kapeleion archaon

  • Leise wie ein Schatten trat Penelope in die Schankstube des Gasthauses. Harmonia auf ihrem Rücken war von feinem Stoff umwickelt, der kostbarer war als ihr Chiton. So viel hatte sie weggegeben und verkauft, nur Harmonia war noch in ihrer ganzen Pracht erhalten.
    Eigentlich mochte Penelope Gasthäuser nicht besonders. Die, die eine vornehmere Klientel hatten, wollten meistens keine Frau als Kitharist oder hatten ohnehin schon einen, und in den einfachen Schänken gab es immer wieder Männer, die nicht akzeptieren wollten, dass sie nur musikalische Zerstreuung anbot. Also musste sie mit dem Wirt alles Geld teilen, damit er ihr diese Kerle vom Leib hielt. Aber zuhause waren die verbliebenen Vorräte knapp geworden, und alle Menschen mussten essen. Auch Penelope.
    Sie stellte sich so hin, dass Lyros sie sehen musste. Vor zehn Jahren hätte man ihren Großvater noch angefleht, hier zu spielen. Vor fünf Jahren hätte sie bewundernde Blicke vom ganzen Raum geerntet, einfach weil sie die Enkelin vom großartigen Philolaos war. Sie hätte nicht einmal spielen brauchen, der Name hätte ausgereicht. Aber zwei Jahre früher hätte sie schon mit Nachdruck betonen müssen, welch großer Kitharist Philolaos war, und seit einem Jahr schien er ganz vergessen zu sein. Kein Wunder, in Rhakotis war die Lebenserwartung nicht besonders hoch, und man vergaß nur zu gerne alle, die dort wohnten.
    Sie hoffte, dass er sie spielen ließ und ihr nicht mehr als die Hälfte von allem, was sie verdiente, abnahm. Hier hatte sie noch nie gespielt, aber sie hoffte, sie hatte Glück. Sie hatte nur gutes von diesem Gasthaus gehört, was auf viele Gäste mit gut gefüllten Geldbeuteln hoffen ließ. Und vielleicht durfte sie ja auch ein wenig altes Brot mit nach Hause nehmen. Sie schaute ruhig zu Lyros hinüber, der sich grade mit seinen Gästen unterhielt. Drei junge Männer, deren Kleidung etwas staubig und abgetragen schien. Penelope hoffte, dass sie trotzdem vielleicht eine Münze für sie übrig hatten.

  • Timos lauschte dem Geschwafel des Wirts und musste schmunzeln. Bei den Worten "Opium" und "Puff" horchte er auf, musste sich jedoch eingestehen, dass die Erzählung wohl weniger der Wahrheit entsprach.
    Als Ánthimos antwortete, grinste Timos breit. Dieser wandte sich dann seinen Brüdern zu und Timos schenkte dem fetten Wirt nur noch wenig Beachtung.
    "Unterkunft und Geld, ja. Weißt du, ich glaube wir sollten uns lieber erst einmal irgendwo nach einer günstigen Wohnung umsehen. Vielleicht gibt es ja sogar im Gymnasion Übernachtungsmöglichkeiten, das wäre optimal. Dann könnten wir direkt zum Unterricht für die Ephebia* und anschließend sofort zum Sport gehen und hätten auch keinen langen Heimweg."
    Er schmunzelte erneut und machte sich erst einmal an seinem Brot zu schaffen. Der Wein war ebenfalls trinkbar und so stillte er zunächst einmal seinen Hunger und den unglaublichen Durst. Er schaute kurz zum Wirt und hob den Becher anerkennend, dann wandte er sich wieder Ánthimos und Ilías zu. In diesem Moment bemerkte er eine junge Frau, die in die Schankstube trat. Er saß günstig, hatte er doch einen direkten Blick auf die Tür des Gasthauses. Mit einem Fingerzeig bedeutete er dem Wirt, dass neue Kundschaft herannahte.

  • Ànthimos hatte seinem Bruder mit einem Ohr zugehört. Mitten in dessen Worten hatte doch eine junge Frau die Schankstube betreten. Sie sah zwar nicht besonders wohlhabend aus, doch hatte sie ein aristokratisches Gesicht. Was die wohl hier wollte? Sie sah nicht aus, als wollte sie sich zum Essen oder Trinken hierher begeben. Irgend etwas hatte sie auf dem Rücken verschnürt. Ein Kind? Wohl eher nicht. Aber das was auf ihrem Rücken war, war mit sehr teurem Stoff eingebunden, es musste also wohl ebenfalls etwas wertvolles sein.


    Gebannt beobachtete er die junge Frau, war er doch von ihren Wangenknochen und ihrem Kinn begeistert. Am liebsten hätte er sie gezeichnet, aber dazu fehlten ihm ja leider die Materialien...

  • Auch Ilías schenkte der jungen Dame, die den Raum betrat, Aufmerksamkeit. Halb das Gespräch verfolgend, halb der jungen Dame hnterherschauend, saß er da auf seinem Stuhl mit dem Becher Wein in der Hand und ginste sie an. Sie war bestimmt nur etwas älter oder sogar ein wenig jünger als er. Mit ihr wäre er früher auch durch die Schenken gezogen und hätte nicht nur sie sondern auch sich abgefüllt.
    Er war total fastzieniert von ihr, schon als sie den Raum betrat konnte er die Augen nicht mehr von ihr weichen lassen. Mal schauen was sie von mir halten würde. Dann wandte er sich seinen Brüdern zu, die ihr ebenfalls hinterherschauten.


    "Was meint ihr wie alt sie ist? Meint ihr, wenn sie in meinem Alter wäre, hätte ich einen Chance bei ihr?"


    Und wieder schaute er ihr nach.


    edit: Rechtschreibung :) und ein wenig umgeändert

  • Ànthimos klopfte seinem Bruder auf die Schulter. "Du erkennst doch nichtmal eine richtige Frau, wenn man sie Dir auf den Bauch bindet." neckte er ihn leise. "Werd du erstmal erwachsen, bevor du jedem Rockzipfel hinterherjagst. Bis dahin ist das die Sache von Timos und mir. Aber vielleicht kennt sie sich ja in Alexandria aus, und kann uns helfen."
    Auch er hatte durchaus ebenfalls gefallen an der jungen Dame gefunden. "Ich winke sie mal zu uns rüber." Er nahm blickkontakt zu ihr auf, und bevor der Wirt zu Wort kam, winkte Ànthimos die junge Dame zu sich.

  • Penelope fragte sich, ob sie etwas auf der Nase hatte oder ob ihr Chiton falsch gebunden war. Der jüngste der drei Männer grinste so fröhlich einen Moment zu ihr herüber, dass sie ein wenig verwirrt war. Aber nach außen hin ließ sie sich nichts anmerken. Sie hatte schon vor gröhlendem, vor schweigendem, vor missmutigem, vor betrunkenem, vor in Gesprächen vertieftem Publikum gespielt, grinsendes Publikum brachte sie da auch nicht mehr aus der Ruhe. Zwar spielte sie im Moment nicht, aber sie hoffte ja, dass das sich bald ändern würde.
    Allerdings war der größte der drei Fremden etwas schneller als Lyros. Sie glaubte zwar, dass der Wirt sie gesehen hatte, aber der konnte sich nun kaum zwischen seine Gäste drängen. Wobei, Lyros konnte schon, er war ein sehr herzlicher Mann nach allem, was man so hörte. Bevor sie es herausfand, schaute sie sicherheitshalber noch einmal fragend zu dem Großen hinüber, und als sie sicher war, dass er wirklich sie meinte, ging sie zu den drei Männern an den Tisch.


    "Chairete", begrüßte sie sie, vielleicht etwas zaghaft. Neugierig wartete sie darauf, was nun passieren würde.


    Harmonia indes wurde ziemlich schwer auf dem Rücken und rutschte leicht, so dass Penelope den Gurt kurz auf der Schulter richtete. Das würde ihr gerade noch fehlen, dass die wertvolle Kithara herunterfiel.

  • "Chairete, mein Name ist Ànthimos. Das sind meine Brüder Thimóteos und Ilias. Entschuldige bitte, dass wir dich so angestarrt haben, aber wir fragten uns was du da wohl auf dem Rücken trägst, was in solch kostbares Tuch gewickelt ist." Das entsprach natürlich nicht ganz der Wahrheit, aber immerhin ein bisschen.


    Als das Bündel von ihrer Schulter rutschte fügte er hinzu:
    "Es scheint offenbar schwer zu sein. Möchtest du dich nicht setzen?", sagte er mit einem Lächeln.


    Dann wandte er sich ohne auf ihre Antwort zu warten an Lyros: "Sei doch bitte so nett und bring uns noch einen Becher verdünnten Wein für die junge Dame."
    Das Geld musste in ihrer "Reisekasse" noch drin sein.

  • So kostbar war das Tuch eigentlich auch wieder nicht. Wobei, im Vergleich zu dem Rest, den Penelope so trug und auch dem, was die drei anhatten, war es wohl kostbar zu nennen. Einen Moment stutzte sie, dann strahlte sie.


    Ich bin Penelope, und das ist Harmonia.“


    Vorsichtig ließ sie das Bündel auf einen Stuhl ab. Ganz leise klangen die Seiten durch den Stoff, als Penelope sie berührte, um den sicheren Stand des Bündels zu überprüfen. Erst dann setzte sie sich und schmunzelte noch mehr, wohl wissend, dass sie mit dem einen Wort wohl kaum erklärt hatte, was nun in dem Bündel war.


    Es ist die beste Kithara, die je gebaut wurde.


    Das war zwar eine Übertreibung, aber eine angebrachte. Harmonia hatte ihren Namen verdient, Penelope kannte keine Kithara, die halb so klar und rein klang wie diese.


    Soll ich euch etwas vorspielen?


    Wenn die drei jetzt ja sagten, konnte Lyros später unmöglich nein sagen. Sie brauchte nur eine einzige Chance, vorspielen zu dürfen. Penelope wusste, dass sie gut war. Ein ganzes Leben der ständigen Übung und ein strenger Lehrmeister schufen Perfektion. Aber dennoch klang ihr Vorschlag ganz beiläufig und freudig.

  • Penelope war ein großer Name, denn denselben trug die Tochter des Odysseus. "Du möchtest für uns spielen? Es wäre eine Ehre für uns die beste Kithara zu hören und zudem sehr passend, haben wir doch unsere Ankunft hier in Alexandria zu feiern!" Er zwinkerte ihr ermutigend zu. Ànthimos freute sich aufrichtig über das Angebot, mochte er Musik doch sehr gerne und außerdem war er für jede Ablenkung gerne zu haben, noch dazu wenn sie von einer hübschen Frau kam.


    Das der Wirt etwas dagegen haben konnte kam ihm gar nicht in den Sinn, denn diser hatte bisher einen durchaus fröhlichen Eindruck gemacht.

  • Das ließ sich Penelope natürlich nicht zweimal sagen. Sie schenkte Ánthimos ein dankbares Lächeln, wenn dieser vermutlich auch nicht wusste, wofür er das nun bekam. Vorsichtig löste Penelope die Lederschnur, die den Stoff festhielt, und schlug den Stoff bedacht auf.
    Harmonia war immer wieder ein Anblick für sich. Die Kithara war aus dunkelrotem Holz gefertigt und so lange poliert worden, bis sie fast schwarzrot glänzte. Die beiden Hörner waren leicht gebogen und hielten einen dünnen Steg aus hellem Holz, der die Saiten hielt. V-förmig verliefen diese nach unten über den fast runden Klangkörper zu dem ebenfalls aus hellem Holz gefertigten Saitenhalter. Aber das eigentlich beeindruckendste an dem Instrument war die Rückseite. Eine dünne Schicht des Holzes war eingeritzt worden und Elfenbein war so eingelassen worden, dass dort weiß auf dunkelrot alle neun Musen zu sehen waren.
    Philolaos hatte diese Kithara geschenkt bekommen, als er vor über zwanzig Jahren, noch vor Penelopes Geburt, bei den pythischen Spielen einen Lorbeerkranz gewonnen hatte. Damals musste er in Alexandria wie ein Gott gefeiert worden sein, aber dieser Ruhm war schon lange, lange vorbei.
    Das dicke Band, das vorhin die Kithara auf ihrem Rücken gehalten hatte, legte sich Penelope wieder um die Schulter. Eigentlich war dieser Tragegurt dazu da, dass man im Stehen bequem spielen konnte. Aber Penelope wollte gar nicht aufstehen, sollte ihr Spiel doch eher wie ein zufälliges Stück und nicht wie ein geplanter Auftritt aussehen. Sie legte den Gurt nur aus der Macht der Gewohnheit heraus an. Mit dem Stuhl rückte sie ein wenig vom Tisch weg, um Platz zu haben, und damit der Klang sich besser entfalten konnte.
    Ihre linke Hand ruhte hinter den Saiten, weit oben, um diese zu verkürzen oder Töne zu stoppen. Ihre Rechte fuhr einmal fast zärtlich über alle zwölf Saiten und entlockte diesen leise singende Klänge. So leise diese waren, so große Macht hatten sie, denn irgendwie schien alles gedämpfter. Das Klappern der Becher, die Geräusche der Küche, alles schien auf die Melodie zu warten, die diese kleine Tonfolge versprochen hatte.
    Ohne Plektron fing Penelope an, eine Melodie zu spielen. Es war die, mit der ihr Großvater damals bei den Spielen seinen Lorbeer errungen hatte und die sie über tausend Mal geübt hatte, bis sie sie schließlich perfekt beherrschte. Aber sie spielte sie weicher, sanfter, fließender. Ein Ton schien in den nächsten hinüberzuschweben, so dass zwei, drei in perfekter Harmonie durch den Raum schwangen. Die Melodie war leicht und fröhlich, an manchen Stellen sehnsüchtig, fließend wie Regen an einem Frühlingsmorgen. Penelope war ganz in ihr Spiel vertieft und nahm kaum etwas außerhalb dieser Klänge wahr. Erst, als der letzte Ton verklang, hob sie wieder den Kopf und lächelte selig ihre drei Tischgenossen an.

  • Ànthimos war wirklich beeindruckt vom Talent Penelopes. Das eine solch talentierte Musikerin durch die Schankräume Alexandrias wanderte, hatte er nicht für möglich gehalten. Eher dass eine talentfreie Schönheit versucht hätte hier ihr karges Einkommen ein wenig aufzubessern. Er stupste Ilias mit dem Ellenbogen an und machte ein anerkennendes Gesicht.


    Als Penelope geendet hatte klatschte Ànthimos anerkennend: "Ich höre und sehe, du hast offenbar nicht untertrieben als du sagtest dies sei die Beste Kithara. Aber auch ihre Spielerin scheint dem Instrument in nichts nachzustehen. Du spielst wirklich wunderbar und dein Instrument scheint sich zurecht mit den Musen zu zieren. Sag mir, wo hast du so zu spielen gelernt, und warum treibt sich eine so begnadete Musikerin durch Alexandrias Tavernen?"

  • Penelope versuchte, das Kompliment so bescheiden wie möglich aufzunehmen. Allerdings konnten ihre Augen kaum verhehlen, wie sehr es ihr schmeichelte. Auch sie ließ erstmals einen längeren Blick über Ánthimos gleiten. Er sah sehr kräftig aus und hatte ein ehrliches Gesicht. Auch seine Stimme war angenehm, wenn auch nicht die eines Sängers. Alles in allem fand sie ihn durchaus anziehend.
    Seine Frage allerdings war nicht ganz so einfach für sie zu beantworten. Schließlich hatte sie nicht vor, ihm gleich ihre ganze Lebensgeschichte auf die Nase zu binden, schon gar nicht, wo sie sich erst seit fünf Minuten kannten und erst recht nicht in einem Gasthaus. Aber vermutlich kannte er Philolaos sowieso nicht, oder hielt ihn wie die meisten für verstorben.
    "Nunja, diesbezüglich hat es durchaus Vorteile, die Enkelin von Philolaos, dem Kitharisten, zu sein. Und ich hatte gehofft, dass Lyros mich hier vielleicht ein paar Mal spielen lässt, oder mich fest einstellt. Leider konnte ich noch niemanden überzeugen, mir als Kitharist Arbeit zu geben."
    Andere Angebote hatte sie eine Menge bekommen, vor allem in den Schenken für die weniger betuchte Gesellschaft. Sie musterte die drei noch einmal. "Ihr seid nicht aus der Gegend, oder?" fragte sie gut gelaunt.

  • Philolaos? Irgendwo hatte er den Namen doch schonmal gehört...
    "Nun ich bin kein großer Musikkenner, und kann immer nur sagen, ob mir etwas gefällt oder nicht. Aber meine Mutter hat immer sehr gerne Musik gehört und wenn ich mich recht entsinne hat sie mir einmal von deinem Großvater erzählt. Sie hat wohl einmal ein Konzert mit ihm hier in Alexandria besucht und noch Jahre später jedes mal von ihm geschwärmt, wenn sie eine Kithara gehört hat." Er sagte die Wahrheit, denn über seine vor kurzem gestorbene Mutter würde er nie etwas falsches erzählen. Plötzlich war es wie ein Stich ins Herz, zu nah war der Tod seiner Mutter noch. Er nahm einen Schluck Wein um den Moment zu überbrücken. Aber der ging zum Glück genauso schnell vorbei wie er gekommen war.


    "Es würde mich doch wundern, wenn jemand wie du keine feste Stelle als Musikerin bekommt. Ich selber widme mich neben den Sport der Zeichenkunst und hoffe hier mein Glück zu finden. Aber du hast recht wir sind neu in Alexandria. Wir kommen aus der Nähe von Memphis und gerade erst angekommen. Ich muss gestehen, dass mich die Stadt schon sehr beeindruckt hat, und ich mir schon ein wenig verloren hier vorkomme. Da ist so eine Schenke schon ein sicherer Hafen.", erzählte er jetzt lachend.


    "Aber sag mal, wenn du dich hier auskennst kannst du uns vielleicht ein wenig helfen, weil wir uns hier noch nicht so gut zurecht finden. Alles ist hier so groß und unübersichtlich."

  • Der Mittag war mittlerweile schon fast vorbei und Caecilia Alba hatte, nachdem sie erst vor kurzer Zeit aufgestanden war, nur ein wenig verdünnten Wein und Brot gegessen. Nach mehr war ihr gerade nicht zumute. Stattdessen genoss sie einen kleinen Spaziergang durch die endlosen und unübersichtlichen Straßen der Stadt. Sehr lange war sie nicht mehr in Roma gewesen und sie vermisste die ewige Stadt. Alexandria war fast ein Ersatz.


    Der Wind wehte vom Meer und ließ ihr grünes Kleid und ihre Locken, die sich nicht von Haarnadeln hatten bändigen lassen, im Wind spielen. Wenn in Roma die Hitze stand, war es nur auf den umliegenden Hügeln erträglich. Da hatte Alexandria mit der Nähe zur Küste Roma wirklich einen nicht unerheblichen Vorteil.


    Der Lärm der Hafenarbeiter, die Waren in den nahen Lagerhäuser oder zu den Märkten transportierten, ließ sie aus dem kurzen Tagtraum an die letzte Nacht aufschrecken. Auf unsanfte Weise wurde sie daran erinnert, dass sie am gestrigen Abend dem griechischen Wein deutlich zu gut zugesprochen hatte. Ein Pochen begann sich langsam in ihrem Kopf breit zu machen und die grelle Sonne blendete sie. Schnellen Schrittes rettete sich Caecilia Alba aus der Menge in eine kleine Nebengasse.


    Nachdem ihre Schritte sie durch die Straßen und Gassen der Stadt getragen hatte, kam sie zu einem kleinen aber einladenden Lokal. Sie war noch am überlegen, ob sie dort noch eine Kleinigkeit essen sollte, als sie griechische Zungen aus dem Schankraum hörte. Ihre Entscheidung wurde ihr soeben abgenommen. Caecilia Alba ging durch die Tür in die Gaststätte und blickte sich zunächst um. Als sie sich bewusst war, dass sie für einen kurzen Moment die Aufmerksamkeit der Gäste und des Wirtes hatte, grüßte sie in die Runde.
    “Chaire.”
    Dann ging sie zielstrebig auf einen leer stehenden Tisch zu und setzte sich an diesen. Im hinsetzten hatte sie beim Wirt noch Wein, Datteln und Feigen bestellt, als wäre es eine Selbstverständlichkeit und sie ein altbekannter Stammgast.

  • Timos hatte dem Gespräch zwischen ihrer neuen Bekanntschaft und seinem Bruder interessiert zugehört. Als Penelope dann zu spielen begann, zog sie ihn ganz in ihren Bann. Anerkennend nickte er, als sie geendet hatte. Als Ánthimos um Hilfe bat, stieg er mit ins Gespräch ein.
    "Weißt du, wir sind nicht reich und suchen nach einer preisgünstigen Bleibe und nach gut bezahlter Arbeit."


    Als er so sprach, entdeckte er eine junge Frau, die soeben das Lokal betreten hatte. Sie grüßte in die Runde. "Chaire werte Dame!" erwiderte Timos ihren Gruß und lächelte in ihre Richtung. Der Wirt nahm selbstverständlich sofort die Bestellung auf. Die Frau schien ein wesentlich besseres Einkommen als die drei Griechen zu haben, bestellte sie doch direkt guten Wein, Datteln und Feigen. Außerdem war sie nicht gerade schlicht gekleidet. Timos' Interesse war sofort geweckt. Eine reiche Frau konnte ihnen vermutlich genauso nützlich sein wie eine Frau, die sich auskannte. Er besah sich ihre Runde und entdeckte noch ein paar freie Plätze an ihrem Tisch.


    Timos suchte Augenkontakt mit der jungen Frau und winkte diese zu ihrem Tisch heran.

  • Ànthimos bekam gar nicht mit, das sein Bruder eine Frau an den Tisch winkte.
    Verdammt! Eigentlich hatte er durch die Betten vieler junger Frauen hier in Alexandria hüpfen wollen. Und gleich die erste der er begegnete faszinierte ihn ungemein. Neben den körperlichen Merkmalen, auf die er sehr viel Wert legte, schien diese sowohl mit Talent, als auch mit einem guten Charakter gesegnet zu sein-zumindest soweit er es bisher beurteilen konnte.


    Er musterte sie noch einmal, während sie sich eine Antwort auf seine Frage, und die Frage seines Bruders, überlegte. Sie war sehr schlank, aber nicht zerbrechlich. Ihre Halslinie war klar definiert und makellos und ihre Gesichtspartie durchweg aristokratisch. Hohe Wangenknochen und ein zartes aber stolzes Kinn. Dies alles nahm er mit dem Blick eines geübten Zeichners innerhalb weniger Augenblicke war.

  • Eine preisgünstige Bleibe und eine gut bezahlte Arbeit. Wer suchte die nicht in Alexandria? Allerdings sahen die drei hier trotz des Reisestaubes gepflegt aus und wenn Ánthimos Mutter es sich damals hatte leisten können, von Memphis nach Alexandria zu reisen, nur um Philolaos zu hören, musste sie zumindest früher einmal Geld besessen haben. Das ließ auf eine einigermaßen gute Bildung hoffen. Und damit ging es den dreien vermutlich besser als den Meisten derer, die hier in Alexandria nach Arbeit suchten und nichts vorzuweisen hatten.


    "Gerne helf ich euch. Ich kann euch nachher gerne ein wenig herumführen. Auf der Agora ist ein Anschlagbrett, da stehen manchmal Arbeitsplätze ausgeschrieben. Und ansonsten kann ich euch auch gerne alle wichtigen Gebäude zeigen."


    Einen Arbeitsplatz konnte sie selbstverständlich nicht so einfach aus der Tasche schütteln. Wenn sie das könnte, würde sie selbst nicht suchen müssen. Und abgesehen davon kannte sie die drei ja gar nicht und hatte keine Ahnung, was sie denn als Arbeit suchten und wo ihre Begabungen lagen. Als Zeichner hatte man es manchmal noch schwerer als als Musiker. Wenig Leute ließen im Vorbeigehen einige Münzen für einen fallen, nur um ein Bild anzuschauen. Bei Musik war das anders.
    Auch Penelope bemerkte die Rhomäerin, die den Raum betrat. Einen Rhomäer erkannte man in Alexandria sofort. Sie hatte zwar nichts gegen sie – und das, obwohl sie nun schon über ein Jahr in Rhakotis wohnte – aber sie hatte im Gegensatz zu Thimótheos Hemmungen, solche Leute anzusprechen. Er winkte ihr aber genauso fröhlich herüber, wie es Ánthimos vorhin mit ihr gemacht hatte.
    Aber Penelope widmete sich lieber wieder ihrem Gesprächspartner, als auf die Reaktion der Rhomäerin zu achten. Ánthimos schien ein überaus netter Kerl zu sein. Dazu sah er noch ziemlich gut aus, und dass er davon sprach, dass er gerne zeichnete und Musik hörte, zeigte seine musische Ader, die Penelope bei allen Menschen immer sehr schätzte. Aber er sagte, er mache das "neben dem Sport". Dass er sportlich war, konnte man unschwer an seinen Muskeln sehen. Aber so, wie er es sagte, war der Sport ihm wohl wichtig.


    "Ich könnte euch auch nachher mal am Gymnasion vorbeiführen, wenn du magst. Welchen Sport trainierst du?"


    Während sie sprach, zog Penelope langsam wieder Harmonia aus und wickelte sie vorsichtig in das Tuch ein. Es schien nicht so, als solle sie noch mehr jetzt spielen, und die Kithara im sicheren Tuch verstaut war es bequemer für sie, sich mit Ànthimos zu unterhalten.

  • Das wurde ja immer besser. Das Gymnasion war schließlich einer der Hauptgründe warum es ihn nach Aleandria gezogen hatte.


    "Das Gymnasion musst du mir unbedingt zeigen. Darauf freue ich mich schon den ganzen Weg hierher! Welchen Sport ich mache? Ich bestreite Wettkämpfe im Pentathlon* und in Ring- und Faustkämpfen. Ich hoffe bei den nächsten Olympischen Spielen teilnehmen zu können, da es dieses Mal leider nicht geklappt hat. Außerdem schieße ich gerne mit dem hier, auch wen Bogenschießen nicht olympisch ist." Er holte seinen Bogen unter der Bank hervor, unter die er ihn vorhin gelegt hatte. Er war aus Ebenholz, das an den Enden mit Elfenbein verziert war. Feine Schnitzereien zeigten die Abenteuer des Herakles.


    "Damit haben wir beide äußerst schöne Saiteninstrumente, nur das deines eindeutig viel schönere Musik macht." Er zwinkerte ihr zu.


    "Ich suche eine Arbeit als Schreiber, oder etwas in der Verwaltung. Zwar könnte ich natürlich auch körperliche Arbeiten erledigen, aber ich denke da bin ich mit dem Sport schon mehr als genug ausgelastet und ich hätte lieber etwas das meinen Geist ein wenig fordert. Aber es wäre wohl vermessen gleich hohe Ansprüche zu stellen."


    Er trank einen Schluck Wein.


    "Es ist sehr nett von dir, dass du uns helfen möchtest. Können wir uns denn irgendwie bei dir erkenntlich zeigen?"










    *antiker Fünfkampf: Stadionlauf, Fünfsprung, Diskus, Speerwurf, Ringen

  • "Faustkampf? Bei dem schönen Gesicht?"
    Die Aussage war Penelope rausgerutscht, und so war sie froh, dass der Bogen sie sogleich ablenkte und die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zog. Aber es stimmte ja, was sie sagte. Sie mochte Ánthimos Erscheinung, und ihn sich mit aufgeschlagener Lippe und Nasenbruch vorzustellen, war nicht unbedingt das, was ihr Herz erfreute. Und die meisten Faustkämpfer, vor allen bei der Olympiade, verließen den Platz mit gebrochenen Knochen oder ausgeschlagenen Zähnen. Noch unerbittlicher war nur Pankration, das nur durch Aufgabe eines Gegners beendet wurde. Oder dessen Tod. Aber vermutlich gehörte so etwas einfach bei einem richtigen Mann dazu.


    Der Bogen war ein wunderschönes Stück. Penelope bewunderte die schönen Schnitzereien auf seiner Oberfläche. In Kunstfertigkeit stand dieser ihrer Harmonia sicher in nichts nach. Da sie selber es nicht leiden mochte, wenn jemand anderes ungefragt ihre Kithara anfassen wollte, berührte auch sie den Bogen nicht. Kaum ein Handwerker konnte es leiden, wenn jemand anderes sein Werkzeug berührte.


    "Herakles, oder? Ein wirklich schönes Stück. Auch wenn es nur eine Saite hat." Penelope erwiderte sein Zwinkern mit einem neckischen Grinsen.


    "Beim Gymnasion ist auch das Arbeitszimmer des Gymnasiarchos. Vor einiger Zeit hat der Mal einen Schreiber gesucht. Ich weiß nicht, ob er schon einen gefunden hat. Aber da kannst du auch Lyros fragen, das Gasthaus hier gehört nämlich dem Gymnasiarchos.
    Die neue Pyrtanie hat auch eben erst begonnen, vielleicht sucht der eine oder andere noch einen Schreiber passend zu seinem neuen Posten.
    Und zum revanchieren fällt uns dann schon was ein.
    "
    Wenn das alles bis nach Sonnenuntergang dauerte, brauchte sie beispielsweise eine Eskorte nach Hause. Nachts als Frau allein durch Rhakotis zu laufen, noch dazu mit einer teuren Kithara auf dem Rücken, das war nicht unbedingt eine gute Idee.

  • Das schmeichelte Ànthimos jetzt doch ein wenig. Er wusste zwar, dass er gutaussehend war, und bildete sich auch einiges darauf ein, aber so ein direktes Kompliment zu bekommen war er nun doch nicht gewohnt.


    "Ach das ist meist nicht so schlimm wie es aussieht. Wenn man gutes Heilfleisch hat, und ein bisschen gepflegt wird, geht das meist alles schnell wieder weg. Man muss nur auf seine Zähne aufpassen." Sein Lächeln zeigte, dass er das bisher sehr gut gemacht hatte.


    "Das wäre ja toll, wenn Schreiber gesucht würden. Mhhhh. Ich brauche jetzt eh einen kleinen Spaziergang nach dem Essen. Was hältst du davon, wenn du mir das Gymnasion und das Museion zeigst, und wir kommen dann wieder hierher zurück und essen zu Abend?"

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!