• Ich bemerkte die Veränderung in seinem Gesicht, als er über diese Römein sprach. Da mußte sicher mehr dahinter stecken, doch ich wollte nicht danach fragen, denn es schien ihn zu belasten. Vielleicht hatte er sie geliebt und liebte sie vielleicht immer noch. Doch was empfand er dann für mich? Konnte man zwei Frauen gleichzeitig lieben? Oder war ich für ihn nur eine willkommenen Abwechslung gewesen?


    Ich hörte ihm weiter gespannt zu, als er meine Frage bezüglich des Kreuzes beantwortete.
    Bei allen Götter, daß war ja widerlich! Wie konnten sich Menschen nur so etwas ausdenken? Es ließ mich erschaudern, wenn ich daran dachte, wie schmerzvoll diese Art des Sterbens sein mußte.
    Doch auch hier merkte ich bald, daß er lieber von diesen Themen abschweifen wollte. Es war ihm auch sichtlich unangenehm, als ich seinen Hals berührte.
    So gab ich ihm das, was er wollte und begann über mich zu erzählen.


    Ich habe mit Vater und fünf Schwester und Brüder auf kleinem Hof gelebt, dort wo Fluß Bóinne ins Meer fließt. Flüsse in meiner Heimat haben Namen von Göttern.
    Mein Vater ist gabha, ähm ist Mann der Eisen schlägt. Mutter ist tot. Ist gestorben vor fünf Jahren als kleiner Bruder geboren wurde. Seitdem ich für Familie sorge.


    Ja,ich versorgte die Familie, doch wer hatte jetzt diese Aufgabe übernommen? Sicher waren sie zu Hause krank vor Sorge um mich. Vielleicht wähnten sie mich aber auch schon bei den Toten. Hatte vieleicht mein Vater auch diesmal wieder das Lied der bean shide gehört, so wie er es damals beim Tod meiner Mutter getan hatte?
    In mich gekehrt, saß ich da. Plötzlich waren wieder alle Bilder vor meinem inneren Auge da.
    Der Tag, an dem sich mein Leben von Grund auf änderte.
    Es fiel mir schwer, darüber zu sprechen, doch ich versuchte es trotzdem.


    Ich war alleine an Strand, ohne kleine Geschwister. Wollte einmal für mich sein, war ärgerlich, hatte Zorn, weil alle immer nur sagen: Bridhe, tu das, Bridhe du mußt...
    Niemals Zeit für mich!
    Ich sammeln Muscheln, dann plötzlich kommen Männer. Ich weg rennen, doch hinfallen. Sie auf mich stürzen und mich fesseln und schlagen. Bringen mich auf Schiff von römische Händler.


    In meinen Augen sammelten sich die Tränen. Wie ein Häufchen Elend saß ich da. Ich wünschte ich hätte diese Bilder aus meinem Kopf löschen können. Doch es ging nicht.

  • Es gab Dinge, an die er eindeutig weder zurückdenken noch darüber sprechen wollte. Erleichtert, dass Bridhe da nicht weiter fragte, versuchte er die Erinnerungen an diesen grausigen Tag abzuschütteln, und hörte nun ihr zu, als sie erzählte. Anfangs noch etwas abwesend, merkte er auf, als sie vom Meer sprach. Sie hatte am Meer gewohnt! Das stellte er sich schön vor. Das eine Mal bei Ostia wo er es gesehen hatte, hatte ihn diese endlos weite, so irgendwie lebendige Wasserfläche, ungemein fasziniert. Wie gerne würde er noch einmal dort hinreiten.
    Die Tochter eines Schmiedes war sie also. Er nickte. Ein angesehener Beruf. Und viele Schmiede wussten ja auch Zauberwerk zu weben, kannten Albengeheimnisse, um das Eisen nach ihrem Willen zu formen. Ob Bridhta womöglich auch darin kundig war? Die Sachen, die sie in ihrer Muttersprache sagte, die klangen immer so rätselhaft, als wären es Worte der Macht.
    Er überlegte wie alt sie wohl gewesen war, als sie die Mutter hatte ersetzen müssen. Das klang nach viel Arbeit, was sie da erzählte. Furchtbar viel Arbeit. Seine Mutter hatte schon immer geklagt, ihre Kinder würden so viel Arbeit machen, dass sie davon ganz verrückt würde, und dabei hatten doch die Mägde das meiste davon erledigt.


    Als Bridhe erzählte, wie sie geraubt und verschleppt wurde, hörte er ihr stumm zu. Es quälte ihn, sie so traurig zu sehen. Und er bekam schon beinahe ein schlechtes Gewissen, weil er ja früher, in der Zeit wo sie ständig an den Handelstrassen gelauert hatten, bei einem Überfall auch mal ein Mädchen hatte mitgehen lassen. Aber alle hatten das so gemacht! Es war eben der Lauf der Welt, die Waffenbrüder hätten ihn herzlich ausgelacht, wenn er die Beute hätte laufen lassen, und sein Vater hätte ihn glatt rausgeworfen. Der wollte keine Zauderer und Schwächlinge in seiner Gefolgschaft haben.
    Aber wie Bridtha, die süße Bridtha, nun wieder Tränen in die Augen bekam, wurde es ihm ganz anders. Verdammt, hätte er sie doch besser nicht sowas gefragt. Frische Wunden aufgerissen sozusagen.
    "Bridtha...", sagte er warm, und nahm sie fest in den Arm. Er strich ihr über den Rücken, und leise, mit etwas belegter Stimme, versuchte er ihr Worte des Trostes zuzusprechen.
    "Bridtha, min tresiwir. Eines Tages wirst Du wieder frei sein. Einmal ist Deine Gefangenschaft vorbei. Dann kannst Du nach Hause zurückkehren, und wieder Deine Heimat sehen. Sie können Dich nicht ewig halten. Du bist stark, und hast schon vieles durchgestanden, und das hier stehst Du auch durch. Und ich pass auf Dich auf. Komm wein doch nicht mehr. Es kommt der Tag an dem Du wieder frei bist, irgendwann kommt er."

  • Seine Worte trösteten mich und ich stellte mir vor, wie es sein würde, wenn ich frei wäre und wieder in meine Heimat zurückkehren könnte.
    Ich sehnte mich so sehr nach den grünen Hügeln, den Schilfbewachsenen Ufern des Flusses, den einfachen aber gemütlichen Hütten und dem Duft des Torffeuers.
    Doch mir war bewußt, die Realität würde sicher anders aussehen. Ich würde niemals wieder die sanften Hügel Taras und das saftige grüne Gras oder die Steinkreise der Túatha Dé Danann sehen.


    Ich weiß, ich nie wieder nach Hause kommen. Aber du können bei mir bleiben?


    Wenn wenigstens er mir bleiben würde, dann wäre ich glücklich. Doch immer noch oder schon wieder beschäftigte mich die eine Frage. Es würde kein Weg daran vorbei führen. Wenn ich Gewissheit haben wollte, mußte ich ihn fragen.


    Severus, ich habe Frage an dich.


    Wie sollte ich nur anfangen? Wieder zögerte ich und überlegte, die richtigen Worte zu treffen.


    Du nach erstem Abend anders. Ich dich gekränkt, weil ich weg gegangen. Es tut mir leid! Aber...
    Severus, du mich noch gern haben?


    Na endlich war es ausgesprochen! Ich fühlte mich unendlich erleichtert, doch noch besser hätte ich mich
    gefühlt, wenn er tatsächlich noch etwas für mich empfinden konnte.
    Doch auch wenn er meine Frage verneint hätte, hätte ich das gut verstehen können.

  • Alles in allem schien dieses Mädchen weitaus realistischer und resoluter, als man beim ersten Blick in ihre schönen blauen Augen hätte meinen können. Realistischer als er wahrscheinlich, sinnierte der Germane. Er sollte ihr nicht solchen Unsinn erzählen, auch nicht zum Trost.
    Ja, wahrscheinlich hatte sie recht, und sie würde nie mehr zurückkehren können. Und auch er würde die Wälder seiner Heimat nie mehr wiedersehen, und nicht seine Familie. Nimmer. War auch besser so, denn von seiner Schande sollte die Sippe niemals Kunde bekommen. Und man musste sich wohl damit abfinden, wenn man nicht den Verstand verlieren wollte. Augenblicklich schon wieder tief in sein eigenes destruktives Hadern verstrickt, schwankend zwischen Resignation und der Auflehnung gegen dieses schäbige Schicksal, furchte er düster die Stirn. Nein! Es war alles so erbärmlich...


    Ob er bei ihr bliebe? "Ja sicher.", hatte er schon geantwortet, bevor ihm aufging, dass man diese Frage auch recht umfassend verstehen konnte, und sich darob ein leichter Nachhall von Skepsis auf seinem Gesicht abzeichnete. Was wenn Aquilius ihn verkaufte? Oder Bridtha wegschickte? Überhaupt, sich so festzulegen, war eigentlich nicht so sein Ding... Wer wusste schon was morgen war.
    Dass sie ihre Frage so ersthaft ankündigte, machte ihn natürlich neugierig. Mit schräg gelegtem Kopf hörte er aufmerksam zu. 'Gekränkt'. Pfff, er und gekränkt! Das klang - weichlich! Gekränkt durch diese Unterstellung schüttelte er den Kopf und sagte steif:
    "Nein, nein. Schon in Ordnung. Dass Aquilius Dich für sein Bett bestimmt hat, ist nicht Deine Schuld."
    Er konnte nicht leugnen, dass er eifersüchtig war. Verdammt. Er wollte sich doch in nichts verstricken. Sowieso gehörte sie Aquilius. Es kam ihm dann aber doch in den Sinn, dass der Flavier vielleicht gar nichts dagegen hatte, wenn er auch etwas mit ihr anfinge. Bei Ne-fahr-thyrri damals war Aquilius ja auch nicht kleinlich gewesen.


    Ob er sie noch gerne hatte? Ja war er denn so grob gewesen, dass sie dran zweifelte? Anscheinend. Er wandte ihr sein Gesicht zu, und sah ihr in die Augen, wusste nicht recht was er sagen sollte.
    Steh einfach auf, befahl seine innere Stimme da vehement, und geh Holz hacken oder so. Ist besser. Oder sag: 'Natürlich. - Als wärst Du meine Schwester!' Oder...
    Seine Hand strich über ihr Haar, verharrte in ihrem Nacken.
    "Natürlich.", antwortete er lächelnd, und beugte sich zu ihr. "Und wie!"
    Rauh legten seine Lippen sich auf ihre. Er zog sie an sich und küsste sie lange und innig.

  • Sein Kuß kam überraschend für mich. Niemals hätte ich zu träumen gewagt, daß dieser Abend noch solch eine Überraschung für mich bereit hielt. Ich genoß diesen Kuß so sehr. Wie lange hatte ich mich schon danach gesehnt, endlich wieder in seinen Armen zu liegen.
    All die Skepsis, ob er mich noch lieben würde, oder vielleicht noch diese Arrecina, waren auf einmal verflogen.
    Meine Finger strichen durch sein Haar und ich faßte für mich einen Entschluß, wie ich gedachte, den weiteren Abend zu gestalten. Hier und heute würde ich nicht wieder wegrennen und zu Aquilius gehen. Nein, der müßte heute Nacht leider auf mich verzichten! Sicher würde mir da noch eine passende Ausrede einfallen und wenn schon, so könnte ich meinem Liebsten, meine Liebe beweisen. Ich hatte keine Angst vor irgendeiner Strafe!
    Doch all das deutete ich Severus mit keinem Wort an. Aquilius sollte heute Nacht einmal nicht zwischen uns stehen!
    Ich erwiederte seinen Kuß und hielt ihn fest umschlungen. Ich war in diesem Augenblick so glücklich über sein Versprechen, immer bei mir bleiben zu wollen. Nie würde ich ihn wieder gehen lassen!
    Die Tatsache allerdings, daß ein Anderer unsere Schicksalsfäden in der Hand hielt, war für mich in diesem Moment ganz weit weg.
    Ich wollte den Augenblick genießen, das Hier und Jetzt!

  • Süß schmeckten ihre Lippen, waren weich und betörend. Er kostete sie hingebungsvoll, schloss dann geniesserisch die Augen, als ihre Finger durch sein Haar strichen. Das mochte er gern... Langsam aber sicher wurde der lange währende Kuss wiederum forscher. Heiß tastete seine Zunge sich vor, wollte ihre Lippen aufschmelzen, ihren Mund ungestüm erforschen. Zugleich ließ er sich, sie fest in den Armen halten, langsam auf den Boden hinuntersinken, bis sie beide auf dem Rasen lagen, ohne im Küssen innezuhalten.
    Die Schatten waren lang. Die letzte Strahlen der untergehenden Sonne warfen goldene Säulen von Licht auf das grüne Gras. In der Abendstille verklangen die Stimmen der Vögel, und der östliche Himmel färbte sich dämmerblau.


    "Bridtha...", flüsterte der Germane in einer kleinen Atempause, und ließ sich ihren Namen, den er einfach nicht über die Lippen brachte ohne ein hartes 't' hinzuzufügen, förmlich auf der Zunge zergehen. "Meine süße Bridtha..."
    Versonnen strich er mit der flachen Hand ganz langsam an ihrer Wange entlang, da wo ein später Sonnenstrahl einen warmen goldenen Schimmer auf ihre blasse Haut legte. Schön.
    Er spielte mit einer Stähne, die sich aus ihrem hochgesteckten Haar gelöst hatte, zupfte dann weitere heraus, befreite sie Stück für Stück, bis ihr Haar ungebändigt auf ihre Schultern fiel.
    "Min otmahali..." raunte er ihr zärtlich ins Ohr, und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. Selbstvergessen wühlte er mit den Lippen darin, sog tief ihren Duft ein, war einfach trunken von ihrer Nähe.


    Störend brach das Knirschen von Kies in den Kokon der Zweisamkeit. Blätter raschelten, und kurz war das Geräusch von Schritten in der Nähe zu vernehmen. Aus seinem Tun gerissen blickte der Germane auf. Gerade versank der letzte Rest der Sonnenscheibe hinter der hohen und festen Mauer, die den Garten von der Außenwelt abschirmte. So spät schon? Er bemerkte außerdem, dass beim wilden Küssen auf dem Rasen sowohl Bridhes helle Tunika, als auch seine, Grasflecken abbekommen hatten. So banal das war, erinnerte es ihn doch wieder an die Wirklichkeit, die um dieses geschützte, lauschige Fleckchen hier außenherum existierte.
    Er setzte sich auf, strich einen Grashalm und ein Stückchen Rinde aus Bridhes Haar. Etwas fragendes mischte sich hinein, als er sie anlächelte. Er versuchte sich dagegen zu wappnen, dass sie nun wohl wieder sich erheben, und aus seinen Armen entschwinden würde. Seine Enttäuschung sollte sie ihm aber verdammt noch mal diesmal nicht ansehen.
    Wie eine Schwanenjungfer, die bei Einbruch der Nacht ihr Federkleid anlegt, die Schwingen breitet, und sich rauschend in die Lüfte erhebt..., dachte er melancholisch, um sich die Sache etwas zu verbrämen.

  • Immer weiter fort ließ ich mich treiben und genoß es, wieder in seinen Armen Zuflucht gefunden zu haben. Er verwöhnte mich mit seinen immer heftiger werdenden Küssen und ich belohnte ihn dafür, indem ich ich meine Arme um seinen Körper schlang und meine Finger kreisend über seine Haut führte.
    Irgendwann fanden wir uns umschlungen, auf der Erde liegend. Seine unwiderstehlichen Augen sahen mich an. Auf seine einzigartige Weise hauchte er meinen Namen und löste mein Haar, welches sich dann unbändig über meine Schultern ausbreitete. Dann flüsterte er mir etwas ins Ohr. Es war wohl seine eigene Sprache, die er sich zu Nutze machte. Mir waren die Worte zwar völlig fremd, doch ich konnte deren Bedeutung ahnen.
    Doch dann näherten sich Schritte. Beide hielten wir inne, mit dem was wir taten. Es war in diesem Moment, als wären wir wieder zurückgekehrt aus Tír na nÓg, dem Land der ewigen Jugend und Schönheit. Wir sahen uns an. Er strich einen Grashalm aus meinem Haar. Mir war, als hätte ich einen Moment den Ausdruck der Enttäuschung in seinem Gesicht erkannt. Dachte er etwa, ich würde jetzt gehen wollen?
    Mit meiner Hand strich ich ihm sanft über sein Antlitz und lächelte ihm feundlich zu.


    Laß uns gehen ! Nicht hier! Komm!


    Nein! Diese Nacht sollte mein Geschenk an ihn sein.

  • Überrascht vernahm er Bridhes Worte. Das klang - wenn er sie recht verstanden hatte - verdammt verheißungsvoll... Seine Augen funkelten übermütig. Er lächelte breit und wandte den Kopf ein wenig, bis seine Lippen ihren Handballen streiften, biss sie dann leicht, nur spielerisch hinein.
    "Ich folge Dir, wo immer du auch hingehst, süße Bridtha..." sprach er grinsend, sprang auf die Füße und zog Bridhe an der Hand zu sich hoch. Und das tat er dann auch - folgte ihr, wo immer sie ihn auch hinführen würde...

  • Ich wusste, ich wuerde meine Entscheidung nicht bereuen. Ich nahm in bei der Hand und ging in Richtung Hof. Doch wo sollten wir hin und wo wuerden wir ungestoert sein?


    Severus, wo sollen wir gehen?


    Fragend schaute ich ihn an. Ich waere ja am liebsten wieder in das wunderschoene balneum gegangen. Doch man sollte das Glueck nicht zweimal herausfordern!

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