ZitatOriginal von Decima Lucilla
Während ich selbst nurmehr vorsichtig an meinem Weinbecher nippte, beobachtete ich belustigt, wie die auctix der Acta Diurna bei den ersten Schlucken aus ihrem respective Marons Becher Wirkung zeigte. Mein thrakischer Sklave hatte sich also auch bei diesem Mischungsverhältnis nicht lumpen lassen - oder die Decima vertrug noch weniger Alkohol als ich selbst, einmal abgesehen davon, dass ich als Mann selbstverständlich sowieso mehr vertrug als sie.
Bei der Frage nach dem globalen Denken blieb Decima Lucilla ihrer Einlull-Taktik treu. Einmal abgesehen davon, dass sie als auctrix der Acta doch wohl auch den ein oder anderen Artikel beisteuerte, war sie in ihrer Position doch für die politische Ausrichtung, besser gesagt: für die politische Korrektheit ihres Presseorgans verantwortlich, und zwar in letzter Instanz vor dem Kaiser. Jemanden ohne die Fähigkeit zu globalem Denken hätte man sicherlich nicht mit einer solchen Position betraut - es sei denn, die Decimerin war nur als Marionette installiert, und bei der Acta zogen im Hintergrund ganz andere die Fäden. Hm, war sie nicht auch mit irgendeinem Senator verlobt? - Diese Überlegungen behielt ich selbstverständlich für mich; laut äußerte ich dagegen Folgendes:
"Was deine Fähigkeit zu globalem Denken angeht, untertreibst du sicher sehr. Das zeigt allein schon deine scharfsinnige Analyse des unseligen Aufstandes in deiner Heimat."
Während ich das sagte, kam mir dazu ein weiterer Gedanke, den ich doch hoffentlich nicht dem Genuss des Weines verdankte:
"Ich möchte nicht indiskret werden, aber möglicherweise gehörst du zu den Frauen, denen man beigebracht hat, sie sollten nicht zu viel über Politik sprechen und auf keinen Fall zu intelligent wirken. - Ich für meine Person muss sagen, dass ich Frauen zu schätzen weiß, mit denen man auch über andere Dinge sprechen kann als über die neuesten Erzeugnisse ihrer Stick- und Webkränzchen. Zum Glück gibt es davon auch in meiner gens einige. Und du scheinst nicht nur auf dem Gebiet der Politik um globale Zusammenhänge zu wissen, sondern auch auf dem Terrain der Wirtschaft."
Ihre diesbezügliche Bemerkung in Verbindung mit einem gewissen hintergründigen Lächeln war mir nicht entgangen. Leider wusste ich ad hoc über die wirtschaftlichen Verhältnisse meiner Gesprächspartnerin nicht Bescheid. Aber was tat's, nach so viel Wirtschaft und Politik reizte eine Bemerkung Decima Lucillas über die Götter mich zum Widerspruch - vielmehr: hätte mich zum Widerspruch gereizt. Denn einer so sympathischen Dame gegenüber enthielt man sich natürlich des Widerspruchs und brachte nur eine Ergänzung an.
"Um den Anlass des heutigen Festes nicht ganz aus den Augen zu verlieren: Du hast natürlich Recht damit, dass Vulcanus sehr ernst ist. Ich habe mich allerdings schon oft gefragt, ob nicht auch im Treiben des Bacchus und seines Anhangs ein tiefer Ernst verborgen liegt."
Ob an dieser Frage nicht vielleicht auch mal wieder mein melancholisches Temperament schuld war? Schnell nahm ich noch einen Schluck Wein.
"Vielleicht gibt es da doch tiefere Verbindungslinien, als wir Sterblichen meinen. Und auch Feuer und Wein sind vielleicht enger verknüpft, als wir denken: Beides können wir in gleichsam domestizierter Form genießen und uns dessen bedienen, aber beides ist im Übermaß auch unberechenbar und entzieht sich unserer Gewalt."
... wie die vielen Betrunkenen bewiesen, die mittlerweile kaum noch zu übersehen waren.