Atrium | Der Philosoph und der Priester

  • Gemächlich führte ein Haussklave mit einem recht nichtssagenden Gesicht den philosophischen Besucher in das Innere der flavischen Villa, welches eindeutig daraus aufgelegt war, einem Besucher klar zu machen, welche wichtige Stellung die gens Flavia noch immer in der römischen Öffentlichkeit einnahm. Reichgeschmückte Vasen, edle Hölzer und strahlend intensive Farben bestimmten das Innere der Einrichtung, und das geräumige Atrium hätte sicherlich auch gereicht, ungefähr hundert clientes der gens Flavia Platz zu bieten - wenn sie sich ein bisschen quetschen würden. So wies der Sklave Theodorus von Corinth schließlich im atrium selbst eine gepolsterte Sitzbank neben dem impluvium und meinte: "Ich werde dem dominus Aquilius sagen, dass Du angekommen bist - bis dahin musst Du Dich noch gedulden."
    Vorerst wurde dem Besucher noch nichts zu trinken angeboten, wohl auch wegen seiner Erscheinung, der Sklave rechnete anscheinend nicht damit, dass der Philosoph längere Zeit verweilen würde - so konnte man noch seine Schritte sich entfernen hören und urplötzlich war Theodorus von Stille umgeben, inmitten der lärmenden und lauten Stadt Rom.

  • Die Warterei vor der porta hatte sich wirklich gelohnt. Fasziniert vom Interieur der Villa konnte ich den Mund nicht mehr schließen. Soviel Luxus auf einmal hatte ich noch nie gesehen. Mein Staunen wandelte sich rasch in Begeisterung und ich nickte dem Sklaven bloß zu, während ich weiter all den Augenschmaus betrachtete, der sich mir bot. Alles handverlesen und von exzellentem Geschmack. Ich fühlte mich seltsamerweise sofort geborgen. Auch wenn dies Luxus war, so war er doch nicht verschwenderisch oder kopflos dorthin gestellt. Es war alles dort, wo es hingehörte und wie ich die patrizischen gentes kannte und schätzte, war hier nichts Neureiches zu finden. Diejenigen, die von Geld nichts verstanden, protzten gern mit nichtssagenden Dingen. Aber die Patrizier kannten ihre Herkunft und die galt es auch eloquent darzustellen. Dabei war aber doch eine gewisse Bescheidenheit und Klasse zu sehen. Ich wusste schon, warum ich die Patrizier dem Pöbel vorzog. Auch ein ehemalige Bettler war edel genug, das Edle und die Tugendhaftigkeit zu schätzen.

  • Ich ließ den philosophus ein klein wenig warten - zwar hatte mir der Sklave schnell Bescheid gesagt, dass ich Besuch hatte, aber es schadete nie, jemanden, der schätzungsweise zum ersten Mal die Villa Flavia besuchte, mit unserem doch recht eindrucksvollem atrium allein zu lassen, da es zumeist für den richtigen Einstieg in ein Gespräch sorgte. Zwar glaubte ich nicht, dass dieser spezielle Gast sich würde von teurem Interieur und Wandvergoldungen würde blenden lassen, wäre dies jedoch der Fall, hätte ich etwas weiteres über diesen Mann erfahren, das mir seine Worte vielleicht nicht unbedingt verraten würden.


    Angetan mit einer tiefblauen Tunika, die am Saum eine schlichte weiße Borte aufwies, begab ich mich schließlich zu meinem Besucher und begrüßte ihn so herzlich, wie man als Patrizier eben einen fast unbekannten Fremden grüßen konnte:
    "Salve, philosophus, es freut mich, dass Du meine Einladung so bald angenommen hast, und ich hoffe auf interessante Gespräche mit Deiner Person. Kann ich Dir den Aufenthalt hier angenehmer machen lassen, vielleicht mit einem Kelch Wein?"

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