Sinnend betrachtete Marcus die großen Zelte des tribunus und zum ersten Mal ging ihm auf, warum es doch vernünftig war, in die Politik zu gehen. Der Komfort war einfach sehr viel besser ab einem gewißen Rang. Wenn schon es ein Sprung des Luxus vom miles zum centurio war, so war sein Zelt doch mickrig mit dieser kleinen Ansammlung hier. Doch immerhin mußte man mit einigen Nachteilen als Gegenleistung rechnen- stundenlange, langweilige und monotone Reden, die kleinen oder großen versteckten Intrigen und die harten Bänke der Senatshalle. Mit sich nach oben wölbender Augenbraue vernahm Marcus die Antwort von dem Leibwächter, der- wie Marcus anerkennend fest stellte- sofort sie einordnen konnte.
„Der Tribun ist...?“
, hakte Marcus nach, doch schon bekam er die Antwort und ebenso den Tribun zu Gesicht. Mit dem Hauch von Neugier und Faszination betrachtete Marcus die Wildkatze, die derart zutraulich an der Seite des Tiberiers entlang lief und geschmeidig ihre Tatzen auf den trockenen Boden zu setzen vermochte. Doch das vergnügte Funkeln in Marcus Augen- was sich dort bei dem Anblick der Katze einschlich- erlosch sofort als er zu dem Tiberier sah. Kälte trat an die Stelle und Marcus deutete ein Nicken an, was gerade noch als höflich durchgehen konnte, aber nicht wirklich freundlich oder respektvoll war. Denn an seiner Achillesferse getroffen zu werden, das vergaß Marcus Zeit seines Lebens nicht mehr. Schweigend folgte Marcus in das Zelt hinein, nahm Platz und verschränkte- in einer unbewußt abwehrenden Geste- die Arme vor der Brust und seiner Rüstung.
Wie er es sich vorgenommen hatte, überließ er erst Mal Avitus die erste Rede und bereute es gleich darauf. Denn daß Avitus eine Tafel angefertigt hatte mit all den Vorschlägen, das bestürzte Marcus sehr. Er hatte keine, war er doch auf halben Fuß zum Abendessen erwischt worden und hatte vor der Besprechung keine Ahnung gehabt, was der primus pilus überhaupt zur Sprache bringen wollte. Unbehaglich rutschte Marcus auf dem Stuhl hin und her und fühlte sich wie in die Zeiten zurück versetzt als er mal einen besonders strengen Griechischlehrer hatte. Der einzige Grieche, der es geschafft hatte, bei Marcus etwas von Respekt zu erzeugen. Und stets, wenn Marcus seine Hausaufgaben vergeßen hatte, beschlich ihn so ein unangenehmes Gefühl der Kälte am Rücken und der Hitze an den Ohren- genau wie hier auch. Fast schon erwartete Marcus, daß sich tribunus Tiberius jeden Moment ihm zuwenden würde und mit strengem Blick auf eine tabula warten würde, die er- Marcus Flavius Aristides- mal wieder nicht hatte.
Marcus wußte nicht, wie der Becher mit Wein in seine Hände gekommen war, doch er war sehr froh darum und klammerte sich an dem Getränk fest. Den Wortwechsel der Beiden vernahm Marcus nicht wirklich, hörte zwar den einen oder anderen bekannten Namen- er war schließlich lange Zeit in derselben Zenturie gewesen- und erst als das Schweigen sich über die anwesenden Personen legte, merkte Marcus, der dieses Schulgefühl im Betrachten des schönen Tieres abzulegen versuchte, daß wohl alles gesagt worden war. So sah er von dem Luchs fort zu Avitus, dem er einen andeutungsweise vorwurfsvollen Blick zuwarf- der tabula wegen-, und dann zu Vitamalacus.
„Ja, also...“
Marcus trank noch schnell einen Schluck von dem edlen- und sogar gekühlten!- Tropfen- Geschmack hatte der Tiberier, das mußte Marcus insgeheim zugeben oder mehr, er tat es trotzdem nicht- und leckte sich über die trockenen Lippen, um sich zu faßen.
„Es sind in meiner Zenturie eigentlich nur zwei, die befördert werden sollen. Zum einen Iulius Sparsus zum tesserarius und dann noch Decimus Serapio vom probatus zum miles. Wir werden wohl doch recht bald auf den ersten Feindkontakt treffen und keiner meiner Soldaten sollte als probatus sterben.“
Da weder ein optio, noch ein centurio ernannt werden sollte und es sich doch um vergleichsweise kleine Posten handelte, hielt Marcus es nicht für nötig- zudem er meist eh Intuitiventscheidungen traf- seine Vorschläge noch näher zu kommentieren. Stattdessen sah er gleich zu Bruseus, damit dieser auch sein Anliegen vortragen konnte. Der dickliche Zenturio räusperte sich und wirkte noch sehr viel unbehaglicher als Marcus- obwohl er Marcus sicherlich zehn Jahre mehr Berufserfahrung voraus hatte.
„tribunus, ich muß leider zwei Fälle von Fahnenflüchtige melden. Die beiden Männer sind jedoch gestellt worden und nun im provisorischen Carcer untergebracht, tribunus!“