• Decius Germanicus Corvus war in den letzten Wochen nicht sehr oft zuhause gewesen. Seit seiner Ankunft in Ägypten hatte er sein neues Heim, die Domus Praefecti, eigentlich nur zum Schlafen und Essen aufgesucht und das zu allem Übel auch noch unregelmäßig. Denn wenn er bei seiner Legion in Nikopolis war, dann blieb er dort auch meistens über Nacht und kehrte erst im Laufe des nächsten Tages in das Basileia-Viertel von Alexandria zurück... oder des übernächsten Tages, auch das war schon vorgekommen.


    Sein frisch angetrautes Eheweib sah ihn nur selten. Aber heute suchte er sie und hoffte sie im Atrium zu finden.

  • Das nicht mehr ganz so frisch angetraute Eheweib war - Glück oder Unglück? - tatsächlich im Atrium anzutreffen.


    Ein nasses Tuch auf der Stirn, lag ich ausgebreitet auf einer Kline. Eine der hauseigenen Sklavinnen hatte sich auf einem Schemel daneben platziert und las mir die abzusegnenden Acta-Artikel vor, die für die nächste Ausgabe vorgesehen waren. Ich fühlte mich zwar hundeelend (dieser verdammte Koch... ), doch Dienst war Dienst und von alleine korrigierte sich das alles ja nicht. Gut, die Sklavin korrigierte die Rechtschreibung, aber alles andere musste ich selbst erledigen.
    So daliegend und die kunstvolle Deckenmalerei betrachtend, bemerkte ich freilich nicht, wie Corvus den Raum betrat. Musste ich auch nicht, dafür war ja die Sklavin da.
    "Herrin?"
    Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass das "Herrin" nicht zum vorgelesenen Text gehörte.
    "Hm?"
    "Der Herr... "
    "Wie? Oh... "
    Möglichst mitleiderregend nahm ich das Tuch von der Stirn und richtete mich, unter Äußerung von gutturalen Stimmlauten (Ächzen und Stöhnen) auf.
    "Corvus.", stellte ich tapfer lächelnd (ich war ja soooo krank...:( ) fest. "Was machst du denn hier?"
    Dumme Frage. Er wohnte ja auch hier.

  • “Ich habe dich gesucht.“, antwortete Corvus der Wahrheit entsprechend.


    “Ist dir unwohl? Bist du krank? Du hast doch wohl nicht wieder ein Schiff betreten?“


    Er wedelte mit dem Brief in der Hand.


    “Vetter Avarus heiratet. Die Hochzeit mit dieser Schwester von Decimus Meridius ist angesetzt. Er hat uns eine Einladung geschickt.“, verkündete er, ohne weiter auf ihr Gestöhne einzugehen. Das Weib war doch früher nicht so kränklich gewesen?!


    *wedel*



    Decius Germanicus Corvus
    et
    Germanica Aelia
    Regia Praefecti
    Polis Alexandreia
    Chora tes Alexandreias
    Provincia Alexandria et Aegyptus



    Decima Lucilla und Medicus Germanicus Avarus


    heiraten



    Ihr,Decius Germanicus Corvus und Germanica Aelia seid dazu herzlich eingeladen. Die Zeremonie beginnt am ANTE DIEM VII KAL NOV DCCCLVII A.U.C. (26.10.2007/104 n.Chr.) in der Casa Decima.



    Euer Erscheinen würde uns ehren und wir würden uns besonders freuen, euch bei unserem Fest begrüßen zu dürfen.


    Rom


    NON OCT DCCCLVII A.U.C. (7.10.2007/104 n.Chr.)


    Lucilla et Avarus

  • "Bei allen Göttern.", keuchte ich, war auf einmal gar nicht mehr soooo krank, sondern sprang auf und entriss meinem Gatten neugierig den Brief.
    "Verdammt, ich werde meine Wet... äh... wie schön für die beiden."
    Da setzte man einmal auf Lucillas Standhaftigkeit und schon wurde man enttäuscht. Sfz.
    Langsam schlich sich jedoch die Tatsache in mein Bewusstsein, dass eine Einladung nach Rom zwangsläufig eine Reise per Schiff mit sich bringen würde.
    "Du... kannst vermutlich nicht hin?", fragte ich und zog die Augenbrauen nach oben. Der PAeA konnte sicher nicht wegen einer Hochzeit einfach so die Provinz verlassen. Abgesehen davon glaubte ich schon immer eine gewisse Abneigung gegen Familienfeiern jedweder Art bei Corvus festgestellt zu haben.
    Und alleine reisen? Besser nicht, dann würde mich ja niemand bemitleiden, wenn ich seekrank wurde. Nein, keinesfalls.

  • “Nein, unmöglich, ich kann die Provinz nicht einfach verlassen.“
    Er schüttelte energisch den Kopf.
    “Ich bin Statthalter und Kommandeur einer Legion. Wenn ich nach Rom reise hat das politische Dimensionen und der Kaiser wäre bestimmt alles andere als erfreut. Aber du kannst ja. Ich würde dafür sorgen das dir ein schnelles Schiff der Classis Alexandrina zur Verfügung steht.“

  • Während der üblichen Entschuldigung für alles :D lächelte ich nachsichtig.
    Einen Moment lang beschlich mich jedoch auch der Gedanke, dass mein geliebter Ehegatte mich loswerden wollte. Vermutlich, um wilde Orgien zu feiern. Ohne mich. Pah.
    "Ich... also, es ist nicht so, dass ich nicht wollen würde.", begann ich zu erklären. "Aber... reisen? Per Schiff? Um diese Jahreszeit? Ich überstehe das ja schon im Sommer kaum, wie soll ich das bei den Herbstwinden schaffen? Womöglich käme ich vor dem Frühling gar nicht mehr zurück..."
    Ich hielt einen Moment inne und besah Corvus mit prüfendem Blick. Hatte er es etwa tatsächlich darauf angelegt? 8o
    "Nein. Nein, ich bleibe auch hier. Wir können sie ja aber für ihre Hochzeitsreise hierher einladen? Falls Onkel Avarus eine Einreiseerlaubnis bekommt, natürlich."

  • “...die nur der Kaiser selbst erteilen könnte und der ist wie du weißt momentan im Osten. Das ist vermutlich keine so gute Idee. Aber wir sollten den beiden auf jeden Fall ein schönes Geschenk schicken. Über was würde Medicus sich wohl freuen?“
    ...von einer bis zum Rand mit blinkenden Goldmünzen gefüllten Schatulle einmal abgesehen. Avarus' innigste Liebe galt dem Geld, dass wusste Corvus.

  • "Na, er wird ja nicht ewig im Osten bleiben.", brummte ich. 8)
    Was Avarus gefallen könnte stieß mich jedoch in Ratlosigkeit. Herrje, was schenkte man einem, der Geld hatte, um sich alles zu kaufen?
    "Puh, Geschenk... schwierig. Du kennst ihn doch schon länger als ich, was mag er denn? Pfer... nein, hat er ja. Hm. Ein neues Haus auf dem Land? Oder etwas Extravagantes? Einen Hausphilosophen vielleicht? Das würde Lucilla sicher gefallen. Oder ein Dichter, oder etwas in der Art?"
    Mich an meine Kindheit entsinnend, begann ich breit zu Grinsen.
    "Wenn uns sonst nichts einfällt, male ich ihm eben ein Bild." :D

  • "Weihrauch? Sonst nichts?"
    Meine Miene sprach Bände, denn allzu begeistert war ich davon nicht.
    "Ich weiß nicht... er hat uns ein Grundstück zur Hochzeit geschenkt und du willst ihm Weihrauch schicken?"
    Zumal ich das Onkelchen nicht als den religiösesten aller Menschen in Erinnerung hatte :D

  • “Glaubst du, wir sollten ihm auch ein Grundstück schenken? Er hat doch so viel Land das er es vermutlich niemals alles mit eigenen Augen sehen wird. Das Geschenk muss etwas Außergewöhnliches sein, etwas, dass man in Rom nicht so ohne weiteres bekommt, am besten eine aegyptische Spezialität...“


    Es war gar nicht so einfach, ein passendes Geschenk für einen so dermaßen reichen Mann wie Avarus zu finden. Es gab praktisch nichts, was er sich nicht auch selbst mit einem Fingerschnippen kaufen konnte.

  • "Neinnein, ein Grundstück meinte ich nicht."
    Es war wirklich zum Haare ausreissen. Rücklings setzte ich mich erneut auf meine Kline und stützte den Kopf auf beide Hände.
    "Eine aegyptische Spezialität... "
    Um ein Haar hätte ich 'Einen Knochen von Alexander' vorgeschlagen, besann mich jedoch eines Besseren und grinste nur leise. Für so etwas würden einen die Einheimischen sicher den Krokodilen vorwerfen.
    Krokodil... ein zahmes Schmusekrokodil? Eher nicht :D
    "Hm.. und wenn wir ihm ein paar aegyptische Handwerker schicken, die einen seiner Räume neu gestalten? Im aegyptischen Stil?"

  • “Ob ihm das gefällt? Der üppige aegyptische Stil ist nicht jedermanns Sache.“
    Corvus grübelte weiter und ihm kam ein ähnlicher Gedanke wie Aelia.
    “Vielleicht eine einheimische Bestie? Ich habe von riesigen Tieren gehört, die halb Schwein und halb Kuh sein sollen und monströse Mäuler haben, mit denen sie ganze Pferde verschlingen können. Sie leben ähnlich wie die Krokodile vor allem im Wasser. Man nennt sie Hippopotamus. Es soll sie am Oberlauf des Nilus in großer Zahl geben.“

  • "Hippo..."
    '-Dingens?', lag mir auf der Zunge, ich ließ es jedoch unausgesprochen. Davon hatte ich nun noch nie gehört. Aber es klang hochinteressant. Halb Schwein, halb Kuh. Was es nicht alles gab.
    "Das wäre auf jeden Fall etwas, das er sicher noch nicht hat. Lassen sich diese Viecher denn als Haustiere halten, oder sind die zum Essen vorgesehen?"

  • “Also... ähm... ich weiß nicht. Es soll sehr groß sein und benötigt wohl zumindest einen Pfuhl oder besser gar einen eigenen Teich. Ob man es essen kann, dass... also, keine Ahnung.“
    Erst jetzt fiel ihm ein, dass er noch gar nicht überlegt hatte, wo er denn so schnell eines dieser seltsamen Tiere her bekommen sollte und auch nicht, wie es nach Italia geschafft werden könnte. Das war eigentlich viel vordringlicher, als die Frage, was das junge Brautpaar mit der Bestie anfangen sollte. War das nicht egal? Es ging doch um die Extravaganz des Geschenks und nicht um seinen praktischen Nutzen.

  • "Ein eigener Teich? Dann ist dieses Tier wohl recht groß? Wie bekommen wir das denn nach Rom?"
    Hatte ich mir dieses Hipposonstwas anfangs noch etwa in der Größe eines gewöhnlichen Schweins vorgestellt, war es mittlerweile auf Elefantenmaße gewachsen.
    Mit großen Augen stellte ich mir den Aufruhr vor, den der Transport auf den Straßen Roms auslösen würde. Herrlich :D

  • Corvus zuckte mit den Schultern. “Mit der Classis und dann per Lastkahn den Fluss hinauf bis Rom. Die Bestien für das Amphitheater wird man bestimmt genauso in die Stadt schaffen.“
    Das war eine reine Vermutung. Corvus hatte in Wahrheit keine Ahnung, wie man die wilden Tiere für die beliebten Tierhetzen nach Rom brachte.

  • Corvus schien sich sicher und so nickte ich zustimmend.
    "In Ordnung. Du besorgst so ein Tier? Ich habe nämlich keine Ahnung, wo ich so etwas herbekommen sollte." :)
    Ich erinnerte mich zwar dunkel an den Tag, als Consul Matinius Agrippa vergebens versuchte, einige Elefanten für einen Triumphzug durch Roms Tore zu bekommen, doch als Praefectus Aegypti wusste mein Gatte bestimmt, was da zu tun war.

  • Das war eine höchst gewagte Vermutung, denn ihn Wahrheit hatte Corvus zu diesem Zeitpunkt nicht die geringste Ahnung, wo er ein solches Tier herbekommen sollte. Er wusste noch nicht einmal, wie so ein Hippopotamus eigentlich ganz genau aussah, denn er selbst hatte noch nie eines zu Gesicht bekommen. Er kannte diese Bestie nur vom Hörensagen.


    Aber wenn er hier in Alexandria noch nie eines gesehen hatte, dann sein Vetter in Rom bestimmt auch nicht. Dieses Untier würde als Hochzeitsgeschenk mit Sicherheit Eindruck schinden, selbst in der Hauptstadt, wo man schon manche Extravaganz erlebt hatte.
    Nachdem was man ihm so erzählt hatte, lebten diese Tiere flussaufwärts am Nilus und würden immer zahlreicher werden, je weiter man nach Süden kam. Auch am Iordanus in Iudaea sollte es sie geben, aber in weitaus geringer Zahl.
    Er würde sich erkundigen müssen, wer ihm ein solches Tier beschaffen konnte und das außerdem noch rasch. Aber er war zuversichtlich, denn eigentlich gab es in Aegyptus fast nichts, was man nicht kaufen konnte.


    Darum antwortete er ein wenig großspurig:
    “Ich werde mich darum kümmern. Es kann ja nicht so schwer sein, ein in dieser Gegend lebendes Wildtier aufzutreiben.“


    Ob er bei diesen Worten daran dachte, dass es sich bei dem 'Niluspferd' nicht gerade um einen Stallhasen oder eine dressierte Maus handelte?

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