[Grundausbildung] Probatus Lucius Quintilius Valerian

  • Als die Männer zurückkehrten, lächelte der Centurio. Mit welch einer Begeisterung sie herbeieilten und wie legionärisch sie dabei aussahen! Das waren seine Jungs!


    "Milites in aciem venite!"


    befahl der Centurio und sah nach einander in die Gesichter der Probati.


    "Wie gesagt, jetzt geht es an das praktische Einüben der Formationen. Die Linie kennt ihr bereits. Dabei stehen wir nicht besonders tief, nehmen dafür eine breite Front ein.


    Als nächstes gibt es die testudo, die Schildkrötenformation. Dazu bilden wir einen kompakten Block, 8 Mann breit und 10 Mann tief. Die vorderste Reihe hält ihre Scuta nach vorn, die linke Seite die ihren zur Seite und der Rest deckt mit seinen Scuta ein Dach über die Formation. Ich stehe dabei neben dem Block und dirigiere euch. Das üben wir gleich mal."


    Er ging ein paar Schritte zur Seite und brüllte


    "Testudoo!"

  • Das klang ja gar nicht so schwer und sie alle hatten das bei anderen schon gesehen. Valerian hatte insoweit Glück, daß er in der ersten Reihe stand und nichts anderes zu tun hatte, als ein wenig aufzurücken und den Schild so vor sich zu halten, daß die vorderen Schilde eine Wand bildeten. Auch die anderen Kameraden fanden schnell ihren Platz, sie waren es ja gewöhnt, daß sie zum Kolonne marschieren, andere Plätze einnehmen mußten.


    Als es jedoch daran ging, die mittleren Schilde über die Köpfe zu erheben, gab es ein ziemliches Durcheinander und Valerian war nicht der einzige, der mit der Kante eines Scutum schmerzhaft an den Kopf gestoßen wurde.


    Er quittierte das mit einem schmerzvollen Stöhnen, sagte aber sonst nichts dazu. Das würde eine Beule geben, so ein Ärger. Man hörte es von hinten klappern und leise fluchen, es wurde gestoßen und geschubst und verhalten geschimpft. Und insgesamt dauerte es viel zu lange, bis sie ihre "kleine" Schildkröte gebaut hatten. Denn sie waren ja keine 80 Mann wie es im Ernstfall sein würde.


    Endlich war Ruhe eingekehrt und es kostete Valerian Kraft, seiner Neugierde zu wiederstehen und sich nicht umzudrehen, um mal zu gucken, wie das ganze bei ihnen aussah.

  • Der Centurio sah sich das Durcheinander an, das sein Befehl erzeugte. Als die "Testudo" dann endlich vor ihm stand, ging er direkt an die vorderste Reihe und rüttelte heftig an dem Schild, das Valerian verdeckte. Sein vitis schnellte hervor und traf Valerian am Kopf, der glücklicherweise durch den Helm geschützt wurde.


    "Was ist das? Eine Testudo muss fest sein wie eine Schildkröte! Nochmal!"


    Er ging wieder ein Stück zurück.


    "Milites in aciem venite!"


    "Testudo!"

  • Es kam völlig unerwartet, daß der Centurio an dem Schild rüttelte. Und dabei so viel Kraft einsetzte! Valerian hielt sein Scutum zwar fest, doch die Überraschung war einfach zu groß gewesen. Schon traf ihn des Centurios vitis am Kopf. Hoffentlich hatte das jetzt nicht eine Delle im Helm gegeben! Ihm entfuhr ein weiteres schmerzvolles Stöhnen und er ärgerte sich natürlich darüber, daß er nicht besser festgehalten hatte. Beim nächsten Versuch würde ihm das nicht nochmal passieren!


    Die Linie war schnell wieder gebildet, das konnten sie wirklich gut. Doch dann galt es wieder, die Schildkröte zu versuchen. Auch das klappte jetzt besser, da jeder seinen Platz kannte. Und die Schilde waren auch schneller und ohne großartige Blessuren an anderen zu hinterlassen, an ihrem Platz. Fest hielten sie die Schilde aneinander und hofften, daß der Centurio nicht noch einmal durchkommen würde mit seinen "Angriff".

  • Auch diesmal hatte der Centurio eine Überraschung parat, als die Testudo so vor ihm stand:



    Er packte nämlich den oberen Rand eines vorderen Schildes und schwang sich aufs "Dach" des Gebildes. Das Scutum, das ihn nun trug, schwankte erst, stieß dann jedoch glücklicherweise auf dem senkrechten Scutum auf, sodass der Centurio sich zwar auf der schiefen Ebene rasch wieder an die Kante klammern musste, aber dennoch konnte er sich halten und richtete sich schließlich auf. Langsam stakste er über das Gebilde, stets bemerkend, dass der "Boden" immer wieder einknickte.


    "Das muss eine Testudo auf jeden Fall aushalten! Bei der Legio IX haben wir mal eine andere Testudo auf die untere draufmarschieren lassen - so fest muss das sein. Sonst bricht sie beim kleinsten Beschuss ein!"


    brüllte er von oben auf die Männer hinunter.

  • Verdammte Sch... Valerian zog unwillkürlich den Kopf ein und duckte sich noch mehr hinter sein Scutum. Er hörte den Kameraden hinter sich aufstöhnen, als der Centurio auf dessen Schild trat. "Halt durch! Festhalten!", raunte Valerian ihm zu und betete zu allen Göttern, der Kamerad möge das Gewicht des Centurio halten und nicht Schild und Centurio auf sich und Valerian purzeln lassen. Doch zum Glück ging der Centurio endlich weiter. Ein anderer Kamerad stöhnte auf und schien Schwierigkeiten zu haben, das Gewicht zu halten. Doch auch wenn der Boden für den Centurio hin und wieder schief und wackelig erschien, richtig einbrechen ließ ihn niemand, so schwer es auch war.


    Unwillkürlich fragte sich Valerian, wie die zweite Testudo wohl auf die erste hinaufgeklettert war. Und ob das Experiment damals geklappt hatte. Wie es sich anfühlte, wenn sie unter Beschuß gerieten, wollte er sich eigentlich gar nicht vorstellen. War es überhaupt möglich, richtigem Beschuß standzuhalten? Also was über Pfeile und Speere hinausging? Vielleicht sollten sie sich von erfahrenen Legionären mal das eine oder andere erzählen lassen. Wobei natürlich die Gefahr bestand, daß die maßlos übertrieben.

  • Alienus hatte sich an diesem Tag mal wieder auf dem Exerzierplatz eingefunden und beobachtete Centurio Petronius Crispus, wie er den Probati im wahrsten Sinne des Wortes aufs Dach stieg.
    Er lächelte amüsiert und machte sich ein paar Notizen auf seiner Wachstafel.


    Dann verließ er den Exerzierplatz wieder.

  • Nachdem er einmal die Testudo überquert hatte, sprang er auf der Rückseite einfach wieder hinunter und umrundete das ganze.


    "In aciem venite!"


    brüllte er unterdessen. Als alles wieder stand, begann er erneut.


    "Kommen wir zu einer weiteren Formation - der Reiterabwehr. Diese setzen wir ein...nunja, wenn wir eben auf berittene Gegner treffen. Die gewöhnliche Formation würde von einer Reitergruppe niedergeritten werden, also bilden wir einen Schildwall, der nicht mehr so leicht zu überspringen ist und den Pferden Angst macht.


    Dazu stellt die zweite Reihe ihre Scuta auf die der ersten Reihe - alles natürlich schön dicht und lässt ihre Pila aus den Zwischenräumen herausschauen. Natürlich muss das ganze gut halten.


    Also üben wir es."


    Er ging ein Stück zurück, falls jemand sein Scutum fallen ließ oder ungeschickt mit dem Pilum umging.


    "Schildwall!"


    Aus den Augenwinkeln sah er wieder den Tribun.

  • Ruckzuck hatten sie wieder eine Linie gebildet. Und ebenso schnell standen sie auch in zwei Reihen, denn das kannten sie von den Übungen mit dem Pilum. Doch diesen Schildwall zu bilden, erwies sich als nicht so leicht. Denn sie mußten ja sowohl das Scutum schön dicht an dicht und ganz fest halten, als auch dem Pilum die nötige Stabilität verleihen, daß es zur Not ein heranstürmendes Pferd aufspießen konnte. Die Probati gaben sich große Mühe, denn sie konnten sich schon vorstellen, daß der Centurio wieder die Festigkeit der Formation prüfen würde. Immer wieder korrigierten sie nach, hatten einfach den Kniff noch nicht so recht raus. Aber irgendwann sah das Gebilde gar nicht so schlecht aus.


    Valerian stand natürlich wieder in der ersten Reihe und hatte daher einen der unteren Schilde zu halten und sein Pilum schön rausragen zu lassen. Er war fest entschlossen, jedem Ansturm standzuhalten.

  • Als die Probati sich verschanzt hatten, hob Crispus den Arm. Das war das verabredete Signal für eine Handvoll Legionäre, die der Centurio sich bereitgehalten hatte. Sie schoben einen kleinen, einachsigen Karren hinter dem Tribunal hervor und schoben ihn immer schneller an, bis sie schließlich auf den Schildwall der Probati prallten.


    Crispus stand etwas abseits und verzog sein Gesicht beim Geräusch des Aufpralls - es klang so, wie er sich das Treffen von einem Pferd und einer Mauer vorstellte.

  • Sie hörten etwas quietschen und rumpeln. Und sehr schnell auf sich zukommen. Die Probati in der ersten Reihe, unter ihnen Valerian, tauschten panische Blicke. Sie stemmten sich fest gegen ihre Schilde, stützten sie mit den Beinen fest ab, rammten die Enden der Speere in den Boden, um ihnen mehr Festigkeit zu verleihen. Ja, fest wie eine Mauer sollten ihr Schildwall sein.


    Im letzten Moment erst sahen sie durch die winzige Ritze zwischen den Schilden, was es war, das da auf sie zuraste. Und schon prallte der Wagen gegen die Schilde. Es war ein Krachen und Splittern, begleitet von den entsetzten Schreien der Probati. Nicht nur der Wagen wurde bei dem Aufprall beschädigt, sondern auch zwei Schilde waren zerbrochen. Die dazugehörigen Probati lagen am Boden, leichte Schürfwunden an den Beinen. Doch sie rappelten sich sofort wieder auf mit ihren Speeren in der Hand, bereit, gegen einen Feind zu kämpfen, der natürlich nicht da war.


    Die Kameraden schlossen die Lücke, die durch die kaputten Schilde entstanden war, kaum daß sie entstanden war. Auch von ihnen hatten einige kleine Kratzer abbekommen, aber es war nicht zu ernsthaften Verletzungen gekommen.

  • Crispus war sehr erschrocken, welche Durchschlagskraft der Wagen erreicht hatte. Vielleicht hätte er doch nicht ausgerechnet diejenigen Legionäre auswählen sollen, die für ihr rigoroses Vorgehen gegenüber Neulingen bekannt waren...nunja, wenigstens war niemand verletzt.


    "Ausgezeichnet!"


    brüllte er überraschenderweise, denn sie hatten für diesen Aufprall gut reagiert.


    "So muss das halten. Zur Verfestigung nochmal!"


    "In aciem venite!"


    "Schildwall!"

  • Die Probati beeilten sich, dem Befehl nachzukommen, mit sichtlicher Freude über das unerwartete Lob. Die beiden Probati ohne Schilde übernahmen einfach gezielteres Aufspießen anstürmender Feinde durch die schmalen Ritzen zwischen den Schilden.


    Wieder stand der Schildwall und sie erwarteten einen weiteren Aufprall. - Von was auch immer. Sicher hatte der Centurio noch so eine Überraschung parat. Und wie sie ihn kannten, anderer Art. Daher lauschten sie und linsten durch die schmalen Spalte, um die neue Prüfung der Festigkeit des Schildwalls mindestens so gut wie die erste zu überstehen.

  • Doch der Centurio hatte diesmal leider nichts mehr zu bieten, sodass er nur selbst vor den Wall schlenderte und versuchte, mit seiner Körperkraft das Scutum wegzudrücken, was ihm allerdings nicht gelang. Also beschloss er, dass es gut war.


    "Na gut, können wir gelten lassen. Letzte Übung: Offene Formation. Dabei hat jeder mindestens einen gute Schritt Abstand zum Neben- und Hintermann. Ansonsten wie die übliche Schlachtenlinie. Auch das üben wir."


    Er ging ein paar Schritte zurück, da diese Formation ja einiges an Platz erforderte.


    "In aciem latam venite!" (In offener Formation antreten!)

  • Sie waren fast ein wenig enttäuscht, daß keine weitere ernsthafte Erprobung des Schildwalls erfolgte. Doch wenigstens hielt er auch den Versuchen des Centurios, ihn zu durchbrechen, stand. Und der schien damit auch ganz zufrieden zu sein, was die Probati nicht wenig mit Stolz erfüllte.


    Die neue Formation hörte sich nicht schwer an, sofort strebten die jungen Männer auseinander. Und doch brauchten die eifrigen Probati einige Minuten, bis jeder seinen Platz gefunden hatte und trotz des ungewohnten Abstandes die Linien gerade waren. Immer wieder wurde etwas nachkorrigiert, was die jeweiligen Nachbarn ebenfalls zum Nachkorrigieren zwang, doch dann standen endlich alle in vorbildlicher Haltung da und starrten nach vorne in Erwartung weiterer Befehle.

  • Der Centurio sah sich das ganze an. Soweit hatten sie es geschafft, aber jetzt...


    "Pergite!"


    ließ er sie losmarschieren. Das war das komplizierte an der Formation. Und natürlich noch etwas anderes...


    "Ad dextram!" (Schwenkt rechts!)

  • Die Probati marschierten also los. Der Gleichschritt war kein Problem. Aber die Abstände einzuhalten schon! Immer wieder schauten sie neben sich, ob noch alles paßte und allzu oft paßte etwas nicht. Dann der Befehl zum Rechtsschwenk. Einige drehten sich einfach auf dem Absatz, wobei sie in der Formation natürlich eine andere Position einnahmen. Andere wollten eine Kurve lafen und prallten nun gegen die, die sich einfach nur gedreht hatten. Valerian hatte sich auch einfach nur gedreht und wurde nun heftig von einem Kameraden angerempelt. Ein heilloses Durcheinander war die Folge und es dauerte wieder eine ganze Zeit, bis sie sich sortiert und die geforderte Formation wieder hergestellt hatten.

  • "Damit schafft ihr vielleicht, dass die Barbaren sich totlachen, aber nicht, dass sie tot werden!"


    brüllte der Centurio.


    "Die Äußersten müssen natürlich einen weiteren Bogen laufen, während die innersten sehr viel langsamer gehen!"


    erklärte er dann und versuchte es sofort nochmal.


    "In aciem latam venite!"


    "Pergite!"


    "Ad dextram!"

  • Das war jetzt aber wirklich schwierig! Die äußersten mußten demnach fast rennen, um ihren Bogen zu meistern und die inneren beihnahe stehenbleiben. Valerian fragte sich unwillkürlich, bei welcher eigenartigen Situation sie wohl mal in offener Formation um die Ecke laufen mußten. Es fiel ihm nichts ein, aber das mußte natürlich nichts heißen, er hatte im Feld ja keinerlei Erfahrung. Der Centurio würde schon wissen was er machte.


    Der zweite Versuch war noch nicht gut, aber wenigstens rannten sie sich nicht gegenseitig über den Haufen wie beim ersten Versuch. Die Linien gerieten schief und unregelmäßig. Doch als sie wieder auf der Geraden waren, hatten sie die Ordnung wieder hergestellt. Aber es war wohl nicht zu erwarten, daß der Centurio mit dieser Leistung zufrieden war.

  • Der Centurio seufzte. Bis jetzt hatte doch alles so gut geklappt! Naja, Übung machte ja bekanntlich den Meister!


    "Das ist ja...da fehlen mir die Worte! Das geht aber noch besser!"


    Und noch einmal ging das ganze vor sich.


    "In aciem venite!"


    "In aciem latam venite!"


    "Pergite!"


    "Ad dextram!"


    Inzwischen würden sie fast einen ganzen Kreis marschiert sein.

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