Atrium | Sklavenscheuchen auf Flavisch

  • "Ein Possenspiel?!"
    Entgeistert starrte er Aquilius an.
    "Du tötest mich - ihn - Rutger - löschst aus war ich war, und nennst das ein Possenspiel?!!"
    Es hielt ihn nicht mehr auf der Kline. In Rage sprang er auf, begann mit schnellen Schritten den Raum zu durchqueren, aber nur genau dreieinhalb Schritt weit, dann machte er unwillkürlich kehrt, ging ungehalten hin und her. Immer dreieinhalb Schritt. Er schüttelte den Kopf, suchte nach Worten, fand keine, und gestikulierte hilflos mit der rechten Hand in der Luft, als könne er die Worte dort fassen und herauspflücken.
    "Du hast einen... grausamen Humor.", brachte er schließlich hervor.
    Getötet hast du Dich selbst. Ein Hallvardunge bettelt nicht um Gnade. Winselt und fleht nicht vor dem Feind. Du Niemand! Niemand... niemand... niemand.....


    Er legte den Kopf schräg, lauschte ins Leere, fuhr sich fahrig über den Nacken. Blickte beschämt zu Boden.
    "Ich bin aber besser als so ein dummer Schläger, Flavius Aquilius. Das lass Dir gesagt sein. Ich bin kein Idiot den Du Dir für Geld an der Ecke kaufst. Ich bin ein Krieger - noch immer. Und jetzt Dein Gefolgsmann."
    Er schien wieder zu wachsen bei diesen Worten, richtete sich mit einem Überrest seines arg verwundeten Stolzes auf, zu seiner alten, pfeilgeraden Haltung.
    "Das ist ein Unterschied."


    Was Aquilius mit dem Namen meinte, verstand er nicht. Nur dass er bestimmt nicht wild war auf so eine "Ehre", das wusste er. Den Namen seiner Herren immer mit sich rumzuschleppen, das war ja wie eine Brandmarkung. Warum eigentlich, so kam es ihm da kurz in den Sinn, hatten sie ihn eigentlich nicht gebrandmarkt? Oder so einen widerlichen Eisenkragen verpasst? Die anderen Sklaven hatte ihm das nämlich hämisch prophezeit, nach der Flucht. Kam das noch? Oder war das Aquilius Milde zu verdanken, oder hatte der Flavier das vielleicht einfach - vergessen? Er hoffte jedenfalls von Herzen, dass es dabei bleiben würde.


    Sprunghaft war er geworden. Als wäre nichts gewesen, nahm er wieder auf der Kline Platz, gegenüber Aquilius. Er stützte die Ellbogen auf die Knie, das Kinn auf die Hände, und heftete den Blick unverwandt auf den Flavier, als wolle er ihn mit seinen Augen durchdringen, bis ins letzte erforschen. Ein Gefährte? Das hatte der Flavier früher schon mal gesagt, doch er hatte es ihm nicht abgenommen. Zu zornig war er gewesen, damals, um ihm Glauben zu schenken.
    "Wirklich? - Das klingt sehr großmütig, Flavius Aquilius. Doch ich weiß nicht ob ich das kann. So wie die Dinge eben sind..."
    Sklave, Gefährte, das passte doch nicht zusammen, leider. Skeptisch furchte er die Stirn, und konnte auch nicht so ganz glauben, dass dem Flavier an seiner ehrlichen Meinung gelegen war. War das eine Falle? Argwohn flackerte in seinen Augen. Zumindest was römische Angelegenheiten betraf, war das freie Äußern seiner Meinung - wie er aus Erfahrung wusste - der beste Weg, sich jedwedes Wohlwollen gleich wieder zunichte zu machen. Und was war das mit dem Wahnsinn?


    "Wenn Du meine Meinung hören willst, werde ich sie Dir nicht verhehlen.", sprach er schließlich vorsichtig.
    "Und das andere kann ich versuchen - werde ich versuchen, natürlich - aber der Irrsinn ist ja ein tückischer Gegner. Willst Du dem fauligen Dunst des Sumpfes entgehen, solltest Du besser hoch in die Berge hinaufsteigen, wo die Luft eben klarer ist - denke ich.
    Ähm, und ein paar Sachen, weiß ich schon über euch. Ianus war mir jetzt kein Begriff, aber von ein paar Göttern weiß ich schon ein wenig die Namen. Wir hatten einen römischen Unfreien früher, der hat meinen Geschwistern und mir das beigebracht. Wie auch das Latein."

    Um den Feind zu kennen, und ihn damit besser zu bekriegen, natürlich. Aber das verstand sich ja von selbst.

  • "Humor?" antwortete ich, der Klang meiner Stimme war nun eisig geworden. "Du rennst mir davon, entführst meine Nichte, beschläfst sie und dann glaubst Du auch noch, ich dürfte mir angesichts Deiner eigenen Dummheit nicht ein gewisses Maß an Humor erlauben? Jeder andere Sklave wäre ans Kreuz geschlagen worden und die meisten Herren hätten mit Wonne und Vergnügen Deinem Leiden zugesehen, bis Du elend ausgeblutet und gargekocht unter der Sonne gehangen hättest, Severus! Wann geht endlich in Deinen dicken Germanenschädel die wichtigste Erkenntnis hinein - nämlich dass Dein Leben bei weitem nicht so schlecht ist, wie Du es redest! Willst Du lieber in Eisen laufen, wie es Dir eigentlich zukommen müsste? Es ist genug, und ich will Deine Meinung zu diesem Thema in der nächsten Zeit nicht hören müssen, sonst beginne ich wahrlich, meine Geduld mit jemandem, der sie nicht zu würdigen weiss, zu bereuen!"
    Ich erhob mich abrupt, den restlichen Worten meines Sklaven mehr als halbherzig lauschend, denn das Gespräch war mir nun ein für alle mal verdorben. Schätzungsweise hatte ich wirklich einen Fehler damit gemacht, ihn leben zu lassen, und dieser würde mein letzter sein und bleiben, was Severus anging.


    Ich erhob mich, streckte die Gestalt einen Moment lang, und wieder zwang ich die Maske der Ausdruckslosigkeit auf mein Gesicht, die mich in letzter Zeit so gut gekleidet hatte. "Lass Dir, was unseren Glauben angeht, einige Schriften in der Hausbibliothek aushändigen und arbeite Dich in die Thematik ein - wenn es notwendig wird, werden wir Deine Kenntnisse gemeinsam erweitern." Zu guter Letzt stellte ich den Weinbecher beiseite und schickte mich an, das atrium zu verlassen - meine Laune hatte sich nicht wesentlich gebessert, und eingedenk der Tatsache, wieviele Mitglieder meiner Familie zur Grausamkeit neigten, wenn es um Sklaven ging, sah ich es für angebracht, eine gewisse Distanz zwischen mich und Severus zu bringen. Was auch immer er noch sagen wollte, jetzt fehlten mir sowohl Lust als auch Geduld, es mir noch anzuhören - die Einsamkeit meines Arbeitszimmers würde hoffentlich den Tag zu etwas erträglicherem machen.

  • Auch der Germane sprang wiederum von der Kline auf, funkelte den Römer zornentbrannt an. Zum wiederholten Male zu hören wie der ihm sagte es sei doch alles gar nicht so schlecht, brachte ihn völlig zur Weißglut. Natürlich schwieg er nicht.
    "Du, Römer, hast keine Ahnung was Unfreiheit ist! Du weißt nicht was es heißt rechtlos, namenlos, wertlos wie irgendein 'Ding', eurem Gutdünken, Deinen Launen ausgeliefert zu sein! Ich war der Sohn eines Drichten, für euch bin ich niemand, nur Dreck unter dem Stiefel! - Hör mir doch zu! Ich rede mit Dir! "


    Er ballte die Faust, öffnete sie wieder, und schüttelte wild den Kopf. Seine Hand zitterte, als er sich wieder fahrig durch die Haare fuhr, dann völlig außer sich mit heiserer Stimme vorbrachte:
    "Ich habe bezahlt, dafür dass ich frei sein wollte! Ich habe gebüsst, dafür dass ich Arrecina raubte! Deine Leute haben mich halb abgestochen, endlos in einem finsteren, dreckigen Rattenloch verrotten lassen, mir das übelste Gezücht der Unterwelt auf den Hals gehetzt! Zuletzt hast Du mir genommen was mir noch blieb! Verdammt ja, Du ließest mir dieses elende Halbleben, und verdammt ja, ich war schwach genug es zu wollen! - Und Du sollst es nicht bereuen. - Aber Du, Flavier, maße Dir nicht an zu urteilen wie mein Leben beschaffen sei! Denn davon hast Du wahrlich keine Ahnung!"


    Auf dem Absatz machte er kehrt, stürmte zornig und vollkommen aufgewühlt in die andere Richtung davon, ebensowenig wie Aquilius darauf aus, dieses immer unerquicklichere Gespräch noch fortzusetzen. Seine malträtierte Kehle schmerzte auch schon.
    "Außerdem", warf er im Hinauseilen noch vorwurfsvoll über die Schulter zurück, "weißt Du doch ganz genau dass ich nicht lesen kann."

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