr Ehemann kein Interesse mehr an ihr hegte, weder auf kommunikative noch freundschaftliche oder gar erotische Art. Ohne es zu wissen, hatte Vesuvianus sein Eheweib mit zwei einfachen Gesten sprachlos gemacht. Nun, zumindest für einen Moment, doch Ofella war, wie bereits erwähnt, nicht auf den Mund gefallen, und so fand sie selbst in dieser Situation recht schnell ihre Sprache wieder. "Du bist Soldat, mein Lieber, und auch ich war noch nie jemand, der sich kampflos geschlagen gibt. Für unsere Ehe mag das einen steinigen Weg bedeuten, aber wenn Lucius etwas von dieser Dickköpfigkeit geerbt hat, wird es ihm mit der Zeit vieles erleichtern", erwiderte sie eine Spur leiser. Die goldenen, mit winzigen Rubinchen besetzten Creolen klimperten leise, als sie den Kopf in den Nacken legte und ihrem Mann einen flüchtigen Kuss auf die Wange hauchte. "Nun..schön dich zu sehen, Herius", sagte Ofella und schmunzelte, als er ihr ein Kompliment machte. "Es freut mich, dass ich dir gefalle, wie es mich erfreut, die Familie nach langer Zeit einmal vereint zu sehen, auch wenn mein medicus durchaus anderer Meinung ist, was diese Reise und den Aufenthalt hier anbelangt", gab Ofella zu und ließ von Vesuvianus ab, um sich um ein Viertel nach links zu drehen und aus dem Fenster zu schauen, welches in den Garten wies.

  • Die Mutter hatte nicht gerade Unrecht mit ihrer Ahnung, doch zutreffend war sie doch nicht ganz. Lucius hatte von Opa Galeo gehört, dem selbsternannten Frauenkenner schlechthin, dass frisch gepflückte Blumen ein Frauenherz sehr erfreuen können. Da Lucius mit ansehen musste, wie eine böse Krankheit seine Mutter damals an das Bett fesselte, hatte er die Ansicht sie wäre seit jenen Wochen etwas trauriger geworden.
    So ließ er sich von dem unwissenden Sklaven, dem die Aufgabe oblag sich um den Garten zu kümmern, einige Tage zuvor in die Flora und Fauna der claudischen Gärten einführen, suchte sich aber insgeheim schon die größten und farbenvollsten Blümchen heraus. Wenn der Sklave wüsste, dass Klein-Lucius diesen Rundgang für ganz andere Zwecke, als zur bloßer Beobachtung in Anspruch nahm, hätte er sich ihm als Führer verweigert. Und Lucius nutzte die Chance, da der Gärtner zu dieser Zeit immer sein Päuschen pflegte, das hatten ihm wiederum andere Sklaven zugeflüstert, um sich an der Gartenpracht zu vergreifen. Da er keinen Sklaven so gut kannte, um mit ihm eine Garten-Verschwörung planen zu können, musste er alles alleine machen.
    So sprang er der Mama aus den Armen und lief kurzerhand zum Garten, um dort durch die Beete und ordentlich geschnittenen Gräser und abgesteckten Gärten zu laufen und die tollsten und schänste Blumen zu pflücken. Das Pflücken sah jedoch nicht gerade nach dem aus, was dies Wort eigentlich im Kopfe zeichnet, denn falls man sich einen kleinen Jungen vorstellte, der sachte, mit viel Gefühl und Vorsicht die Blümchen pflückte, hatte weit gefehlt. Lucius war der Junge, der das Pflücken gerne zu einem tollen Spiel ausarten ließ, so trampelte er auf seinem Weg der Zerstörung zahllose Rosen, Tulpen und weitere schön aussehende Blumen nieder, denn Umwege gab es für ihn nicht. Wenn er etwas sah, so lief er direkt daraus zu, ob da nun eine Blume, ein Busch oder ein kleiner Teich im Wege stand, war ihm ziemlich egal. Dementsprechend sah er auch aus, als in seiner kleinen Hand ein etwas größerer Strauss angewachsen war.
    Stolz lief er zurück, selbstverständlich eine ordentliche Schlammspur hinterlassen, um es zu präsentieren.


    "Schau, schau, sehen die nicht toll aus?!"


    Dass Mama so nahe an dem bösen Mann stand, irritierte ihn da schon ein wenig, so dass er sich gleich an die Hand packte und mit sich ziehen wollte.


    "Dort, im Garten, da gibt es mehr davon! Die stehen da einfach so rum und keiner will sie haben, schau."


    Dabei wedelte er mit dem Sträusschen hin und her, verlor ein paar Blumen, die ihn jedoch nicht interessierten. Schließlich gab es dort im Garten genug davon, zumindest hatte er ein paar stehen gelassen zur Sicherheit.

  • Die Bemerkung, ihr Vater hätte vornehmlich wegen seines starken Willens der Ehe zugestimmt, kratzte Claudius an der Ehre. Einem Claudier standen Tür und Tor offen, gleichgültig wohin er sich wandte.


    "Nanana, das war jetzt nicht nur ungeschickt, sondern auch fast schon eine Selbstverstümmelung. Vergiss nicht, dass du auch den Namen Claudia trägst."


    Er musterte sein Weib nochmals. Sie war stets eine Herausforderung, aber auch ein Offizier konnte nicht Tag für Tag an der Front agieren, so sehr ihn der Kampf des Erfolges wegen auch reizte. Prompt schnitt sie dieses Thema an, was Claudius in inneres Erstaunen versetzte. Er fühlte sich trotz scharfen Verstandes ihr gegenüber mitunter nicht gewachsen, weil er ihre Schachzüge wie die eines noch unbekannten und unberechenbaren Gegners niemals im Voraus berechnen konnte. Anders als in der Schlacht, bei der die Erfahrung beständig wuchs, wurde er aus Ofella niemals schlau, was sie zu einem reizvollen, aber gleichzeitig auch gefährlichen Kontrahenten machte.


    Der Duft ihrer Haut, der ihm bei ihrem Wangenkuss verstärkt in die Nase stieg, ließ ihn jedoch die begründete Vorsicht vergessen. Es interessierte ihn daher wenig, was der medicus zu sagen hatte, den sie erwähnte. Seine Aufmerksamkeit war auf Haut und Körper reduziert, ihre Gedanken und Aussagen interessierten ihn nicht mehr. Ihre Wendung in Richtung Fenster kam für ihn wieder einmal überraschend, hinnehmen wollte sie allerdings auf keinen Fall. Er dachte nicht mehr nach, handelte nur. Seine Hand presste ihren Oberarm für seine Begriffe nicht zu stark, aber auf jeden Fall ausreichend, um sie am weiteren Abwenden zu hindern. Gleichzeitig focht er einen inneren Kampf bei dem sich Kontrolliertheit und Eroberungsgedanken gegenüberstanden.


    Sein Blick klebte an der Fibel auf ihrer Schulter, als ein Kinderkrähen erklang und kurz darauf Brutus an Ofellas Arm zerrte. Ein missmutiges Knurren erklang, dann ließ er seine Gattin los. Auf Brutus einzugehen, war ihm bei aller Liebe nicht möglich. Er fand es zudem sehr verwunderlich, dass der Junge, anstelle zu klettern oder mit Holzsoldaten zu spielen, Blumen pflückte. In seinen Augen war das ein Zeichen für Verweichlichung. Sein Sohn sollte kein Meister im Bezirzen von Frauen werden, sondern ein Mann. Claudius strich sie über die Stirn und verbarg damit seinen verärgerten Gesichtausdruck.

  • So unerwartet kam der ruppige Griff an ihrem Oberarm dass Ofella missbilligend die Lippen schürzte und auf ihres Gatten Hand hinabsah, ehe sie den Blick auf sein Gesicht lenkte. Was sie dort sah, wandelte das gemüt augenblicklich von Geringschätzung zu Verblüffung, denn sie hatte erwartet, dort alles mögliche zu lesen, nur kein Verlangen oder zumindest den Anflug davon. Die Überraschung zeichnete sich ganz deutlich auf ihrem Gesicht ab und ging sogar soweit, dass Ofellas Mund verwundert einen Spalt offen stand. Die scharfen Worte, die ihr auf der Zunge gelegen hatten - immerhin war die gens Lucretia nicht eben weniger angesehen als die gens Claudia! - verpufften im Nu. Sie ahnte, dass er sie in der Nacht besuchen kommen würde, wenn er nicht gleich hier darauf bestand, zu bekommen, was ihm zustand. Ob Ofella ähnliche Gedanken hegte, wusste sie selbst in jenem Moment der Verblüffung allerdings nicht.


    Ihr Gemahl schien von einer der Fibeln magisch angezogen zu werden, und bei dem vagen Gedanken daran, dass er vielleicht nicht nur die filigrane Fibel, sondern auch irgendein kleines Getier betrachten könnte, wandte sie rasch den Kopf und senkte den Blick, doch dort war nichts weiter, keine Spinne weit und breit, kein Käfer sichtbar. Erleichtert seufzte Ofella, als sie plötzlich das näherkommende Tapsen kleiner - und nasser? - Kinderfüße auf dem edlen Boden hörte. Vesuvianus konnte nun verlangen, was er wollte, Ofellas Sohn stand stets im Mittelpunkt und würde sich auch genau dort befinden, selbst wenn ihr Gatte auf ihr liegen wurde. So wandte sich die Claudia um und beobachtete überrascht, dass ein kleiner, feuchter und dreckverschmierter Lucius zur Tür herein kam und in seinen Händen eine Vielzahl von Blümlein hielt, teilweise sogar mit Wurzelstock. Es mochte Vesuvianus vielleicht nicht gefallen, doch Ofella ging augenblicklich in die Hocke und berührte behutsam eine große, violette Blüte. "Oh, mein Mausespatz, die sind ja..." begann sie, und ehe sie weitersprach, riss sie den Blick von den Blumen (auch wenn sie nicht vasenfähig waren, aber der Gedanke zählte schließlich) und sah ihren Sohn mit einem stolzen und leicht senilen Mutterglückslächeln an. "...oh, wahrlich.....herzallerliebst", hauchte sie schließlich und konnte nur um ein Haar vermeiden, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen.


    Mit einer erdigen Hand griff der Junge nun nach er Hand seiner Mutter, und Ofella erhob sich, um dem Kleinen leicht vorgebeugt zu folgen, wenn auch nur ein paar wenige Schritte weit. "Hast du den Blumenstrauß denn ganz allein gepflückt?" fragte sie Lucius mit anerkennendem Blick. Sie blieb stehen und sah zurück zu ihrem Mann, der leicht verärgert herumstand. "Oh schau nur, Herius - unser Sohn wird einmal ein begnadeter Verführer werden!" sprach sie mit vor Stolz geschwellter Brust und jauchzte. "Lucius, mein Sonnenschein, vielen Dank für dieses außerordentlich nette Geschenk." Dass der Junge erdig und feucht war, hielt sie nicht davon ab, ihn zu herzen, wobei sie einige der größeren Blüten versehentlich zerdrückte.

  • Den militärisch geprägten Claudier kostete es einige Beherrschung, dem Gesäusel seiner Gattin stillschweigend beizuwohnen. Wie sie den Jungen verhätschelte und für welche Unsinnigkeiten sie ihn geradezu mit Lob überschüttete, ging nicht in seinen Kopf. Allerdings vermied er es unter Aufbietung aller Kräfte, sich sofort zur Sache zu äußern. Ofellas Bereitwilligkeit, ihm abendliche Entspannung zu bieten, war höchst anfällig, das wusste er aus Erfahrung. Mal waren es Kopfschmerzen, mal eine Magenverstimmung, irgendetwas Unpässliches gab es immer, wenn er an den Tagen zu ihr gekommen war, nachdem sie sich kurz zuvon gestritten hatten. Er verstand zwar nicht, warum sie stets die Tagesproblematik mit ins Bett nahm, für ihn war das zweierlei, aber er hatte gelernt, diese Tatsache so gut es ging zu berücksichtigen.


    Als sie jedoch diese aberwitzige und überflüssige Frage stellte, ob Brutus den Strauß denn ganz alleine gepflückt habe, versagte seine Beherrschung. Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn, versuchte allerdings diese unachtsame Geste damit zu vertuschen, indem er sich die Stirn wie bei Kopfschmerzen rieb, die er zwar nicht kannte, aber deren Symptome er inzwischen bestens imitieren konnte. Zu allem Übel drehte sich Ofella auch noch um und erwartete allen Ernstes Freude über die Vermutung, Brutus würde eines Tages einmal ein begnadeter Verführer werden. Alles wollte Claudius, bloß nicht das. Vor seinem geistigen Auge erschienen Schrecksgemälde, auf denen ein verzärtelter Jüngling auf Knien eine Frau anbetete, die den Kopf hochmütig nach oben hielt.


    "Ääh…", entfuhr ihm, teils aus Verlegenheit, teils aus Widerwillen. Und obwohl er keineswegs darauf bedacht war, seinen Sohn dazu zu erziehen, stets reinlich wie ein Mädchen zu sein, wollte er die für ihn unangenehme Situation mit genau einem Hinweis darauf auflösen.


    "Er sollte sich waschen lassen."


    Mit der Erziehung seines Sohnes wollte er morgen fortfahren, heute stand ihm der Sinn nach anderem, und dabei störte Brutus gerade ungemein. Er wollte wieder Ofellas ungeteilte Aufmerksamkeit. Nach seiner Meinung musste das auch leicht zu bewerkstelligen sein. Sein Blick begutachtete ihre beiden Rundungen, als er sprach.


    "Bist du nicht neugierig auf dein Geschenk?"

  • "Ganz alleine, nur für dich."


    Sagte er besonders stolz, um seine Bemühungen nochmals deutlicher erscheinen zu lassen. Verdiente das nicht eine Belohnung?


    "Ich mag dich ja ganz doll, Mama."


    Setzte er noch drauf und seufzte leicht.


    "Aber hier ist es mir doch sehr langweillig, ich habe fast die Hälfte meiner Spielsachen in Baiae gelassen und habe jetzt nichts mehr zu spielen."


    Sofort setzte er seine beleidigte Miene auf und seufzte noch ein weiteres Mal, um den Druck zu verstärken. Jetzt musste sie einfach etwas für ihn kaufen, da kam sie nicht drum herum. Doch da, was sagte der Mann?


    "Geschenk? Wo?! Ich will es haben, gib es mir!"


    Sofort erhellte sich die Miene und er klatschte freudig in die Hände.

  • Als Ofella ihrem Gatten den Blick zuwandte, griff dieser sich gerade an die Stirn. Ofella runzelte die ihre und zuckte mit den Schultern, kaum dass Herius sein verwundertes Äh hervorbrachte. Sekundenbruchteile später hatte ihr gelieber Sohn bereits wieder all ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Spätestens bei dem zweiten Satz, den er so glaubhaft und unschuldig hervorbrachte wie es niemand sonst in Ofellas Bekanntschaft tun konnte, hatte es die Claudia erwischt. Erneut herzte sie ihren Lucius, noch mehr Blumen mit ihrem üppigen Dekollettée zerdrückend, und ihre Schultern zuckten auffällig, als sie ob des Muttergkücks freudig zu schluchzen begann und kaum mehr einen Ton hervorbrachte. "Oh...och..." murmelte sie und drückte ihren Sohn an sich, als würde sie ihn nie wiedersehen. Irgendwo am Rande registrierte sie den Vorschlag ihres Gemahls, ignorierte ihn jedoch vollkommen und drückte stattdessen ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange. "Oh, ist das so? Dem können wir ganz bestimmt Abhilfe schaffen, mein Mausespatz. Mami geht bald mit dir einkaufen, ja?" betüddelte sie den Jungen und zerwuschelte ihm glücklich das Haar. Ihre leicht verträumt dreinschauenden Augen glänzten erfreut. Sicherlich hatte niemand im ganzen imperium einen solch fabelhaften Jungen wie sie - und das bei dem Vater.


    Ofella richtete sich auf, als Menecrates gerade in ihren Ausschnitt sah, nahm Lucius an der Hand und warf ihrem Mann einen schafähnlichen, zufriedenen Blick zu. Er musste stolz sein, das ging gar nicht anders! Doch statt seinen Stolz ebenfalls in überschwenglichem Lob auszudrücken, sprach er erneut das Geschenk an, und da Lucius sogleich darauf ansprang und ihr die Hand entriss, um freudig zu klatschen, entschloss sich auch Ofella, nun darauf einzugehen. "Möchte bitte, Lucius", berichtigte sie ihn nur halbherzig und entgegnete dann zu Menecrates hin in einem uneingeschränkt sanfstmütigen und liebevollen Tonfall: "Natürlich bin ich neugierig, was mein geliebter Gemahl sich für eine Überraschung ausgedacht hat." Womit klar war, dass Lucius' Schmeicheleien und sein Verhalten größeren Einfluss auf Ofellas Wohlbefinden hatten als Herius es wohl jemals vermochte.

  • "Jaaaa, einkaufen!"


    Das Ziel war erreicht, er würde neue Spielsachen bekommen, vielleicht auch ein paar Haustiere, es kam alles auf die Laune Mamas an.
    Doch ein weiteres Ziel war vor wenigen Sekunden gesteckt worden. Da hatte man doch etwas von Geschenk geredet, er musste es haben.


    "Ich möchte bitte, Mama, das Geschenk."


    Sagte er artig und blickte wieder mit einem freundlichen Lächeln der Mutter ins Gesicht.

  • Claudius "Gegner" hatte einen überraschenden Haken geschlagen und damit den alt gedienten Offizier in eine annähernd auswegslose Lage gebracht. Die Angelegenheit war umso peinlicher, als es sich bei dem Gegner um einen fünfjährigen Jungen handelte, der ihn ausgetrickst hatte. Gleichzeit verspürte er aber auch, weil es sich nicht um irgendeinen Jungen, sondern um seinen Sohn handelte, eine Portion Stolz. Brutus würde eines Tages einmal ein cleverer Politiker werden, dessen war sich der Vater bewusst. Nun jedoch galt es die Situation abzubiegen.


    "Nun ja, das Geschenk ist für deine Mutter bestimmt. Ich zweifle stark, dass es dir Freude bereiten würde", erwiderte Claudius, der bereits die Hoffnung aufgegeben hatte, seine Gattin an diesem Nachmittag noch einmal für sich alleine zu haben. Ungeübt im Umgang mit einem Kind und gleichzeitig seiner anspruchsvollen Frau fühlte er sich durchaus unwohl in der Situation. Er warf Ofella einen Blick zu, der in gewisser Weise eine Kapitulation bedeutete. So sicher er sich auf dem Schlachtfeld mit wehrhaften Soldaten als Gegner fühlte, hier überforderten ihn ein fünfjähriger Junge und eine Frau in den besten Jahren. Claudius würde sich beider einzeln annehmen müssen, um nicht - wie es jetzt möglich gewesen wäre - mit einem kapitalen Schlag die Situation für sich zu entscheiden, sondern mit etwas mehr Diplomatie, deren er jetzt, das gestand er sich ein, nicht fähig war.

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