Die Schlafräume der Akroatai

  • Zitat

    Original von Nikolaos Kerykes


    Dieses mal war das Schicksal wirklich gnädig, auch wenn die ganze Situation noch nach hinten los gehen könnte. Wenn diese Trottel Erkundigungen einziehen würden, hätte er ein großes Problem. Aber warum so viele Gedanken an die Zukunft verschwenden, wenn man im Jetzt lebt. Als die Phalanx den Rückzug angetreten hatte, wandte er sich erneut an seinen Tutor und schüttelte nur leicht den Kopf. „Entschuldige bitte, ich baue nicht gerne Beziehungen auf Lügen auf, aber ich ordne mich solchen Menschen nur sehr ungern unter. Ich hoffe du verstehst das? Allerdings war es keine Lüge, als ich sagte, dass Theodoros dich zu meinem Tutor gemacht hat.“ Er lächelt verlegen und klopft sich den restlichen Staub von der Tunika ab. Wenn es an Ägypten zwei Dinge gab die er hasste, war es die Hitze und der viele Staub.

  • "Das verstehe ich durchaus. Du hast meine Hochachtung für diese kluge List.", antwortete Nikolaos lächelnd. "Jetzt werden dich die Kerle wohl in Ruhe lassen, das kann durchaus von Vorteil sein. Doch nun lasst uns über etwas angenehmeres sprechen als über diese Barbaren, denn sie sind ohnehin unverbesserlich. Darf ich fragen, welche Künste du hier lernen möchtest?", fragte Nikolaos. "Oder hast du dich noch nicht entschieden? In diesem Fall könnte ich dir vielleicht Ratschläge geben."

  • Antigonos nahm auf seinem Bett Platz und nickte leicht. „Ich will die Künste der Medizin erlernen und später eine kleine Praxis hier in Alexandria aufmachen. Bis dahin ist es sicherlich noch ein schwieriger Weg, aber ich glaube ihn meistern zu können.“ Er lächelt und betrachtete sein Gegenüber. „Nun, aber für Ratschläge bin ich immer offen. Welchen Künsten gehst eigentlich du nach?“ Neugierig betrachtet er ihn. Philosophie? Nein, so sah er nicht aus. Vielleicht wollte er Anwalt werden? Nein, dafür fehlte Nikolaos das gerissene. Oder irrte Antigonos sich?

  • "Habe ich richtig gehört, dass du später, nach Ende deiner Ausbildung in dieser berühmten Einrichtungen einen Laden eröffnen willst, in dem du deine Künste verkaufen willst? Ohne dir in deine Pläne hineinreden zu wollen, doch es ist sicher viel lukrativer, sich als Iatros einige reiche Patienten zu suchen, für die man Hausarzt spielen kann als sporadisch in einem kleine Laden arme Leute zu behandeln. Auch wird man sicher darauf bestehen, dass du nach deiner Ausbildung dem Museion als Philogos erhalten bleibst. Ich glaube, in den Künsten der Heilkunde kann man in sehr jungen Jahren schon diese Position erreichen." Er hatte da, nicht ohne einen leichten Groll, an Doros gedacht. "Am lukrativsten wird es sein, Privatarzt und gleichzeitig Gelehrter am Museion zu sein, denn durch das Ansehen, das du als Philogos genießen wirst, werden dir die wohlhabenden Schützlinge nur so zufliegen." Nikolaos lächelte zart. Seine Augen leuchtenden. Er nahm neben Antigonos auf dem Bett platz. "Verzeihung, ich vergaß dich um Erlaubnis dafür zu fragen, ich bin sofort weg, wenn du es wünschst- " Wieder ein zarte Lächeln. "Um auf deine Frage zurückzukommen, ich gehe sehr vielen Künsten nach, um zuerst einen Überblick über die Möglichkeiten zu erhalten. In welchen Künsten schließlich ich begabt bin, wird sich heraussstellen. Bisher hatte ich Berührung mit der Theorie der Musik, der Literatur und - etwas unfreiwillig- mit der Zoologie. Die Heilkunst kommt für mich hingegen eher nicht infrage, ich bin dafür zu schwach und weinerlich." Er grinste. "Doch ich bewundere jeden, der den Anblick von Krankheit erträgt."


    edit: Prädikat in einen Satz eingefügt, der zuvor keines hatte.

  • „Nein, Nein!“ Antigonos winkte lächelnd ab und versuchte sich zu erklären. „Eine Praxis in Alexandria, nicht im Museion. Außerdem würde ich meine Künste nie wirklich verkaufen. Ich will davon nicht reich werden, nur leben können. Außerdem, ich bin der festen Überzeugung, ein Jeder Mensch ob reich oder arm, hat das recht auf medizinische Versorgung. Wir lernen nicht für uns, sondern zum Wohle der Menschheit.“ Er wollte Nikolaos nicht vor den Kopf stoßen, aber beide hatten grundlegend verschiedene Anschichten zum Beruf eines Arztes. Antigonos versuchte sich vorzustellen, wie es wohl wäre, nur einen Patienten oder einen erlauchten Kreis zu behandeln. Der Gedanke jagte ihm Angst ein und er schüttelte sich unweigerlich. „Herrje, wie langweilig das wäre. Stell dir vor Hippokrates wäre kein Wanderarzt gewesen und hätte nur reiche behandelt… man muss einfach in die Welt und Erfahrungen sammeln, jene Erfahrungen, die keine Bücher oder Schriften liefern können.“ Als sein Stubenkamerad auf seinem Bett platz nahm, rückte er etwas weiter. „Schon in Ordnung.“ Meinte er knapp mit einladender Geste. „Theorie der Musik? Hm, ich stelle mir dies sehr langatmig vor.“ Er grinste und stellte sich bildlich vor, wie die Schüler erst die Musik spüren müssten, bevor sie selbst welche machen dürften. „Dieser grobe Klotz meinte vorhin, du wärst Beamter? Stimmt das?“ Neugierig musterte er seinen neuen Gefährten und versuchte aus ihm schlau zu werden.

  • Nikolaos schrak fast zusammen. Da hatte er doch glatt einen Idealisten vor sich, oder vielleicht Fanatiker? Dem anfänglichen Schrecken zum Trotz bewunderte er diese Einstellung. Er glaubte zwar kaum, dass Antigonos sie nach einigen Jahren immer noch haben würde, doch er wünschenswert wäre es natürlich.
    "Diese Haltung ist bewundernswert, ich muss zugeben, dass ich sie nicht hätte, wäre ich angehender Iatros, doch ich wäre auch ein schlechter iatros. Wenn das deine Entscheidung ist, so ist sie natürlich gut." Er lächelte zart. "Vielleicht aber würdest du dem Museion trotzdem erhalten bleiben. Auch hier werden arme Menschen behandelt, unentgeltlich." Dass sie - als nicht zu unterschätzender Nebeneffekt - dabei als Studienobjekte missbraucht wurden, erwähnte Nikolaos natürlich nicht. "War dein Vater Iatros, oder auf welche Weise bist du zu dem Willen, diese Kunst zu erlernen, gelangt?", fragte er, ernsthaft interessiert. Auf den Einwand mit der Erfahrung hin nickte Nikolaos. "Vielleicht hast du recht. Vielleicht bin ich schon zu sehr von der Anmaßung des Gelehrtens durchdrungen, der im warmen Zimmer hockt und Bücher wälzt." Er blickte nachdenklich drein.
    "Ja, ich bin Beamter, jedoch ein recht niederer. Ich bin - gewissermaßen durch Zufall - in Ermangelung eines anderen Kandidatens für diesen Posten Strategos der Stadt geworden."

  • „Mein Vater?“ Antigonos lachte kurz bitter auf. „Nein, mein Vater ist ein Händler. So wie sein Vater und dessen Vater. Da man mich diese Geschäfte nicht übernehmen lassen wollte, entschloss ich das zu tun, was mich schon immer reizte. Medizin.“ Kurz flammte in Antigonos wieder der Hass auf, welcher drohte, eines Tages sein ganzes Herz zu zerfleischen. Sein jünger Bruder, dieser Dummkopf, würde die Geschäfte und Betriebe seines Vaters übernehmen. Und das mühsam zusammengehaltene Erbe verprassen für Frauen, Wein und Opium. Und warum? Nur weil Antigonos einen verkrüppelten Fuß hatte. Er konnte es noch immer nicht glauben, wollte aber auch nicht weiter drauf eingehen. „Du bezeichnest den Posten des Strategos als niederen Rang? Du bist viel zu bescheiden.“ Meinte er und tätschelte belustigt die Schulter seines Stubenkameraden. „Du bist bestimmt ein Vorzeigebeamter.“ Dies war Antigonos seine ehrliche Einschätzung und er lächelte Nikolaos Aufmunternd zu.

  • "Vielleicht ist das auch besser für einen scharfsinnigen Verstand. Vom Geschäftemachen stumpft er möglicherweise schnell ab.", meinte Nikolaos. "Aber warum überließ dein Vater dir das Geschäft nicht? - nur wenn ich das fragen darf, falls nicht, weise die Frage augenblicklich zurück und ich werde zu diesem Thema schweigen." Nikolaos hatte eine Vorahnung der Geschichte eines Familienzwists, von dem er glaubte, Antigonos würde ihm sie gleich erzählen. Mit Familienzwistigkeiten kannte sich Nikolaos gut aus.
    Auf das Lob des Antigonos winkte er bescheiden ab. "Nun ja, ich bemühe mich, meine Pflichten zu erfüllen... ." Dann wechselte er das Thema. "Du sprichst eine sehr attische Koiné. Stammst du aus Attika?"

  • „Mein Vater…“ Fing Antigonos langsam an und betonte das Wort Vater übermäßig lang. „Er meinte, die Leute würden nie bei einem Krüppel einkaufen. Und so drückte er mir ein paar Sesterzen in die Hand und schickte mich in die Welt hinaus. Mein jüngerer Bruder soll die Geschäfte meines Vaters übernehmen…“ Mehr wollte Antigonos gar nicht dazu sagen, die Wunde schmerzte noch sehr und er macht es sich auf seinem Bett gemütlich. „Ich stamme aus Athen, um genau zu sein. Deine Familie lebt bestimmt schon seit Generationen hier in Alexandria, oder?“

  • Nikolaos hatte seinem Mitschüler aufmerksam zugehört. Er fragte sich, inwiefern Antigonos ein Krüppel zu sein glaubte, doch er wollte ihn nicht fragen. Es wäre ihm übermäßig neugierig vorgekommen. Als er merkte, dass Antigonos das Thema unangenehm wurde, bohrte er nicht weiter nach. "Das ist ziemlich dumm und gemein von deinem Vater, doch auch ich wurde gewissermaßen verstoßen.", sagte er. Dieses "gewissermaßen" war eigentlich nicht angebracht, Nikolaos war verstoßen worden. Doch er wollte es nicht so hart ausdrücken.
    "Nun, ich stamme auch aus Athen, und meine Eltern und Geschwister leben dort auch. Ursprünglich jedoch stammt meine Familie aus Eleusis - " Er lächelte. "- doch das ist im Grunde ja nur ein Dorf bei Athen. Wie lange bist du eigentlich schon aus Athen fort? Mich würde interessieren, was es dort neues gibt. Ich war schon beinahe ein Jahr nicht mehr dort." Seine Mundwinkel zuckten kaum merklich. Es bereitete ihm bittere Genugtuung, über Athen wie ein Fremder zu sprechen. Eines Tages würde er eine Reise dorthin unternehmen, eines Tages... . Er blickte kurz zu einem der Fenster des Schlafraumes hinaus. Das Gebäude lag im Schatten von knorrigen, alten Zedern, deren Oberfläche der Rinde wie die faltige Haut sehr alter Menschen war. Solche Bäume konnten beinahe ein Jahrtausend alt werden. Nikolaos wandte seinen Blick wieder Antigonos zu und versuchte, in dessen Gesicht zu lesen. Das Gesicht des Antigonos schien Nikolaos nicht so zart und fein zu sein wie sein eigenes, sondern gröber, kräftiger und auch gesünder. Er beneidete, aus einem unbestimmten Gefühl heraus, den Jungen und hätte gerne gewusst, warum. Nikolaos rieb sich die Hände. Sie waren eisig, wie meistens. Er glaubte, er würde erfrieren, wenn er eines Tages sterben sollte. Doch wo? Das Wann kümmerte ihn weniger. Das lag in den Händen der Schicksalsgöttinnen. Er würde eines Tages eine Reise machen. Denn er wollte nicht in dieser stinkenden, brodelnden, schönen Stadt enden. Als er noch im engen, kleinen Athen war, war ihm die Vorstellung der Stadt des Gottkaisers wie ein Traum vorgekommen. Als er in der Stadt des Gottkaisers angelangt war, hatte er einen platt getreteten Haufen aus Ziegeln, Marmor und Schmutz vorgefunden und sich eingesperrt gefühlt. Dann hatte er von der Stadt des göttlichen Alexanders gehört, nicht zum ersten Mal, doch zum ersten Mal hatte ihn die Vorstellung begeistert. Und nun war er hier und den Zauber hatte schon nach einigen Monaten der Wüstenwind zernagt, und die Schönheit war im Sumpf zerfressen worden, die Lust im Meer ertrunken.
    Ein weiterer Blick zu Antiogonos holte ihn zurück in den Schlafraum der Schüler des toten Epistates. Nikolaos war ein Schüler des Epistates gewesen und hatte es, für wenige Augenblicke, fast für eine Ehre gehalten. Ein feines Lächeln zog sich über sein Gesicht. Die Welt ist lächerlich., dachte er. Und allem voran: Nikolaos Kerykes aus Athen.
    Vor dem Fenster schwirrten Schmetterlinge in Farben wie von einem Maler angerührt. Es gibt nur einen Trost, den Trost im Gelächter., dachte er. Ein Windhauch fuhr durch die Zedern, seine zarten Ausläufer durch die offenen Türen und Fenster des Schlafraumes. Sie dufteten nach Salz.

  • Die erste Reaktion Nikolaos`auf das plötzliche Erscheinen des Gnorimos war Schreck, jedoch verbarg er diesen Schreck. Dann kam Ärger über den unfreundlichen Ton des beinahe-Mitschülers hinzu. Doch auch dies verbarg Nikolaos.
    "Sehr wohl", antwortete Nikolaos und erhob sich. Rasch verließ er den Schlafraum. Ohne auf den Gnorimos zu warten (falls dieser ihm folgen sollte) machte er sich auf den Weg zu Theodoros Arché.
    Auch wenn er den Gnorimos noch nicht richtig kannte, hatte Nikolaos schon beschlossen, ihn nicht zu mögen. Du Schönling, dachte er grimmig, ohne darauf zu achten, dass er im Grunde selbst ein Schönling war, wennauch seine Schönheit in letzter Zeit etwas gelitten hatte. Nikolaos wettete, dass der Gnorimos mehr Zeit für die Pflege seines wallenden langen Haupthaares aufwandte als für Studien. Doch schnell wichen diese Gedanken der Frage, was Theodoros wohl von ihm wollte.

  • „Nikolaos, ich bin froh einen Bruder in Dir gefunden zu haben. Wir teilen das gleiche, ungerechte, Schicksal.“ Er legte die Hand auf seine Schulter und dachte ernsthaft nach. „Aber der Tag wird kommen, an dem wir Triumphieren. Der Tag in dem sich der Stolz unserer Familien legen wird und Sie zu uns hinauf schauen muß. Da bin ich mir sicher.“ Er dachte wieder kurz an seine Familie und in seinem Herz flackerte Hass auf. Der gleiche Hass in seinem Herzen der ihm Antrieb und Kraft gab. „Drei lange Monate, mein Freund. Aber in Athen hat sich nicht viel getan. Es sind noch immer die gleichen Menschen wie damals… Sie werden es immer bleiben.“ Immer wieder bemerkte Antigonos den Blick seines Stubenkameraden. Immer wieder fielen seine verträumten Blicke auf das Fenster. „Du bist ein Träumer?“ Fragte Antigonos ernst, aber nicht unhöfflich. „Ich bewundere diese Fähigkeit, ich möchte auch aus dieser Welt entfliehen für wenige Augenblicke und woanders sein.“ Er grinst und mustert ihn. „Weshalb hat deine Familie Dich ins Exil geschickt?“

  • Nikolaos war überrascht über den plötzlichen Ausdruck von Zuneigung, den Antigonos ihm entgegenbrachte. Ein feines Lächeln zeichnetete sich auf seinen Lippen ab. War dieses Lächeln gar Ausdruck echter Sympathie? Nikolaos hatte es sich angewöhnt, mit seiner Freundschaft zu geizen. Doch diesem Jungen, Antigonos, konnte Nikolaos keinen missbräuchlichen Verwendungszweck zuordnen und somit konnte er ihm völlig ohne Hintergedanken entgegentreten. Ohne Hintergedanken? Doch, da war dieses stechende Gefühl von Neid. Worauf nur? Nikolaos hatte während des bisherigen Gesprächs nach Gründen gesucht und keine klaren Gründe gefunden. Er würde weiter suchen müssen.
    Es gefiel ihm, dass er offenbar einen weiteren Verstoßenene gefunden hatte.
    "In deinem Fall ist dieses Schicksal ungerecht", meinte Nikolaos. "Doch bei mir selbst habe ich Zweifel." Er sah den Jungen an. "Ich glaube nicht, dass irgendein Keryke je zu mir aufschauen wird.", meinte Nikolaos, mit einem Anflug von Bitterkeit. Dann lächelte er. "Mir reicht es, wenn ich in Alexandria Fuß fassen sollte.
    Auf die Antwort des Antigonos hin nickte er. "Ja, Athen ist im Grunde auch nur ein Bauerndorf mit ruhmreicher Geschichte. Ich vermutete, meine sich selbst als vornehm bezeichnende Sippe hat ihren Ursprung auch nur bei zu Wohlstand gekommenen Bauern."
    Hatte Antigonos ihn da gerade seinen Freund genannt? Nikolaos beschloss, in Zukunft noch besser auf die Worte und die Regungen des Antigonos zu achten.
    Mit der Bezeichnung Träumer hatte es sein Mitschüler gut getroffen, musste sich Nikolaos eingestehen. Antigonos hatte sein Gegenüber seinerseits wohl auch gut beobachtet. Eigenartigerweise schmeichelte Nikolaos dies. Antigonos schien mit sehr empfindlichen Instinkten ausgestattet zu sein. Dieser Umstand ließ ihn in Nikolaos Augen noch liebenswürdiger werden.
    Die Frage nach dem Grund seines Exils war Nikolaos sehr unangenehm. Er hatte noch nie jemanden darüber die Wahrheit erzählt, höchstens eine abgeschwächte und beschönigte Version der Wahrheit. Doch was Wahrheit war, konnten das im Grunde nicht lediglich die Götter wissen (und die auch nur teilweise und eingeschränkt)? Da die Sprache ein Instrument der Täuschung ist, ist doch im Grunde alles, was über sie vermittelt wird, Unwahrheit. So versuchte Nikolaos, die Geschichte wenigstens in die Nähe der Wahrheit zu rücken, doch dabei sich zu schonen.
    "Es ging um einen gewissen Menschen, der entfernt mit mir verwandt ist... ." Ein kalter Schauder durchzog Nikolaos. Ein gewisser Mensch. Er war feige. Er hätte sie beim Namen nenne können, diese diffuse Person, diese... Er hatte sie einst beim Namen genannt. In wessen Gegenwart? Auf diese Frage fand er keine Antwort mehr. Er war weniger vertrauensselig geworden. Doch Antigonos konnte er doch vertrauen? Aber Antigonos war Athener! Er kannte diese gewisse Person möglicherweise. Wahrscheinlich! Sie war ihm sicher ein Begriff!
    "Ich habe diese gewisse Person mit ihrer eigenen Mithilfe entehrt und ins Unglück gestürzt.", schleuderte sein Mund ohne seinen direkten Willen aus dem gequälten Hirn dem Antigonos entgegen. "Das Grausame ist, dass mir diese gewisse Person sehr wertvoll ist. Und dass ich nicht weiß, was aus ihr geworden ist." Da kam ihm ein toller oder gar tollwütiger Gedanke. Antigonos kam aus Athen - und war bis neun Monate nach Nikolaos überstürzter Abreise dort gewesen!
    "Hast du möglicherweise etwas über das Schicksal einer gewissen Kerkyra gehört...?", fragte er, beinahe ängstlich.
    Ich muss wahnsinnig sein, dachte Nikolaos voller Scham. Ich muss wahnsinnig sein... .

  • „Kerkyra sagst Du?“ Antigonos überlegte angestrengt und schüttelte seinen Kopf nach kurzer Zeit. „Leider nein, ich hatte nicht viel Kontakt zur Gesellschaft, wenn Du verstehst? Meine Mutter hätte Dir das bestimmt sagen können. Sie ist ein richtiges Tratschweib
    … und diese Kerkyra, ich nehme an Du hattest ein Verhältnis mit ihr? Was ist passiert?“
    Antigonos war ein sehr Neugieriger Mensch, auch wenn er jene Eigenschaft mehr als Laster ansah.

  • Nikolaos zog laut Luft zwischen seinen Lippen hindurch. Antigonos drang noch tiefer in für ihn gefährliche Gebiete ein. Nikolaos würde ihm nicht dorthin folgen. Er reiste gerne, doch um auf einer Reise sein Leben zu riskieren, fühlte er sich zu jung. Doch wie konnte er Antigonos zurücklocken?
    Die offen geäußerte Vermutung, die an eine Unverschämtheit grenzte, brachte Nikolaos gewissermaßen in eine Zwangslage. Er musste etwas darauf antworten. Allerdings wollte er sich seinen neuen Mitschüler nicht zum Feind machen. Dafür wusste dieser nun zuviel über Nikolaos.
    "Diese Kerkyra war nicht irgendeine metoika*, sondern ein anständiges Mädchen und ein anständiges Mädchen hat in den meisten Fällen einen Vater.", sagte Nikolaos bedächtig. Er hatte sich jedes Wort zurecht gelegt. Mehr würde er nicht sagen. Diese Andeutung sollte seinem neuen Freund genügen.
    Schande über mich! dachte Nikolaos.



    Sim-Off:

    *verweiblichte Form von metoikos, also in der Stadt ansässiger Ausländer ohne Bürgerrecht, eigentlicheher ein neutraler Begriff, für einen so snobistischen Athener wie Nikolaos hat das aber einen Anklang von "Unterschicht" ;)


    edit: SimOff eingefügt; edit II: Zeichensetzung

  • „Die Liebe…“ Meinte Antigonos verständnisvoll, obwohl eine kaum merkliche Spur Spott Mithineinfloß. „Für sie führen wir Kriege oder gehen ins Exil.“ Antigonos wusste, dass er seinen Stubenkameraden nicht aufheitern konnte, also beschloss er, dass Thema ruhen zu lassen. Antigonos konnte sich nicht vorstellen, ein solches Opfer zu bringen. Eine Frau zu lieben. Aber vielleicht würde er einmal seine Meinung ändern. Für ihn gab es nur eine wichtige Person in seinem Leben, dass war sein kleiner Sohn in Athen. Die dazugehörige Frau war es nicht Wert, dass man auch nur einen Gedanken an ihr verschwendete. „Es ist ganz schön heiß, wollen wir in die Therme, Nikolaos?“

  • Nikolaos wurde etwas nervös, als Antigonos das Thema weiterzuführen schien. Dann jedoch schlug der Junge einen Besuch der Thermen vor, dieser Wechsel des Gesprächsinhalt ließ Nikolaos wieder Boden unter den Füßen gewinnen.
    "Das ist ein ausgezeichneter Einfall, werter Antigonos. Das Gymnasion ist von hier nicht weit, dort gibt es ein öffentliches balaneion. Wir können von mir aus sogleich aufbrechen.", antwortete Nikolaos, wieder im Besitz seiner ursprünglichen Sicherheit im Umgang mit den Worten.

  • Leonidas hatte all seinen Kram in den Händen als er das Zimmer betrat, welches von dem Sonnenlicht hell erstrahlte. Er schaute nach einem freien Schlafplatz um und legte dort seine Sachen ab, um dann schnellstmöglich zum Unterricht zu gelangen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!