Die anwesenden Herrschaften speisten gerade, und so hielt Leone es für ratsam, den Besucher in das kleinere der beiden Speisezimmer zu führen, damit er von seiner Ankunft künden konnte. So trat er denn hinzu, warf einen entschuldigenden Blick in die Runde und hob zum Sprechen an. "Verzeiht die Störung, doch hier ist jemand, der euch zu sehen wünscht." Unter normalen Umständen hätte der ianitor einen Besucher zu warten angewiesen, doch dies hier war kein normaler Besucher, sondern ein Familienmitglied, das nach langer Reise endlich wieder daheim war. Er lächelte und trat sodann dezent zur Seite, um Ursus' Blick freizugeben. Er erteilte Dina die Anweisung, schnell noch ein Gedeck zu besorgen, und dann begab sich Leone wieder auf seinen Posten bei der porta, um den Verladevorgang zu überwachen.
cenatiuncula | Ursus' Ankunft
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Nachdem Leone beiseite gegangen war, betrat Ursus den Raum. "Salvete", grüßte er lächelnd und schaute in die Runde. Da waren sie ja alle und er staunte, wie sich alle verändert hatten. Vermutlich ging es ihnen mit ihm nicht anders, denn in den letzten Jahren war er vom Jüngling zum Mann gereift.
Da Corvinus nun ja als Hausherr galt, - etwas, das Ursus nicht unerheblich wurmte, - blieb sein Blick schließlich auf ihm haften. "Habe ich euch so erschreckt, daß es euch die Sprache verschlagen hat?", lachte er amüsiert, während die hübsche Dina für ihn ein Gedeck auflegte.
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Ich tupfte mir gerade den Mund mit einem Tuch ab und prahlte vor jenen, welche das Mahl mit mir teilten, wie einfach Cotta doch im Ringen zu besiegen war, als Leone eintrat. Grinsend führte ich eine Traube zum Mund und kaute sie, während der Sklave eine geheimnisvolle Ankündigung machte, die mich verwundert einen Blick mit meinem Gegenüber tauschen ließ.
Doch kaum war Leone zur Seite getreten, wusste ich, warum er nicht deutlicher geworden war: Er wollte die Überraschung wahren, und die war sowohl ihm als auch Ursus gelungen. Ich hielt im Kauen inne und betrachtete meinen straßenstaubbedeckten Neffen, der plötzlich dort stand, wo eben noch Leone gewesen war. Als Ursus uns aufzog, wusste ich, dass es real war. Freude breitete sich auf meinem Gesicht aus, und schnell schluckte ich die Weintraube, um mich aufzurichten und auszurufen: "Titus! Was für eine gelungene Überraschung! Wo kommst du denn auf einmal her? Komm, setz dich, iss mit uns." Halb aufgerichtet, winkte ich meinem Neffen und deutete dabei auf eine freie Liege, zu der Dina nun mit Teller und Becher eilte, um ganz für Ursus' Wünsche einstehen zu können. Er würde sich nur etwas wählen müssen, und sie würde es auf seinem Teller anrichten. Ich winkte Caecus, dem cellarius. "Caecus, mach einen Falerner auf, das muss gefeiert werden!" wies ich ihn an. Ich ließ mich wieder sinken und griff erneut nach dem Teller, brach ein Bröckchen Brot und sprach munter darauf kauend weiter. "Dir ist klar, dass du ohnehin kaum zum Essen kommen wirst?" neckte ich Ursus. "Du musst uns von deiner Reise erzählen - wie waren die Studien, wie die Überfahrt und vor allem: Lehrt der alte Agamemnon noch seine Philosophie?"
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Es war schon ein belustigender Anblick, wie sich langsam die Erkenntnis auf den Zügen der anderen ausbreitete, daß er tatsächlich vor ihnen stand. Ursus ließ sich nicht lange bitten und setzte sich auf den angewiesenen Platz. "Ich dachte, ich komm mal auf einen Sprung rüber", scherzte Ursus, lenkte aber dann schnell ein. "Ich freue mich auch, euch zu sehen. Und ich bin hungrig wie ein Bär nach dem Winterschlaf, also hindere mich bloß nicht daran, zu essen, Marcus", warnte er scherzhaft und ließ sich von Dina einige Köstlichkeiten servieren.
Bevor er weitersprach, nahm er erst ein paar Bissen. Er brauchte einfach etwas im Magen, sonst ging gar nichts mehr. "Ah, endlich mal wieder etwas anständiges zu essen. Die Reise war unglaublich langweilig. Es ist einfach nichts passiert. Gar nichts. Wirklich eine Schande, man möchte auf einer weiten Reise doch etwas erleben! Die Überfahrt war davon das schlimmste! Die Dünung kam von hinten, das Schiff rollte und da haben die meisten an Bord nur über der Reling gehangen. Ich bin ja zum Glück nicht so empfindlich. Aber ... naja, das erzähle ich vielleicht besser nicht beim Essen." Er stoppte sich gerade noch rechtzeitig, bevor er die schlechten Gerüche an Bord beschrieb. Das gehörte nun wirklich nicht hierher.
"Die Studien waren fast so großartig wie die Spiele, aber lange nicht so großartig wie die Mädchen", grinste er breit. "Nein, mal im Ernst. Es hat wirklich Spaß gemacht, dort zu studieren. Aber ich bin auch froh, daß ich endlich wieder hier bin. - Agamemnon ist eine Woche vor meiner Abreise leider gestorben. Ein Lungenleiden..."
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Trotz all der vielen Aktivitäten, die nach der Ankunft der gens-eigenen "Germanen" jedes Familienmitglied entfaltet hatte - jedes freilich auf seinem Gebiet -, gelang es uns des Öfteren, gemeinsam zu speisen. Darüber war ich natürlich sehr froh, dachte ich doch noch immer mit Frösteln an meine ersten Wochen in der villa Aurelia in Roma zurück, in denen ich hier oft genug alleine gespeist hatte, denn Sisenna hatte ja zum Teil andere Zeiten zum Essen. In seiner solchen gemütlichen und harmonischen Runde wie der unseren aß es sich natürlich leichter, besonders für jemanden wie mich, der ich noch nie ein großer Esser und schon gar kein Schlemmer gewesen war. Andererseits gaben mir diese gemeinsamen Mahlzeiten nur allzu oft die Gelegenheit dazu, mich in stoischer Selbstverachtung zu üben. Ich konnte es den anderen aber auch nicht verdenken, dass sie mich immer wieder foppten, denn irgendwie konnte ich ja sogar nachempfinden, dass jemand wie ich ein dankbares Opfer für Neckereien war. Und so lachte ich auch heute mit, als Corvinus sich rühmte, wie er mich beim Ringen besiegt hatte; ich musste zugeben, ich hatte mich dort allerdings auch wirklich nicht mit Ruhm bekleckert, sondern nur mit dem Staub des Aschenbodens bedeckt.
So herrschte also auch heute wieder in der cenantiuncula der villa Aurelia in Roma eine aufgeräumte Stimmung, als auf einmal Leone zu uns trat und uns jemanden ankündigte, der uns zu sehen wünsche. Ich stockte. Hätte es geheißen: "jemand, der den decemvir litibus iucandis zu sprechen wünscht", wäre das ja noch angegangen, wenn auch die Tageszeit ein wenig unpassend für einen solchen Besuch gewesen wäre. Aber jemand, der "uns" zu sprechen wünscht? Nach allem, was in den vergangenen Wochen passiert war, erwartete ich nach dieser Ankündigung nichts Gutes. Umso erstaunter und erfreuter war ich dann, als Ursus den Raum betrat und sich auch gleich, rhetorisch brilliant wie immer, allen vorstellte. In die allgemeine Begrüßung, die, von Marcus angeführt, nun von allen Seiten erklang, stimmte natürlich auch ich gerne ein. Als Ursus dann Platz genommen und zu speisen begonnen hatte, nahm ich mir die Freiheit, um einige persönliche Worte an ihn zu richten.
"Es ist schon seltsam, Ursus. Da haben wir nun längere Zeit eigentlich gar nicht so weit voneinander entfernt gelebt in Athen, und doch begrüßen wir uns hier heute nun fast wie Fremde."
Zu den anderen gewandt, fügte ich erklärend hinzu:
"Ich war in Athen einer anderen Schülergruppe zugeteilt als Titus, und wie es sich dann so ergibt, habe ich mich mehr im Kreise dieser meiner Gruppe aufgehalten."
Dass ich auch sehr häufig für mich alleine oder nur mit Maron zusammen gewesen war, erwähnte ich lieber nicht. Stattdessen fügte ich grinsend an:
"Zum Zusammenhocken bleibt uns ja jetzt hier in Roma noch genug Zeit, nicht wahr, Ursus? Warte es ab, in drei Jahren regieren wir Aurelier Roma! Schön, dass du da bist!"
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Das Prisca etwas wortkarg und auch ansonsten eher mürrisch gelaunt wirkte, hatte einen bestimmten Grund. So saß sie auch heute wieder abwesend in ihrem Sessel, kaute eher lustlos auf einem Stück Brot mit garum und war froh wenn die Gespräche an ihr vorbei gingen. Als ihr Cousin eintrat und sich etwas knapp bemessen vorstellte, musste sie sich erst wieder ins Gedächtnis rufen, wer er war und wann sie ihn zuletzt gesehen hatte. Wenn sie sich nicht irrte, war sie damals gerade mal fünf Jahre alt gewesen, als ihr Cousin zuletzt kurz zu Besuch bei ihr und ihrer Mutter in Ostia gewesen ist. „... ach sieh an. Titus! Hast du mich damals nicht mit Vorliebe an meinen Haaren gezogen?“ Auch wenn Prisca, in solchen Dingen nicht nachtragend war, so musste es wohl an ihrem gegenwärtigen Gemütszustand liegen, dass ihr erster Gedanke ungewollt gerade auf diese Nebensächlichkeit aus der Vergangenheit fiel.
„Salve, verehrter Cousin. Schön dich einmal wieder zu treffen ... und schön zu sehen, das aus dir etwas geworden ist!“
meinte sie daher etwas knapp und unterstellte einfach, dass er sich auch daran erinnern könnte. Prisca klang auch nicht unfreundlich, denn sie vermischte den ersten Gedanken mit dem Zweiten. Auf den zweiten Blick musste sie fest stellen, dass aus dem Knaben von damals ein sehr ansehnlicher Mann geworden war, der wusste wie er auf zu treten hatte, um Eindruck zu hinterlassen. Was jedoch die Manieren bei Tisch betraf ... nach seiner kurz bemessenen Begrüßung folgten übergangslos eher vertraute Männergespräche. Was Prisca sonst als unhöflich empfunden hätte, verfolgte sie heute eher mit halbem Ohr und war eigentlich ganz zufrieden, wenn man sie in Ruhe lassen würde.
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Das war Ursus, wie ich ihn kannte: Zu Scherzen aufgelegt und herzlich. Er erinnerte mich so sehr an meinen älteren Bruder... Und wie musste sich Deandra erst freuen, wenn sie hörte, dass Ursus zurück war, gebildeter , erwachsener und zu einem gutaussehenden Mann gereift! Er sah Maxentius so ähnlich, dass ich mich für einen Moment der Foppereien meines Bruders erinnerte, der im elysium auf uns warten würde und hoffentlich seinen Frieden gefunden hatte. Als Ursus ich setzte, war ich aus den Gedanken wieder aufgetaucht und zurück im Hier und Jetzt. Ich hob meinen Becher und prostete ihm grinsend zu. "Auf dein Wohl, Titus, und auf deine Anwesenheit - auch wenn du uns ruhig hättest vorwarnen können, dass es mit der Ruhe nun vorbei ist", witzelte ich, trank und betrachtete ihn beim Essen, wobei er mich an einen hungrifen Wolf erinnerte.
Priscas doch recht reserviert klingende Begrüßung ließ mich den Kopf drehen und sie genauer studieren. Sie wirkte etwas angespannt und irgendwie desinteressiert. Ich stellte meinen Becher fort und fragte sie unvermittelt: "Prisca, hilfst du mir nachher beim Opfer an Volcanus?"
Derweil gab Cotta einen Gedanken zum besten, den ich noch gar nicht gehabt hatte. Amüsiert wandte ich mich wieder den beiden zu und grinste. "So ist das eben. Ich weiß noch, wie das bei mir damals war..." Ja, das wusste ich in der Tat noch. Wenn ich überhaupt mal daran gedacht hatte, hatte ich alle paar Monate einen kurzen Brief in die Heimat entsandt. In Griechenland tickten die Uhren anders, alles war neu und wartete auf Erkundungen, selbst nach Jahren noch. Cotta spann seinen Gedanken weiter und sprach von aurelischer Herrschaft, was mich leicht spöttisch auflachen ließ. "Hohoho...hört euch das an! Das glaube ich nicht mal, wenn es ein augur prophezeiht, oder der flamen dialis in persona!" drückte ich meine Meinung dazu aus und grinste breit. "Vermutlich haben die Prätorianer ihre Spione vor den Fenstern stehen und kommen gleich hereingestürmt, um uns in den Kerker zu werfen... Nach der Sache mit Cicero könnte man ihnen das nicht einmal verübeln", gab ich zu bedenken, und mein Blick ruhte erneut auf Ursus. "Weißt du etwas davon? Noch stand es nicht in der acta diurna, was mich sehr verwundert, ehrlich gesagt."
Ursus' Erzählungen folgend, nickte ich ab und an, mal kauend, mal am Wein nippend, und als er auf Agamemnon zu sprechen kam, seufzte ich enttäuscht. "Wie schade. Er war ein großer Mann. Seine Reden sind für mich der Inbegriff der Rhetorik schlechthin gewesen. Nun ja, er war ja auch schon recht betagt..."
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Ursus lachte leise, als Cotta bemerkte, wie wenig sie sich in Athen gesehen hatten. Mit einem verschmitzten Grinsen sagte er in verschwörerischem Ton: "Aber Cotta, jetzt mach der Familie doch nicht vor, wir hätten uns nicht gesehen. Oder möchtest Du damit über das kleine peinliche Ereignis bei Dionysius hinwegspielen?" Es war eigentlich gar nicht viel passiert, naja, ein unfreiwilliges Bad im Fischteich, - aber Ursus war sicher, daß Cotta nun von einigen der Anwesenden gelöchert werden würde. Solche Andeutungen machten immer schrecklich neugierig. Er lachte allerdings dabei, um anzuzeigen, daß er es keineswegs böse meinte und er Cotta nur ein wenig aufzog. "Entschuldige, ich konnte einfach nicht widerstehen. - Ja, hier könnten wir mal mehr zusammen machen. Wie sehen eigentlich Deine Zukunftspläne aus?"
Die schöne junge Frau, die erst so abwesend dreingeschaut hatte, sprach mit ihm, als würde sie ihn kennen, auch wenn es sehr reserviert klang. Doch es mußte schon echt lange her sein, daß sie sich das letzte mal begegnet waren. Es war schwer für ihn, ihr Gesicht irgendwie unterzubringn. Um herauszufinden, wer sie sein könnte, musterte er sie aufmerksam. Er ging in Gedanken die ganze Verwandtschaft durch. Und schließlich kam er darauf, wer sie sein mußte: "Prisca? Du bist Prisca! Ich muß schon sagen, aus dem frechen kleinen Mädchen ist eine wunderschöne Frau geworden." Er staunte ehrlich und seine Worte waren so spontan aus ihm herausgesprudelt, daß ihre Ehrlichkeit nicht angezweifelt werden konnte. Es war tatsächlich keine reine Schmeichelei, auch wenn ihm eine solche durchaus zuzutrauen war. "Ich freue mich wirklich, Dich wiederzusehen. Wie geht es Dir?" Sie sah nicht sehr glücklich aus und Ursus fragte sich, ob es gut war diese Frage zu stellen. Aber nun war sie heraus und konnte schlecht zurückgenommen werden.
Als Corvinus den Becher hob, griff Ursus auch nach dem seinen. "Und auf euer Wohl. Ich bin wirklich froh, wieder hier zu sein, in eurer Mitte", erwiderte er und nahm einen tiefen Schluck des verdünnten, edlen Tropfens. "Oh, ich habe euch vorgewarnt. Und ich entnehme Deiner Bemerkung, daß meine Vorwarnung wohl nach mir hier eintreffen wird." Er schüttelte den Kopf. Immerhin hatte er den Brief zwei Wochen vor seiner Abreise losgeschickt. Aber Privatpost war eben nicht immer schnell.
Aufmerksam wurde der junge Aurelier, als Corvinus von einem Vorfall mit Cicero sprach. Ernst geworden blickte er den Onkel an. "Was für ein Vorfall? Nein, ich habe keine Ahnung. Was ist passiert? Leone hat schon so merkwürdige Andeutungen gemacht, wollte Dir aber nicht vorgreifen..."
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Titus hatte ja in einer seiner ersten "Ansprachen", die er trotz offenbar guten Hungers hielt, betont, wie langweilig seine Reise von Griechenland hierher gewesen sei. Vielleicht aber hatte gerade dies ihm nach anstrengendem und in jeder Beziehung intensivem Studium in Athen die Erholung verschafft, die es ihm erlaubte, hier nun so frisch und gewandt aufzutreten, als habe er nur gerade ein Bad genommen mit anschließender Massage durch eine Sklavin. Bewundernd verfolgte ich seine energischen Gesten und Worte und malte mir aus, wo er wohl schon in einigen Monaten sein würde. In dieses Bild, das er hier abgab, passte es auch, dass er meine Bekanntschaft mit dem Inneren eines Fischteichs in Athen erwähnte, und zwar in einem Ton, der mich durchaus einer gewissen Neugierde und Spottlust von Seiten der übrigen gens-Mitglieder preisgeben könnte. Zum Glück wusste er nicht, ja, konnte es nicht wissen, worum es damals eigentlich wirklich gegangen war. Und weil ich das auch niemals in meinem Leben verraten würde, lachte ich munter mit, um die Situation zu überspielen, und antwortete lieber lachend auf die Frage nach meinen Zukunftsplänen:
"Richtig, richtig, lieber Ursus, blicken wir doch lieber nach vorne! Wie ich durch meine launige Bemerkung gerade schon angedeutet habe, zieht es mich in die Politik. Allerdings hoffe auch ich, vielleicht eines Tages ein Militärtribunat absolvieren zu können; ich denke, dass auch diese rauhe Luft mir zu Pass kommen könnte, denn offenbar brauche ich die Schlacht."
Schon die ganze Zeit, während Ursus erzählte - nur gelegentlich unterbrochen von Corvinus und mir -, war mir aufgefallen, wie desinteressiert Prisca das Auftauchen unseres Verwandten verfolgte. Ihr Verhalten war nicht laut oder sonst etwas in der Art, eher im Gegenteil, aber doch so auffallend, dass schließlich auch Corvinus sie darauf ansprach - und schwupps, war sie schon wieder verplant für ein Opfer an Volcanos. Ich selber hatte vor, mit Maron die Feierlichkeiten zu Ehren dieses Gottes außerhalb der Stadt zu besuchen.
Gerne trank ich aber hier an Ort und Stelle zunächst auf die gesunde Heimkehr von Ursus. Schnell wurden wir alle aber wieder ernst, als die Sprache auf Cicero kam. Ich dachte sofort daran, dass Ursus ja wie seinerzeit ich und wenig später auch Lupus bei unseren Ankünften auch von den vielen Todesfällen in unserer gens noch gar nichts gehört haben konnte. Einen Moment lang überlegte ich, ob wieder ich es auf mich nehmen sollte, ihn von all diesen traurigen und zum Teil auch sehr ärgerlichen Ereignissen zu unterrichten; da aber so deutlich Corvinus angesprochen worden war, blieb ich still und sah diesen gespannt an.
Sim-Off: -
Sim-Off: @ Cotta
"Ereignis bei Dionysos?" fragte ich augenblicklich, nachdem Ursus davon erzählt und ich anschließend Cotta einen Blick zugeworfen hatte. "Der Vorsteher des städtischen Getreidespeichers?" Verwundert sah ich hin und her. Nein, den konnten sie nicht meinen, der war klein, rund und humorlos. Aber Dionysos war schließlich nicht gerade ein Name, der selten anzutreffen war in Athen. Schnell steckte ich mir drei Oliven in den Mund und kaute geschäftig, bis ich das Fleisch von den Kernen getrennt hatte und selbige in eine von einem Sklaven bereitgehaltene Schüssel gespuckt hatte. Währenddessen unterhielten sich Cotta und Ursus über die Zukunft, und ich hatte Zeit, um erneut Prisca zu mustern. Zu Ursus sah ich erst wieder zurück, als dieser mich erneut ansprach. "Hm, nein, eine Vorwarnung kam in der Tat nicht an. Aber auf den cursus publicus ist ohnehin nicht sonderlich Verlass in letzter Zeit. Willst du, dass deine Sendschreiben möglichst bald ankommen, musst du inzwischen leider deinen eigenen cursor schicken", erwiderte ich und zuckte mit den Schultern.
Einen Wink später reichte man mir einen Zweig claudische Trauben, die von den Weinbergen Deandras stammten. Ich zupfte eine Frucht ab und zerbiss sie genüsslich, ehe ich Ciceros Geschichte knapp zusammenfasste. "Cicero, ein Kapitel für sich. Vorweg sei gesagt, dass nichts weiter passiert ist, das dem Ruf der Aurelier schaden könnte. Zur Geschichte selbst - Cicero scharte einige Aufständische um sich, ließ kaiserverfemende Parolen an die Wände Roms schmieren und starb letztendlich durch einen gut gezielten Steinwurf bei dem Versuch, den Kaiserpalast zu stürmen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Wir glauben inzwischen alle, dass Cicero nicht mehr ganz richtig im Kopf war, was der Wortlaut des Testaments, welches er hinterlassen hat, ebenfalls bezeugt. Wenn sich mein Onkel nur etwas mehr mit den römischen Sitten befasst hätte, so wäre ihm klar gewesen, dass ich als decemvir litibus iucandis dieses Testament ignorieren muss, womit Helena und Sisenna Ciceros sämtlichen Besitz erben werden." Diese Information war auch für Cotta neu. Ich biss in einen Apfel. "Aber ich schweife ab, verzeiht mir."
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Für ihre heutige Laune konnte ja keiner der Anwesenden etwas. Am wenigsten Ursus, der ja gerade erst seit ein paar Minuten hier war. Ihm gegenüber wäre es sicher unhöflich gewesen, jetzt auf zu stehen und zu gehen. Begrüßt hatte sie ihn ja und ein anderes Mal würde sie sich sicherlich gerne mit ihm unterhalten wollen. Die Männer bestimmten ohnehin die Gesprächsthemen, also würde es nicht weiter auf fallen, wenn sie still verhielt und einfach sitzen blieben. Dachte sie sich zumindest. Doch schon im nächsten Augenblick bereute es Prisca, nicht schon längst gegangen zu sein. Ihrem Onkel war ihr Verhalten scheinbar aufgefallen und wollte sie offensichtlich mit seinem Angebot aufmuntern.
„Sehr gerne Onkel!“ prompt und knapp war die Antwort, aber ihr Lächeln, das sie ihm schenkte, war nicht gezwungen oder gespielt. Denn Prisca war wirklich gerne mit ihrem Onkel zusamen und sie genoß seine Zuneigung sehr. Zumal ihm seine neue Tätigkeit, als decemvir litibus iucandis , ohnehin nur wenig Zeit für die Familie lies. Und sie war schließlich nicht die Einzige, um die er sich zu kümmern hatte. Nein, das Opfer wollte sie wirklich gerne zusammen mit Marcus darbringen. Für mehr Zuwendungen oder weitere Aktivitäten, wäre sie heute jedoch nicht mehr aufnahmebereit und so hoffte Prisca auf eine sich bietende Gelegenheit, um sich zurück zu ziehen.
Und sie kam prompt und von Ursus selbst, der sich anscheinend erst jetzt daran erinnerte, wer sie überhaupt war. Seine Bemerkung mit dem „frechen Mädchen“ überhörte Prisca geflissentlich und nahm sein Kompliment am Schluss sogar mit einem geschmeichelten Kopfnicken zur Kenntnis. Mehr noch tat er ihr aber einen Gefallen, indem er sich nach ihrem Befinden erkundigte. Das war das Stichwort, auf das Prisca gewartet hatte. Sie lies die Zeit verstreichen, bis sich zwischen den Gesprächen ein günstiger Zeitpunkt abzeichnete, um sich direkt an ihn zu wenden.
„Lieber Ursus, ich hoffe du bist mir nicht böse, wenn ich mich nun zurück ziehe. Aber es geht mir in der Tat nicht besonders gut heute. ... Ich hoffe doch sehr, dass wir ein andermal die Gelegenheit finden werden, um uns weiter zu unterhalten.“ es klang freundlich und war aufrichtig gemeint, während Prisca auch schon im Aufstehen begriffen war und sich zum Gehen wandte. Kurz blickte sie noch einmal in die Runde, bedachte jeden mit einem freundlichen Nicken und verabschiedete sich mit den Worten.
„Entschuldigt mich bitte, aber ich möchte mich noch ein wenig hinlegen. Feiert ihr noch schön! ... und Onkel!? ... schick einfach einen Sklaven nach mir, sobald du mit der Zeremonie beginnen möchtest, ... ich werde dann da sein.“ fügte Prisca mit einem Lächeln an um zu zeigen, dass sie das Angebot ihres Onkels nicht vergessen hatte und verlies danach den Raum.
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Ursus grinste Cotta ein wenig frech an, als dieser geschickt eine Antwort auf seine Andeutung überspielte, indem er sich ganz der Zukunftsfrage widmete. Anscheinend war er schon einen Schritt weiter als Ursus, denn es schien für Cotta schon ganz festzustehen, wie es mit ihm weiterging. "Bist Du so wild auf das Militär, Cotta? Ich wußte gar nicht, daß Du Dich so dafür begeisterst." Er selbst sah das Tribunat als lästige Pflicht an. Etwas, was er wohl hinter sich bringen mußte, da es einfach dazu gehörte, wenn man politisch etwas werden wollte. "Ja, ein Militärtribunat wird mir wohl auch nicht erspart bleiben." Sonderlich begeistert klang er wirklich nicht.
Es war ein Fehler gewesen, den Becher an den Mund zu führen, als Corvenius gerade anfing zu berichten. So verschluckte sich Ursus prompt, als Corvinus davon erzählte, daß Cicero Aufständische um sich geschart hatte. Er hustete eine Weile und trank dann einen Becher Wasser, um das Kratzen im Hals loszuwerden. "Und was wollte er damit erreichen? Kaiser werden anstelle des Kaisers?" Was für eine dumme Idee. Wer wollte schon Kaiser sein? Das brachte doch wesentlich mehr Verantwortung als Spaß mit sich. Nein, Kaiser würde Ursus nicht sein wollen.
Sein Teller war mittlerweile leergegessen und Ursus wies die Sklavin mit einigen Gesten an, den Teller mit bestimmten Leckerbissen ein weiteres mal zu füllen, während er seinem Onkel weiter zuhörte.
Da war noch die Sache mit dem Testament. Was stand denn nun darin? Wollte Corvinus damit andeuten, daß er eigentlich erben sollte? Oder noch wer anderer? Fragend blickte er von einem zum anderen. Irgendwie hatte er das Gefühl, etwas verpaßt zu haben. "Was genau war denn sein letzter Wunsch? Hatte er seine Töchter etwa nicht als Erben benannt?"
Prisca stand nun auf und entschuldigte sich. Ursus war sich nicht sicher, ob sie ihm nicht vielleicht aus irgendeinem Grunde böse war. Seit er hier war, hatte sie sich still und eigenartig verhalten, sie schien sich gar nicht über seine Heimkehr zu freuen. Und nun ging sie so früh? Ob es ihr wirklich nicht gut ging oder ob er ihr wohl doch unangenehm war, weswegen auch immer? "Oh... natürlich bin ich Dir nicht böse. Ich hoffe, Du erholst Dich rasch. Und ich freue mich schon darauf, mich weiter mit dir zu unterhalten." Noch immer ein wenig verwirrt blickte er ihr kurz nach, wandte sich dann aber wieder den anderen Anwesenden zu.
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Dass Prisca so plötzlich unser gemeinsames Mahl verließ, und das, nachdem Ursus nach Jahren heimgekehrt war, verwunderte mich sehr - und wohl nicht nur mich. Ich schloss mich bei ihrer Verabschiedung den guten Wünschen an und rätselte, was sie wohl vertrieben hatte. Aber vielleicht hatte das alles ja auch gar nichts mit uns zu tun. Prisca hatte es selber in den vergangenen Wochen und Monaten nicht leicht gehabt; dabei war sie aber seit ihrer Ankunft hier in Roma immer allen anderen eine Stütze. Ich nahm mir jedenfalls vor, mich ihr, wenn möglich, in Zukunft auch mehr zuzuwenden, und blickte dankbar auf Corvinus, der trotz seiner vielen Arbeit auch immer noch ein offenes Ohr hatte für die Sorgen aller Mitglieder der gens. Trotz seiner vielen Arbeit - und trotz seiner eigenen Sorgen, die ihn plagten. Oder war Prisca vielleicht gerade angesichts dieser Sorgen für ihn ein willkommener Zeitvertreib? Aber diese Frage wollte ich gar nicht weiter ergründen, und so wandte ich mich dem unvermeidlichen Männerthema zu: Politik.
"Wenn mich nicht alles täuscht, ist ein Militärtribunat für einen Patrizier nicht zwingend vorgeschrieben, Ursus. Mich aber würde diese Aufgabe reizen. Manchmal denke ich schon, dass ich mich auf einem Schlachtfeld in merkwürdiger Weise sicherer fühlen könnte als beispielsweise bei einem Festessen."
Das, was ich gerade gesagt hatte, hatte ich selber nicht erwartet; es war mir einfach so über die Lippen gekommen, Gedanken, die mich schon lange bewegten. Dies aber war Ursus' Ankunftstag, und den wollte ich nun nicht mit solcherlei schweren Grübeleien belasten. Ich bemühte mich also, das Thema wieder ins Amüsante zu führen.
"Gegen mich wird ja auch gelegentlich der Vorwurf erhoben, man könne mit mir nur über Politik sprechen; für's Militärische fehlen mir ja leider noch die Kenntnisse. Pass nur auf, Ursus, dass dieser Vorwurf nicht eines Tages auch gegen dich vorgebracht wird: Kaum einen Fuß in der villa, und du sprichst über fast nichts anderes mehr."
Dabei lachte ich ihn an und erhob noch einmal meinen Becher auf ihn. Dann aber wurde ich wieder still, denn ich war sehr gespannt, wie Corvinus die Frage nach dem Testament Ciceros beantworten würde.
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Nachdem ich Prisca erfreut zugenickt und ihren Rückzug aus dem Raum verfolgt hatte, wandte ich mich erneut Lupus und Cotta zu. Wir drei waren - abgesehen von den Sklaven - nun allein im kleinen Speisezimmer. So war es nicht verwunderlich, dass sich das Gespräch fortan um die Zukunft und politische Themen drehte und allerlei Sticheleien enthielt. Cotta ging gerade in diesem Moment bereits auf das Tribunat ein, und ich nickte und hängte nur mehr einen Hinweis den richtigen Zeitpunkt betreffend an. "Es ist kein Muss, das stimmt schon. Aber auf einem Schlachtfeld wirst du wohl nicht stehen, Appius - der senatorische Tribunenposten ist ein Amt im Zuge des cursus honorum, nur ritterliche tribuni haben die Pflicht, an Übungen und Einsätzen teilzunehmen. Neunzig Prozent meiner Zeit in der legio Secunda verbrachte ich in einem viereckigen Raum hinter meinem Schreibtisch. Und was das Tribunat an sich anbelangt, so scheint es so manchem missfallen zu haben, dass ich meine beiden Amtszeiten vor dem Vigintivirat abgeleistet habe. Bedauerlich, dass der Gesetzestesxt hierzu falsch formuliert gewesen war, sonst hätte ich selbstverständlich bis nach dem Vigintivirat gewartet. Aber nun ja, so ist das nunmal mit der Bürokratie." Ich zuckte mit den Schultern und naschte eine schwarze Olive. Daran, dass Ursus an seinem Ankunftstag nicht mit schweren Grübeleien zu belasten, dachte ich nicht mal ansatzweise, was wieder einmal bewies, wie umsichtiger Cotta doch war, da er vom Thema ablenkte. Ich schmunzelte, spuckte den Olivenkern fort und ging erneut auf Cicero ein. "Ich weiß es nicht. Schon vor meiner Abreise war Cicero nicht mehr derjenige, als den ich ihn kannte. Aber lassen wir diese unrühmlichen Dinge besser ruhen, es bewegt ja ohnehin nichts mehr, darüber zu reden, sich zu entrüsten oder den Kopf zu schütteln", sagte ich und zuckte mit den Schultern. Auf sein Testament ging ich aber dennoch ein. "Nein, hat er nicht. Er scheint überraschend Bande mit Lucius Commodus geknüpft zu haben und wollte ihm all seinen Besitz vermachen. Das Testament allerdings ist hinfällig und wird erst gar nicht vollstreckt werden, was bedeutet, dass Sisenna und Helena die rechtmäßigen Erben sind, und das wiederum bedeutet, dass mir als ihr tutor die Verwaltung des Vermögens obliegt, bis sie verheiratet und damit mündig sind. Aber", fuhr ich fort, "es bringt auch nichts, hierüber zu reden. - Titus, hast du dir schon ein Zimmer herrichten lassen?"
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Ursus hörte staunend zu, was der Vetter so erzählte. Der war ja tatsächlich ganz wild auf den Militärdienst! Allein schon sein Gesichtsausdruck, als er davon sprach, sich auf einem Schlachtfeld wohl eher sicher zu fühlen als bei einem Festmahl. Wußte er überhaupt, wovon er sprach? Vermutlich würde er von dieser Vorstellung sehr schnell geheilt, wenn er erst einmal tatsächlich auf einem Schlachtfeld stand. "Oh, ich weiß, daß es keine Pflicht ist. Aber Du mußt zugeben, daß es immer noch einen Haufen Leute gibt, die einen nicht ernst nehmen, wenn man keinen Militärdienst geleistet hat. Und am besten noch mit einer Verletzung wieder heimkommt, die beweist, daß man mittendrin gesteckt hat. - Also, ich werde auf jeden Fall ein Militärtribunat ableisten, auch wenn mir das militärische echt nicht liegt."
Er hatte den Entschluß schon vor einiger Zeit gefaßt und war entschlossen, das durchzustehen. Die Worte von Corvinus waren da schon sehr geeignet, ihn in seinem Entschluß zu bestärken. "Na, also. Schau, Cotta, alles auch nur Verwaltung. Hat sich was mit Deinem Schlachtfeld." Er grinste den Vetter frech an und fühlte sich selbst schon wieder viel wohler in seiner Haut. Soweit kam es noch, daß so ein Barbar daher kam, um ihm aufzuschlitzen.
Auf Cottas Versuche hin, das Gespräch wieder ein wenig aufzulockern, lachte Ursus amüsiert. "Politik ist doch auch ein prächtiges Thema, um sich darüber zu unterhalten. Gibt immer was neues her. Ich habe da ja jetzt auch großen Nachholbedarf. - Und gehe deshalb das Risiko gerne ein, einen solch schlechten Ruf zu bekommen, - wie Du ihn offenbar schon hast." Er lachte nochmals auf und duckte sich spielerisch, als erwarte er, von Cotta mit irgendwas beworfen zu werden.
Wieder an Corvinus gewandt, wurde Ursus sogleich wieder ernst. "Ich habe vor, möglichst bald das Vigintivirat anzutreten. Ich hoffe, daß ich Chancen habe, wenn ich mich zur nächsten Wahl aufstellen lasse. Durch meine lange Abwesenheit ist das vermutlich nicht ganz so einfach." Natürlich war er ein Aurelier, was ihm gewisse Vorteile bei einer solchen Wahl brachte. Aber so ganz von allein ging es eben nicht. "Na, Cotta, wann willst Du Dich in Deine Laufbahn werfen?" Ursus sah den Vetter erwartungsvoll an und aß noch etwas von dem Schafskäse und den Oliven, dazu noch ein Stück frischen Brotes.
Die Geschichte mit Cicero und seinem Testament hätte Ursus durchaus noch etwas näher interessiert, doch Corvinus schien diese Themen nicht weiter erörtern zu wollen. Zumindest nicht jetzt und hier. Vielleicht ergab sich ja ein anderes mal die Gelegenheit, ihn darüber noch ein wenig auszuquetschen? Schon allein die merkwürdige Tatsache, daß Cicero Lucius Commodus als Erben angegeben hatte...
"Wird es Probleme geben, weil Du die Reihenfolge nicht eingehalten hast, Corvinus? Oder mußt Du nochmal ein Militärtribunat ableisten?" Es gab bestimmt mißgünstige Bürokraten, denen solch eine Forderung zuzutrauen war. "Mein Zimmer ist hoffentlich mittlerweile fertig. Ich brauche dringend ein Bad und frische Kleidung." Er hatte es nicht ausdrücklich gefordert, aber sein Sklave war zuverlässig und würde sich um alles gekümmert haben. Zumindest wäre es besser für ihn, wenn er es getan hatte.
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Die Abwesenheit von Frauen wirkte sich auf Männergespräche häufig nicht konstruktiv aus; diese Erkenntnis hatte ich schon in meinen Jahren in Athen gewonnen und musste sie hier und heute aufs Neue bestätigt finden. Seitdem Prisca die cenatiuncula verlassen hatte, kreiste unser Gespräch nicht mehr um Politik, sondern verbiss sich darin. Eine Ausnahme bildeten die Ausführungen von Corvinus zum Testament Ciceros; einiges davon war mir auch neu, und ein bestimmter Sachverhalt reizte mich auch zu einer Nachfrage.
"Verzeih mir die Frage, Corvinus, aber meine juristische Bildung steckt ja, wie du weißt, noch ganz in den Anfängen: Ist die Rechtslage im Falle des Testaments Ciceros wirklich so eindeutig? Versteh mich nicht falsch, wenn es so wäre, wäre es natürlich für uns alle das Beste. Ich frage nur, weil es gerade in solchen Angelegenheiten immer wieder Leute gibt, die Verfahren anstrengen."
Noch eine zweite Sache an den Ausführungen von Corvinus hatte mein Interesse geweckt; sie bezog sich auch genau auf eines der bevorzugten Gesprächsthemen von Ursus: das Militärtribunat. In diesem Zusammenhang wollte ich auch auf einige der Sticheleien Ursus' eingehen, ohne diese jedoch allzu ernst zu nehmen.
"Ich bedaure es übrigens sehr, dass es mir und anderen nun nicht mehr möglich sein wird, ein Militärtribunat vor dem Vigintivirat abzuleisten. Ich für meine Person hätte mir dort nämlich gerne erste Sporen verdient, gerade auch, was das Verwaltungstechnische angeht, Ursus. Nun bin natürlich auch ich gezwungen, direkt das Vigintivirat anzustreben. Allerdings ergeht es mir natürlich ähnlich wie dir: Ich besitze bei weitem noch nicht die nötigen Kontakte."
Seltsam, hatte ich mir doch gerade noch eher abwertende Gedanken über reine Männergespräche gemacht, so drängte sich mir nun eine andere Vorstellung auf: Beim Militär, in einer reinen Männerwelt, stellte ich es mir unendlich leichter vor, Kontakte und Freundschaften zu knüpfen als in diesem ziemlich komplizierten Roma. Seufzend griff ich wieder zu meinem Weinbecher.
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Ich schmunzelte belustigt. "Sag bloß, du gibst etwas darauf, was die Leute so reden? Jeder Senator, der zu Recht Senator genannt wird, sollte die wahren Werte eines Mannes sehen und beurteilen. Das Geschwätz der Leute war nicht der Grund, aus dem ich den Kaiser um ein Tribunat ersucht habe, vielmehr der Umstand, dass bedeutende Männer unserer Familie im Militär dienten. Darüberhinaus gibt es Plebejer, welche die gleiche Arbeit genauso gut oder noch besser verrichten als wir selbst es können. Dein Stand wird dir nur marginal helfen, wenn Wahlen sind. Was her muss, sind Taten, Titus." Nach diesem beinahe philosphischen Erguss brauchte ich erst einmal neuen Wein. Ich hob meinen Becher und wartete darauf, dass man ihn füllen würde.
Leise lachend verfolgte ich die kleinen Sticheleien, die Cotta und Ursus austauschten. Ich dezimierte den vorliegenden Olivenbestand um eins und äußerte mich anschließend nochmals zu Cicero. "Das hat nichts mit juristischen Rafinessen zu tun. Der vorliegende Sachverhalt lässt es aber darauf schließen, dass sein Verstand bereits arg in Mitleidenschaft gezogen war, als er diese Zeilen verfasste.* Ob das nun das Beste ist, wage ich zu bezweifeln, aber es wird eben so gehandhabt werden", erklärte ich und zuckte mit den Schultern.
Bald ddrehte sich das Thema erneut um das Tribunat. "Oh, du könntest es tun, schließlich verbietet es niemand. Aber hast du die letzte Ausgabe der acta diurna gelesen? Gängige Praxis ist es nicht, doch da für einen Patrizier das Tribunat eben nicht obligatorisch ist, hat man nichts weiter negativ darüber gesagt. Bisher zumindest", fügte ich hinzu und grinste jungenhaft. "Über die Kontakte mach dir mal nicht so viele Sorgen, die hatte ich auch nicht und wenn ich mir jetzt so meine Kontakte ansehe... Ich wage zu bezweifeln, dass sie sich bisher nennenswert vermehrt haben."
Ich zwinkerte Cotta zu. "Einem Mann mit deiner Aufgeschlossenheit dürfte es aber nicht schwer fallen, Kontakte zu knüpfen. Da fällt mir gerade ein... Wie wäre es, wenn wir statt des Willkommensfestes den Termin so weit nach hinten verschieben, dass ihr beiden, so ihr denn wollt, gleich eure Kandidatur bekanntgeben könnt?"Sim-Off: *mit anderen Worten: Er hat schlicht gegen die Spielregeln verstoßen, da er das Testament nicht bei den Vestalinnen abgegeben oder in seiner Charakterbeschreibung verlinkt hat.
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Ursus lachte und grinste Cotta an. "Dir scheint die Arbeit in der Verwaltung Sorgen zu bereiten, Cotta? Wie wäre es, ich übernehme Dein Vigintivirat und Du für mich das Militärtribunat, so macht jeder, was er gern tut." Es war natürlich wieder nur ein Scherz und Ursus prostete dem Vetter lachend zu.
Doch die Worte von Corvinus verlangten auch nach einer Erwiderung. "Natürlich gebe ich etwas darauf, was die Leute sagen. Das was sie sagen, ist der Schlüssel zu allem! Wer im Senat ist schon ein wahrer Senator, der nur auf die inneren Werte schaut? Entscheidend sind Dein Ruf und Deine Kontakte. Und Militärdienst gehört immer noch zu den Dingen, die einem Mann sehr positiv angerechnet werden. Sogar gerade einem Patrizier, - gerade weil es freiwillig ist. Und nun gar ein Aurelier. Wir sind schließlich dem Militär seit Generationen eng verbunden. Ich werde ganz sicher ein Militärtribunat ableisten. - Ach, und wer weiß. Vielleicht gefällt es mir ja sogar. Cotta, wo kommt denn Deine Begeisterung für das Militär her? Steck mich doch mal ein wenig an, ja?" Er grinste schon wieder breit, meinte seine Frage aber zumindest halb ernst.
Daß Cicero nicht mehr bei Verstand gewesen war, beunruhigte Ursus ein wenig. Und so war er froh, daß Corvinus das Thema schon bald wieder wechselte und einen wirklich guten Gedanken zum besten gab. "Die Idee, eine Feier zu nutzen, um die Kandidatur bekanntzugeben, finde ich ausgezeichnet. Es gibt kaum eine schnellere Art, so etwas bekannt zu geben", stimmte er dem Onkel erfreut zu und sah dabei fragend zu Cotta. "Was hältst Du davon?"
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Langsam aber sicher begann mir das Gespräch nun doch zu gefallen, zumal es Corvinus auch gelungen war, meine Nachfrage wegen des leidigen Testaments befriedigend zu beantworten; ich nickte ihm erleichtert zu. An den nun auch allmählich immer sachlicher werdenden Äußerungen meiner beiden Verwandten fand ich vieles richtig. Um meinen Standpunkt zu den angesprochenen Punkten so deutlich wie möglich zu machen, versuchte ich mich, kurz zu fassen:
"Was den Termin des Militärtribunats angeht, kann ich nur sagen, dass mir auch Senator Purgitius bei unserem Gespräch auf dem Forum Romanum bei deiner Ernennung, Corvinus, abgeraten hat. Der Artikel in der Acta drückt also eine Meinung aus, die sich zumindest nach deinem Vorgehen ausgebreitet zu haben scheint."
Mit einem Lächeln wandte ich mich dann an Ursus:
"Ich befürchte also, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als für das Vigintivirat zu kandidieren, auch wenn mir dazu jegliche Verwaltungspraxis fehlt. Aber vielleicht können wir uns bei Marcus ja noch einiges abschauen. Zu überlegen wäre allerdings, welches Amt von den im vigintivirat vorgesehenen für jeden von uns in Frage käme."
Ich nahm einen Schluck verdünnten Wein, denn der Frage, die Ursus mir zum Militär gestellt hatte, wollte ich auf keinen Fall ausweichen; sie war allerdings auch nicht so leicht zu beantworten.
"Zu deiner Bemerkung, du übernähmest das Vigintivirat, während ich ein Militärtribunat ableiste, kann ich nur sagen: So falsch liegst du gar nicht. Neben der schon von mir erwähnten Möglichkeit, dort in überschaubarerem Rahmen etwas Verwaltungspraxis zu sammeln, stößt mich das Militär auch sonst nicht gerade ab. Ich kann gar nicht genau sagen, woran das liegt. Vielleicht, weil ja auch mein Vater in der legio I gedient hat. Vielleicht aber auch, weil ich mir denke, dass dort eine ganz spezielle Atmosphäre herrschen könnte, ganz anders als hier in unseren villae."
Während ich dies formulierte, war ich selbst nachdenklich geworden, zumal mir nun auch wieder meine Überlegung einfiel, dass es mir in der dort von mir erwarteten Atmosphäre möglicherweise leichter fallen könnte, Kontakte zu knüpfen. Und dabei hatte Marcus mich doch gerade als aufgeschlossen bezeichnet.
"Was die Frage nach den Kontakten angeht, stimme ich hier eher Titus zu: Ich denke, sie spielen eine große Rolle, vielleicht eine zu große. Aber die Idee, die avisierte Willkommensfeier auch dazu zu nutzen, Kandidaturen bekannt zu geben, finde ich sehr gut!"
Nun, nach den langen Reden, war es an mir, meinen beiden Verwandten zu zuprosten. Ich tat dies, ganz gegen meine übliche Art, fast mit einem Lachen: aufgeschlossen, hm, als aufgeschlossen hatte mich eigentlich noch niemand bezeichnet. Vielleicht steckten ja verborgene Talente in mir.
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