Wortlos taten die Probati, wie geheissen. Sie suchten sich jeder einen Bogen und zehn Pfeile heraus.
Sabinus fand es gut, dass er auch im Bogenschiessen unterrichtet wurde. Das konnte man sicher mal brauchen...
Die Rekruten stellten sich auf, ungefähr 30 Schritte von den strohigen Zielscheiben entfernt. Sabinus hatte noch nie zuvor einen Bogen in den Händen gehalten. Er hoffte, kein Anfängerpech zu haben und nach diesem Tag um einige Erfahrungen reicher zu sein.
[Grundausbildung] Probatus Quintus Redivivus Sabinus
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Als die Probati nun bereit waren, konnte der Optio demonstrieren, wie man mit dem Bogen umgeht. Eigentlich war das eine der leichtesten Übungen, doch sie wollte erklärt sein.
"Probati, jetzt zeige ich euch kurz und knapp, wie ihr mit dem Bogen umzugehen habt! Es ist ganz simpel. Ihr nehmt euch einen Pfeil und legt das stumpfe Ende auf die Sehne. Dann spannt ihr die Sehne mit dem Zeigefinger und dem Mittelfinger! Dazwischen ist der Pfeil! Und ihr könnt mit einer leichten Neigung schießen, damit der Pfeil euch nicht immer auf den Boden fällt!", parallel zu seiner Erklärung demonstrierte er die Benutzung und schoss einen Pfeil auf eines der Ziele ab. Er traf voll ins Schwarze!
"Zu beachten ist beim Schießen die Höhe, in der ihr schießt! Der Pfeil fliegt immer im Bogen! Und wenn es windig ist, müsst ihr das auch beachten, denn bei Wind ändern Pfeile gerne mal ihre Flugbahn!". Und heute war es windig. Wie es sich für den Herbst, der langsam kam eben gehörte.
"Die Pfeile holt ihr erst auf meinem Befehl, sonst haben wir bald einige Probati weniger unter uns! Nun versucht euer Glück, ihr seht die Zielscheiben!"
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Die Probati hörten aufmerksam zu, und als der Optio geendet hatte, begannen sie, ihre Pfeile zu verschiessen. Im Prinzip war es nicht schwer, wie Sabinus feststellte, doch er brauchte ein paar Anläufe, bis er den Bogen raus hatte. Sorgfältig zielend verschoss er auch seine restlichen Pfeile. Das nächste Mal würde er mit etwas mehr Kraft schiessen müssen, merkte er sich. Auf jeden Fall war es ein gutes Gefühl, einen Bogen mit Pfeil zwischen den Fingern zu haben.
Nachdem alle Probati alles verschossen hatten, warteten sie auf den Befehl des Optios, ihre Munition wieder holen zu dürfen. -
Der Optio streifte, hier und da Mängel korrigierend hinter den Probati umher. Mehr oder weniger zufrieden ließ er die Pfeile holen, als jeder 10 Schuss abgegeben hat. Die wenigsten Pfeile haben getroffen.
"Holt jetzt die Pfeile und stellt euch dann 40 Schritte entfernt auf!". Dieses Mal erhöhte er die Entfernung, schon gespannt, wie sich die angehenden Legionäre machen würden.
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Instinktiv richtete Sabinus seinen Bogen etwas weiter in die Höhe, bevor er seinen nächsten Pfeil abschoss.
Auf 40 Schritte zu treffen sollte eigentlich gut machbar sein. Doch auch hier erzielte er nach ein paar ersten Schüssen bessere Ergebnisse. Nun, hier war er wohl noch kein Naturtalent. Doch er spürte, dass er eines werden wollte.
Sabinus gab sich mächtig Mühe beim Schiessen. Hörte gut zu, wenn der Optio ihn auf etwas hinwies oder bessere Techniken zeigte.
Allzu schlecht war er dann doch nicht gewesen. Doch er würde sich noch mit der Zeit verbessern.
Sabinus spürte, dass das Bogenschiessen sicher schnell in den Arm gehen würde. Doch sowas war er sich ja mittlerweile von der Grundausbildung gewohnt.
Nachdem die Probati wieder alle geschossen hatten, standen sie still und warteten auf den Optio. -
Reatinus schüttelte leicht den Kopf. Er war noch lange nicht zufrieden mit der Leistung der Probati, obwohl er keine antiken Formen von Robin Hood aus ihnen machen wollte.
"Pfeile holen und noch eine Runde! Mit dem Ergebnis bin ich noch nicht zufrieden!", meinte der Optio lautstark und wartete, dass sie wieder bereit waren. Auch wenn dieses Mal sichtlich mehr Pfeile trafen, wie letztes Mal, wollte Reatinus das beste daraus ziehen. Und dabei wusste er immernoch nicht, wann ein Legionär wohl einen Bogen zur Hand nehmen müsste. Vorschriften halt... -
Gehorsam holten sich die Probati ihre Pfeile, um wieder eine Runde zu schiessen.
Dieses Mal zielte Sabinus sorgfältiger. Rief sich in Erinnerung wie der letzte Pfeil geflogen war und schwenkte dementsprechend das imaginäre Ziel ein wenig ab. Er hatte das Gefühl, den Bogen total unter Kontrolle zu haben.
Als er dann den Finger ausstreckte, war die Sehne des Bogens hart gespannt. Sie schoss vorwärts und katapultierte den Pfeil mit einer unglaublich hohen Beschleunigung direkt auf die Zielscheibe zu.
Ehe Sabinus blinzeln konnte entlud sich des Pfeils gesamte Energie in seinen Aufprall auf der Zielscheibe. Er hatte ins Schwarze getroffen. Unglaublich.
Ohne Hast und Eile legte er seinen zweiten Pfeil an. Er atmete kurz tief durch, zielte und traf die Zielscheibe.
Seine nächsten Schüsse waren zwar nicht mehr so perfekt wie der erste, doch er hatte jedesmal die Zielscheibe getroffen. Und er war zum ersten Mal in dieser Grundausbildung stolz auf sich. Er kannte diesen Zustand, indem man seine höchste Konzentration aufbot, alles unter Kontrolle hatte und mit maximaler Energie eine Tätigkeit perfekt verrichten konnte. Er war selten, doch wenn, konnte man nicht verlieren.
Als alle Probati ihre Pfeile verschossen hatten, riss sich Sabinus aus seinen Gedanken. Er hatte dieses Mal gar nicht auf die anderen gesehen, wie sie sich so im Bogenschiessen gaben... -
Diesmal zufrieden nahm Reatinus sich die einzelnen Schüsse der Probati unter die Lupe. Nicht jeder Pfeil traf sein Ziel, doch so etwas war auch kaum möglich. Ingesamt war Reatinus überzeugt davon, dass die Gruppe halbwegs den Bogen am Bogen raus hatte.
"Sehr gut, Probati!", lobte er sie, "Holt die Pfeile und legt sie vor mir zu einem Stapel zusammen! Danach dürft ihr abtreten! Abite!"
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Wie befohlen sammelten die probati ihre Pfeile wieder ein. Die Bogen legten sie an den einen Ort, die Pfeile wurden nebendran auf einen Stapel gelegt. Die Rekruten waren froh, dass das heutige Training nicht allzu schwer gewesen war. Wer heute etwas zu viel Kraft aufgewendet hatte, um den Bogen zu spannen, würde früher oder später etwas an Muskelkater leiden. Doch im Grossen und Ganzen war dieser Tag beinahe "entspannend" gewesen.
Sabinus hoffte, bald wieder an den Bogen zu können. Er hatte das Gefühl, an dieser Waffe groses Potenzial zu haben, das abgeschöpft werden wollte. Vielleicht würde er auch mal alleine oder mit Kameraden üben gehen...
Die Probati traten ab, plauderten und scherzten auf dem Weg zu ihren Unterkünften. Heute Abend eine gemütliche Runde mit Kollegen, dachte Sabinus im Gehen. -
Am folgenden Morgen befand sich eine Notiz für die Probati am Schwarzen Brett:
Die Probati
[...]
Q Redivivus Sabinus
[...]haben sich heute morgen an der Legions-Schola zu melden.
gez.
M Petronius Crispus
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An diesem Tag erschien der Centurio vor der Schola, trat ein und wählte ein leeres Klassenzimmer aus. Es bestand aus langen Holzbänken für die Schüler, einen leicht erhöhten Stuhl für den Lehrer und einer Halterung für große Schautafeln.
Der Centurio nahm Platz und wartete auf die Probati.
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Still und leise kam auch der Optio durch die Türe und warf Crispus ein leises "Salve, Centurio!" in den Raum. Außer dem Centurio und dem Optio war noch keine Menschenseele im Raum. So bewegte Reatinus sich auf seine Lieblingsecke zu, wo er alle im Auge behalten konnte und wartete.
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Als es Zeit war, strömten die Probati hinein und setzten sich auf die Holzbänke. Das sah nach Theorie aus, schätzte Sabinus. Er hatte nichts dagegen... Körperliche Anstrengung würde sicherlich früh genug wieder kommen.
Wie immer sah er sich im Raum um. Der Centurio und der Optio waren bereits anwesend. Nachdem die Rekruten sich alle gesetzt hatten, wurde es still, und sie schauten gespannt nach vorne, auf den Centurio. -
Während die Probati eintraten, holte Crispus bereits seine erste Schautafel hervor und stellte sie auf den Tafelhalter:
Dann nahm er Platz und nickte dem Optio zu, den er beim Eintreten übersehen hatte. Kaum waren alle erschienen, begann der Centurio.
"Heute gibt's etwas Theorie. Zuerst haben wir hier den Aufbau einer Legion. Sie besteht aus X Cohortes zu je VI Centuriae. Die Centuria hingegen hat eine Sollstärke von LXXX Mann, zusätzlich noch ein Signifer, ein Cornicen, ein Optio, ein Tesserarius und ein Centurio.
Die erste Cohors hingegen besteht nur aus V Centuriae, die jedoch eine doppelte Mannstärke haben. Sie wird von den Primi Ordines, den höchsten Centurionen geleitet. Der allerhöchste ist der Primus Pilus. Der jeweils erste Centurio jeder Cohors kommandiert selbige auch.
Redivivus, erkläre die Aufgaben des Signifer!"
pickte er Sabinus heraus. Nach seiner bisherigen Zeit bei der Legion konnte er ja schon etwas wissen...
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Sabinus begutachtete die Zeichnung auf der Tafel, als sein Name fiel. Er überlegte schnell. Signifer?
Sabinus stand auf. Das war derjenige, der immer die Standarte mit sich herumschleppte...
"Der Signifer hat die Ehre, das Feldzeichen der Centurie ins Feld zu tragen...", sprach er. Da war doch noch was gewesen...
"Er hat ausserdem die Pflicht, sich um die Buchhaltung und das Geld seiner Einheit zu kümmern.", fügte er hinzu. Ihm fiel nichts mehr ein, also sollte das doch wohl alles gewesen sein... -
"Korrekt. Er führt eine Art Bank - ihr könnt dort auch Geld hinterlegen, sodass es sicher verwahrt ist. Abgesehen davon solltet ihr freundlich zu ihm sein, denn er zahlt auch den Sold aus."
Damit war diese Sache erledigt und es fehlten nur noch wenige Dienstgrade.
"Dann haben wir die Stabsoffiziere: Praefectus Castrorum, Tribune und der Legat.
Der Legat ist der absolute Herr über die Legion. Er wird vom Kaiser als Oberbefehlshaber ernannt, ist für uns verantwortlich, darf uns nach Gutdünken belohnen, bestrafen, befördern oder degradieren.
Seine direkten Mitarbeiter sind die Tribune. Die ritterlichen Tribune, erkennbar am schmalen Purpurstreifen auf der Tunika, sind Männer, die schon einmal irgendwo gedient haben. Sie haben folglich auch Ahnung vom Betrieb und bekommen ihre Aufgaben direkt vom Legaten zugewiesen.
Der Tribunus Laticlavius hingegen ist normalerweise der Spross irgendeiner Senatorenfamilie und leistet seinen Militärdienst ab, um dann endlich den Cursus Honorum beschreiten zu können. Von ihm ist weniger militärische Ahnung zu erwarten, obwohl er zu Hause vielleicht auch das eine oder andere gelernt hat. Abgesehen davon kann's aber gut möglich sein, dass der Legat ihn dort einsetzt, wo er möglichst wenig Schaden anrichtet.
Der Praefectus Castrorum ist dagegen der erfahrenste all dieser Männer. Er ist Lagerkommandant, kümmert sich um die gesamte Verwaltung und ist im allgemeinen ein erfahrener Soldat, oft sogar ex caliga hochgedient.Dann noch eine kleine Frage: Wie heißen der Legatus Legionis, der Praefectus Castrorum und der neue Tribunus Laticlavius?"
Wieder deutete er mit dem vitis auf Sabinus.
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Schon wieder Sabinus. Er fügte sich dem Schicksal und antwortete dem Centurio.
"Der Legatus Legios ist Marcus Vinicius Lucianus, der Praefectus Castrorum...", Sabinus musste überlegen... glücklicherweise fiel es ihm ein "heisst Flavus Germanicus Honorius und der Tribunus Laticlavius... Quintus Germanicus Sedulus." Das wusste Sabinus wieder, weil Valerian mal erzählt hatte, dass er diesen getroffen hatte. -
"Richtig. Merkt euch die Namen!"
meinte der Centurio und fuhr dann fort, indem er eine neue Tafel auflegte:
DIE ANNÄHERUNGSPHASE
[Blockierte Grafik: http://img352.imageshack.us/img352/6599/annherungsphaseof8.gif]
"Hier sehen wir - wie man unschwer erkennen kann - die Annäherungsphase innerhalb einer Schlacht. Eine Centuria rückt stets in geschlossener Formation an, jeweils die Manipel hintereinander aufgestellt. Vorn befindet sich Centurio und Signifer, damit alle wissen, wohin sie zu laufen haben.
Kann sich jemand vorstellen, warum Optio und Tesserarius hinten laufen?"
Er sah in die Menge. Eine nicht ganz leichte Frage für militärische Grünschnäbel, aber dafür würde der Centurio die richtige Antwort auch mit Respekt honorieren...
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Allgemeines Gemurmel unter den Probati. Vereinzelt erklangen Stimmen. "Wenn der Centurio fällt hat die Truppe immer noch zwei Unteroffiziere..." Ein anderer rief dazwischen "Damit die Soldaten nicht abhauen..." Er erntete leises Gelächter.
Wirklich beantworten konnte Sabinus die Frage auch nicht, darum hielt er seine Klappe. Ausser den bereits genannten Gründen fiel ihm auch nichts ein... Doch die Offiziere würden wohl schon ihre Gründe gehabt haben. -
"Da haben wir's!"
Er deutete auf den bisherVerlachten, der was von 'abhauen' gesagt hatte.
"In der Schlacht ist es überaus schwierig, die Formation zu halten. Deshalb werden die erfahrenen Krieger in den hinteren Reihen gehalten - sie halten die Schlachtordnung beisammen."
Damit war diese Sache abgehakt und es ging zur nächsten. Eine neue Tafel wurde aufgelegt.
"Wenn es zum Kontakt kommt, brauchen wir natürlich eine richtige Schlachtlinie, deshalb wechselt die hintere Centuria dann in die Spalte zwischen den beiden vorderen. Auch der Signifer und der Centurio zieht sich zurück und bildet das Bindeglied zwischen den Abteilungen."
Er trat ein wenig zurück und sah dann noch einmal auf die Tafel und sofort darauf zu den Probati.
"Soweit sieht alles recht einfach aus, oder? Heute Nachmittag auf dem Exerzierplatz werden wir Formationen etwas praktischer üben. Bis dann!"
Er hiefte die Tafel wieder vom Ständer, klemmte seinen vitis unter den Arm und ging.
"Valete!"
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Die Probati murmelten allesamt noch etwas. Sabinus prägte sich das skizzierte Bild gut ein. Die Führungsoffiziere standen also immer rechts der Truppe... 10 Soldaten in der vordersten Reihe... 8 Männer tief...
Nun gut, man würde es heute auf dem Exe sehen...
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