{Das Mausoleum Augusti, Marsfeld} – Sieht Fürstengräber, sieht die Flur bedeckt

  • Still ist die Nacht. Rom schläft. In der schwarzen Finistere. Die Menschen schlafen. Eingehüllt in Düsterkeit. Entlockt aus der Welt durch Hypnos Schwingen. Umschmeichelt von den Armen des Morpheus. Callista indes benötigt es in dieser Nacht nicht, die Augen zu schließen. Um einen Traum zu erleben. Entführt ist sie schon längst. Entrückt fühlt sie sich. Gestalten ihrer Phantasie walzen im Garten. Ein Garten, der schon lange kein Garten mehr ist. Sie sind nicht mehr. Indes sind sie umso eindringlicher.
    Callista schwelgt und huldigt all den Empfindungen, die sie beherrschen. Halb geschlossen sind ihre Augen. Die dunklen Wimpern umkränzen die schwarzen Augen. Ihr Mund ist jedoch eine Nuance geöffnet. Stößt den keuchenden Atem aus. Das sanfte Flüstern ohne Worte, dass ihre Lust und ihr Verlangen beschreibt. Die Wonne, die sie verspürt. Ihre Brust hebt und senkt sich im gleichen Rhythmus. Dem Heben ihrer Hüften. Dem wiegenden Schaukeln ihres Liebesreigen.
    Den Kopf in den Nacken gelegt sieht Callista die leuchtenden Sterne über ihren Köpfen. Ein tiefes Seufzen entschlüpft ihr. Sodann ein Stöhnen. Die Lust vermag das Leben in Callista zurück zu bringen. Die Lethargie ist vertrieben. Die Trauer für zumindest diese Nacht. Sklaven vermag Callista haben wie sie will. Männer in ihr Bett zu locken ist nicht schwer. Aber ein derartiges Liebesreigen ist erlesen. Eine solche entzückende Nacht. Callista lebt. Lebt die Leidenschaft aus. Ungezügelt. Als ob es ihre letzte Nacht ist. Genauso wie sie von Tag zu Tag lebt. Niemals sich Gedanken über die ferne Zukunft macht.
    Lebend und intensiv fühlt sich Aquilius unter ihr an. Sie richtet ihre vor Verlangen brennenden Augen auf Aquilius. Ihre Finger gleiten über seine Brust hinweg. Im Einklang senkt sich ihre Hüfte und wölbt sich dem schönen Marspriester entgegen. Ein inbrünstiger Ritt. Flammend. Dithyrambisch. Callista liebt das Reiten. Und das Nämliche außerordentlich.


    Wollüstig stöhnt Callista. Lauter, als die Fingernägel über ihre Haut fahren. Die süße Qualen an ihrem Rücken hinter lassen. Callista liebt fraglos auch das rauhe Liebesspiel. Die Lust am Schmerz in der Wollust. Callista drängte sich in dem Augenblick näher an ihn. Ein brünstigliches Gurren stößt sie aus. Lacht gleichermaßen. Leise und genüsslich. Die Wogen tragen sie hoch. Immer höher. Ihre Finger graben sich fester in Aquilius Schultern herein.
    Zentrovertiert ist Callista. Auf ihr eigenes Wohlbehagen stets bedacht. Auf die Wonne. Callistas Mundwinkel heben sich entzückt. Sie beugt sich vor. Ihre schwarzen Haare streichen über Aquilius Brust. Einen langen Kuss schenkt Callista ihm. Als Antwort. Ehe sie sich erhebt und weiter über ihm den Tanz vollführt.
    Sensitiv ist Callista. Den Tränen des Mondes wegen. Es vergnügt sie noch mehr. Berauscht sie. Aphrodisiert sie und führt sie zu der ersehnten Höhe. Callistas Stöhnen wird inbrünstiger. Einem entzücktem Frohlocken gleichend. Ohne Bedingnis ergibt sich Callista der Wallung. Heiße glühende Stiche rasen durch ihren Körper. Angenehm. Göttlich. Lustbetont.


    Ein Knurren. Callista wird herunter gezogen. Spielerisch sucht sie danach sich dem Zugriff zu entwinden. Ergibt sich dem. Ihre Zunge gleitet an Aquilius Hals entlang. Callista küsst ihn beißend am Kinn. Sucht nach seiner Unterlippe. Um sie mit den Zähnen zu ergreifen. Überlässt ihr Ohr dem Marspriester. Immer noch schaudert es über Callistas Körper. Sie erbebt in seinen Armen und will die Nacht nicht zu Ende gehen lassen. Ihre Hüften bewegen sich sachte weiter. Ihr Körper schmiegt sich eng an ihren Mars heran. Ihrem Gott der Nacht. Der sie so göttlich verwöhnt. Volle Lippen, die sich mit ihren Vereinigen. Ein traumhafter Körper, der den Ihrigen mit solcher Sinnlichkeit versetzt. Callista und Aquilius. Sie kennen sich kaum. Und doch teilen sie bereits das Verlangen. Nach gegenseitigen Berührungen. Dem Erkunden des Fremden. Den Genuss des Lebens. Ihre Gier aufeinander.
    "Hm."
    Ein Säuseln an ihrem Ohr. Ein Biss. Callista seufzt.
    "Fester, mein Mars."
    Zimperlich ist Callista nicht. Liebt die Zärtlichkeit. Aber eben auch das Grobe. Beglückt und beseelt ist Callista. Vergnügt über das neuerliche Ansinnen. Bereitwillig löst sich Callista. Bedauert den Moment der Trennung.
    Was für ein Mann.
    Ein Gott ist er, Callista.
    Traun.
    Fantastisch ist nicht nur die Liebeskunst. Die Ausdauer ihres Mars. Auch die Wahl der Positur. Callistas Lippen ziert ein amüsiertes Lächeln. Es erinnert sie an die Schule ihrer Sklavin.


    Ein Zyklon von heißen Wellen durch fährt ihren Körper. Als sie sich mit ihm nochmals vereinigt fühlt. Jede Bewegung ist nun ein Genuss. Weniger von der Gier geleitet. Vom Verlangen zu Verzehren. Zu Vereinnahmen. Sinnlich ist es und entlockt Callista spitze Schreie. Verhalten in der Nacht. Aber ungezügelt.
    "Mein Mars."
    Faunisch ist ihre Stimme. Anfeuernd und begehrend. Selten hat Callista dergestalt Fleischeslust erlebt. Nur bei einem einzigen anderen Mann. In jenem Augenblick denkt Callista nicht. Spürt nur ihren Mars. Sein Drängen in sie. Leidenschaftlich ist sie. Ihre Antwort auf die Bewegungen. All die schönen und köstlichen Empfindungen. Jede Nuance. Jedes Erbeben und Erzittern. Callista schließt die Augen und lässt sich erneut nach oben tragen. Erfährt einen Flug derart, wie selten gespürt. Seine athletischen Arme spürt Callista. Die warme Haut seines Körpers. Sie vermeinte das Schlagen seines Herzens zu spüren. Als Resonanz ihres eigenen Herzens. Schnell. Wild. Dahin jagend. Auf ein Ziel zu, dessen Weg das Ambrosische ist. Indessen unifizieren Weg und Ziel. In dem Sensus ist Callista gefangen. Derart selbstvergessen, dass sie ihre eigenen Lustlaute nicht vernimmt. Lasziv und lüstern sind die Töne. Callista vermengt sie. Mit dem Namen von Aquilius. Aber auch mit der Benennung ihres Gottes. Woge um Welle erzittert es in Callista. In Callista. An Callista. Allerenden an ihrem Körper. Ein Schaudern geht über ihren Körper. Ein Keuchen. Callistas Finger graben sich in die Erde. Hinwiederum ihre Fingernägel auch in die Seite von Aquilius. In dem Taumel der Ekstase. Abermals vermengt sich der Name Caius mit dem Namen des Kriegsgottes, der die Venus beglückte.
    Callista lässt sich weiter tragen. Im Verschmelzen des Höhepunkts, mit dem Wiegen der Wonne.

  • Schätzungsweise hätten in Rom gerade die Hunnen einfallen können, ich hätte es wohl kaum bemerkt, auch wenn sie mit ihrer wilden Reiterhorde geradewegs durch den Garten galloppiert wären. Spätestens jetzt hatte ich einen Zustand erreicht, in dem die Welt auch hätte untergehen können, ich hätte es bereitwillig in Kauf genonmmen, um nur weiter genießen zu können. Wann war es das letzte Mal gewesen, dass ich wirklich mit jeder Faser gespürt hatte, mitgefühlt hatte, wie sich ihr Körper bewegte, jedes Zucken ihrer Muskeln ein zugleich süßes wie quälendes Echo hervorgerufen hatte? Es schien eine Ewigkeit zurückzuliegen, weit vor der Zeit meiner fieberbedingten Vergessensmonate, weit vor meiner Ankunft hier in Rom, versunken im Dunst einer nicht wiederkehren wollenden Erinnerung. Ich lebte wieder, ich lebte mit jedem Muskel, jeder Sehne, jedem Atemzug, und ihr Seufzen, ihr sich mit mir bewegender Körper zeigte mir, wie schön es sein konnte zu leben.


    Vergessen war der tarpeische Felsen, vergessen der Schmerz der wiederholten Zurückweisung, ich wusste nun, ich würde es ertragen können, was geschehen war, irgendwie würde alles gehen, wenn ich nur lebte. Ihr Säuseln drang mir ins Bewusstsein, ich konnte mir nur vorstellen, wie lasziv sich ihre Lippen formten, als sie die Worte sprach, verlockend und verlangend zugleich. Fester wollte sie? Meine Zähne schlugen sich in einem harten Biss in ihre Schulter, ein Mal hinterlassend, das sie auch am nächsten Morgen an uns erinnern würde, an diesen gestohlenen Moment der Leidenschaft. Ich spürte ihren Körper sich aufbäumen, als sich Lust und Schmerz mischten, und ich selbst konnte das tiefe Stöhnen nicht unterdrücken, das ihre Fingernägel mir aufgezwungen hatten - so köstlich, wie hatte ich nur diesen Geschmack der Gratwanderung vergessen können? Die Augen halb geschlossen, ließ ich es nun ein wenig langsamer angehen, die Bewegungen wurden länger, genussreicher, als ich sie erbeben fühlte.


    Wie eng sie mich umschlossen hatte, als sie den Gipfel überschritten hatte - gewiss, sie war schmal gebaut, aber dass ich mich dabei so hatte beherrschen müssen, war selten genug passiert, trotz einer vagen inneren Sicherheit, heute länger als sonst aushalten zu können. War es denn nicht immer ein ewiger Kampf zwischen dem Wunsch, diesem brennenden Gefühl der Lust nachzustürmen, um es in voller Pracht zu erleben, möglichst viel davon - und dem Wissen, dass es ungleich eruptiver geschehen würde, mitreißender, weltumtosender, wenn ich mich zurückhielt, wenn ich mich so lange wie nur irgend möglich bezähmte, dass am Ende ein fester, inniger Kuss schon fast ausreichte, dem letzten Sturm zu folgen? Was für eine Frau, was für eine Nacht.


    Venus hatte uns überreich beschenkt, ich hörte es am gurrenden Unterton ihres Seufzens, ihren spitzen Lauten, als wir uns so tief vereinten wie es nur möglich war, ihr Leib an dem meinen rieb, ich von ihrem Haar gleichsam umflossen wurde, als sei es nachtschwarzes, duftiges Wasser. Eine Hand führte ich ihren Oberkörper entlang, streichelte ihre Hüften, den Bauch, ihre knabenhaft schlanke Form, bis über die sanften Hügel hinauf, und in ihren entspannteren Genuss mischte sich ein zuerst leichter, dann zwischen Schmerz und Zartheit schwankender Druck meiner Finger um jene zarte Knospe dazwischen. Lust und Schmerz, es vereinigte sich alles, wie auch wir uns vereinigten. "Zeichne mich, meine Venus," raunte ich ihr ins Ohr, ich wollte ihre Spuren tragen, ich wollte diese bewusste Erinnerung mit mir tragen können für die nächsten Tage.


    Wir wurden schneller, und dieses Mal ahnte ich umso deutlicher, dass es mir nicht noch einmal gelingen würde, dieser quälend-lustvollen Enge zu entgehen, ganz wollte ich sie für mich haben, ganz und gar mir zueigen machen, mit etwas Glück vielleicht sogar gemeinsam, wenn es mir gelang, mich ganz auf ihre Bewegungen einzustellen, den richtigen Moment abpassend. Meinen Namen hörte ich sie flüstern, und was immer ich auch antwortete, ihr Name war gewiss auch dabei. Die Worte wollten keiner logischen, rhetorischen Form mehr folgen, glitten ebenso wild über meine Lippen, wie es unsere Bewegungen waren, unsere Vereinigung nahm mir diese letzte Verbindung zu meiner ratio so vollkommen, dass ich davon in einer Weise gefangen war, ohne darüber zu erschrecken. Dornengleich schnitten ihre Nägel in meine Haut, aber es bestärkte mich nur in meinem tun, ließen mich fester nachsetzen, rauh keuchend musste mein Atem nun ihren zarten Hals entlang fahren, kündete überdeutlich von dem, was wir gemeinsam taten, gemeinsam genossen, vereint, ohne einander zu kennen, ohne in die Abgründe des anderen je geblickt zu haben. Aber es war auch nicht wichtig, dies zu tun, wozu, wenn wir uns wortlos so gut ergänzten?


    Wir jagten uns, hinabgezogen in den Strudel unserer Empfindungen, jagten auf diesem Pfad des sinnlichsten Erlebens nebeneinander her, voreinander, hintereinander? Es war gleich geworden, denn ich sah sie und konnte gleichermaßen nur noch Farben erblicken, die sich mit dem süßen Entzücken unserer Bewegungen mischten, als malten wir unser Empfinden mit buntester Couleur an den Himmel, auf dass die ganze Welt dessen teilhaftig werden könnte. Stöhnend wand sie sich in meinen Armen, ich hielt sie doch noch fest genug, dass sie leiden musste, genießen musste, auf und ab gehoben von den Bewegungen meines Beckens, die Muskeln der Oberschenkel schmerzten schon von den Bewegungen, der zu lange gleich gebliebenen Haltung, aber auch dieser Schmerz steigerte mein Empfinden nur, anstatt es zu zerstören. Ewig sollte es sein, dieses brünstige Erbeben unserer Körper, ewig wollte ich in sie dringen können, hinabgezogen in die tiefsten, dunkelwärmsten Funkenflüge der entzündeten gegenseitigen Lust, den ewigen Tanz vollbringend, den nur Mars und Venus einander zu schenken imstande waren.


    Oh, Callista! Venus! Ihr Götter! Die Woge überrollte mich heftiger, verschlingender, als ich es erwartet hatte, explodierend strömten die vollkommenste Erleichterung, Erquickung und Extase durch meinen Leib, mit jedem Blutstropfen, der von meinem rasenden Herzen in meine Adern gepumpt wurde, und der Schrei, den ich vernahm, war rauh, laut und vor allem, es war meiner, nicht verhehlend, welche göttliche Wonne ich eben gekostet hatte.

  • Wogen. Wellenreitend. Wallend. Hitzig flammt das Temperament in Callista. Heiß der Hochgenuss der Vereinigung. Leib an Leib bewegt sich. Durchwogend und beseelend erspürt Callista ihn tief in sich. Spürt jede kleine Bewegung. Sensitiv und intensiv erlebt sie das langsame Gleiten. Das genußsuchende Vereinigen, was Callista eine Wonneschauder nach dem Anderen durch ihren Leib treibt.
    Das Brennen an ihrer Schulter kontrastiert mit den süßen Empfindungen in ihrem Leib. Grenzt sich ab. Komplettiert es gleichermaßen. Lust und Schmerz. Eine wunderbare Symbiose. Callista liebt sie. Genießt sie. Zeigt es durch wollüstiges Stöhnen.
    Callista nimmt wahr. Spürt. Fühlt die Hände von Aquilius, die ihren Leib erkunden. Mit seinen warmen Händen über ihre Haut streichen. Süße Pein lässt Callista aufstöhnen. Gleichsam drängt sie sich in dem Moment enger an Aquilius, um die Vereinigung stärker zu erspüren. Sie beißt sich auf ihre Lippen. Spürt das schnellere Wogen. Ihre Finger kommen seinem Wunsche nach. Scharf streichen sie über die Haut von dem schönen Marspriester. Ihrem Mars. Ihrem Gott der Nacht. Tief dringt sie mit ihren Nägeln ein. Similär und stärker vollbringt er es mit jeder Bewegung bei ihr. Das Spiel ihrer Finger ist stark genug, um einige feine Blutperlen an seiner Haut zu hinterlassen. Darnach hinwieder sanfter. Neckisch und aufreizend. Die Geißel nur sparsam verwendend.


    Gleichsam schlingen sich die Arme fest um Callista. Ergeben muss sie sich. Kann sich nicht mehr entziehen. Sie will es auch nicht. Callista genießt die Bewegungen ungemein. Sie fühlt sie losgelöst von allem, dem Rausch immer näher getragen. Das Verschmelzen von Lust und Erlösung währt in einer Immensität. Vergehen Sekunden? Stunden? Callista vernimmt ihre eigene Ovation an die Lust und den Gipfel des Liebesaktes nicht. Spürt dafür umso deutlicher die tiefe Frohlockung von Aquilius Körper. Den vergehenden Schmerz als er noch eindringlicher sich in ihr bewegt. Callista ist in ihrer Zierlichkeit begrenzt, aber willig alles in sich zu vereinnahmen.
    Die Resonanz seiner Lusterfüllung und der Ihren spürt Callista als einen wohlklingenden Nachhall. Sie erzittert leicht. Stöhnt leise. Wohlig und wonnevoll. Spürt ihn noch mit jeder Faser ihres Korpus. Ihr Atem stößt schnell zwischen ihren Lippen hervor. Ihr Herz tanzt. Ihre Gedanken schwindeln. Ihr Körper und Sentiments erleben den kleinen Tod sinnefroh. Schwelgen sich in der Empfindung, die in der Herrlichkeit das Leben in neuen Farben wieder gebiert. Nach den Höhen des menschlichen Daseins. Welch Wonne haben die Götter den Menschen damit geschenkt. Einfacher es nicht sein kann. Prekär nur durch das Zaudern der Menschen. In ihrem Zieren, das Geschenk anzunehmen.


    Callista weiß nicht. Wie lange sie Aquilius noch derart an sich spürt. Zeit verstreicht. Ruhe kehrt ein. Ihr Herz schlägt langsamer. Ihre Gedanken klären sich. Ihr Körper fühlt sich träge an. Als ob sie Tage in der Vereinigung verbracht hat. Mehr widerwillig löst sich Callista aus der engen Umarmung. Löst die Verbindung zwischen ihnen. Rollt sich indes auf Aquilius herum. Um auf ihm zu liegen. Von Angesicht zu Angesicht. Ein Film von Salz und feinem Schweiß perlt auf Callistas Körper. Ihre Haare sind ungezähmt. Derart wie ihr Liebesreigen noch jüngsthin. Ihre Finger streichen Aquilius über die Brust. Durch das salzige Zeugnis ihres Beilagers. Ihre Lippen folgen den Fingern. Sanft küsst sie Aquilius hinauf bis zu den Lippen. Um erneut mit den Nämlichen einen Kuss zu suchen. Ein pesantes Spiel mit den Zungen zu beginnen.


    Als darauf sich zu lösen und Aquilius zu betrachten.
    "Göttlich."
    Ein Hauchen. Den Nämlichen schickt sie über Aquilius Lippen.
    "Extraordinär ist diese Nacht."
    Es ist, als ob die Götter sie für ihr Liebesspiel erwählten. Hat Venus sich nach Mars gesehnt? Ist Callista darum alleine in die Nacht gestrebt? Hat Mars ihren Ruf gehört? Den schönen Marspriester an seiner statt geschickt? Damit Mensch mit Mensch sich vereinigt. Erfüllt von Höherem.
    Gerne würde sich Callista in diese träumerische Vorstellung ergeben. Aber höchst irdische Gelüste plagen sie. Durst. Ihre Zunge fühlt sich trocken an. An dem Zustand lässt sich nichts ändern. In dem Augenblick. Sinnend betrachtet Callista das schöne Antlitz des Priesters.
    Was für eine Fügung.
    Dabei kennst Du ihn noch nicht mal eine Stunde, Callista.
    Traun. Umso aufregender.
    Es schauert Callista. Der Flavier hätte alles behaupten können. Dass er ein Tiberier ist. Ein Aurelier. Ein Fabier oder sonst ein Patrizier. Ein wohlhabender Eques. Womöglich ist er kein Patrizier. Ein Aufschneider. Die Vorstellung behagt Callista. Macht die Begegnung noch aufregender. Ein Abenteuer ist das Unbekannte. Das Unwägbare. In das man sich begibt. Callista tut es mit offenen Armen und in die Arme der Aventüre. Mit Namen Flavius Aquilius. Ohne Zögern. Callista wurde belohnt. Beglückt und beseelt. Erfüllt mit unnachahmlicher Lust und Befriedigung.
    "Caius?"
    Schelmisch glitzern die Augen von Callista.
    "Darf ich Dich so nennen?"
    Betörend senkt Callista ihre Wimpern. Küsst ihn bittend auf die Lippen.
    "Du bist zweifelsohne der Retter meiner Nacht. Mein Leben verdanke ich Dir. Sodann erfülltest Du mich mit ambrosischen Vergnügen."

  • Erst langsam wollte die Welt zu mir zurückkehren, und ich drängte sie nicht danach. Irgendwo in einiger Entfernung sang ein Nachtvogel, den ich nicht kannte, und dessen Melodie mir jetzt, im Nachhall der etwas schwächer werdenden Empfindungen, seltsam fremdartig vorkam. Als der Schweiß in die Wunden rann, welche Callista mir geschlagen hatte, kleine, gerissene Spuren ihrer Leidenschaft, von den Nägeln geformt, erschauderte ich kurz, denn es brannte, aber dieser vage Schmerz blieb ebenso dumpf wie meine Wahrnehmung der restlichen Welt. Langsam nur wollte sich mein Herzschlag beruhigen, und mein Arm hielt sie nun nicht mehr umklammert, wohl aber sanft - als sie mir entglitten und an meine Seite gerutscht war, hatte ich unwillkürlich gelächelt. Sie schien nicht zu jenen Frauen zu gehören, die genossen und dann nach erfolgter Zweisamkeit sogleich wieder entschwanden, und auch das vermochte mir das eben stattgehabte Erlebnis zu versüßen.


    Ihre Küsse, die auf meinen Lippen endeten, fühlten sich numnehr an wie das Streicheln einer weichen Feder auf meiner Haut, und zärtlich nun erwiederte ich die Berührung ihrer Lippen, dann ihrer Zunge, ohne Hast, ohne zu großen Eifer, aber dennoch voller Genuss des Augenblicks. Sie war so leicht, als sie in meinem Arm lag, und einen Moment lang fragte ich mich, ob ich nicht doch zu grob gewesen war zu ihr während unserer Vereinigung, aber sie lächelte, sie schmiegte sich an mich, und dann, ein Lob. Es ließ mich ungleich mehr lächeln.


    "Meine Venus," flüsterte ich, abermals ihre Lippen suchend, um sie noch einmal zu kosten. "Du hast mir das Leben zurückgebracht in dieser Nacht, und dafür danke ich Dir. Ich sollte nachts öfter durch Rom wandern, wenn man dafür so unglaublich beschenkt wird." Sacht fuhr ich mit einer Hand über ihr Haar, strich die zerzausten Strähnen beiseite, ihren Kopf entlang und streichelte schließlich ihre Schulter, während mein anderer Arm sie hielt. So schnell wollte ich sie noch nicht loslassen, die wohlige Mattigkeit auskosten bis zum letzten Tropfen, die danach so gerne durch die Glieder strömte. Es hätte niemals enden sollen, dachte ich wehmütig, wohl wissend, dass die Endlichkeit dieses besonderen Vergnügens auch seinen Reiz ausmachte. Selbst das Liebesspiel der Götter endete, und begann dann von neuem.


    "Extraordiär," drehte ich das Wort sinnierend auf der Zunge. Ja, so war es wohl. Etwas ganz besonderes, ein Genuss, den ich weder erwartet noch erhofft, und doch erhalten hatte, wie wohl auch sie. Oder schmeichelte sie einem jeden Bettgefährten, wenn es vorüber war? Der alte Argwohn kehrte mit der Deutlichkeit meiner Sinne auch wieder zurück. Aber so, wie sie geseufzt hatte, wie sie genossen hatte, musste es die Wahrheit sein. Keine Frau konnte solche Laute spielen, so tief im Inneren lustvoll zittern, mit jedem Muskel. Zumindest hatte ich bisher noch keine kennengelernt.


    "Callista," sagte ich nur, als Antwort auf ihre Bitte. Es war mein persönlichster Name, und nur wenige Menschen benutzten ihn wirklich. Er tat es. Alle anderen waren tot oder vergangen, oder sie hatten damit aufgehört. Aus ihrem Mund klang mein praenomen eigenartig, fremdartig, als gehöre es nicht zu mir, und doch, mich blickte sie bittend an, meine Lippen waren es, welche die ihren berührten.
    "Vielleicht war es ein Wunsch der Götter, uns so zu sehen, Callista," mutmaßte ich, sie etwas an mich ziehend. "Aber was immer der Grund war, ich werde es nicht vergessen, nicht heute, nicht morgen, nicht in vielen Jahren. Neros Ruhestätte wird von nun an wohl mit der Erinnerung an Dich begleitet sein." Durfte ich mir die Blöße geben, und nach einem weiteren Treffen fragen? Sie schien mir nicht die Frau zu sein, die sich in irgendeiner Form, und sei es nur für gemeinsame Leidenschaft, binden lassen wollte. Wahrscheinlich würde sie noch vermuten, ich wollte ihr, wie es zu viele taten, eine Kette anlegen. Aber dieser bunte, schillernde Vogel der Nacht mit seiner rauhen, glutvollen Melodie verdiente es, fliegen zu dürfen. Welcher Mensch würde jemanden wie sie schon dauerhaft für sich gewinnen können? Sie schien mir ebenso extraordinär wie diese Nacht es war.


    So schwieg ich und behielt meine Gedanken für mich, während meine Finger ihrem Körper die Dinge sagten, die mein Mund nicht formulieren wollte. Seit langem hatte mich das Liebesspiel nicht mehr so gefangen gehalten, selbst jene Nacht, in der ich meinen ersten Sohn gezeugt hatte, verblasste davor. Damals war ich auch ein anderer gewesen, aber wohl auch keinen Tag weiser oder reifer. Hätte sie bei dem einfachen Fischer gelegen? Wahrscheinlich nicht. Und wenn, dann nur für eine Nacht.


    "Du hast auch meine Nacht gerettet. Und einige Tage." Die Bitterkeit kehrte zurück, und sie schmeckte genauso gallig wie schon an jedem Tag davor, aber so war es eben. Niemand hatte behauptet, es sei leicht, etwas Verbotenes zu tun, und niemand hatte mich gezwungen, bei diesem Gefühl zu bleiben. Es war eben so, und ich hatte mich für einen Weg entschieden, den ich weiter gehen musste. Leicht hob ich den Kopf an, um ihren Lippen zu begegnen. "Hast Du Durst? Der Brunnen ist ja gleich nebenan. Was hältst Du von einem erfrischenden Bad ...?" Meine Augen mussten im Mondlicht funkeln, und der Gedanke, mit ihr den Schweiß unserer Lust im Brunnen sitzend abzuwaschen, hatte etwas sehr amüsantes an sich. Kindlich, verspielt, als gäbe es keine einzige der Sorgen, die bereits dabei waren, zu mir zurück zu fluten.

  • Es erstaunte Iuno immer wieder, wie schnell manche Sterbliche zum Akt der Liebe kommen konnten. Sieht man vom vermutlich ältesten Gewerbe der Welt ab, war diese Begegnung vermutlich eine jener mit der kürzesten Anlaufzeit. Sie zuckte mit den Schulter, gab es doch hier nichts zu tun. Sie hatte zwar überlegt, ob hier draus ein Kind entstehen sollte, doch entschied sie sich aus einer Laune heraus dagegen. Nicht hier und nicht heute.

  • O Fortuna velut luna statu variabilis, semper crescis aut decrescis;
    vita detestabilis nunc obdurat et tunc curat ludo mentis aciem, egestatem, potestatem dissolvit ut glaciem.
    Sors immanis et inanis, rota tu volubilis, status malus, vana salus semper dissolubilis, obumbrata et velata michi quoque niteris;
    nunc per ludum dorsum nudum fero tui sceleris.*


    Götter, Fortuna, Iuno, das Schicksalslos, des Menschen sterbliches Leben, sein Fatum den Unsterblichen überlassend. Ahnungslos. Unwissend. Mal hinterlassen die Götter Zeichen. Anderer Stelle weben sie das Leben eines Menschen ohne ein Omen zu offerieren. Unbedarft ist darum Callista. Welcher Tyche sie gerade entronnen ist.
    Gefallsucht ist bei Callista ausgeprägt. Sie lächelt hochmütig. Natürlich glaubt Callista eine der höchsten Erfüllungen für einen Mann zu sein. Für die Männer, die sie sich für ihr Liebesspiel und der Fleischeslust ausgesucht hat. Denn Callista ist sehr wählerisch. Von Gestalt muss er in optima forma sein. Ebenso der Stimme und den Bewegungen. Ein Fluidum soll von seiner Ausstrahlung ausgehen. Ansonsten ist Callista eher gelangweilt. Schöne Männer gibt es genug. Aber Männer, die Callista zu einem solchen impulsiven Abenteuer verleiten, nicht.
    Ein Schnurren entfleucht ihren sachte geöffneten Lippen. Ein Laut der Behaglichkeit. Der Eudämonie. Als Aquilius mit seinen Händen durch ihr Haar gleitet, über ihre Haut hinweg und sie in der Umarmung umfangen hielt.
    Callistas dunkle Augen heben sich. Die Faunen sind entschwunden. Ihr göttlicher Tanz scheint beendet zu sein. Ein silberner Vogel sitzt in der Krone eines schwarzes Baumes. Strahlend ist sein Licht. Funkelnder Federbusch aus filigranen Filamenten weht im Winde. Eine Krone aus drei zarten Federn trägt der Vogel auf seinem zierlichen Kopf. Golden leuchten die Augen des edlen Geschöpfes. Callista lächelt. Ein gutes Omen. Traum oder Wirklichkeit. Callista kann das schon lange nicht mehr trennen.


    Entzückt ist Callista über den vertrauten Ton in der Stimme von Aquilius. Die Spitzen ihrer schwarzen Haare streichen an seiner Schulter entlang. Callistas Lippen berühren die noch hitzige Haut am Hals. Ihre Zunge spielt an seinem Ohr und ein Lächeln verfeinert die Form ihrer Lippen.
    Nero?
    Ganz vergessen hast Du ihn, Callista. Schäme Dich.
    Er wird es verstehen. Er, der die Liebesbotschaft über alles stellt.
    Ganz so sicher ist sich Callista nicht. In ihren Träumen wird der Kaiser erst offenbaren, ob sie seinen Zorn oder seine Belustigung erweckt hat. Denn ihr Vorsatz war die Ehrerbietung ihres Vorfahren. Ihres geliebten und göttlichen Nero. Callista seufzt leise. Wenn er erbost ist, dann ist Nero so schrecklich ungnädig. Grausam. Wie Callista selber. Und es bedarf viel, ihn gnädig zu stimmen.
    "Sind wir der Götter Marionetten? Spielen sie mit uns? Puppen similär? Vielleicht. In dieser Nacht bin ich es gerne. Ein Instrumentarium der Unsterblichen. Die so liebend wie eine Mutter sein können. Oder so grausam wie eine verlassene Frau."
    Amüsiert blitzen Callistas Augen. Sie neigt den Kopf zur Seite. Ein seltsamer Tonfall hat sich in die melodisch, angenehme Stimme von Aquilius geschlichen. Was ist es? Callista kann es nicht benennen. Ein Kuss hindert sie an weitere Gedanken darüber. Im Grunde ist es ihr gleich. Denn solange es nicht ihre Person betrifft, soweit ist Callista solchen Belangen gegenüber indolent.


    "Ein Bad? Eine vorzügliche Idee."
    Euphorisch erhebt sich Callista. Geschmeidig gleitet ihr Leib von Aquilius herunter und löst sich aus seiner Umarmung. Nonchalant lässt sie ihre Finger über seine Brust gleiten. Dann ist sie schon einen Schritt an den Brunnen heran getreten. Leichtfüßig springt sie auf den Rand und streckt ihren schlanken, zu schlanken Körper. Weiß beleuchtet der Mond ihre schmale Silhouette. Sanft geschwungen ist die Linie von ihrem Nacken zu ihrem gerade gestreckten Rücken und ihren schlanken Oberschenkeln. Callista streckt ihre zierlichen Arme aus. Flügel gleichend. Als ob sie sich einem Vogel similär in den dunklen Nachthimmel schwingen will.
    "O, Venus. Mein Opfer war Dein. Huldvoll ergebe ich mich in Deine Tränen. In den Schaum Deiner Geburt."
    Einen Zeh streckt Callista in das kalte Nass. Und erschaudert. Sehr kühl mutet ihr das Wasser an. Doch eine Claudia verzagt nicht. Sie tritt in den Brunnen hinein, dreht sich um und zwinkert Aquilius panurgisch zu.


    Gutmütig hechelnd sitzt der Wachhund am Rande des Haines. Seine Zunge stößt in die kalte Nachtluft, zieht sich zurück und leckt erneut von dem Geruch der Nacht. Seine Ohren spitzen sich und er erhebt seinen muskulösen Korpus. Denn schon lange vor den Menschen nimmt er die verhaltenen Geräusche von Schritten wahr. Ein Ast knackst und ein Licht leuchtet in den Garten. Ein Sklave illuminiert seinem Herrn den Weg. Thorius Apicius steht hinter dem Unfreien. Seine Augen sind auf die nackte Callista gerichtet. Er sieht eine Bewegung und erblickt auch Aquilius. Entsetzen keimt in dem Mann auf. Aber auch Ingrimm.
    "Was hat das zu bedeuten?"
    Laut tönt seine Stimme. Callista vernimmt sie. Ihr Kopf fährt zu ihm herum. Auch die Sklaven drehen sich überrascht zu dem Mann um.
    "Cafo, eile in die Villa. Rufe die anderen Sklaven zusammen. Zudem schicke nach der Stadtwache. Einbrecher. Übles Gesindel. In meinem Garten."
    Schon rennt ein Sklave im Schatten seines Herrn davon. Der Andere leuchtet immer noch seinem Herrn.





    *O Fortuna! Wie der Mond So veränderlich, Wachst du immer Oder schwindest! - Schmähliches Leben!
    Erst mißhandelt, Dann verwöhnt es Spielerisch den wachen Sinn. Dürftigkeit, Großmächtigkeit Sie zergehn vor ihm wie Eis.
    Schicksal, Ungeschlacht und eitel! Rad, du rollendes! Schlimm dein Wesen, Dein Glück nichtig, Immer im Zergehn!
    Überschattet Und verschleiert Kommst du nun auch über mich. Um des Spieles Deiner Bosheit Trag ich jetzt den Buckel bloß.
    - Carmina Burana

  • Der Odem des Außergewöhnlichen wich langsam, aber stetig, und ließ uns Menschen in jenem zurück, was danach geschehen musste, ja, stets geschehen würde. Seltsamerweise fühlte ich nicht wie so oft den Drang, sie sogleich hinter mir zu lassen und zu vergessen. Die wenigsten Frauen, ja Menschen, berührten mich innerlich überhaupt, und ich hatte mich oft gefragt, ob ich wahrlich unfähig sei, einen Menschen in tiefster Seele zu lieben. Jene Frage war mir vor vielen Jahren beantwortet worden, wenngleich nicht unbedingt zu meinem persönlichen Vergnügen - und nun hatte sich die grundsätzliche Frage zuvor gewandelt: Würde es mir jemals gelingen, die Entscheidung meines Herzens zu ertragen und dennoch ein einigermaßen zufriedenes Leben zu führen?
    Im Augenblick war ich zufrieden damit, sie einfach nur zu betrachten, mit dem Blick ihren schlanken, fast mageren Formen zu folgen und einige Momente lang darüber zu sinnieren, wie es wohl wäre, mit einer so leidenschaftlichen Frau zu leben. Letztlich war mir ihr Name nicht bekannt genug, um wirklich darüber zu mutmaßen, ob sie noch unvermählt war, aber ich ging davon fast aus. Wirklich große Hochzeiten hatte es in den letzten Jahren nicht gegeben, und ich konnte mich ihrer nicht entsinnen. Aber warum dachte ich überhaupt über so etwas nach? War es die Wärme ihres Leibes, diese gemeinsam geteilte Lust, die wir beide genossen hatten? Es hatte mich lange nicht mehr so berührt.


    "Vielleicht sind wir nur der Götter Spielzeug, aber es bliebe uns selbst bei dieser Überlegung noch die Hoffnung, nicht vollkommen willenlos zu sein. Gedenke des Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl und das Leben der Menschen um so viel verbesserte. Gedenke des Ikarus, der es wagte, die Himmel zu erobern - wenn das Spiel mit Puppen doch noch möglich macht, sich über all dies zu erheben, dann ist es nicht alles sinnlos, dann haben wir nichts verloren. Und wie Du richtig sagtest, an manchen Abenden ist man gern ein Spielzeug der Götter, und wird es wohl immer gern wieder sein."
    Es waren ablenkende, willkommene Gedanken, und ich war froh drum, aus meiner Grübelei gerissen zu sein, die mich ohnehin nur selten aus ihrem Griff entließ. Schweigend folgte ich ihr mit meinem Blick, als sie sich erhob, und auch als sie in den Brunnen glitt, ohne zu zaudern, konnte ich kaum anders, als sie gleichsam verzaubert wie fasziniert zu betrachten. Sie war so vollkommen anders als alle anderen Frauen dieser Stadt, als sei sie nicht einmal ganz Teil des täglichen Lebens, wie ein Sonnenstrahl, der einen kurze Zeit erwärmen konnte, um dann wieder zu schwinden, und doch unvergesslich zu bleiben. Sie fragte nicht nach und ich behielt meine Gedanken für mich, und so sollte es bleiben.


    Ich überlegte gerade, ob ich mich zu ihr im Brunnen gesellen sollte, als ich vom Haus her Schritte und Stimmen hörte, und sich schwankendes Licht auf uns zubewegte - wir waren entdeckt worden, zweifellos, und dafür brauchte es jetzt eine gute Ausrede. Nicht, dass ich gerne schwindelte, aber manchmal ging es einfach nicht anders. Die Erklärung 'eigentlich wollten wir uns nur den Garten ansehen und sind dann hemmungslos übereinander hergefallen' wäre zwar die ehrliche, aber sicher nicht die hilfreichste gewesen. Kurz glitt mein Blick zu Callista, und ich war mir für den Moment lang nicht sicher, ob sie das Spiel mitmachen würde - aber auf der anderen Seite war sie diejenige gewesen, die unbedingt über die Mauer hatte klettern wollen, also stand es zumindest nicht vollkommen außer Frage, dass sie auch für ein solches Spiel zu haben war.
    Also blieb nur das immer gleiche Spiel - so tun, als wäre alles normal und als wäre es vollkommen üblich, dass zwei nackte Patrizier des Nachts in einem Garten unterwegs waren, der ihnen gefiel. Ich trat einige Schritte voran, um mich halb vor Callista zu stellen, damit der Kerl sie nicht weiterhin so anstarren würde - ohne dabei zu bedenken, dass ich noch immer unbekleidet war. "Salve," sagte ich in möglichst gelassenem Ton, und machte dann eine vage Handbewegung in Richtung des dahineilenden Sklaven. "Ich denke nicht, dass es nötig sein wird, die vigiles hierher zu rufen."


    Fieberhaft überlegte ich währenddessen, was ich sagen sollte, hielt aber den Blick zum Hausherrn - zumindest hielt ich ihn dafür - aufrecht. "Zum einen," erläuterte ich den Tatbestand, "...ist nichts gestohlen worden. Und dies ist auch mitnichten der Grund unserer Anwesenheit. Zum anderen hast Du einen wirklich schönen Garten. Kein Mensch mit ein bisschen Sinn für Ästhetik würde hier Schindluder treiben." Zeit gewinnen, herrjeh, was sagte ich ihm jetzt bloß? Dann hatte ich die erlösende Idee. "Wie Du unschwer siehst, sind meine Verlobte und ich auf dem Heimweg von einer Feier unserer Sklaven absent geworden und wurden überfallen - und wir konnten uns nur mit Mühe in diesen Garten retten, dieses wahrhaftige refugium. Glücklicherweise sind die Sklaven nun endlich auch wieder zu uns gestoßen," damit warf ich einen beredten und sichtlich zornigen Blick Richtung Mauer, "... was dieses undankbare Pack gewisslich sehr bald auch noch bereuen wird. Und ich hoffe, Du nimmst uns die eigenwillige Nutzung Deines Brunnens nicht zu übel. Aber nach dem Angriff waren wir dann doch etwas derangiert und hatten das Bedürfnis nach einem Bad, bevor wir den Weg fortsetzen wollten - und Dein Wachhund war wirklich ein wohlerzogenes Tier. Hätte er uns nicht verbellt, wären wir profane Einbrecher gewesen?"


    Ich legte all mein Können als geschulter Rhetor in diese kleine Ansprache und flocht auch die ein oder andere stilistische Feinheit in meine Worte, die verriet, dass ich nicht gerade zum Gossenpöbel der ewigen Stadt gehörte. Mein erzürnt blickendes Gegenüber - dessen Namen ich nicht kannte, der aber Thorius Apicius lautete - schnappte hörbar nach Luft und starrte mich nunmehr mit großen Augen an. "Du glaubst Doch nicht etwa, dass ich Dir das abnehme, oder?" Ich blickte zu Callista, hilfesuchend. Ein paar Tränchen oder weibliches Gekreisch wären jetzt ganz praktisch.

  • Ein Gnom erscheint zwischen den Zweigen eines Kirschbaumes. Des nämlichen Laubes längst sanft auf den Boden gesegelt ist. Hässlich ist seine Gestalt. Fratzenhaft lang die Rübennase. Ein boshaftes Kichern entrinnt seiner faltigen Kehle. In seinen Händen schwingt er ein loderndes Feuer. Ein Daimon aus der Unterwelt gleicht er. Callista sieht ihn fasziniert und unerschrocken an. Ihre Pupillen weiten sich. Das Delirium gaukelt ihr das scheußlich schöne Tableau vor.
    Der Nachtwind streicht über ihre Haut. Kräuselt die Oberfläche des Wassers. Das Abbild des Mondes verschwimmt. Wird neu geboren als die Wellen sich glätten. Es fröstelt Callista. Simultan ist sie hitzig erregt. Von dem kleinen Spektakel. Dem Abenteuer, das sich erneut zuspitzt. Nicht im Mindesten empfindet Callista Scham. Dem Gaffen auf ihren nackten Korpus wegen. Die Artigkeit und Courtoisie von Aquilius bemerkt Callista. Ihre Lippen formen ein ergötztes Lächeln.
    Faustisch betrachtet Callista den muskulös schönen Rücken von Aquilius. Als dieser seine Stimme anhebt und die Nämliche an den Hausbesitzer richtet.
    Die Vigiles? Bei Isis, nein.
    Was für ein Debakel, Callista.
    Traun.
    Es wäre nicht das erste Mal, dass die Vigiles Callista aufgreifen. Doch es ist bis dato immer nur auf den Märkten geschehen. Diese Angelegenheit würde zu einem voluminösen Klatsch- und Tratschthema ausgebreitet werden. Aber Aquilius sucht danach, dies aufzuhalten.
    Dem Zeugnis der Noblesse und Eleganz des Gartens kann Callista zustimmen. Schmachtend versinkt sie in den Anblick der schönen Venusstatue. Mit meisterlicher Hand aus dem Stein gehauen. Zum Leben erweckt. In den Strahlen der Luna.


    Was sagt er da?
    Die Worte von Aquilius reißen Callista aus der Versunkenheit.
    Seine Verlobte und er. So sprach er, Callista.
    Traun.
    Um Callistas Mundwinkel zuckt es. Welch köstlicher Einfall von Aquilius. Es fördert die Serenität in Callista zu Tage. Sanft kitzelt es in ihrem Bauch. Zarten Schmetterlingen similär. Sie flattern empor und suchen sich ihren Weg. Zu ihren sanft geschwungenen Lippen. Schnell wendet sich Callista ab. Ihre Schultern zucken. Ihre Augen strahlen das Lachen hervor. Was aus ihrem Mund hervor brechen möchte. Ein Glucksen entrinnt ihr. Dann ist der Ausbruch gestoppt und Callista hat sich ad interim unter Kontrolle.
    Ihre dunklen Haare umschmeicheln die Wangen. Als Callista sich umwendet. Als Patrizierin lernt man eine gute Mimin zu werden. Oder man stirbt an Kummer und Gram. Mithin figuriert Callista die Leidtragende. Die Geschädigte. Dazu gehört auch das scheue Wesen zu perludieren. Demgemäß zeigt sich Callista keuscher. Mit ihren Armen sucht sie danach, etwas von ihrer Blöße zu verdecken.


    Das Wasser plätschert um ihre schlanken Waden. Callista tritt aus dem Brunnen heraus. Dunkel färbt sich der Boden durch das kühle Nass. Admirierend wird Callista der gekonnten Rede des Aquilius gewahr. Mit ihrem Zeh hebt sie ihr Untergewand hoch. Klamm ist es immer noch. Aber sie presst es sich nun vor ihren Leib. Der respirierende Laut. Die Töne des Unglaubens. Der Hilfe suchende Blick. Callista sieht in die Augen des Priesters. Ist ratlos, was er möchte.
    Ohnmacht? Tränen? Weglaufen?
    Mime die Mimin, Callista.
    Ah. So ist das.
    Die Ohnmacht ist Callista in dem Moment zu strapaziös. Das Drama ihrem Naturell entsprechender.
    "O werter Herr. Mein Verlobter sprach mit lauterem Herzen. Wahr ist jedes Wort. Freimütig seine Rede."
    Die Unschuld zu spielen. Das sucht Callista. Ihre schwarzen Augen tragen nun den Funken von Lieblichkeit. Nicht mehr das begehrliche Glimmen. Oder das panurgische Leuchten. Kordial ist der Ausdruck ihrer Lippen.
    "Ein Refugium war dieser Garten für uns. Ein Elysium, nachdem wir von wilden Gesellen aus dem Tartaros geplagt wurden. So vornehm dieser Hortus uns erscheint. Nun erkenne ich, er ist im Besitz eines wahrhaft noblen Mannes. Eines altruistischen Römers von hohem Geblüte. Sag, ist die Gefahr darum gebannt für uns? Ich flehe Dich an, werfe uns nicht vor die Fänge der wütenden Meute, die die Männer der Nacht begleiten."
    Callista gefällt sich in der Rolle der Überfallenen. Was für ein ergötzlicher Kitzel, den sie verspürt.
    Apicius Augenbrauen ziehen sich indes zusammen.
    "Nobel? Altruistisch?"
    Der Gnom, er bewegt sich.
    "Soll ich sie durchsuchen, Herr?"
    Sinnig betrachtet Apicius die beiden Einbrecher. Aquilius. Und Callista.
    "Womöglich ist das eine gute Idee."
    Callista reißt die Augen auf. Durchsuchen? Von dem hässlichen kleinen Gnom? Der mit den leuchtenden Augen eines Unterweltgeistes?
    Tu etwas, Callista.
    "Ihr könnt doch nicht!"
    Einige Sekunden würde Callista schon brauchen. Sie fängt an rascher zu atmen.
    "Fang mich bitte auf."
    Ein Flüstern zu Aquilius. Die Luft saugt Callista immer schneller in ihre Lungen. Sie spürt im Nu ein Kribbeln an ihren Fingern und dann ist es soweit. Schnell greift sich Callista an die Stirn. Stöhnt theatralisch. Sie weiß. Das wirkt besonders gut. Sie hat dafür auch lange geübt. Dann sinkt sie in Ohnmacht zusammen.


    Erstaunt erstarrt der Sklave, der kein Gnom ist. Mehr ein unscheinbar schlanker Mann. Apicius seufzt leise. Von seinen Schriften ist er gestört worden. Und er möchte eigentlich lieber dorthin zurück kehren.
    "Halt ein, Sanius."
    Apicius schüttelt resigniert den Kopf. Er versteht die jungen Menschen von heute nicht mehr. War er jemals in seiner Jugend so gewesen? Eine dünne Stimme flüstert etwas von seinen Eskapaden. Aber Apicius will nicht darauf hören.
    "Zieh Dich an. Nimm Deine Verlobte mit und folge mir."
    Der Hausherr wendet sich an einen anderen Sklaven.
    "Laufe und sage den Wachen, dass sie sich nicht mehr bemühen müssen."
    Nun ist nur noch der Lichthalter neben seinem Herrn. Sanius. Den Callista für einen Gnom gehalten hat. Apicius wartet geduldig. Einen Moment. Ehe er sich umwendet und durch den Garten zu einer Terrasse voran schreitet. Durch ein vornehmes Haus führt er. Kunstwerke zieren die Gänge. Leuchtende und stilvolle Fresken die Wände. Im Atrium steht eine imposante Statue. Die von dem Gott Mars. Dort angekommen bleibt Apicius stehen. Prüfend mustert er die ägyptischen Leibwächter. Ebenso die Sklavin Benohé. Die sehr nahe bei ihrer Herrin bleibt. Apicius wendet sich an Aquilius.
    "Da ihr durchaus eine bewaffnete Leibwache bei euch führt, nehme ich an, ihr benötigt keine mehr. Eure Geschichte mag zwar poetisch klingen. Ich halte sie gerade darum für ein Lügenmär."
    Sein Sklave öffnet die Tür. Kalte Nachtluft läßt die Lichter im Atrium tanzen.

  • Es sah ganz so aus, als sollten wir heute davonkommen - als mich der Hausherr aufforderte, mich anzukleiden, tat ich dies recht eilig, nicht ohne mich so zu stellen, dass dieser gaffende junge Mann mit der Fackel durch meinen sich bewegenden Körper daran gehindert wurde, Callista allzu dreist anzustaren. Nicht dass es mich groß gestört hätte, würde ich so angeblickt werden, aber bei ihr war ich mir da nicht ganz so sicher, so manche Patrizierin war, was Körperlichkeiten anging, einfach zimperlich gestrickt. Anderen Menschen als einem Liebhaber begegnete so manche Frau ausgesprochen zugeknöpft und zurückhaltend.
    Mir blieb jedoch auch nicht viel anderes übrig, als die vollendete Schauspielkunst meiner nächtlichen Gefährtin zu bewundern, die ausgesprochen gekonnt eine geschändete und erschrockene Frau mimte. Hätte ich sie so gesehen, ohne zu wissen, dass es alles nur Spiel war, hätte ich wohl kaum vermutet, dass sie spielte, sondern hätte mich bemüht, ihr hilfreich zur Seite zu stehen - wahrlich, diese Claudierin war mit allen Wassern gewaschen, mehr noch, eine Frau nach meinem Geschmack. Ich konnte mir nicht vorstellen, mich mit ihr jemals zu langweilen.


    Als sie mir zuwisperte, ich möge sie auffangen, tat ich natürlich nichts lieber als das - wie leicht sie doch war, ich stellte es erneut mit einiger Verwunderung fest. Wahrscheinlich tat sie dasselbe wie die meisten Frauen und achtete sehr auf ihr Gewicht, aß nur mäßig oder trieb ausgleichenden Sport, wer wusste das schon. Ich würde sie jedenfalls deswegen niemals befragen, wollten doch Frauen zumeist eher hören, dass man sie schön fand, und nicht verraten, wie es zu jenem Zustand kam. "Es war wohl doch zuviel für sie," sagte ich in einem Ton zum Herrn dieses Anwesens, der gleichzeitig milde Besorgnis wie auch Höflichkeit enthielt. Ihr feuchtes Gewand hielt ich so, dass es ihren Leib einigermaßen zu bedecken wusste, ahnte ich doch auch nichts von ihren Gedankenflügen, die aus einem eher unscheinbaren jungen Mann einen furchterregenden Gnom gemacht hatten.
    "Sie hat ein so sanftes, zartes Gemüt." Ganz sicher nicht! Aber das wusste dieser Mann ja nicht. Und, wie ich zugeben musste, es war die perfekte Ohnmacht, kein Mensch mochte vermuten, dass dies nur gespielt war, ich hätte es ja auch nicht. Während ich dem Hausherrn samt meiner süßen Last durch das eindrucksvolle Haus folgte, atmete ich verstohlen ihren Duft ein, spürte genüsslich ihre Nähe in meinen Armen. Hatte sie sich da etwa gar an mich geschmiegt? Ich war mir nicht sicher, hoffte es einfach.


    Benohé, ihrer Herrin getreuer Schatten, und der Rest von Callistas Sklavenmenge waren alle beisammen, und so blieb es mir nur, nachdem ich sehr wohl registriert hatte, dass wir hier nichti m Haus eines unbedeutenden Mannes gestrandet gewesen schienen, den Schein zu wahren und möglichst gut aus der ganzen Sache herauszukommen.
    "Ich werde den Dienst nicht vergessen, den mir Dein Haus erwiesen hat," sagte ich ruhig und blickte den Apicius direkt an. "Auch wenn es zugegeben ungewöhnliche Umstände waren, die sich hoffentlich nicht wiederholen werden -" in drohendem Ton sprach ich das in Richtung der Sklaven, von denen einige der Bewaffneten dann doch betreten zu Boden blickten, sicher war sicher, man konnte nie wissen, was man falsch gemacht hatte, auch wenn man eigentlich nichts falsch gemacht hatte, " - hoffe ich doch, dass Dir dieser Zwischenfall als nicht zu unangenehm im Gedächtnis bleiben wird und wir Dich nicht zu sehr Deiner kostbaren Nachruhe beraubt haben. Auch im Namen meiner Verlobten will ich Dir für Deine Großzügigkeit danken."


    Dass er uns diese Geschichte nicht glaubte, war nicht erstaunlich, musste man unsere Lustlaute doch auch weiter entfernt gehört haben, aber er gestattete es mir, mein Gesicht zu wahren, und das würde ich nicht vergessen. In Rom schien es dann doch den ein oder anderen Ehrenmann noch zu geben, und gleich morgen würde ich einen Sklaven herschicken, der herausfinden sollte, wem mein Dank zu gelten hatte. Vielleicht auch ein kleines Dankopfer an Mars, denn dr Hausherr schien meinem Gott ebenso geneigt, was die Statue im atrium bewies. Ich neigte höflich den Kopf zu Apicius, bevor ich in die dunkle Nacht hinaus schritt, gefolgt von Benohé, zurück zu unserer glücklosen Eskorte, die sich reichlich Mühe gab, wenigstens jetzt irgendwie effizient auszusehen, aber welche Chance hatten sie schon gegen zwei unternehmungslustige Patrizier gehabt? Im Grunde gar keine. Mit weit ausgreifenden Schritten trug ich Callista voran, in den Schutz der Mauerecke, um dann dort zu ihr herunterzublicken.
    "Ich hätte nicht geglaubt, dass dieser Abend noch amüsanter werden könnte, aber Du hast es mir soeben bewiesen - was für eine Schauspielerin Du bist! In Zukunft werde ich wohl keiner Frau mehr trauen können," scherzte ich und betrachtete lange ihr schönes, reizvolles Gesicht.

  • Schmiegsam ist die Schwärze. Gedankenlos. Ohne Ende. Ohne Anfang. Unbewusst und ohne einen Willen, sie zu durchringen. Langsam erhebt sich der Geist von Callista aus der nicht gespielten Ohnmacht. Spiel und Lug kann entdeckt werden. Die Wahrheit zu mimen und zu erwirken. Das hat sie geübt. Viele Wochen lang bis es zu ihrer Zufriedenheit gelang. Bereits als Aquilius sie hoch hebt, taucht ihr Geist aus den namenlosen Untiefen hervor, die keine Gedanken und Träume zu lassen. Ihr umnebelter Verstand fliegt hoch. Durchquert die schillernden Sphären und ätherischen Bilder.
    Roter Dunst verformt sich. Gesichter sehen sie an. Den empor schwebenden Schmetterling aus güldenem Licht. Die Gestalt eines Mannes webt sich aus dem silbernen Regen, der auf die zarten Flügel herab weht. Schwarz sind die Locken. Grimmig die Augen, die den flatternden Schmetterling mustern. Der Schmetterling, der zu viele Gärten besucht. Zu viele Blumen die Schönheit abgewinnen möchte.
    "Mir dünkt, es war mehr mein Garten, der Dir den Dienst erwiesen hat."
    Ist da nicht ein sublimes Schmunzeln auf den Lippen von Apicius zu sehen? Nein. Es täuscht wohl nur.
    "Es freut mich, dass es sich nicht wiederholen wird. Aber in der Nachtruhe habt ihr mich ohnedem nicht gestört. Ich schlafe selten. Die Zeit entfleucht zu schnell, um nicht jede Hora aus zu kosten."
    Ein Nicken, dann wendet sich der Hausherr von den Beiden ab. Der Gnomensklave wartet, bis Aquilius mitsamt des Gefolge das Haus verlässt. Die schwere Vordertür schließt sich mit einem kräftigem Geräusch und einem vernehmlichen Klacken des Schlosses.


    Gelinde schaukelt sie über purpurne Wogen. Einer grünen Sonne entgegen. Sie schmiegt sich enger in das warme Boot. Sanft zeichnen die Lippen ein Lächeln auf Callistas Antlitz. Die Stimme von Aquilius dringt an ihr Ohr und sie schlägt die Augen auf. Benommenheit verklärt ihre dunklen Augen. Sie hellen einige Atemzüge später auf.
    "Die Arglosigkeit nieder zu ringen ist anzuraten. Welche Frau lernt nicht, das Spiel der Täuschung zu meistern?"
    Ein Hauchen sind die Worte. Callista holt tief Luft und spürt den kalten Hauch der Finistere auf ihrer Haut. Unangenehm. Fröstelnd. Das klamme Kleid lässt sie erbeben. Der warme Körper von Aquilius vermag sie von der Grobheit der Nacht zu verschonen. Eine Nuance jedenfalls. Das Kribbeln entschwindet aus Callistas Fingerspitzen. Den Odeur von Aquilius lässt Callista auf sich wirken. In der Ferne sind indes Schritte zu hören. Ein untröstliches Seufzen entrinnt Callista. Nur ungern verlässt Callista die angenehmen Arme des Aquilius.
    Das nasse Kleid zieht sie von ihrem Körper herb. Ungeniert.
    "Meine Benohé?"
    Die Sklavin steht bereits neben Callista.
    "Dein Kleid."
    Schlanke, Karamell farbene Finger lösen eine goldene Spange. Der feine Stoff des Gewandgespinnst gleitet herab und wird an Callista weiter gereicht. Mesilimisch klingen die Ketten an ihren lang gliedrigen Armen und an ihren schlanken Fußgelenken. Weiblicher ist die Gestalt und die Rundungen der Benohé. Glatt, sehr schlank und daneben athletisch. Geschmeidig.
    Das güldene Hauch eines Kleides zieht Callista über ihren zierlichen Korpus. Das Gewand der Sklavin aus teurem koischen Stoffe schmiegt sich bis zu Callistas Oberschenkel. Für eine Patrizierin zu unzüchtig. Doch Callista ist es justament gleichgültig. Die Wärme ihrer Sklavin greift auf Callista. Das nasse Kleid reicht sie an die Serva weiter. Die es sich anzieht, ohne einen Laut oder Geste des Unwillen zu traktieren.
    Callista überlässt auch die anderen Kleider weiterhin der Benohé, die all die übrig gebliebenen Stücke, mitsamt des Gürtels von Aquilius, aufgesammelt hat. Im Garten noch. Ihrem eiligen Aufbruch wegen.


    Ein ergötztes Lächeln schenkt Callista ihrem nächtlichen Heroen. Belustigt glänzt es in ihren dunklen Augen. Sie tritt näher an ihn heran und schlingt ihre Arme um seine stattlichen Schultern. Ihre Lippen nähern sich den Seinigen. Ein warmer Hauch gleitet über sein Gesicht hinweg. Als Callista leise Worte flüstert.
    "Wann wirst Du meinen Vater fragen?"
    Das Lachen kitzelt in ihrem Bauch. Aber Callista ist erwiesen keine schlechte Mimin. Erwartungsvoll glimmen ihre Augen. Lieblicher Ernst. Treuherzige Freude. Beides ziert ihre Miene. Wenn sich der Schalk auch hinter den Worten verbirgt. Callista offeriert es noch nicht.
    "Mein Verlobter."
    Ein seliges Seufzen entschlüpft ihren Lippen. Euphorisch wartet sie auf die womöglich vorhersehbare Reaktion.

  • Ich wurde den Gedanken nicht los, dass der Hausherr von unserem kleinen Abenteuer in seinem Garten weit mehr mitbekommen hatte, als seine Miene und seine Worte vermuten ließen - aber ich würde dieses Thema gewiss nicht mit ihm weiter erörtern, zudem, es war alles gesagt, was es zu sagen gab, und seine Worte machten mir auch deutlich, dass wir von seiner Seite aus keinen Ärger mehr zu erwarten hatten. Etwas, was ich nicht vergessen würde, soviel war sicher. Ich kam nicht umhin zu bemerken, dass mir dieser Mann, der sich mitten in der Nacht wieder zu seinen Schriften zurückzog, auf eine seltsame Weise sympathisch war. Würde ich in seinem Alter auch ein kontemplativer Genießer von Literatur, aber nichts sonst sein? Aber die Gegenwart holte mich schnell wieder ein, und schon stand Callista vor mir, strahlend schön und unendlich reizvoll im geborgten Kleid ihrer Sklavin, während die dunkelhätige Frau mit dem verborgenen Zorn im Blick gezwungen war, das nasse Ding zu tragen, welches im Überschwang unserer Leidenschaft unter dem Wasser gelitten hatte. Wahrscheinlich würde es nie wieder so aussehen wie zu Anfang des Abends, aber es war schließlich nur ein Kleid.


    "Es gibt so einige, die nicht dem Spiel der Täuschung fröhnen, aber sie sind auf andere Weise eine Herausforderung und der Gedanken ebenso wert," sagte ich schmunzelnd und ließ mir von Benohé den Gürtel reichen, welchen ich mir selbst umlegte. Am liebsten hätte ich Callista wieder in meine Arme geschlossen, gehalten, und sie nicht mehr hergegeben, bis der Morgen graute, aber ich konnte sie nicht darum bitten. Nie hatte ich eine Frau darum gebeten, ihr nahe sein zu dürfen, nicht jedenfalls so direkt, nicht aus einem Bedürfnis heraus. Wenn es überhaupt ging, so unterstrich das Kleid der Sklavin Callistas fremdartigen Reiz noch etwas mehr, und jetzt, da ich wusste, wie sie klang, wenn sie genoss, betrachtete ich sie aus gänzlich anderen Augen, zwangsläufig wohl. Und auf meiner Haut spürte ich die Abdrücke ihrer Nägel, ihre Zeichnung meines Leibes, schmeckte sie noch immer auf meinen Lippen, der Taumel der Lust verließ mich nie sehr schnell. Und mehr als recht war es mir, dass sie mich wieder küsste, ich erwiederte die Berührung genüsslich, suchte sie auszudehen, so weit es nur möglich war, wohl wissend, dass es ein Ende geben musste, welches auch viel zu früh kam. Süßer Taumel, ich hätte es gleich noch einmal tun können, an dieser verfluchten Straßenecke, inmitten der zahnlückigen, versoffenen Hure Rom.


    Dass sie mir gleichzeitig etwas zuflüsterte, nahm ich eher am Rande wahr, dann ging mir der Sinn ihrer Worte auf. Verlobter? Au, verdammt. Sie hatte meine Worte doch wohl nicht für bahre Münze genommen? Aber anscheinend doch. Und .. neben ihr zu erwachen, ihre Art jeden Tag zum mich zu haben, war das wirklich abschreckend? War es wirklich so unvorstellbar? Wir waren mit der gens Claudia zwar schon verbandelt, aber ein Band mehr oder weniger ... Corvinus würde zornig sein, würde ich seine Verwandte abweisen, aber ...
    "Wenn es Dein Wunsch ist, werde ich ihn gleich morgen früh aufsuchen und um Deine Hand bitten," erwiederte ich mit dem der Situation angemessenen Ernst. "Ich habe es diesem Mann gegenüber behauptet, um zumindest ein wenig einen tugendhaften Anstrich über unser Tun auszubreiten, was Dir sicherlich ebenso bewusst ist, aber Du sollst wissen, dass ich bereit bin, zu meinem Wort zu stehen. Es gibt einige Verhandlungen mit einer anderen gens als der Claudia, die mir eine vorteilhafte Ehe einbringen sollte, doch ist noch nichts so weit gediehen, dass es unmöglich wäre es umzustoßen." Wenn sie gescherzt haben sollte, dann war es jetzt an der Zeit, den Scherz aufzuklären - ansonsten würde ich wohl morgen früh mit ihrem Vater verhandeln. Bei Ehen machte man keine Scherze, soviel war sicher.

  • Eine Krähe hackt der Anderen nicht das Auge aus. Das trifft auf Callista nicht zu. Mit Genuss kann sie über andere Frauen herziehen. Ihre geheimsten Geheimnisse preis geben. Aber sie möchte nicht all ihre Eigenen den Schleier der Mysterien entziehen. Sofern es die Nämlichen gibt. Es nicht gar ein völlig überschätztes Geheimnis ist. Lügen und betrügen Männer nicht genauso? Intrigieren sie nicht auch derart raffiniert? Manche Exemplare des starken Geschlechtes tun das gewiss und mussten nicht hinter den Frauen in ihrer Liga zurück stehen.
    "Gerne sekundiere ich Dir, Caius."
    Callistas Finger gleiten an Aquilius Nacken entlang. Ihre Fingerspitzen ertasten seinen Haaransatz.
    "Farbenfrohes Kolorit zeichnet unsere Welt. Die dunklen Farben lassen die Hellen umso strahlender leuchten. Granatrot erglänzt in einem weichen Moosgrün. Dergleichen ist es mit den Menschen."
    Frauen mit simplen Gemüt langweilen Callista. Frauen mit Abgründen würde Callista stets den Vorzug geben. Es sei denn, sie sind ein Spielzeug, was Callista nach wenigen Tagen wegwerfen würde. Weich umschmiegt der leichte Stoff ihren Körper. Angenehmer als die schweren Stoffe, die sie vorher getragen hat. Ihre Lippen suchen nach denen von Aquilius. Ein Kuss. Ein Spiel ihrer Zunge über seine von dem Kuss feuchten Lippen. Callista löst sich eine Nuance von ihm und belässt ihre Arme um seine Schultern.
    Mit einem Augenmerk nimmt Callista wahr. Der schöne Gürtel, leider hat ihn Benohé an den schönen Marspriester zurück gegeben. Ein Seitenblick erntet die Sklavin dafür. Nur schnell. Doch die Sklavin erahnt, was ihre Herrin wohl gewünscht hätte. Einen Moment zu spät.


    Zu dem Glück der Sklavin wird Callista abgelenkt. Von dem Sujet überhaupt. Der Wunsch in Lachen auszubrechen. Er erstirbt in ihrem Bauch. Die zarten Flügel der Heiterkeit erreichen nicht ihre Lippen. Spielen nicht mit ihrem vollen Erbeermund. Der mittige Teil ihrer sorgfältig gezupften Augenbrauen sinkt eine Nuanze herunter. Ihre Nase kräuselt sich. Ihre schwarzen Augen sehen Aquilius ernst an. Prüfend. Nachforschend.
    Beliebt er zu scherzen?
    Es sieht nicht so aus, Callista.
    Traun. Aber er kennt mich nicht.
    Was wohl besser ist, Callista.
    Er scherzt.
    Die Stimmen in ihr gehen die Worte durch. Versuchen sie zu analysieren. Die Pläsanterie zu enttarnen von dem Deckmäntelchen des ernsten Willens. Aber sie kann ihn nicht finden dahinter. Weder hinter Wort, noch Gestik. Callista merkt nicht, dass sie auf ihre Unterlippe beißt. Fest, so dass sich ein Abdruck bildet. Nachdem sie diese Unsitte sein lässt.
    Callista löst ihre Arme von seinen Schultern. Ihre flachen Hände fahren über seine Brust und verharren über dem Herzen.
    "Wenn es mein Wunsch ist?"
    Sie hebt ihr Kinn an. Stolz und grenzenloses Selbstbewusstsein sprechen aus dieser kleinen Geste. Callista weiß, dass sie alles bekommen kann, wenn sie danach verlangt. Von den Männern, die sie betört. Sie bildet es sich zumindest ein, denn es war bisher stets so.
    "Caius Flavius Aquilius. Mir dünkt, es ist das erste Mal, dass Du einer Frau so etwas an trägst. Aber lass Dir gesagt sein. So hält ein Mann nicht um eine Frau an, wenn es ihm ernst ist. Schon gar nicht um eine Claudia."
    Pikiert wölben sich ihre Lippen. Ihre Augen glänzen verstimmt.
    "Vielleicht verzeihe ich Dir dieses brüske Verhalten."
    Ihre Hände wandern tiefer, sie greift nach seinem Gürtel und löst ihn von seiner Taille.
    "Das behalte ich."
    Sie reicht es an Benohé zurück. Mit ihren schlanken Fingern fährt sie an seiner Brust hoch und legt ihre Fingerspitzen auf seine Gesichtskonturen. Schön ist er und er gefällt Callista gut. Die Leichtigkeit, mit der er ein Abenteuer eingeht. Die Freude an dem Liebesreigen. Die wilde Leidenschaft seiner Lenden. Es ergötzt Callista. Das ist gewiss kein Mann, der ihr so schnell langweilig werden würde. Aber Callista weiß. Wenn sie ihn heiratet, dann würde sie anfangen, ihn zu hassen. Zu verachten. Jeder Mann, der sie in einen Käfig sperrt, tötet ihre Lebenslust ab. Callista lebt zu gerne und mit der Lust an der Aufregung, um sich das gefallen zu lassen. Oder etwa doch nicht?
    Vater wird für mich einen Mann suchen. Warum dann nicht den schönen Marspriester?
    Und was ist mit ihm, Callista? Er wird wütend werden.
    Er hat mich verlassen. In schändlichster Art.
    "Caius. Du weißt sicherlich, wo die Villa Claudia zu finden ist. Nicht die Pflicht der Ehre. Auch nicht der Zwang des Standes bewegt mich. Interessiert mich. Sollten das Gründe sein, warum Du die Villa aufsuchen willst. Dann bleibe fern. Ist es die Freude am Leben. Die Lust zu Genießen. Dann komme in einigen Tagen in meine Gefilde. Wann immer Du möchtest. Nur unterschätzte die Launen der Fortuna nicht. Sie sind nicht minder wankelmütig wie die Meinen."
    Callista lächelt und tritt einen Schritt zurück.
    "Vielleicht sehen wir uns, mein schöner Mars. Ansonsten lebe wohl."
    Ihre Finger lösen sich von seinem Gewand. Schnell dreht sich Callista um. Der Schatten hinter ihr verschluckt nicht nur sie, sondern auch die Sklaven. Die ihr folgen. Der Wind spielt in den Zweigen einer Schirmpinie. Die Nachtigall singt in ungebrochener Schönheit. In einem verborgenen Garten. Der Mond wird von dunklen Wolken umfangen.

  • Wenige Berührungen waren es nur, doch wohldosiert eingesetzt, wahrlich, Claudia Callista wusste nur zu genau, wie man die Aufmerksamkeit eines Mannes weckte und behielt. Ich kam mir vor wie ein unbeholfener Tänzer auf der Oberfläche eines Vulkans, bei dem man niemals genau wissen würde, wann er das nächste Mal ausbrechen würde - ob nun zum Guten oder Schlechten, es wäre jedes Mal wohl ein denkwürdiges Ereignis, wenngleich kaum zu jeder Zeit ein Plinius zur Stelle sein würde, um dieses zu beschreiben. Ihre sanften Finger strichen über meinen Nacken, ließen einen vagen, prickelnden Hauch meinen Rücken entlang heraufstreichen, die sich entwickelnde Gänsehaut hatte nichts mit der Kühle der Nacht zu tun, die ich nun zu spüren begann, eher mit noch nicht verklungener Hitze, und dem Wissen darum, dass sie einen meiner Schwachpunkte zielsicher entdeckt hatte.
    "Es wäre eine schreckliche Welt, hätten Menschen keine Geheimnisse, keine Abgründe, und man würde wohl das Leben fliehen, weil man nicht mehr wüsste, was es noch zu entdecken gäbe. Allzu viel Licht ist auf die Dauer verbrennend, und Schatten allein vermögen das Interesse nicht zu halten - ich gebe Dir also unumwunden Recht. Vielleicht ist es unser Schicksal, das Herausfordernde, das Geheimnisvolle zu suchen," antwortete ich ihr und blickte in ihre Augen, solange sie es zuließ.


    Sie selbst war ein Abgrund, genau wie ich den meinen stets mit mir trug, und vielleicht hatten wir gerade deswegen aneinander Gefallen und Lust gefunden, im wohlen Wissen, dass die Momente der Extase endlich waren, und nur in begrenzter Anzahl geschenkt wurden. Ihr Kuss endete zu schnell, und ich hielt sie nicht zurück, als sie sich ihrer Sklavin zuwandte - für einen flüchtigen Moment wirkte sie verdrossen, dann enthüllten mir ihre Worte den Grund. Ehre war es also nicht, die sie anzog, sondern eine diffizile Werbung, ach meine eitle Callista, ich konnte sie so gut verstehen. Wer liebte es nicht, in vielen Worten, mit vielen Geschenken den eigenen Wert bewiesen zu bekommen?
    "Es ist das erste Mal, dass mich der Impuls eines Augenblicks zu einem solchen Gedanken bringt, eine Ehe wird niemals mit Leidenschaft gut geschlossen, wenn sie Bestand haben soll," gab ich ihr ungerührt zurück. Sie mochte eine Claudia sein, und stolz dazu, und gewiss eine Frau, die ein jeder Mann in Rom für sich haben wollen würde, wüsste er um die süßen Laute, die sie in die Welt hinausgeseufzt hatte, als wir uns vergnügt hatten - aber ich war ein Flavier, und nicht minder stolz auf den Namen und die Herkunft unserer Familie. Und im Augenblick stellen die Flavier drei Senatoren, drei bedeutende Männer im Senat, und die Claudier keinen ... Sie musste diese Wahrheit kennen, denn ein jeder kannte sie.


    So ließ ich den Rest ihrer Worte unkommentiert, wohl wissend, dass es die reinste Koketterie war - was eine Ehe anging, war ich die bessere Partie, und wir beide wussten es, auch wenn sie es vielleicht nicht wahrhaben wollte. Man sollte Frauen auch ihren Willen lassen, so gab ich mich einem zerknirsht wirkenden Lächeln hin, das sie in ihrer Haltung wohl eher bestärken mochte.
    "Gib gut acht auf ihn, er geleitet mich schon eine Weile," sagte ich zu ihrer rigiden Requirierung meines Gürtels. Dass sie eine Trophäe haben wollte unserer Nacht konnte ich verstehen, ich hätte auch gerne eine gehabt - und würde meine Trophäen am Körper tragen, die Spuren ihrer Leidenschaft, tief in meine Haut geprägt.
    Wie wäre es, mit einer so unberechenbaren Frau zu leben? Treu würde sie mir nicht sein, soviel war sicher, und ich ihr sicherlich auch nicht - wir waren beide über jenes Alter hinaus, in dem man sich noch grundlegend änderte, und wir genossen beide den Kitzel des Lebens zu sehr dafür, es ändern zu wollen. In vielem waren wir uns ähnlich, das hatte mir das Liebesspiel mit ihr offenbart - es gab keine Grenzen, wenn man sie nicht wollte. Würde sie da sein, wenn ich am Abend vom Tempel oder dem officium heimkehrte? Wahrscheinlich auch das nicht, Vögel schätzten keine goldenen Käfige ... so ließen mich ihre Worte lächeln, denn sie wusste so gut wie ich, dass ich kommen würde.


    "Kehre sicher heim, meine Callista, und sei von angenehmen Träumen umschlungen. Ich bin mir sicher, wir werden uns wiedersehen, und das gewiss bald," sagte ich und blickte ihr nach, als sie wie ein Traum verging, aus meinem Leben schied, wie sie es betreten hatte, nymphenhaft, geheimnisvoll, nicht ganz Teil dieser Welt und hoffentlich würde sie es niemals werden. Das Lächeln stand mir noch immer im Gesicht, als ich in einer Gasse verschwand und mich auf den Weg machte, zur villa zurückzukehren, mit beruhigten Lenden und einem übervollen Kopf, der von verlockenden Bildern nur platzen zu schien. Morgen würde ich ein Dankopfer erbringen, soviel war sicher ... ich war mir nur noch unschlüssig, wem, Mars oder Venus, oder am besten beiden zugleich.

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