Hauptverhandlung IUD MIN V/DCCCLVII - Quintus Tiberius Vitamalacus vs. Edictum Praefectus Urbi

  • Ein Scriba des Gerichtes stellte sich in Positur und brüllte:


    Hiermit wird die Hauptverhandlung in der Sache "Quintus Tiberius Vitamalacus vs. Edictum Praefectus Urbi eröffnet.


    Das verhandelnde Iudicium Minor besteht aus den ehrenwerten Senatoren Praetor Urbanus Manius Ateius Crassus und Praetor Peregrinus Lucius Epidius Trabea.



    Quintus Tiberius Vitamalacus ficht folgendes Edict an, welches am ANTE DIEM XVI KAL SEP DCCCLVII A.U.C. (17.8.2007/104 n.Chr.) vom Praefectus Urbi Gaius Octavius Victor verhängt wurde.


    EDICTI PRAEFECTUS URBI
    ANTE DIEM XVI KAL SEP DCCCLVII A.U.C. (17.8.2007/104 n.Chr.)



    SANCTIO


    Gegen Quintus Tiberius Vitamalacus

    wird nach §3 Absatz 5 der Lex Mercatus eine Geldstrafe in Höhe von 2845.60 Sz verhängt. Des Weiteren wird o.g. Senator aufgefordert seinen Betrieb Lignarius Hispania Carthagae Nova Q.Tiberius Vitamalacus unverzüglich abzugeben, zu veräußern, oder aufzulösen.


    Zusatz: Da o.g. Senator sich zur Zeit im Felde befindet wird der Vollzug des Edictes bis zu seiner Rückkehr oder der Entsendung eines Bevollmächtigten aufgeschoben.




    Als der Scriba geendigt hatte, erschienen die beiden Prätoren, setzen sich auf ihre Stühle und ließen sich je einen Becher verdünnten Weines geben.

  • Etwas verärgert betrat Tiberius Durus den richtigen Gerichtssaal, nachdem er eine halbe Ewigkeit im falschen gewartet hatte. Sein Scriba verteilte erneut die Notizen auf der Anklagebank, während Durus noch einmal seine Rede durchging, bis der Praetor eintrat.

  • Selbst eine geraume Zeit nach seiner eigenen Amtszeit steckte noch immer eine Menge Aedil in Macer, so dass er sich auch diesmal wieder die Zeit genommen hatte, sich zur Basilica zu begeben, um der Verhandlung als Zuschauer zu folgen. Außerdem hatte er immernoch nicht das Vorhaben aufgegeben, irgendwann den Cursus Iuris abzulegen und da konnte ein wenig Anschauungsunterricht sicher nicht falsch sein. Zudem versprach auch noch das Thema spannend zu werden, ging es doch zum ersten Mal um die erweiterte Lex Mercatus und ihre Auslegung bezüglich der Rechte der Senatoren. Eine Abschrift des zugehörigen Kommentars befand sich folglich in Macers Tasche, um für die Vorträge gut gerüstet zu sein.

  • Die Prätoren hatten noch einen kleinen Schwatz gehalten, bis der Gerichtssaal sich gefüllt hatte und dabei ihren Becher geleert, der von den Sklaven eiligst wieder gefüllt wurde. Dann aber nahm der Prätor Urbanus seine Wachstafel und seinen Stilus und machte dem Gerichtsscriba ein Zeichen, auf dass dieser zur Ruhe mahnte, was dieser auch sofort tat. Der Prätor wartete noch zwei, drei Augenblicke, dann erhob er mit einer gewissen professionellen Lässigkeit seine Stimme.


    "Welchen Fall haben wir da? Ahja, Tiberius Vitamalacus gegen den Praefectus Urbi. Na bitte, die Vertreter Parteien sind schon da und haben sich personell nicht verändert, dann können wir ja beginnen. Bitte schön, die klagende Partei hat das Wort."

  • Bei einem Prozess, in dem ein Tiberier eine der beiden Parteien war, wollte Caius natürlich nicht fehlen. Zumal jeder Prozess, ganz egal, wer Partei war, die Möglichkeit bot, etwas zu lernen. So gesellte er sich zeitig zu den übrigen Zuschauern, unter denen er den Senator Purgitius erkannte, mit dem er kürzlich eine Unterhaltung im Domus der Factio Russata führte. Er wusste nicht, ob dieser ihn gesehen hatte oder nicht, wollte und konnte sich aber nicht weiter vordrängen, ohne zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, was er als Zuschauer allerdings schleunigst vermeiden wollte.

  • Durus erhob sich prompt. Er hatte seine Hausaufgaben gemacht. So warf er wie immer einen letzten Blick auf seine Notiz-Tabula, korrigierte kurz noch einmal den Sitz seiner Toga und trat in die Mitte des Gerichtssaals, von wo aus seine deutlich vernehmbare Stimme erschallte.


    "Quirites, Römer, verehrter Iudex, Tribun,


    Wie bekannt, geht es am heutigen Tage um die Anfechtung des Edictum des Praefectus Urbi Octavius Victor. Hierbei wird meinem Mandanten, dem ehrenwerten Tribunus Laticlavius und Senator Quintus Tiberius Vitamalacus, der zur Zeit für die Sicherheit Roms gemeinsam mit unserem geliebten Imperator im Felde steht, eine Geldstrafe von 2845 Sesterzen und drei Assen verhängt. Und dies aufgrund der Tatsache, dass er im Besitz eines Lignarius, also eines Sägewerks, ist, was ihm laut Edikt jedoch durch den Paragraphen III, Absatz 5 der Lex Mercatus verboten sei.
    Dieser Absatz verbietet Patriziern und Senatoren den Besitz von nicht-landwirtschaftlichen Gütern, beziehungsweise Betrieben, die deren Produkte direkt weiterverarbeiten.


    Mein Mandant und ich sind allerdings der Meinung, dass es sich bei einem Sägewerk um einen einen landwirtschaftlichen Betrieb handelt. Somit muss heute die Frage entschieden werden, ob es sich bei einem Sägewerk um einen nach dem Gesetz gestatteten Betrieb handelt oder nicht.


    Zuerst möchte ich hierzu auf die Intention des Gesetzes eingehen, um dieses besser verständlich zu machen. Bekanntlich wurde es mit dem Ziele der Rückbesinnung auf die Mores Maiorum verabschiedet.
    Seit Beginn dieser Stadt bestand das Volk der Quiriten aus Bauern, die durch ihre harte Arbeit der Natur ihren Lebensunterhalt abtrotzten. Ihre Arbeit bildete das Fundament, auf dem wir heute unser großartiges Imperium begründet haben. Nicht zuletzt Cincinnatus, jener Diktator glorreicherer Tage, galt und gilt als leuchtendes Beispiel des Staatsmannes, der einerseits mit dem Pflug, andererseits der Waffe in der Hand für sein Vaterland arbeitet. In diesem Geiste sollte das Gesetz also die einflussreichen Schichten, die ja ein beispielhaftes Vorbild für alle Römer sein sollen, an die glorreiche Zeit erinnern.
    Nun gibt es seit jener Zeit, in der unsere Vaterstadt gegründet wurde, nur einen Weg, der Natur Acker- und Weideland abzutrotzen, nämlich durch die Rodung der Wälder. Die Kultiviertheit des italischen Bodens ist strahlendes Zeugnis der Arbeitsamkeit unserer Vorväter. Betrachten wir im Vergleich dazu Hispania, müssen wir feststellen, dass die Landschaft dort weitaus weniger kultiviert ist und daher eben jener Rodung bedarf, durch die unsere Väter uns die bequeme italische Landwirtschaft ermöglichten."


    Nach dieser etwas längeren Einleitung machte Durus eine kleine Pause und sah ins Auditorium, wo er auch Valens entdeckte. Er zwinkerte ihm kaum merklich zu, dann fuhr er fort.


    "Das Sägewerk meines Mandanten befindet sich in dieser kultivierungsbedürftigen Provinz, wo er ständig seine Weinberge erweitert, mit denen er nach alter Väter Sitte wirtschaftet.


    Nun fragt sich, ob ein Sägewerk neben dieser ideellen Übereinstimmung mit dem Gesetz auch eine faktische aufweist. Wie wir aus dem Kommentar meines Kollegen Caecilius Metellus wissen, handelt es sich bei Landwirtschaft um die 'zielgerichtete Erzeugung von pflanzlichen oder tierischen Produkten auf einer bewirtschafteten Fläche'. Zum präzisen Vergleich werde ich diese Definition nun zerlegen und die einzelnen Punkte auf die Holzwirtschaft anwenden:


    Als Ziel der Holzwirtschaft meines Mandanten darf die Gewinnung von Anbauflächen für seine Weinwirtschaft, aber auch die von Brenn- und Bauholz betrachtet werden.
    Von 'Erzeugung' kann dahingehend gesprochen werden, dass Weinberge insbesondere in Hispania nicht einfach natürlich vorkommen, sondern durch aufwändige Rodung der Natur abgetrotzt werden müssen. Ebenso findet sich Brenn- und Bauholz nicht einfach im Wald, vielmehr muss es geschlagen, zerkleinert und getrocknet werden, um es nutzbar zu machen.
    Vom Holz als pflanzlichen Produkt muss ich kaum sprechen, ebenso von der bewirtschafteten Fläche, dem Wald.
    Hier jedoch ergibt sich das Problem, vor dem wir stehen: Kann auch der Weinberg als pflanzliches Produkt gesehen werden? Vielmehr ist es doch der Grundstock der Landwirtschaft, ist also eindeutig eben dieser zuzuordnen.


    Nun könnte man argumentieren, dass Holz kein landwirtschaftliches Produkt ist, da es ja von selbst aus dem Boden schießt.


    Bei Betrachtung der Arbeitsvorgänge der Holzwirtschaft wird jedoch deutlich, dass das Brenn- und Feuerholz ein Nebenprodukt der Weinwirtschaft meines Mandanten sind. Da der caecilische Kommentar leider nicht auf die Bedeutung von Nebenprodukten eingegangen ist, muss der Praetor wohl durch dieses beispielhafte Urteil eine Regel aufstellen.


    Dennoch möchte ich kurz auf die generelle Handhabe bei Nebenprodukten in der Viehwirtschaft hinweisen. Dort werden ebenfalls tierische Erzeugnisse, die nicht steuerbar erzeugt werden, von den Farmbesitzern verkauft - auch von Senatoren und Patriziern.
    Als Beispiel möchte ich Eier anführen. Sie fallen als Nebenprodukt der Hühnerzucht an, da der Bauer sie nicht bewusst erzeugen kann. Sie entstehen selbstständig, wie auch die Bäume auf dem potentiellen Ackerland des Landwirtes entstehen. Dennoch ist ihr Verkauf legal.


    Folglich sind mein Mandant und ich der Meinung, dass im Weinbau-Sektor nicht anders vorgegangen werden kann und darf."


    fragte er schließlich nach seinem langen Vortrag und sah hinauf zum Praetor, dann ins Publikum und schließlich zu Avitus.



    /edit: Tiberius, nicht Octavius ;)

  • Bevor der praetor der klagenden Seite das Wort erteilte, hatte sich Macer unter den Zuschauern umgesehen und auch jenen Mann entdeckt, der erst kürzlich Mitglied der Factio Russata geworden war. Angesichts der Tatsache, dass hier ein Tiberier Widerspruch gegen ein Edikt einlegte und von einem anderen Tiberier vertreten wurde, war die Anwesenheit noch weiterer Mitglieder dieser Gens als Zuschauer kaum verwunderlich. Da diese daher vermutlich auch alle beieinander saßen, verzichtete macer darauf, ihm einen Sitzplatz in seiner Nähe zu organisieren und konzentrierte sich wenig später bereits auf die Rede des Anwalts. Die Strategie, die dieser offenbar in diesem Widerspruch anwenden wollte, erschien Macer schon überraschend, versprach aber Spannung und interessante Aussagen zur Interpretation des Gesetzes.

  • Einer der Gerichtsschreiber, die auf Geheiß des Prätors jedes Wort im Verlauf eines Prozesses mitschreiben müssen (was dem Prätor eine Unsumme kostete, schon alleine der Schreibunterlagen wegen), fing schon zu stöhnen an, weil der Senator so lange und so viel sprach. Der Prätor hatte jedoch wenig Mitleid und gönnte dem Schreiber natürlich keine Pause.


    "Tribunus, was möchtest du darauf erwidern?"

  • Avitus erhob sich, „Ehrenwerter Prätor, ehrenwerter Tiberius Durus. Ich werde mich möglichst kurz halten. Du hast in deinen Ausführungen stets auf Vergleiche gesetzt, suchst den Vergleich zur Viehwirtschaft und zum Weinanbau.


    Meine Familie stammt selbst vom Lande, aus der Nähe von Ostia, ein Landgut mit Weinstöcken wird dort sein Generationen von uns bewirtschaftet.


    Und so fällt mir der Vergleich umso schwerer zu glauben. Ein Weinstock bedarf der Pflege der Zuwendung des Weinbauers, der Landarbeiter, damit er die ersehnte Frucht in ausreichendem Maße tragen wird. Bei der Forstwirtschaft, ist dies nicht der Fall, oder verbringt der Kläger oder dessen Landarbeiter Wochen mit der Veredlung und der Aufzucht der Bäume? Nein, denn Bäume gedeihen ohne das Mitwirken des Menschen.


    Das Gesetz nennt explizit die Landwirtschaft als die edle Tätigkeit, die den Senatoren gestattet werden soll. Mit keinem Worte wird die Forstwirtschaft, welches ohne Zweifel ein Eigenes Gewerbe darstellt, genannt.


    In den Händen des Senats sollte es also liegen, dieses Gesetz gegeben falls zu erweitern, doch ist dies eine politische Frage.“

  • Durus war überrascht ob der Kürze dieses Kommentars. Er hätte schon ein wenig mehr erwartet...dennoch erhob er sich.


    "Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es unabhängig von der Definition des Caecilius im Sinne des Gesetzes liegt, die traditionelle Forstwirtschaft ebenfalls zu gestatten."


    bemerkte er kurz, dann kam er auf den unbeantworteten Punkt seiner Rede zurück.


    Aber abgesehen davon möchte ich noch einmal auf die Viehwirtschaft verweisen: Werden die Eier vom Landwirt gepflegt? Säht er einen Samen in seine Hennen? Gießt er sie? Nein!
    Sie entstehen einfach als Nebenprodukt. Ganz genauso wie das Holz als Nebenprodukt des Weinbaus entsteht."


    Er sah Avitus an.

  • Die Antwort auf die erste Rede der widersprechenden Partei fand Macer schon sehr interessant, aber auch verwunderlich. Die Standpunkte waren damit jedenfalls klar. Etwas verwundert war Macer, dass ein Punkt, der ihm in der Rede als besonders bemerkenswert aufgefallen war und der für die Strategie offenbar von zentraler Bedeutung war, vom Tribun überhaupt nicht aufgegriffen wurde. Aber vielleicht kam das ja noch. Bis dahin schaute er einmal nach, ob das Gesetz tatsächlich von "edler Tätigkeit" sprach.

  • Wiederum erhob sich Avitus, um äußere Ruhe bemüht. "Du führtest den Vergleich zwischen Henne und Baum bereits in der ersten Anhörung auf, Tiberius Durus.


    Auch hier in der Hauptverhandlung, will er mir nicht plausibler erscheinen. Eine Henne wird ohne das Futter des Landarbeiters ohne ausreichend Wasser und Schutz vor den Wildtieren wohl kaum Eier hergeben können. Da es vorher dem Tode geweiht wäre. Ein Baum so bin ich mir sicher bedarf dieser Aufmerksamkeit nicht."

  • "Er kann es jedoch nicht beeinflussen, ob die Henne Eier legt. Er pflegt die Henne, das ist klar, aber es gibt Hennen, die legen auch mit Pflege keine Eier, andere Hennen dafür bei gleicher Pflege deutlich mehr. Folglich ist es einfach ein Nebenprodukt.


    Ebenso entstehen die Hölzer bei der Urbarmachung des Landes, also bei dem Anlegen der Felder und Weinberge. Auch hier kann der Bauer nicht beeinflussen, wie viel Holz dabei entsteht. Folglich sehe ich keinen Unterschied."

  • Der Prätor kratzte sich nachdenklich am Kopf und verlangte dann von einem der Scriba eine Abschrift, welche er schnell überflog. Dann gab er die Abschrift wieder zurück und wandte sich an die beiden Parteien. "Meine Herren, wir sind wohl vom Thema abgekommen. Der Vergleich mit den Hennen und den Eiern hilft in diesem Fall überhaupt nicht. Ich darf die Herren also zur Sache rufen. Tribunus, wenn ich dich richtig verstehe, bist du nicht der Meinung, dass der Holzanbau Teil der Landwirtschaft ist. Darf ich um deine Erklärung bitten? Und bitte, keine Vergleiche mehr."

  • "Natürlich Prätor. Landwirtschaft unterscheidet sich meiner Ansicht nach, in dem wesentlichen Punkt, dass es der Mensch ist, der die Felder urbanisiert und die Tiere züchtet. Bei der Forstwirtschaft ist dies nicht der Fall, der Mensch bedient sich der Natur ohne jegliches zu tun.", Avitus setzen sich nach seiner Ausführung wieder und wartete ab.

  • Durus musste sich etwas verwirrt an den Praetor wenden. Offensichtlich war seine Argumentation doch etwas komplex geworden, sodass der Richter nicht mehr durchblickte...


    "Mit Verlaub, verehrter Praetor, ich denke, dass dieser Vergleich doch sehr entscheidend ist. Eierverkauf ist nämlich ebenfalls nicht mit der Definition aus dem Kommentar vereinbar, ebenso wie die Holzwirtschaft. Dennoch gehört beides zur Landwirtschaft. Dahingehend ist der Kommentar leider...unvollständig. Es werden die Nebenprodukte außer Acht gelassen."


    versuchte er seine Argumentationslinie noch einmal zusammenzufassen.

  • "Senator Tiberius, dein Einwand ist sicher wichtig, doch temporär völlig unangebracht." erwiderte der Prätor freundlich, aber bestimmt. "Tribun Octavius, du vertrittst also die Meinung, dass es einem Waldbesitzer nicht möglich ist, Bäume zu züchten?"

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