Lange hatte es gedauert bis sie endlich eingeschlafen war. Zu viele Dinge belasteten ihren Geist. Seit der Rückkehr aus Ostia war alles anders geworden.
Bruchstückhaft kehrten die Erinnerungen zurück. Schreckliche Erinnerungen waren es, voller Blut und voller Tränen.
Selbst in ihren Träumen konnte Fiona ihren Geistern der Vergangenheit nicht entgehen. Sofern sie denn einschlafen konnte, waren sie immer wieder da, diese von Blut getränkten Bilder.
Unruhig war ihr Schlaf. Wie im Fieberwahn, wälzte sie sich hin und her.
Sie war wieder zu Hause. Es war noch früh am Morgen. Die ersten zarten Stahlen der Sonne kündigten einen schönen Frühjahrsmorgen an. Vater, Dylan und Merin waren draußen im Hof und bereiteten alles für die bevorstehende Jagd vor. Wie gerne wäre sie auch dabei gewesen, doch auf Drängen ihrer Mutter sollte sie heute im Haus bleiben. Ich kann dich einfach nicht verstehen! In einem halben Jahr wirst du verheiratet sein und das einzige, wofür du dich interressierst, ist die verdammte Jagd! Dein Mann wird sicher nicht sehr entzückt sein, wenn du nicht einmal kochen kannst! Wie immer in letzter Zeit, stritt sie mit ihrer Mutter. Hatte sie es früher toleriert, wenn Fiona mit ihren Brüdern unterwegs war, legte sie nun Wert darauf, daß sich Fiona nun endlich auch mit den hauswirtschaftlichen Dingen beschäftigte. Schließlich sollte aus ihr eine gute Ehefrau werden. Aber was wußte sie schon! Allawn mochte sie, so wie sie war!
Die schlechte Stimmung, die zwischen Mutter und Tochter herrschte, wurde plötzlich durch ein Schreien, welches vom Hof kommen mußte, zerstreut. Beunruhigt liefen die beiden Frauen zur Tür und schauten, was passiert war. Mehrere bewaffnete Reiter näherten sich dem Hof und metzelten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Ihr Vater und die Brüder hatten keine Chance. Die beiden Frauen rannten wieder zurück ins Haus und versuchten sich zu verstecken. Wo war nur
Gwynn? Bevor sie ein Versteck finden konnten, wurde auch schon die Tür aufgebrochen. Zwei Soldaten drangen in das Haus ein.
Trotz bitten und betteln, wurde ihre Mutter vor ihren Augen niedergestreckt. Warum hatten die beiden sie nicht auch getötet? Stattdessen zerrten sie sie nach draußen. Dort war auch ihre Schwester Gwynn. Die beiden wurden gefesselt und fort geschleppt. Einige Tage später wurden die Schwestern an einen Sklavenhändler verschachert.
Seitdem die Fragmente ihrer Erinnerungen wieder zurückkehrten, schien es so, als müsse sie alles Geschehene noch einmal durchleben. Im Schlaf rief sie den Namen ihrer Schwester.
"Gwynn, Gwynn!"
Leider war Gwynn nicht so stark, wie Fiona. Auf dem Weg nach Italia, gehetzt von den Handlangern des Sklavenhändlers, wurde sie krank. Von Tag zu Tag wurde sie schwächer. Als der Sklavenhänlder dies bemerkte, verweigerte man ihr die Nahrung. Das alles sei Verschwendung, meinte er. Einige Tage später war Gwynn tot.
Tot. Tot sein. Wie oft hatte sie darüber in den letzten Tagen und Wochen nachgedacht. Es wäre sicher eine Erlösung.