Hauptverhandlung Iud Imp II/DCCCLVII - Imperium Romanum vs. Appius Helevetius Sulla

  • Sullas Aussage konnte nur ein kurzes, gelangweiltes Aufschauen bei Mattiacus auslösen.


    Für ihn hatte die Zeugenbefragung genug erbracht und er wollte nicht, dass der Prozess länger Bühne für den Angeklagten werden sollte.


    "Ein letzter Sonnenstrahl" murmelte Mattiacus.

  • Durus saß auf der Verteidigerbank und lauschte den Worten seines Klienten. Hatte der Alte zu Beginn noch ebenso gebrochen gewirkt wie im Kerker, wo Durus ihn besucht hatte, schien er nun seine Energie zurückgewonnen zu haben und wetterte gegen den Imperator, die Verwaltung, selbst gegen seine Verbündeten.


    Zusätzlich ließ er es außerdem nicht aus, den Iudex Prior zu beleidigen und damit auch nur jedes Fünkchen von Wohlwollen zu zerstören. Dennoch...irgendwie beeindruckten die Worte des Sulla den Tiberier. Genaugenommen war es tatsächlich so, dass der Kaiser über jedes Recht erhaben war. Aber war er nicht vielleicht zu mächtig? Diese Gedankengänge wurden jedoch jäh vom Erscheinen des ersten Zeugen, einem Niemand aus der Provinz unterbrochen. Die Aussagen, die dieser zu Protokoll gab, waren ebenso undeutlich wie subjektiv, sodass Durus eigentlich erwartete, dass Sulla diese Anschuldigungen zerpflückte, wo er doch einen so gebildeten Eindruck machte.
    Aber wieder enttäuschte ihn sein Klient. Ohne auch nur eine Frage zu stellen ließ er es zu, dass der nächste Zeuge geladen wurde - und zugleich Durus' letzter Klient.


    Was nun kommen würde, fand Durus äußerst interessant.

  • Irgendwie entwickelte sich die Zeugenbefragung dann doch langweiliger, als Macer zuerst gedacht hatte, was seiner Meinung nach auch an der plötzlich wieder sehr passiven Haltung des Angeklagten lag. Erst hatte er noch mit Paragraphen geglänzt, jetzt verzichtete er auf eine Befragung. Was der dann vom Ankläger erfolgte Aufruf eines Zeugen sollte, der selber unter der Anklage des Hochverrates stand, konnte sich Macer genauso wenig erklären. Wenn dieser Mann schon vom selben Ankläger schwer beschuldigt wurde, dann sollte man eigentlich annehmen, dass dieser ihm sowieso kein Wort glauben würde. Wieder einmal glaubte Macer feststellen zu können, dass die Justiz eine ziemlich komplexe Sache sein konnte. Oder zumindest eine Sache war, die man mit wenig Aufwand ziemlich kompliziert machen konnte.

  • Obwohl Sulla sich schon quasi selbst demontiert hatte, wollte Mattiacus dennoch einmal Strabo verhören.


    Einerseits wollte er klären, wie weit die beiden unter einer Decke steckten. Zum anderen wollte er nocheinmal in aller Deutlichkeit die Culpa des Angeklagten vor dem Gericht heraustellen.


    Die, in manchen Augen hehren Ziele, des Angeklagten waren aus strafrechtlicher Sicht alles andere als ehrbar. Und das wollte Mattiacus von Strabo nocheinmal bestätigt wissen, damit es auch alle sahen.


    Obwohl nämlich alle wussten, dass sowohl Strabo als auch Sulla schuldig waren und sie verurteilt werden würden, sollte dennoch der Prozess sauber ablaufen und nicht als ein abgekartetes Spiel darstehen.
    Denn Mattiacus wollte sich nicht dem Ruf ausgesetzt sehen, als Ankläger unsauber gearbeitet zu haben und quasi nur ein pro forma Ankläger zu sein. Das ging ihm schon gegen seine Ehre als advocatus und Iurist.



    Also wartete Mattiacus gespannt darauf, was Strabo so alles zu erzählen hatte.

  • Sim-Off:

    Ich verkürze mal ein wenig.


    Nachdem der Richter ihm ein Zeichen gegeben hat und der Zeuge vereidigt wurde, begann Mattiacus mit seiner Zeugenvernehmung.


    "Pompeius Strabo, du bist hier in diesem Prozess Zeuge. Bitte schildere uns dein Verhältnis zum hier Angeklagten und sein Tun während der Tage des Aufstandes."


  • Etwas genervt rollte ich mit den Augen und zog die Luft scharf ein. Wie oft hatte ich diese Frage schon gehört?


    "Hat er das nicht bereits getan? Verdammt noch mal, schaut in die Prozessakten oder sogar in die Acta Diurna, da steht alles drin."

  • Mattiacus seufzte. Diese Zeugenbefragung gestaltete sich wohl schwieriger als er gedacht hatte. Er versuchte aber ruhig zu bleiben.


    "Klar könnten wir alles in der Acta und Prozessakten nachlesen. Dies hier ist aber eine mündliche Verhandlung und etwas anderes als Aktennachlesen."


    Bei mündlichen Prozessen kam es darauf an, was vor Gericht gesagt wurde, damit es vom Gerichtsschreibern protokolliert werden konnte. "Non est in acta, non est in mundi" hatten ihm seine Lehrer immer gesagt. Deshalb musste Mattiacus versuchen, doch etwas aus Strabo herauszubekommen.


    "Heißt das, dass du nicht auf meine Fragen antworten willst?"

  • "Na gut, dann eben nicht" dachte Mattiacus. Es war sowieso egal, ob Strabo noch was sagte oder nicht. Die Beweise gegen Sulla waren mit dem Geständnis so erdrückend, dass das i-Tüpelchen auch weggelassen werden konnte.


    "Wenn das so ist, keine weiteren Fragen." sagte Mattiacus zu den Richtern.

  • Als Strabo sich weigerte die Fragen zu beantworten seufzte Crassus kaum merklich. Als Zeuge hatte er ja eigentlich die Pflicht dazu gehabt. Aber irgendeine Strafandrohung oder der Vollzug so einer Strafe hätte auch keinen wirklichen Erfolg in diesem Fall versprochen. Deshalb ließ Crassus wie es war und nahm es hin:


    Möchte die Verteidigung versuchen auf die ein oder andere Frage eine Antwort zu erhalten?

  • Sulla war überrascht darüber, dass der Ankäger Strabo als Zeugen aufgerufen hatte. Noch mehr überraschte ihn aber das trotzige und unkooperativeVerhalten seines einstigen Weggefährten gegenüber dem Richter und dem Ankläger. Ein Feigling wie er hätte sich doch eigentlich anbiedern müssen. Sulla war trotzdem amüsiert und erfreut seinen zum Schluss feindlich gesinnten Mitverschwörer wiederzusehen. Deshalb begrüßte er ihn , nachdem ihm das Wort erteilt worden war, versöhnlich in einem spöttischen Tonfall


    "Decimus du sturer Hund. Dass ich dich hier noch einmal wiedersehe, hätte ich nicht erwartet. Na mal sehen, vielleicht haben wir in der Arena ja nocheinmal das Vergnügen haben Seite an Seite zu kämpfen. Ich will Dir dann auch deinen Verrat verzeihen."


    Er wendete sich dann wieder dem ganzen Saal zu


    "Es macht wohl keinen Sinn hier in einer Befragung entlastendes Material zu Tage fördern zu wollen, da ich mich ja wohl selbst nach der Meinung dieses von einem Tyrannen eingesetzten Gerichts bereits schwer belastet habe. Die Anklage mag vielleicht darauf spekuliert haben, dass wir uns jetzt wie zänkische Weiber gegenseitig demontieren und dem Publikum eine lächerliche Komödie bieten, an der es sich ergötzen kann, doch darin hat sie sich getäuscht. Ich habe keine weiteren Fragen"


    ZUm Publikum und auch zu seinem Anwalt gewandt fügte er hinzu.
    "Alldiejenigen, die glauben, dass ich hier jede Chance verspiele, meine Haut zu retten. Denen habe ich nur zu sagen: Wenn man etwas tut, was man für richtig hält, dann sollte man auch dazu stehen. Jede Kriecherei vor dem Gericht und jede erbämliche Bitte um Strafverschonung wäre zum Einen sinnlos, da die STrafe ohnehin beschlossen ist und zum Anderen auch hochgradig ehrlos."

  • Schön, dann ist der Zeuge auch ohne eine jede Frage zu beantworten wieder aus dem Zeugenstand entlassen.


    Die beiden Prätorianer näherten sich wieder Strabo und brachten ihn in einen Nebenraum. Da es Crassus langsam echt zu bunt wurde und ihn Sulla durch seine Wiederholungen langsam zu langweilen begann, beschloss er dem endlich ein Ende zu bereiten:


    Die Beweisaufnahme ist hiermit geschlossen. Die Anklage möge ihr Abschlußplädoyer halten.

  • Mattiacus nahm sich seinen Notizpergament zur Hand und begann mit seinem Abschlussplädoyer.


    "Wertes Gericht, werter Collega,


    wie schon im Fall "Decimus Pompeius Strabo" ist hier die Sachlage, die Tatumstände und die Schuld des Angeklagten klar und von niemanden bestritten. Im Gegenteil."


    Mattiacus machte eine kleine Pause und blickte dabei auf Sulla.


    "Der Angeklagte hat seine sogar Taten gestanden und uns seine Motivationsgründe in den schillernsten Farben beschrieben. Aus persönlicher Enttäuschung, falschem Ehrgeiz und Ehrlosigkeit heraus hat er unsere res publica gefährdet und meinte sogar noch, im Recht zu sein.
    Die Beweislast ist mehr als erdrückend. Sein Geständnis und die Zeugenaussage bestätigen seine Culpa, die nach § 58 CodIur der zentrale Anknüpfungspunkt unseres Strafens. Ohne Schuld keine Strafe ist der Grundsatz unseres Systems, über das Iustitia wacht.


    Der Angeklagte hat viel Schuld aus sich geladen. Zuerst war er Komplize von Strabo beim Aufstand in Hispania, dann hielt er allein die Zügel in der Hand. Brave Bürger wurden vertrieben, sakrales, privates und öffentliches Eigentum wurde durch Brandstiftung zerstört.


    Genau dies wäre der Zeitpunkt gewesen, um den Aufstand zu beenden und den Frieden wieder herzustellen,


    Aber nein........ dem Wahnsinn wurde kein Einhalt geboten


    Aus verblendeten Fanatismus heraus hat der Angeklagte das Spiel weitergetrieben und zu Vertreibung und Zerstörung kam Mord hinzu. Unschuldige Bürger, Aufständische und Prätorianer mussten ihr Leben lassen für die Ziele des verblendeten Angeklagten.


    Und anstatt sich seiner Veranwortung zu stellen, verhöhnt der Angeklagte auch noch die Rechtmässigkeit dieses Verfahrens.


    Mattiacus nahm ein Schriftstück von seinen Unterlagen heraus und verlass für das Protokol die eher trocken gehaltene Anklageposition:


    "In Anbetracht der Tatsache, dass der hier angeklagte Appius Helvetius Sulla geständig war und die Taten, die ihm in der Anklageschrift zulast gelegt wurden, bestätigt hat und keinerlei Reue noch Einsicht zeigte kann es nur eine Konsequenz geben. Der Angeklagte ist schuldig und verdient eine den Taten angemessene Bestrafung, deren Ermessen in der Weisheit des Gerichts liegt."

  • Dass die Anklage nach Annaeus Domitianus noch Pompeius Strabo in den Zeugenstand berief, überraschte mich sehr. Immerhin wurde ihm an anderer Stelle aus denselben Gründen der Prozess gemacht wie Helvetius Sulla; jenem Prozess hatte ich nun leider nicht beigewohnt, jedoch war dieser Pompeius ja nach allem, was gerüchteweise, aber auch in dem hiesigen Prozess über ihn zu hören war, ein charismatischer Redner. Dass man ihm - wie ich angesichts der eindeutigen Beweislage fand - ohne Not nun noch einmal die Gelegenheit bot, sich selbst darzustellen, erstaunte mich sehr. Aber vielleicht war es dem Ankläger darum zu tun, nach den entsprechenden Auslassungen des Helvetius keinen Anhaltspunkt dafür zu liefern, dass dieses Verfahren etwa voreingenommen sei; so wurde nun also auch noch der Zeuge Pompeius Strabo aufgerufen.


    Ich seufzte und lehnte mich zurück, da ich ja nun einen spektakulären Auftritt dieses Zeugen erwartete; und wer konnte es schon wissen: Vielleicht würde ich von seiner Rhetorik noch lernen können. Ich sollte mich täuschen; Pompeius Strabo sagte auf die Fragen des Anklägers hin kein einziges Wort. Als die Reihe, Fragen zu stellen, an die Verteidigung, mithin an Helvetius Sulla, überging, nutzte dieser die neuerliche Gelegenheit zum Reden zu erneuten Ausfällen gegen das Gericht und auch gegenüber den Zuschauern. Damit knüpfte er nahtlos an seinen indiskutablen Kommentar nach der Aussage des Zeugen Annaeus Domitianus an.


    Bei seinen letzten Worten hörte ich schon gar nicht mehr hin, sondern stellte mir vielmehr die Frage, wie es bei Helvetius Sulla zu diesem Stimmungswandel hatte kommen können. Immerhin war er mir anfangs ja als eine durchaus eindrückliche Persönlichkeit erschienen. Aber vielleicht war dieser Mann nach seiner Niederlage und der zermürbenden Kerkerhaft gebrochener, als es zunächst den Anschein hatte. War es ihm eingangs des Prozesses noch gelungen, sich zu fassen und seinen Überzeugungen - so schändlich diese waren - Ausdruck zu verleihen, so schien er in meinen Augen nun mehr und mehr in sich zusammen zu fallen. Diese letzte Anspannung eingangs des Verfahrens, die einhellige Ablehnung, auf die seine Äußerungen gestoßen waren - denn vielleicht hatte er im Stillen doch noch auf eine größere Anerkennung seiner Motive gehofft -, dies alles mochte dazu beigetragen haben, dass es ihm nun offenbar auf die Meinung des Gerichts und der Zuschauer nicht mehr ankam, ja, dass er sich darum nicht mehr scherte und dies, nur noch dies, Zuschauer und Gericht noch wissen lassen wollte.


    Dass der Ankläger dann in seinem Abschlusspladoyer ganz auf Rhetorik verzichtete und fast in der stoischen Manier des Cato Uticensis einfach nur die Fakten aufzählte, empfand ich gegenüber den letzten Ausbrüchen des Angeklagten als wohltuend. Wie würde der Verteidiger sich gebärden? Bisher hatte auch er sich ja sehr zurückgehalten, da Helvetius Sulla offenbar Wert darauf gelegt hatte, sich selbst zu verteidigen. Ich lauschte gespannt der Abschlussrede der Verteidigung.

  • Hätte Macer nicht sowieso gewusst, dass es mit seiner Menschenkenntnis nicht allzu weit her ist, hätte er das letzte Zutrauen in diese Fähigkeit spätestens jetzt verloren. In dem anderen Prozess hatte der dortige Angeklagte zuerst ein Schauspiel eines Wahnsinnigen aufgeführt und dann flammende Reden gehalten und jetzt gab er sich hier als Zeuge fast schweigsamer als die Zuschauermenge bei einer Opferzeremonie. Immerhin verhielten sich Gericht und Ankläger weitgehend wie erwartet, so dass Macer nicht ganz auf den Gedanken verfiel, dass aus dem anfänglich spannenden Prozess plötzlich auch ein sehr seltsames Schauspiel geworden war. Wenn jetzt noch der Angeklagte so reden würde wie zwsichendurch, hätte er immerhin eine Menge toller Rhetorik gehört.

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