Wasser hat keine Balken

  • Obgleich die römischen Badehäuser nicht für die Götter erbaut worden waren, so waren sie doch augenscheinlich meist viel zu überdimensioniert für die menschliche Gestalt, gleichsam war jedoch das römische Volk noch nie sonders bescheiden in seinen Ansprüchen gewesen - allerhöchstens zum frühesten Beginn seiner Geschichte, als das römische Volk noch kaum ein Volk denn mehr ein Haufen unbedeutender Dörflinge gewesen war - so dass kaum irgendwer sich je über die Dimensionen jedweder Thermen wundern mochte. Gegenteilig zu den aedes der Götter - welche bisweilen von viel geringerem Ausmaß nur waren - lagen die Eingänge zudem nicht erhöht, nicht nur durch eine längere Treppenreihe erreichbar und nicht hinter einer Säulenhalle verborgen, so dass der Mensch, welchen es in die Badeanstalt hinein zog, üblicherweise nicht all zu lange auf seinem Weg vor dem Gebäude verharrte, sondern nach zwei, drei Stufen bereits vom Inneren des Erholungstempels verschluckt wurde. Kaum auch verschwendete der Besucher einen Gedanken daran, dass unter ihm, der er auf beinahe gleicher Ebene mit der Erde stand, ein weiteres, verborgenes Geschoss lag, in welchem heißer Dampf dafür Sorge trug, dass der Fußboden gewärmt wurde, so dass das Gehen mit bloßen Füßen zu jeder Jahreszeit angenehm war - nur dann, wenn das Hypokaustensystem einen Schaden aufwies, bequemte sich der römische Bürger einen Gedanken daran zu verschwenden und möglicherweise, so denn es sich um einen Bürger niederen Standes handelte, laut zeternd den zuständigen Verwalter dafür zu rügen und sofortige Behebung des Misstandes zu verlangen. Gracchus indes hatte nie verlernt zu Staunen, gegenteilig konnte er sich regelrecht an solcherlei alltäglichen und doch sublimen Kleinigkeiten laben und obgleich er die Gebäude Roms, welche unzweifelhaft die schönsten, größten und erhabensten überhaupt waren, tagtäglich vor Augen sah, so konnte er immer wieder von neuem ehrfürchtig an ihnen empor blicken, sich in den majestätischen Dimensionen verlieren, ob unter- oder überirdisch, und darüber nachsinnen, wie gering der einzelne Mensch in solch einer Welt doch schien und doch gleichsam der Erschaffer all dessen war. Einige Männer schon waren an ihm vorbeigezogen, bis sich Gracchus endlich aus seinem Nachsinnen löste und das Gebäude betrat. Im Umkleideraum entledigte er sich seines Gewandes, welches er bei einem jungen Sklaven in Obhut ließ, welchen er eigens für diese Aufgabe hatte mitgebracht, ebenso seiner Stiefel. Sein Leibsklave Sciurus folgte ihm ins Innere der Thermen, um seinem Herrn jederzeit dienlich zu sein. Sportliche Betätigung zum Aufwärmen konnte Gracchus an diesem Tage nicht im Mindesten locken, darum strebte er direkt dem tepidarium entgegen, ließ sich dort auf einer der steinernen Bänke nieder und ließ seinen Körper von der angenehm warm temperierten trockenen Luft umströmen.

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  • Den Kopf zurück an die Wand hinter sich gelehnt, die Augen halb geschlossen und die trockene, angenehme Luft durch die Lungen strömen lassend, saß Gracchus im tepidarium und lauschte dem Gespräch zweier ältlicher Senatoren, welche sich kurz nach ihm ebenfalls dort hatten eingefunden. Sie besprachen die aktuellen Änderungen im Bereich der imperialen Verwaltung, welche erneut dazu gereichte, die Positionen der Ritter im Imperium zu festigen und zu stärken, und taten ihren Unmut kund darüber, dass im Zuge dessen in Rom nur zwei neue Ämter zur Besetzung mit Senatoren geschaffen worden waren, obgleich jeder wusste, dass gerade Senatoren es dieser Tage ausnehmend schwer hatten überhaupt noch für ihren Unterhalt zu sorgen, und dass unverschämterweise solcherlei Ämter nur immer mit senatorischen Emporkömmlingen wurden besetzt, ohne dass verdiente, alte Männer wie sie überhaupt in Betracht wurden gezogen. In einer unauffälligen, klandestinen Bewegung hob Gracchus das Lid des linken Auges um einen genaueren Blick auf die beiden Männer zu werfen, musste jedoch feststellen, dass er keinen von beiden kannte. Mochte er auch selbst eine äußerst larmoyante Seele sein, so fand er es bisweilen doch äußerst befremdlich wie die beiden Senatoren sich in solch öffentlicher Art selbst bedauerten, zumal Gracchus kaum nachvollziehen konnte, weshalb der Stand der Senatoren in Finanznot sollte sein. Mochten einzelne Exemplare dieser Bevölkerungsgruppe sich über die Maßen und zu dauerhaften Nachteil verausgaben, so geschah dies doch in seltensten Fällen in Hinblick auf das Wohl des Imperium, denn mehr auf das eigene, denn kaum einem Senator, welcher sich etwa während seines Aedilates in größere Unkosten stürzte, wurde dies nicht hernach vom Imperium gedankt, sei es durch einen lukrativen senatorischen Posten oder auch in übermäßiger Zahl neuer Klienten. Als die beiden Senatoren schließlich begannen vom Bedauern über das offensichtliche Kranken des Staates zur Vertiefung ihrer eigenen, überaus zahlreichen Gebrechen überzugehen, entschied Gracchus, dass es der trockenen Luft genügend sei, wurde sie doch allmählich schal, erhob sich und ging in den Raum des Sudatorium weiter, wo er sich von seinem Sklaven kurz trocknen ließ um sodann im nebligen Dickicht zu verschwinden.



    edit: Das heißen Becken durch nebliges Dickicht ersetzt.

  • Sim-Off:

    Aus den Augen, aus dem Sinn, noch dazu, welch unverzeihlicher Fauxpas gegen Ende des vorherigen Beitrages, so das Sudatorium doch kaum ein Becken beherbergte, denn dichten Dampf.


    Feine, weißfarbene Nebeltropfen tauchten den Raum in eine Atmosphäre wie in Irrealität eines Traumes, kaum wenige digitus reichte der Blick durch den silbrigen, nach Zitronatzitronen duftenden Schleier. Genießerisch schloss Gracchus die Augen und sog tief die feuchte Luft durch seine Nase bis in die Lungen, konnte förmlich spüren, wie die Poren seiner Haut sich weit öffneten, um den umschmeichelnden Dampf in sich aufzunehmen. Nicht nur für das Äußere war dieserlei Art von Entspannung äußerst wohltuend, sondern gleichsam auch für den Geist. Als er die Augen wieder öffnete, schoben sich blasse Silhouetten vor ihm durch die schaukelnden Dunststreifen und die Betrachtung jener unscharfen und doch eindeutigen Konturen ließen Gracchus' Lippen sich in einem genießerischen Lächeln kräuseln. Als er sich jedoch des visuellen Goutierens wurde bewusst, erstarrte seine Miene und erneut schloss er die Augen, um an andere, vor ihm liegende Dinge zu denken. Im Hintergrund sammelte sich der heiße Dampf um die Glieder einer eisernen Kette, welche von der Decke herab hing und eine kleine, zu dieser Zeit feuerlose Öllampe hielt, kondensierte zu feinen Wasserperlen, welche herabrannen an der glatten Oberfläche und schlussendlich mit dumpfem, klandestin platschenden Laut hinab auf die Fliesen des Bodens tropften, wo sich bereits eine kleine Pfütze ob dessen hatte gebildet. Hypnotisierend war der Laut, dem Zupfen der immer gleichen Saite einer Lyra ähnlich, viel mehr noch als das leise murmelnde Gespräch einiger Männer, welches sich als Muster der Melodie in den Hintergrund der tropfenden Symphonie stahl, und es Gracchus leicht machte, seinen ungeordneten Gedanken nach zu hängen, sie gleichsam bei Seite zu wischen und sich von unbeschwerter Leichtigkeit des Dampfes einhüllen zu lassen.

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