Bereits am Vortag des Festes zu Ehren der Iuno Caprotina herrschte ein reges Treben in und vor den Tempeln der Iuno. Zweige der Feigenbäume am römischen Marsfeld waren frisch geschnitten und anschließend zu einem Großteil gepresst worden, denn zu Ehren der ziegenfellbekleideten Iuno opferte man die weiße Milch, die dabei aus den saftigen Zweigen der Feigenbäume austrat.
Am heutigenTag nun sollte also dieser durch Pressung gewonnene Saft der Iuno geopfert werden. Man würde der Göttin huldigen und den Frauen gedenken, unter ihnen ganz besonders den Sklavinnen, denen man den Sieg gegen die Gallier zu verdanken hatte, als Rom von ihnen umzingelt gewesen war. Die aufgesparten Zweige würden den Sklavinnen ausgeteilt werden, die an diesem Tage das Recht hatten, sich als verheiratete Patrizierinnen auszugeben.Es würde ihnen erlaubt sein, ohne Strafe mit den Feigenzweigen nach Passanten zu schlagen, diese zu verspotten und auch mit Steinen nach ihnen zu werfen. Dies war der Brauch, denn er erinnerte an den Sieg, den die Römer den Sklavinnen, und ganz besonder der List einer ganz besondern römischen Sklavin namens Philotis, zuzuschreiben hatten. Um die verkleideten Sklavinnen zu besänftigen, würde man ihnen Gaben darreichen und sie sie hochwohlgeborene Frauen behandeln an diesem Tage.
Kurz bevor die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, war es soweit. Es hatten sich bereits etliche Menschen verschiedenen Standes vor den Tempeln der Iuno versammelt und harrten des Opfers. Der Altar war draußen aufgebaut worden, denn zum einen herrschte ein fantastisches Wetter und zum anderen hätten die vielen Gläubigen, die sich versammelt hatten, nicht einmal annähernd in den tempel gepasst, um dem Opfer beizuwohnen. Angefacht von zwei emsigen Opferdienern, glühten die Kohlebecken bereits, und alles lag bereit und war vorbereitet. Valeria, der die Ehre oblag, dieses große Opfer heute zu leiten, trat gefolgt von zwei weiteren Priestern aus dem Tempel, verweilte einen Moment zwischen den erhabenen Säulen und sog die Luft Roms ein. Es war doch viel angenehmer, hier den Göttern zu dienen als in Germanien, wo nur wenige Menschen überhaupt der Götter gedachten.
Als sie sich erneut in Bewegung setzte und die Stufen des Tempels hinabstieg, streute einer der Opferdiener bereits eine gehörige Menge des die Sinne benebelnden Weihrauchs über die glühenden Kohlen des Foculus. Dampfend und knisternd löste er sich in weißen Rauch auf und stieg empor, um Iuno in der Nase zu kitzeln und auf die Preozession zu ihren Ehren aufmerksam zu machen. Valeria hatte inzwischen ihren Platz erreicht und bedeckte das Haupt mit ihrer Palla. Die Zeremonie würde beginnen, wenn der Weihrauc verdampft war. Inzwischen schenkte sie der Menge Beachtung, indem sie ihren Blick über Groß und Klein, Jung und Alt, Sklave wie Patrizier gleiten ließ. Gerade in der Abwesenheit des Kaisers war es wichtig, dass den Göttern gebührend gehuldigt wurde, und so hegte sie die Hoffnung, dass noch mehr Gläubige ihren Weg hierher fanden.