Den nette Mann vom Kundendienst und seinen eifrigen Gehilfen führte Leone geradewegs ins atrium. Vor einer Weile waren erst die vigiles wieder da gewesen und hatten die Brandschutzvorkehrungen der villa überprüft. Wie die Soldaten vom Brandschutz, so bat Leone auch die Wasserkontrolleure um eine kleine Wartezeit, während er einen der Herrschaften ausfindig machen würde. "Da wären wir. Wenn ihr bitte warten würdet, ich will sehen, wen ich finden kann", sagte er also und machte sich sogleich auf, um jemanden zu suchen. Derweil wurde den beiden eben jenes Element in kristallenen Kelchen angereicht, welches sie in dieses Haus geführt hatte.
atrium | Der nette Mann vom Kundendienst
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Mit angemessener Bewunderung nahmen die beiden Männer die kristallenen Trinkgefäße entgegen und nippten daran. Eine durchaus angenehme Art der Qualitätskontrolle und das Wasser war tatsächlich klar und frisch.
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Cura aquarum, cura aquarum ... In meinem Kopf hämmerten diese zwei Wörter unaufhörlich. Nicht, dass ich etwa nicht gewusst hätte, wovon hier die Rede war. Doch immer noch gingen mir die angenehmen und überraschenden Erfahrungen von meinem Nachmittag im Schatten des Hauses nach. Um mich auf die Besucher und die mit ihnen verbundene Aufgabe für mich einzustellen, wandte ich mich an Leone, und da dank der Größe der villa Aurelia in Roma der Weg vom hortus ins atrium recht lang war, konnte mich der Sklave umfassend unterrichten, so dass mir, als ich endlich das atrium betrat, nicht nur der Auftrag des Gastes bekannt war, sondern auch sein Name: Ennius Cerealis. Wie gut, dass ich seit meiner Ankunft hier in Roma auch schon einmal im Tempel der Ceres ein Opfer dargebracht hatte! Und obzwar mir Leone auf dem Weg schon von der Freundlichkeit des guten Ennius Cerealis vorgeschwärmt hatte, war ich doch bestrebt, den Besuch zwar ebenfalls freundlich, aber auch zügig hinter mich zu bringen. Daher stellte ich mich dem Gast bei der Begrüßung gleich selbst vor:
"Ennius Cerealis nebst Begleitung von der cura aquarum - ich grüße euch! Mein Name ist Appius Aurelius Cotta, und ich sehe, dass man euch beiden schon einen kleinen Vorgeschmack gegeben hat auf die Güte des Wassers, das uns hier zur Verfügung steht."
Dies sagte ich mit Blick auf die aurelischen Kristallkelche, die die beiden Männer in Händen hielten und deren Inhalt sie offenbar schon zugesprochen hatten.
"Ihr kommt im Auftrag des Curator Aquarum; Purgitius Macer schickt euch also?"
Bei diesen Worten musste ich lächeln; welches techniklastige Amt bekleidete dieser umtriebige Mann, den ich auf dem Forum Romanum kennengelernt hatte, eigentlich nicht?
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Auf Menschen zu treffen, die seinen Vorgesetzten kannten, machte Ennius Cerealis seine Aufgabe meistens einfacher. "Ja, genau, in seinem Auftrag sind wir unterwegs, um den Wasseranschluß dieses Hauses zu überprüfen. Du kennst den Curator persönlich?"
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Als ich die Antwort des freundlichen Mannes vom Kundendienst vernahm, vertiefte sich das Lächeln in meinem Gesicht sogleich, denn genau wie sein Vorgesetzter schien auch er kein Mann der vielen Worte zu sein. Ob da der Umgang mit Purgitius abfärbte? Oder ob der curator aquarum generell nur solche Leute in seinen Dienst nahm, bei denen er nicht Gefahr lief, lange Reden anhören zu müssen wie im Senat?
"Auf dem Forum Romanum hatte ich die Ehre, deinen Vorgesetzten kennenzulernen. Seine sachliche und zugleich umgängliche Art haben mich sehr beeindruckt, gar nicht zu reden von seiner Kompetenz. Und von der profitieren ja schließlich wir alle hier in Roma, auch in diesem Hause. Oder ist die Qualität des Wassers hier nicht zu deiner Zufriedenheit?"
Die umgängliche Art des curator aquarum hob ich besonders hervor; schließlich fragte ich mich im Nachhinein kritisch, ob nicht auch ich ihm an jenem Tag auf dem Forum mit gewissen Wortschwällen, zu denen ich nun einmal neigte, auf die Nerven gegangen war.
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Ennius Cerealis merkte sich die Worte genau, um sie später an seinen Vorgesetzten weitergeben zu können. Auch ihm gegenüber versuchte er immer jeden Tag herzlich und freundlich zu sein. "Es ist nicht meine Zufriedenheit mit dem Wasser, die entscheidend wäre, sondern es ist die deinige. Aber ich darf deinen Worten wohl entnehmen, dass du mit dem Wasser genauso zufrieden bist wie mit der Umgänglichkeit meines Vorgesetzten? Es bestand demnach auch keine Notwendigkeit für Änderungen an der Wasserleitung im letzten Jahr?" Beiläufig klappte der Mann vom Kundendienst seine Tasche auf, um die passende Wachstafel zu zücken, auf der die Daten für diese Villa erfasst waren.
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Während ich noch redete, sah mich Ennius Cerealis unverwandt freundlich an, dabei aber auch so klug, dass ich mich allmählich zu fragen begann, ob er sich nicht wohl jedes meiner Worte merkte, um sie dann nachher seinem Vorgesetzten zu hinterbringen. Ich musste lächeln, erinnerte mich doch diese Vermutung an das Gespräch mit Purgitius Macer auf dem Forum Romanum, bei dem das Gedächtnis des Senators ein so unverhofft großes Interesse ausgelöst hatte.
Bezüglich der Fragen des Mannes vom Kundendienst konnte ich selbst nur auf die erste antworten:
"Genauso vielgestaltig, wie dein Vorgesetzter dank seiner vielen Kenntnisse dem imperium und dem Kaiser dient, dient uns dieses Wasser dank seiner Güte zu den verschiedensten Zwecken."
Was die anderen Fragen anging, die Ennius Cerealis gestellt hatte, schaute ich ein wenig ratlos zu Leone. Matho, der maiordomus, war leider just zu dieser Stunde nicht im Hause, so dass ich ihn hätte rufen lassen können. Da aber fiel mir etwas ein:
"Was den Wasseranschluss selbst betrifft, Ennius, wolltest du ihn nicht noch in Augenschein nehmen? Ich muss dir aber gestehen, dass ich leider gar nicht weiß, wo in der villa er sich befindet. Du hast sicher schon in vielen ähnlichen Häusern die Anschlüsse kontrolliert - wohin darf ich dich jetzt also hier für die Kontrolle führen?"
Leider hatte ich noch gar keine Gelegenheit gefunden, mich mit diesen technischen Seiten des Lebens in der villa Aurelia in Roma zu beschäftigen. Ganz sicher aber würde Ennius Cerealis wissen, wo sich der Wasseranschluss hier im Hause befinden musste; wenn jemand, dann er.
Sim-Off: Für die villa Aurelia in Roma nur das Beste: vicenum quinum
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Der Hausbesitzer schien Ennius Cerealis poetisch begabt zu sein und ein wahrer Verehrer seines Vorgesetzten. Aber irgendwo musste ja schließlich die ganze Leute sein, die Senator Purgitius Macer in der Acta Diurna zu einem der beliebtesten Senatoren gewählt hatten.
Mit einem raschen Blick auf die Tafel in seiner Hand holte er sich die nötigen Informationen für die Inspektion. "Dort vorne links", antwortete er auf die Frage und ließ den Hausherrn vorgehen. Was genau alles auf seiner Tafel stand, ging niemanden etwas an. Argwöhnische Hausbewohner fanden nämlich gelegentlich, dass die Inspektoren der Cura Aquarum schon viel zu viel über ihre Häuser wussten. "Ja, so ist das mit dem Wasser. Es kommt ins Haus und leistet gute Dienste, aber viel zu selten fragt man sich, wo es eigentlich her kommt. Dabei ist Wasser nicht gleich Wasser und ein Rohr nicht gleich ein Rohr."
Wenig später hatten sie den Anschluß erreicht, der in einem stabilen Bronzerohr aus der Wand kam. Auch wenn die Leitungen meist aus Blei gefertigt wurden, wurden Hausanschlüsse nämlich immer aus Bronze hergestellt, damit sie von den Besitzern nicht so einfach verändert werden konnten. Routiniert legte Ennius Cerealis den Messstab an und prüfte die Größe, auch wenn ihm der Wandputz ohnehin schon verraten hatte, dass es hier länger keine Umbauten gegeben hatte. "Ja, das ist immernoch ein vicenum quinum, so wie es hier steht. Unsere Gebühren wurden im letzten Jahr auch nicht erhöht, also bleibt für dich alles beim alten." Mit geübter Hand stellte er die Rechnung dazu aus.
Sim-Off: Geld ist schon da
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Noch während ich geredet hatte, hatte der umtriebige Mann vom Kundendienst aus seiner Tasche eine geheimnisvolle Wachstafel gezückt, die ihm nun wirklich alles Wissenswerte über die villa Aurelia in Roma zu verraten schien. Nur zu gerne hätte ich einmal einen Blick auf diesen Schrieb geworfen, ahnte ich doch, dass Ennius Cerealis mit Hilfe dieser Informationen vielleicht mehr über unseren Hausstand wissen könnte als ich, der ich hier wohnte.
Dazu kam es freilich nicht, denn im Handumdrehen hatte er mich soweit, dass ich ihm zusammen mit Leone zu der von ihm bezeichneten Stelle voranging, an der sich der Wasseranschluss dann auch tatsächlich befand. Routiniert und kompetent vermaß der Mann vom Kundendienst den Bronzeanschluss, wobei er einige interessante Andeutungen über seine Aufgaben einfließen ließ. Ich nahm mir vor, mich gelegentlich in dieses Thema einmal weiter einzulesen. Die Prüfung, die Ennius Cerealis durchgeführt hatte, war nun offenbar auch ganz zu seiner Zufriedenheit ausgefallen - jedenfalls so, dass mir die Rechnung präsentiert werden konnte.
"Ich danke dir! Du scheinst deine Arbeit wirklich zu lieben. Nach deiner gewissenhaften Kontrolle werden wir uns hier ja auch weiterhin der Wohltat frischen Wassers erfreuen können, zumal die Bezahlung der Rechnung zweifellos zeitnah erfolgen wird. Kann ich sonst noch irgendetwas für dich respective für euch tun?"
Mein Blick richtete sich auch auf den jungen Begleiter des Ennius Cerealis, der mir nicht weiter aufgefallen war. Ansonsten würde ich nämlich wirklich sofort alles in die Wege leiten, die Rechnung rasch zu begleichen, und Leone die ehrenvolle Aufgabe überlassen, unsere Gäste hinaus zu begleiten.
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Messgerät und Schreibgerät verschwanden wieder in der Taschen von Ennius Cerealis, bevor er antwortete. "Nein, sofern wir dir nicht noch Fragen rund ums Wasser beantworten sollen, sind wir hier fertig und möchten dich nicht länger behelligen." Die Zeiten, in der die Wasserkontrolleure noch über Waschmaschinenpflege, Solarenergie oder Sprinkleranlagen berieten, waren schließlich noch nicht erfunden worden, auch wenn sie dem netten Mann vom Kundendienst zweifellos Spaß gemacht hätten.
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Beeindruckt beobachtete ich, wie Ennius Cerealis seine Arbeitsutensilien behände in der ganz offensichtlich zweckmäßig eingerichteten Tasche verschwinden ließ. Dann aber kam die entscheidende Frage, die er mir wohl besser nicht hätte stellen sollen und die er mir wohl auch nie und nimmer gestellt hätte, hätte er mich nur gekannt. Denn natürlich konnte er es ja nicht ahnen, dass sein Angebot, mir weitere Fragen rund ums Wasser zu beantworten, sich auf das Schönste mit meinen eigenen Gedanken in diesem Moment traf. Ein Blick auf seinen jungen Begleiter, zweifellos einen Lehrling, löschte dann meine letzten Zweifel, denn vielleicht konnte auch er noch auf die ein oder andere Weise von meinen Fragen profitieren, wenn sie natürlich auch ganz und gar laienhaft ausfallen mussten. (:P)
"Ich habe natürlich keinen Überblick, Ennius, ob dir dein Zeitplan überhaupt erlaubt, mir noch Fragen zu beantworten. Eine Bemerkung von dir hat allerdings tatsächlich mein Interesse geweckt, nämlich dass Wasser nicht gleich Wasser sei und Rohr nicht gleich Rohr."
Dass ein Mann vom Schlage eines Ennius Cerealis nicht ohne einen ausgearbeiteten Zeitplan zu Hausbesuchen aufbrach, verstand sich für mich von selbst.
"Dass Wasser nicht gleich Wasser ist, leuchtet selbst mir mit meinem laienhaften Blick ein, allein wenn ich daran denke, dass den Häusern und Villen sauberes Wasser zugeführt wird und das schmutzige Wasser wieder abgeführt werden muss. Vielleicht ist das aber noch gar nicht der einzige Unterschied?"
Es bedurfte nur eines einzigen Blickes auf Leone, und schon wurden die Kelche unserer beiden Gäste aufs Neue gefüllt.
"Dass aber Rohr nicht gleich Rohr ist, darüber habe ich mir, ehrlich gesagt, wirklich noch keine Gedanken gemacht. Ich hätte gedacht, dass doch jedenfalls die Mehrzahl der Rohre einheitlich ist, schon um sie einfacher instand halten und auch reinigen zu können."
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"Mein Zeitplan erlaubte es mir." Ennius Cerealis deutete nach oben, durch die offene Decke des Atriums hinaus auf den Himmel. Die Sonne war gerade auf der anderen Seite, man konnte sie nicht sehen. "Wo keine Sonne ist, ist auch keine Uhr und folglich habe ich alle Zeit der Welt." Was zwar äußerst höflich, aber rein technisch betrachtet völlig falsch war, doch der nette Mann vom Kundendienst gestattete sich die unglaubliche Freiheit, die Verwendung des Wassers zum Betreiben einer Wasseruhr großzügigst unter den Tisch fallen zu lassen.
"Der Unterschied zwischen sauberem Wasser aus der Quelle und schmutzigem Wasser, das die Latrine spült, ist einer und sicher der offensichtlichste. Aber eine Stadt wie Rom wird nicht nur aus einer Quelle gespeist, sondern zahlreiche Leitungen führen aus mehreren Richtungen auf die Stadt zu. Unsere erfahrenen Techniker an den Wassersammlern und Wasserverteilern können am Wasser fast schon sehen oder riechen, wo es her kommt und welche Jahreszeit gerade ist. Und das natürlich nicht nur, weil das Wasser im Winter kälter ist als im Sommer." Der Mann sprach hier freilich nicht von eigenem Können, war er als Kundendienstler noch nie zur Aufsicht in einer Wachstube an den Wasserverteilern eingeteilt. Aber gut informiert zu sein und über die Tätigkeiten seiner Kollegen Bescheid zu wissen, gehörte natürlich auch zu seinem Beruf.
Die Frage nach den Rohren hob er sich für nach einem neuen Schluck aus dem Trinkgefäß auf.
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Fast wie ein Herr über die Zeit wirkte Ennius Cerealis, als er zum Himmel deutete und anschließend verbal deutlich werden ließ, dass ihn keine Eile dränge. Ich war mir zwar nicht ganz so sicher, ob diese Aussage in vollem Umfang den Tatsachen entsprach, aber möglicherweise konnte sich der freundliche Mann vom Kundendienst seine Arbeitszeit ja einteilen - und ganz offensichtlich hatten meine Frage ihn bei seiner Berufsehre gepackt.
Dies alles registrierte ich schmunzelnd, während ich nun in einem Korbsessel Platz nahm und den beiden Besuchern bedeutete, sich doch mir gegenüber auf das Polster einer steinernen Bank niederzulassen. Auch Leone hatte augenscheinlich im Hintergrund gewirkt, denn eine junge Sklavin erschien auf einmal, um als Getränk dem Wasser noch Wein hinzuzufügen und uns Knabbereien zu bringen.
"An dem, was du über das Wasser gesagt hast, merke ich, wie sehr du deinen Beruf liebst, und leider auch, wie unachtsam ich bisher war. Erst jetzt, wo du es wieder ansprichst, fällt mir ein, dass tatsächlich das Wasser verschiedener Flüsse, die ich gesehen habe, sich voneinander unterscheidet. Und Gebirgswasser muss sicherlich noch ganz anders aussehen und vielleicht auch riechen."
Ich versuchte, mich an alles zu erinnern, an Wasser aus unterschiedlichen Flüssen und zu den verschiedenen Jahreszeiten. Und ich wartete natürlich auch noch gespannt auf das, was Ennius Cerealis zu den Rohren zu sagen haben würde.
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Die beiden Männer nahmen Platz; Ennius Cerealis etwas lässiger und schwungvoller als sein Lehrling. Dieser hatte zwar schon die meisten technischen und mathematischen Fähigkeiten gelernt, die er später als Aquarius brauchen würde, aber die Routine im Umgang mit den Hausbesitzern während des Außeneinsatzes fehlte ihm noch. Aber dafür hatte er ja seinen Lehrmeister, bei dem er sich das schweigend und aufmerksam abgucken konnte.
"Bei den Rohren sind es eher technische Unterschiede", setzt der auch wieder an. "Den bronzenen Hausanschluß kennst du und dass es ihn in verschiedenen Größen gibt ist ja auch klar, sonst müssten wir nicht zum kontrollieren kommen. Aber dahinter ist eine Menge los. Viele Rohre sind aus Blei, aber es gibt auch welche aus Holz. Die großen Leitungen sind aus Stein gebaut und von innen verputzt. Aber auch dort gibt es noch Unterschiede zwischen völlig geschlossenen Rohren und solchen, die mit Steinplatten oder Tonplatten abgedeckt sind", zählte er auf. "Nicht jedes Rohr ist für jeden Zweck geeignet. Bleirohre kann man nur bis zu bestimmten Größen bauen, Bronzerohre sowieso. Dafür kann man in Bronzerohren auch problemlos heißes Wasser vom Kessel in die Badewanne leiten und die Rohre um jeden Winkel legen. Das wiederum geht mit Holzrohren oder einer tongedeckten Rinne nicht gut, aber mit denen kann man viel einfacher lange Strecken überwinden. Aber bei gedeckten Rinnen muss man aufpassen, dass man sie so legt, dass kein Schmutzwasser durch die Ritzen im Deckel eindringt. In solchen Fällen sind komplett geschlossene Rohrleitungen besser, durch die in der gemauerten Art wie bei den Aquaedukten auch riesige Mengen Wasser fließen können. Aber wenn dort etwas verstopft oder sich ein Riss bildet, ist es sehr mühsam, das von Innen zu flicken." So hatte tatsächlich jede Art der Wasserleitung ihre Vorteile und Nachteile, und dabei hatte der nette Mann vom Kundendienst noch nicht einmal angefangen, über Druckleitungen, Ventile und ähnliche Feinheiten zu sprechen.
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Die elegante Art, mit der Ennius Cerealis Platz genommen hatte, verblüffte mich schon ein wenig, erinnerte sie mich doch eher an meine eigenen Verwandten als an einen Techniker. Aber natürlich dämmerte mir schon, dass dieser Mann mehr war als ein Techniker und dass ihn gerade sein zuvorkommender und gekonnter Umgang mit Menschen zu seiner Tätigkeit im Kundendienst befähigte. Ob auch etwas an den Gerüchten dran war, dass Männer wie er bei ihren Besuchen oft zum Bleiben aufgefordert wurden, und zwar von Frauen, deren Gatten auswärts bei der Arbeit waren?
Solche Gedanken aber waren mir eigentlich fremd, und derartigen Gerüchten pflegte ich kein Gehör zu schenken. Umso aufmerksamer lauschte ich den Erläuterungen des Ennius Cerealis über verschiedene Arten von Rohren. Auch hier musste ich die Übersichtlichkeit und leichte Verständlichkeit seiner Ausführungen loben, und es lag nicht an ihm, dass ich mir nicht jede Einzelheit auf Anhieb merken konnte - wobei er viele Details wahrscheinlich noch gar nicht einmal angesprochen hatte. Eines aber wurde mir auch hier wieder deutlich:
"Es ist schon erschreckend, wie viel einem entgeht, wenn man nicht den richtigen Blick dafür hat. Das ist mir gerade wieder aufgefallen, als du von den Vor- und Nachteilen der einzelnen Materialien und Konstruktionstypen gesprochen hast. Nicht, dass ich auch nur im Entferntesten ein solches technisches Verständnis hätte wie ihr" -
dies war nicht aus Koketterie gesagt, sondern entsprach schlicht den Tatsachen -
"aber vieles von dem, was du erklärt hast, versteht sich eigentlich von selbst, wenn man nur mit Sinn und Verstand darüber nachdenkt. Schade nur, dass so vieles davon so versteckt ist. Wenn ich da zum Beispiel an die Kanäle denke. Und auch deren Reinigung kann doch sicher nur über Schächte erfolgen?"
Ich war mir nicht sicher, ob ich jetzt nicht etwas ganz und gar Unsinniges gesagt hatte, aber der freundliche Mann vom Kundendienst würde es mich bestimmt nicht anders als auf zuvorkommende Art und Weise wissen lassen.
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Der nette Mann vom Kundendienst lächelte bei der Antwort von Aurelius Cotta. Ihm selber passierte es auch oft genug, dass ihm jemand etwas erklärte und es ihm dann völlig einleuchtend und ganz einfach erschien, obwohl er sich vorher nie damit befasst hatte und es für etwas sehr geheimnisvolles gehalten hatte. "Sicher, das was wir tun hat nichts geheimnisvolles an sich. Es ist nur die Umsetzung dessen, was kluge Mänenr vor uns herausgefunden und beschrieben haben." Auf noch tiefschürfendere philosophischen Gedanken verzichtete er hier jedoch, immerhin hatte man ihm eine technische Frage gestellt.
"Ganz genau so ist es", bestätigte er dann auch die Vermutung zur Wartung der großen Leitungen und warf einen Blick auf den lehrling neben ihm. In seiner Ausibldung hatte der nämlich auch diesen wenig angenehmen Teil der Arbeit einmal kennenzulernen. Bei Ennius Cerealis war das schon länger her und er war auch nicht traurig darüber. "Es ging eine ganze Menge Schächte hinab in die Kanäle. Meistens liegen sie in den Innenhöfen der Insulae oder versteckt in einer Nische an öffentlichen Gebäuden. Wir haben auf unserem Weg von Haus zu Haus ein Auge darauf, dass sie nicht blockiert sind, aber die Hauptarbeit damit hat eine andere Abteilung." Mit der Abrechnung der Wasserzuführung hatten er und seine Kollegen auch schon genug zu tun, als dass sie sich auch noch um das Abwasser hätten kümmern können.
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Wie ich es auch gar nicht anders erwartet hatte, gelang es Ennius Cerealis auch diesmal, seinen laienhaften Befrager nicht etwa alt aussehen zu lassen, sondern meine Äußerungen im Gegenteil in der liebenswürdigsten Weise aufzugreifen. Seine erste Erwiderung schien dabei sogar einen philosophischen Schwenk machen zu wollen und offenbarte einen Ennius Cerealis, der vielleicht nicht nur an techniklastigen Problemen interessiert war. Der bedeutungsvolle Blick dagegen, den er seinem jungen Begleiter zuwarf, bevor er detaillierter auf die eigentlich technischen Aspekte meiner Ausführungen einging, sagte mir, dass beim Wasseramt wie überall gerade die Anfänger die Drecksarbeit machen mussten. Damit wusste ich auch schon, was mir bei einem möglichen Einstieg in den cursus honorum so alles bevorstehen könnte. Schmunzelnd nahm ich noch einen Schluck aus meinem Weinbecher.
Da nun die drei Bereiche Wasser, Rohre und deren Reinigung respective Wartung für einen Laien wie mich schon detailreich genug abgehandelt waren - offen gesagt, schwirrte mir schon ein wenig der Kopf, und ich würde all die neuen Informationen erst einmal sacken lassen müssen -, wollte ich den Besuch des netten Mannes vom Kundendienst allmählich ausklingen lassen. Eines aber wollte ich doch noch gerne loswerden:
"Jetzt, da du mir die Verstecke der Schächte genannt hast, hat dieser Teil der Arbeit der cura aquarum für mich tatsächlich ein bisschen was von seinem Geheimnis verloren. Dadurch aber ist er nicht weniger interessant geworden."
Ich wollte nun schon Anstalten machen, mich zu erheben und meine Gäste hinaus zu begleiten, als mir erst auffiel, dass man meine letzten Worte auch als ziemlich unhöflich auffassen konnte.
"Das gilt aber natürlich auch für deinen Arbeitsbereich, Ennius Cerealis, der dir sicher viel Abwechslung bietet, aber wahrscheinlich auch immer neue Herausforderungen."
Sicher waren nicht alle Hausbesitzer respective -bewohner so freundlich wie ich. ( :D)
"Seitdem ich hier in Roma bin, versuche ich natürlich, mich über die wichtigsten Ämter zu unterrichten. Wie ich hörte, gliedert sich die cura aquarum in vier Teile - du hast sicher nicht den schlechtesten erwählt."
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Ennius Cerealis wollte nicht direkt wiedersprechen, aber die Bemerkung zur Attraktivität seiner Arbeit auch nicht unkommentiert lassen. "Wie jede Arbeit hat auch meine gewisse Anteile von Routine, die schon bald jede Spannung verlieren. Aber das schöne ist, dass man jeden Tag Menschen trifft. Die Arbeit ist immer dieselbe, aber für wen man sie tut, das ist immer etwas besonderes." Tatsächlich tat er die Arbeit vor allem für Rom und die Cura Aquarum, aber den Hausbesitzern gab er lieber das Gefühl, es für sie zu tun. Was natürlich insofern richtig war, da eben diese Leute ja Teil Roms waren.
"Da bist du richtig informiert, dass sich die Cura in vier Teile gliedert. Das weiß längst nicht jeder." Manchmal wussten es nicht mal die Bewerber, die sich um eine Stelle als Aquarius bewarben. Die mangelnde Bildung der jungen Leute war manchmal erschreckend. Aber das war nun wirklich ein anderes Thema und hätte jeden noch so elastischen Zeitrahmen gesprengt. "Ich für meinen Teil möchte meine Arbeit jedenfalls mit keiner anderen tauschen." Mit einem Lächeln leerte der nette Mann vom Kundendienst seinen Becher, um sich ganz langsam doch wieder auf den Weg zum nächsten Kunden machen zu können.
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Körpersprachlich schienen sich der nette Mann vom Kundendienst und der freundliche Villenbewohner, den ich zu mimen suchte, schon bestens zu verstehen. Denn als hätte er meine Gedanken lesen können, leerte nun auch Ennius Cerealis seinen Becher mit einer Entschlossenheit, die keinen Zweifel daran aufkommen ließ, dass nun auch er allmählich zum Aufbruch drängte. Sicher hatte ihn auch seine Arbeit, bei der er ja nach seinem eigenen Bekunden immer wieder mit anderen Leuten zusammenkam, zu einem profunden Menschenkenner gemacht.
"Ennius Cerealis, ich bin überzeugt davon, dass du für deine Arbeit auch wie gemacht bist, das hat mir dein heutiger Besuch bewiesen."
Auch ich leerte meinen Becher jetzt und erhob mich dann langsam. Nach diesem langen Gespräch war es für mich selbstverständlich, die beiden Gäste persönlich zur porta zu begleiten, wobei Leone uns vorangehen würde.
"Ich danke dir, Ennius Cerealis, und deinem Begleiter, sehr für euren Besuch! Dank deiner Kompetenz konnten wir das Geschäftliche schnell abwickeln, und dank deiner Geduld habe ich heute eine Menge über die Dinge gelernt, mit denen die Angehörigen meines Standes nicht immer direkt konfrontiert werden. Wenn ich mir vielleicht auch nicht jede Einzelheit auf Anhieb werde merken können, so wird sich sicherlich mein Blick auf viele Dinge verändern, die mir bisher verborgen geblieben sind."
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Mit entschlossenem Gesichtsausdruck nickte Ennius Cerealis erst dem Gastgeber und dann seinem Lehrling zu und erhob sich von seinem Platz. Mit einem kurzen Blick in die Umgebung fand er eine Gelegenheit, um den wertvollen Kristallbecher los zu werden und folgte dann dem vorausgehenden Sklaven in Richtung Tür. "Wir haben zu danken für den überaus freundlichen Empfang und die kleine Erfrischung. Das passiert uns längst nicht überall und wie du siehst, kann man auch Wassermänner wie uns mit einem Schluck Wasser glücklich machen."
Darüber, ob Angehörige des Patrizierstandes mehr oder weniger als andere Menschen mit der Wassertechnik in Verbindung kamen, hatte sich der nette Mann vom Kundendienste bisher eher selten Gedanken gemacht. Er kam häufiger auch in die Häuser von Patriziern, die weit weniger nobel waren, als man vermuten könnte und genauso gab es reiche Plebeier, die wahrscheinlich erst dann über das Wasser nachdachten, wenn sie im Bad auf dem Trockenen saßen.
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