Auf dem Weg zum Veneficium

  • Vom Palatin wegzukommen war ja gar nicht so schwer, das zwielichtige Gesocks hing ja auch viel lieber unter seinesgleichen in der Suburba rum. Aber je näher wir dem Markt kamen, desto mehr besoffene Halunken kreuzten vor uns die Straße, bettelten weggetreten um eine Hand voller Asse für ein neues Bier oder lagen einfach schnarchend in der Gosse. In einer kleinen Sackgasse vergnügten sich zwei Männer mit einer Lupa. Ich war diese Dinge zwar nicht unbedingt gewohnt, kannte aber doch die Stadt bei Nacht. Die Städte am Vesurgis im freien Germanien waren nicht sonderlich anders als das nächtliche Rom. "Los, weiter", trieb ich die Damen an, und Sabaco machte zweimal scheuchende Bewegungen mit den Händen.


    Kurz vor dem Markt bog ich nach rechts in eine Seitengasse ein, die uns über kurz oder lang in die Suburba führen wurde. Allmählich wurden die Häuser schäbiger, die Straßen schlechter und der Gestank nahm zu...

  • Der Mond schien in seiner vollen Pracht und so musste die kleine Gruppe ihren Auftrag wenigstens nicht in tiefster Dunkelheit durchführen. Beinahe lautlos huschten sie durch etliche Straßen und Gassen. Noch nie zuvor war Minna nachts in Rom unterwegs gewesen und dementsprechend unheimlich empfand sie das Ganze. Zum Glück war sie nicht allein, besonders die Anwesenheit von Fiona und Nordwin beruhigte sie ein wenig.


    Je weiter sie sich von der Villa entfernten, desto verkommener wurde die Gegend. Als sie schließlich in der Suburba unterwegs waren, blickte sie sich vorsichtig umher. Erstaunt darüber, was sie hier alles so entdeckte, wurde sie langsamer. Sie hatte Rom bisher nur von seiner prachtvollen Seite gesehen und von dieser war sie schwer beeindruckt gewesen. Doch hier hatte nichts mehr einen prachtvollen Eindruck. Die ganzen zwielichtigen Gestalten, die sich noch zu so später Stunde in den Gassen herumtrieben, machten ihr Angst. Diese Stadt schien nie zur Ruhe zu kommen. Sie beschleunigte wieder ihren Gang umso näher bei Nordwin zu sein und mit ihm Schritt halten zu können. Hoffentlich waren sie bald an ihrem Ziel angekommen.

  • Samira sprach bisher kein Wort, weil sie noch immer von bösen Vorahnungen verfolgt wurde. Sie konnte sich nicht des Gefühls erwehren, mit Leuten voller Unkenntnis über Rom bei Nacht unterwegs zu sein. Im Grunde war ja auch genau das der Fall. Keiner ihrer Begleiter war Römer, niemand lebte lange genug hier oder wusste Bescheid über die Nachtpatrouillen, die in Falle des Schlammmassels noch das kleinere Übel waren. Sie hoffte nur noch, lebend in die Villa zurückzukehren.


    Irgendwann nach langem Fußmarsch tat sich ein Hinterhof auf, bei dem eine abgenutzte Tür die Blicke auf sich zog. Samira schaute sich argwöhnisch um, damit sie die Laute zuordnen konnte, die auf die eindrangen. Das Schreien kam offensichtlich aus dem Häuserblock nebenan, das Klirren von Blechgeschirr aus dem Stockwerk über dieser Tür. Langsam sank Samiras Blick auf Augenhöhe, sie hypnotisierte diese Tür, weil dahinter sowohl eine normale, aber arme Familie leben konnte als auch ein Halsabschneider, ein gesuchter Bandit, ein Mörder oder Sklavenfänger. Und doch trat sie schließlich hervor, denn ohne erste Nachfrage würde sie nie an das Gift kommen.


    Sie hob den Arm, zögerte nur flüchtig und klopfte mit den Fingerknöcheln an.

  • Die Gegend in die sich die claudischen Sklaven vorwagten, wurde immer übler, dreckiger und unheimlicher. Das war die andere, unschöne Seite des prachtvollen Roms. Hier hauste der Abschaum dieser Stadt.
    Schließlich erreichten sie einen Hinterhof.
    Samira ging auf eine Tür zu und klopfte. In diesem Moment war Fiona froh darüber gewesen, daß sie nicht auf Nordwins Rat gehört hatte und ihr Messer doch mitgenommen hatte. Damit fühlte sie sich einfach sicherer.
    Unter ihrem Umhang hielt sie das Messer mit ihrer rechten Hand fest umschlungen. Jederzeit bereit es auch totbringend einzusetzen!

  • Sharif und Sabaco sicherten den Hof, als Samira vortrat und klopfte. Eins musste man ihr lassen, sie war ganz schön mutig, unf das für so ne kleine Frau. Mit vor der Brust verschränkten Armen bezog ich hinter ihr Stellung und wartete darauf, welche Gestalt uns da wohl öffnen würde, der kleine Bucklige Kerl oder die große, ungepflegte Schranze? Meinen Soll hatte ich ja erfüllt und die Damen sicher hierher gebracht.


    Natürlich hatte ich Minnas ängstliches Verhalten bemerkt. Männer riechen sowas ja, Angstschweiß der Opfer, sozusagen. Und ich gab mich natürlich auch als großer, beschützender Germane, der ich schließlich auch war. Als Minna da so neben mir stand, beugte ich mich leicht seitlich zu ihr und sagte, ohne die Tür aus den Augen zu lassen: "Keine Angst, ich werde dich beschützen." :]

  • Samira schaute sich noch einmal zu ihren Gefährten um, bevor sie wieder die Tür fixierte. Sie hoffte, sie würden hier nicht an die falschen Leute geraten und ihr Leben sei in Gefahr. Gleichzeitig verspürte sie aber auch Angst, jemand von ihren Begleitern könne die Nerven verlieren und unüberlegt handeln. Hoffentlich führte Fiona nicht ihr Messer mit. Das Führen von Waffen war in Rom verboten, jedermann wurde verhaftet, der eine Waffe bei sich trug.


    Nordwin hatte sich jedenfalls hinter ihr aufgebaut und vermittelte ein Gefühl von Sicherheit, als sie schlurfende Schritte hörte. Kurz darauf öffnete sich mit einem knarrenden Geräusch die Tür und eingehüllt in eine Wolke aus billigem Fusel, Opium und Schweiß quoll eine Fettleibige aus der Tür, deren Geschlecht man erst auf den dritten Blick zuordnen konnte. Samira musste den Kopf heben, um ihr in die Augen sehen zu können.


    „Äh, salve“, murmelte sie verschreckt, riss sich aber sofort am Riemen, denn schließlich wollte sie ja etwas erreichen. „Ich brauche ein hochwirksames Gift, ich zahle gut“, fügte sie mit fester Stimme an und wich auch dem Blick der imposanten Schranze nicht aus. Die musterte die vor ihr stehenden Personen, in denen sie ohne größere Schwierigkeiten Sklaven aus einem wohlhabenden Haushalt erkannte.


    „Zwei dürfen rein, der Rest muss warten“, bestimmte sie und trat in das Dunkel des Raumes zurück.


    Samira konnte unmöglich draußen bleiben, schließlich war es ihr Auftrag, also trat sie mit zur Schau getragenem Mut vor, obwohl ihr Magen gerade vor Angst wahre Überschläge fabrizierte. Sie hielt die Luft an, weil es dermaßen in dem Verschlag stank.
    Wer ihr letztlich folgte, beachtete sie nicht, sie hörte voller Aufmerksamkeit auf die Erklärungen der Alten, die womöglich kaum älter als Samira war.


    „Ich hab was Todsicheres für euch, gewonnen aus verrotteten Vipern. Das Opfer erbricht Galle, seine Haut wird kalt und blau, schwarzer Schaum tritt aus Wunden aus. Wäre das passend?“


    Sie hielt ein Tongefäß zur Betrachtung hin, das man bei der mangelhaften Beleuchtung eher erahnen als sehen konnte, und öffnete für einen Moment den Verschluss. Der faulige Geruch des Saftes schlug Samira ins Gesicht, die sofort husten musste. Zwar fragte sie sich, wie dieses Mittel unbemerkt zu verabreichen war, aber immerhin erfüllte es seinen Zweck. Offensichtlich bestand die Substanz nicht nur aus tödlichen Toxinen, sondern auch aus Myriaden gefährlicher Bakterien. Sie nickte auf die Frage der Frau hin.

  • Die Tür öffnete sich und Fiona konnte eine Frau erkennen, die man allerdings eher hätte als Fleischklops bezeichnen können, denn sie war fett und sah ziemlich heruntergekommen aus.
    Samira kam direkt auf den Punkt und fragte sie nach dem Gift.
    Natürlich konnte man solche Geschäfte nur hinter geschlossenen Türen führen. Deshalb bestimmte die Frau, daß nur zwei von ihnen ins Haus kommen dürften. Samira trat sofort ein, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Fiona sah zu Minna hinüber. Doch die machte ihr eher den Eindruck, als würde sie lieber draußen bei Nordwin bleiben. Das konnte zweierlei bedeuten. Doch jetzt war nicht die rechte Zeit, darüber nachzudenken. :D
    Daraufhin folgte Fiona der anderen Sklavin ins Haus der Giftmscherin, immer noch darauf bedacht, im rechten Moment ihr Messer ziehen zu können, falls dies notwendig sein sollte. Sie wußte mittlerweile auch, daß es verboten war, in Rom Waffen zu tragen. Als Sklavin erst recht nicht. Doch wo kein Richter, da kein Henker! Und hier in dieser heruntergekommenen Gegend sowieso nicht.

  • Als Samira bereits Luft holte, um nach dem Preis zu fragen, musste sie zunächst die Ungewissheit über die Verabreichung dieses Giftes klären.


    "In welcher Weise wendet man denn dieses Gift an? Es scheint mir übel riechend und daher vermutlich auch geschmacksintensiv zu sein."


    Die Fettleibige zuckte mit den Schultern und antwortete in einem abfälligen Schnarren, das selbst für geschulte Ohren der lateinischen Sprache eine Herausforderung war. "Es muss in die Blutbahn gelangen, am besten über eine Wunde. Ein getränkter Pfeil wäre tödlich, ein Kratzer hingegen birgt die Unsicherheit der Unterdosierung."


    "Hmhm", entgegnete Samira nur, die sich das Ganze zwar etwas anders vorgestellt hatte, aber von der Schilderung der Wirkweise noch immer beeindruckt war. "Gut, dann nehme ich es. Was soll diese Gefäß denn kosten?"


    Samira bemerkte erst jetzt, dass ihr Fiona gefolgt war, wurde aber sofort wieder abgelenkt, weil die Schranze mitsamt ihrer abstoßenden Duftwolke sich zu ihr beugte und den Preis ins Ohr flüsterte, oder vielmehr spuckte. Samira unterdrückte ein Schütteln, öffnete stattdessen den Lederbeutel und zählte die Münzen lautlos, die sich mehr gefühlt als gesehen aus dem Behältnis fischte. Da der Preis stattlich war, sparte sie sich ein Trinkgeld obendrauf, sondern zog den Beutel am Schnürchen wieder zu. Anschließend hielt sie die Hand auf, sie wollte die Giftmischung empfangen.

  • Nachdem sie hinter sich die Tür geschlossen hatte, beobachtete sie, wie Samira mir der fetten Giftmischerin verhandelte.
    In dem Raum, in dem sie sich befanden, stank es fürchterlich. Sie wollte im Augenblick gar nicht darüber nachdenken, wonach es stank.
    Sie fragte sich nur, für wen wohl dieses Gift bestimmt sein würde. Wer hatte es verdient, so jämmerlich zu sterben?
    Doch die Antwort auf diese Frage würde ihr sicher für immer verwehrt bleiben.
    Schließlich kamen die beiden zum Abschluß. Samira holte einige Münzen aus ihrem Beutel und erwartete im Gegenzug das Gift zu erhalten.

  • Der Austausch von Geld und Ware erfolgte schnell. Samira warf Fiona einen Blick zu, der besagte, sie wollte jetzt auf schnellstem Wege dieses Haus und die Gegend wieder verlassen.


    "Salve!", sagte sie zum Abschied und hoffte, hier nicht noch einmal herkommen zu müssen. Bevor sie zur Tür schritt, legte sie ein Ende der Palla um das Tongefäß, um dieses vor der Sicht anderer zu schützen. Anschließend hielt sie schnellen Schrittes auf die Tür zu, öffnete sie und trat mit einem erleichterten Atemzug nach draußen.


    "Nichts wie weg. Ich möchte auf dem schnellsten Wege nach Hause."

  • Fiona entgegnete Samiras Blick ein kurzes wortloses nicken und folgte ihr. Sie war auch froh, so schnell wieder aus dem stinkenden Loch herausgekommen zu sein.
    Vor der Tür warteten immer noch Nordwin und Minna.
    "Kommt, laßt uns schnell zurück zur Villa gehen! Samira hat alles, was sie braucht!"
    Daraufhin setzte sie sich in Gang. Die Villa würde sie zwar niemals wirklich ihr zu Hause nennen können, doch dort war es im Moment auf jeden Fall sicherer als hier.

  • Minna, die in der Zwischenzeit zusammen mit Nordwin und den beiden anderen claudischen Sklaven die Stellung gehalten hatte, atmete erleichtert aus, als Samira und Fiona nach einiger Zeit unversehrt wieder heraustraten. Sie hatte sich schon Sorgen gemacht, denn sehr vertrauenserweckend hatte diese wuchtige Frau ja nicht ausgesehen.


    Vorsichtig blickte sie umher. "In Ordnung, lasst uns gehen." Nun wollte auch sie nur noch zurück zur Villa. Zum Glück hatte alles geklappt.

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