adedis| Zusammenstoß mit Folgen

  • Es war allgemeinhin bekannt unter Sklavenschaft wie Aureliern, dass die Sklavin Sofia nicht grundlos auch als Soffchen bezeichnet wurde.


    Unsere Geschichte trug sich an einem Mittwochnachmittag zu. Die herbstliche, tieferstehende Sonne hatte bereits an Kraft verloren, strahlte aber heute von Wolken ungehindert durch das compluvium ins atrium hinein und durchflutete die helle Halle mit ihren Wachsmasken und Büsten mit güldenem Licht. Ein verirrter Sonnenstrahl spiegelte sich auf jenem silbernen, blitzblank poliertem Tablett wieder, welches, gehalten von zwei zugegebenermaßen tollpatschigen Sklavenhänden, angefüllt war mit georderten Leckereien und Schmeckewöhlerchen für meine Wenigkeit.


    Ich fläzte mich gerade mit einer amüsanten Lektüre auf einer dunkelrot bespannten Liege, nippte gelegentlich an meinem Weinglas und schmunzelte hin und wieder über gewisse Stellen im Text, als ein gehöriger Tumult aus dem atrium an mein Ohr drang. Ich schloss genervt die Augen und wartete, bis das Scheppern und Klirren verklungen war, dann legte ich die Schrftrolle beiseite und erhob mich, ganz entgegen meiner sonstigen Art. Ich ahnte schon, was ich vorfinden wurde, wusste ich doch, wer mir den Imbiss hatte bringen sollen. Dennoch stutzte, als ich Sofias Stimme vernahm, wie sie bettelnd auf jemanden einredete. Mit verwundert gerunzelter Stirn beschleunigte ich den Schritt und betrat das atrium just in dem Moment, als ein pausbäckiger Apfel mit einem dumpfen Platscher im impluvium versank. Ich hob den Blick und wandte mich dem Geschehen zu. Was war passiert?


    Das war passiert: Sofia war zu schnellen Schrittes in die Halle getreten und hatte dabei eine Hausbewohnerin schlicht übersehen und daher umgerannt. Bedauerlicherweise mit besagtem Tablett in den Händen. Neben diversen Schüsselchen und Schälchen auf dem Boden, befanden sich also Honig, Feigenpaste, Dattelsaft und andere Leckereien auf dem Gewand jener, mit der Sofia zusammengestoßen war. Dies war niemand geringerer als...


    "Camilla?" fragte ich verdutzt. Mein Erscheinen trieb Sofia nun vollends die Röte ins Gesicht und ließ sie peinlich berührt verstummen. Mit gesenktem Kopf und in demütigerHaltung verweilte sie an Ort und stelle, während ich über eine Honigspur hinwegtrat und eine Milchpfütze umging, um näher zu treten. "Was machst du denn hier?" fragte ich weiters, ungeachtet der Tatsache, dass sich der halbe Speiseplan auf ihrer Kleidung befand. Ein zäher Tropfen germanischen Honigs löste sich gerade von ihrer Brust und tropfte in einem langen Faden gen Boden. Ich blieb stehen.

  • Da wagte man sich einmal ohne seine Leibsklavin aus dem cubiculum und schon passierte ein Unglück. Völlig frustriert starrte Camilla diese Sklavin an. Sie brauchte einige Momente um sich zu sortieren. Was war passiert? Sie hatte nur wahrgenommen, dass diese serva gegen sie gerannt war, als Camilla aus einem der zahlreichen fauces kam. Nun stand dieses erbärmliche Wesen kleinlaut wimmernd vor ihr und bat um Verzeihung. Nur kurz konnte Camilla ihre Wut zurückhalten, dann gab sie auf und ließ ihrem Zorn freien Lauf. „ Du ... “ Sie atmete schwer. Sie war zwar schlank, aber trotzdem besaß sie keine gute Kondition. Blitzschnell überlegte sie, mit welchem verletzenden Flüchen sie diese Sklavin bestrafen konnte. Ihr Lieblingsspruch - der mit der Tochter einer lupa aus Gallien - erschien ihr am passensten. Doch davor musste sie noch dieses prickelnde Gefühl in ihrem Arm loswerden. Selbiger schnellte vor und verpasste der Sklavin eine Ohrfeige, wie man sie in diesem Haus bestimmt nur selten sah. Die körperliche Ertüchtigung Camillas hatte allerdings zur Folge, dass ihre rechte Hand fürchterlich schmerzte. Einen gedämpften Schmerzensschrei konnte sie nicht unterdrücken. Wieso mussten Sklaven nur immer verstärkten Wangenknochen haben?

    Ihre Stimme hallte ohrenbetäubend durch das atrium. Einige Vögel, die auf dem Dach des Hauses gesessen hatten flogen geschockt weg. „ Du unfähige Tochter einer gallischen ... “ Abermals konnte sie ihren Satz nicht zu Ende bringen. Aber dieses mal nicht, weil ihr der Atem ausging, sondern weil sie eine schemenhafte Bewegung am Rand ihres Sichtfeldes wahrnahm. Ein kurzer Blick zeigte ihr, dass Corvinus aus dem adedis kam. Der Krach hatte ihn anscheinend aufgeschreckt. Vielleicht war er auch an diesem Schlamassel mit Schuld, weil er den Imbiss bestellt hatte, der nun ungenießbar auf dem Boden verstreut war. Aufjedenfall nahm die Tonlage ihrer Stimme rapide ab und Camilla brachte das letzte Wort ihres Fluches nicht mehr hervor. Stattdessen fand sie schnell Ersatz. „ ... Brotbäckerin. “ Sie klang fast gelassen. Camilla war völlig aus dem Konzept gekommen. Corvinus' Erscheinen hatte sie zur Ruhe kommen lassen. Sie wollte sich nicht völlig blamieren, und das noch bei ihrem ersten Zusammentreffen seit langer Zeit.

    Auf einmal wurde ihr klar, dass ihre Haare von fettiger Milch getränkt waren und klebriger Honig von ihrem Kinn auf ihre Brust, und von dort auf den Boden tropfte. Ihre unbedeckten Füße standen in einer Pfütze aus Kekskrümeln und Wein, der sich durch das Zusammentreffen mit Honig deutlich versüßt hatte. Auch die Konsitenz hatte sich deutlich verändert. In ihren Ausschnitt war ein kleines Gebäckteilchen gefallen, was Camilla nun etwas umständlich herausfischte und achtlos zu Boden fallen ließ. Bevor sie sich Corvinus zuwandte, stellte sie eilig den weiteren Schaden in der Umgebung fest. Der Honig klebte nicht nur in ihrem Gesicht, sondern auch in den Ritzen eines kleinen Mosaiks. Das zu entfernen würde der unfähigen Sklavin bestimmt Freude bereiten.
    Camillas Kopf fühlte sich etwas merkwürdig an. Als ob etwas daraufgefallen wäre. Schnell war die Ursache gefunden. Ein Apfel war der Sklavin im Eifer des Gefechts vom Tablett gerutscht. Unglücklicherweise traf dieser den Kopf der eher kleinen Camilla. Nun ruhte das Obst in Frieden im impluvium. Die Sklavin selber hatte Glück gehabt. Diese hatte den Imbiss um sich herum, aber nicht auf sich selber verstreut.

    Sie wusste selber nicht wie, aber aufjedenfall schaffte sie es ein freundlich und echt aussehendes Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern. Auch ihre Stimme klang wieder freundlich. „ Marcus! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich freue dich zu sehen. “ Wären die äußeren Umstände des Zusammentreffens glücklicherer Art, hätte Camilla nun zu einer herzhaften Umarmung angesetzt, unterließ es aber, schließlich wollte sie nicht Corvinus Gewand auch noch mit dem klebrigen und fettigen Zeug verdrecken.
    Ihre eigenen Sachen waren sowieso nicht mehr zu gebrauchen. Doch gerade das betrübte Camilla. Die stola hatte ein Vermögen gekostet, und war außerdem so unglaublich schön und vor allem der neusten Mode entsprechend. Für die Frisur hatte ihre ornatrix über eine Stunde gebraucht. Zum Glück hatte sie nicht ihre unersetzbaren Schlangenledersandalen an. Wären diese besudelt gewesen, wäre die Sklavin am Kreuz gelandet.

  • Während Sofia ihre schmerzende Wange hielt - die Ohrfeige hatte ich nicht miterleben dürfen - schien Camilla indes ganz ruhig zu sein. Dennoch war der Handabdruck auf Sofias Wange Aussage genug. "Räum das fort", wies ich sie nur an, vielleicht eine Spur zu freundlich, doch das Soffchen nickte, beeilte sich und war froh, sich entfernen zu dürfen. Mit baren Händen sammelte sie Keramitscherben und Silberschalen ein, las einen Großteil der auf dem marmornen Boden verstreuten Leckereien auf und türmte sie auf ihrem Tablett auf. Doch das alles bemerkte iich nur am Rande des Sichtfeldes, denn die klebrige und feuchte Camilla nahm meine Aufmerksamkeit vollends in Beschlag. Sie ließ mir gerade genug Zeit, um sie hinreichend zu mustern, ehe sie sprach. Die triefenden Haare, die runierte tunica, die verschmierte stola und nicht zuletzt das besudelte Antlitz der älteren Dame ließen sie so jämmerlich wirken, dass ich fast schon ein schlechtes Gewissen bekam, obwohl doch niemand hätte ahnen können, dass Sofia wieder einmal den größten Tollpatsch des imperium mimte. Diskret blickte ich zur Seite, als Camilla sich einen Keks aus ihrem Ausschnitt fischte. Erst, als sie mich ansprach, wandte ich mich ihr neuerlich zu, noch darüber grübelnd, warum sie hier war und ob ich nicht vielleicht träumte.


    "Es ist wirklich schön, dich zu sehen, Camilla. Aber..." Warum zum Henker war sie hergekommen? Wieso hatte sie ihren Landsitz in Ravenna verlassen? Weshalb nicht ihren Besuch angekündigt? Fragen standen mir auf die Stirn geschrieben. "Seit..wann bist du denn hier? Und warum hast du deinen Besuch nicht angekündigt?" fragte ich sie. Mir fiel kurz darauf auf, dass es klang, als sei sie unwillkommen. Hastig fügte ich daher an: "Ich meine, wir hätten einen kleinen Empfang vorbereiten können...dir jemand entgegensenden....sowas in der Art." Donnerwetter, ich verhaspelte mich, und obwohl die Frau vor mir ohne Weiteres meine Mutter hätte sein können, bekam ich rote Ohren. Vielleicht, weil sie mich zum einen in der Tat an meine Mutter erinnerte, zum anderen, weil sie mich schlicht überrumpelt hatte. Cotta, Lupus und Philonicus fielen mir ein, während Sofia mit ihrem Tablett davonklapperte. "Wissen Lucius, Appius und Manius schon von deiner Ankunft?" fragte ich Camilla, sagte mir aber im gleichen Moment, dass dem wohl der Fall war, denn es sah nicht so aus, als sei Camilla erst vor wenigen Minuten angekommen. Insgeheim tadelte ich Caecus, der mich nicht von der Ankunft Camillas unterrichtet hatte. Als Sofia wiederkehrte, führte sie Eimer und Lappen mit sich. Ich reichte Camilla meine Hand. "Komm, meine Liebe, setzen wir uns doch. Oder möchtest du dich erst umkleiden lassen?" Sofia warf der Aurelierin einen knappen Blick zu und stürzte dann im Versuch, den Apfel aus dem Becken zu angeln, in selbiges. Sie richtete kaum eine Verschwemmung an, war aber klitschnass, als sie aus dem flachen Becken wieder auftauchte und hundsmiserabelen Blickes zu mir hinübersah. Ich schüttelte lediglich den Kopf. "Lass dir besser von jemandem helfen, du Tollpatsch", sprach ich tadelnd. Camillas Antwort indes noch ausstand.

  • Sie hätte es gerne gesehen, hätte Corvinus der unfähigen Sklavin weitere Konsequenzen angekündigt. Da dem allerdings nicht so war, musste Camilla das eben selber in die Hand nehmen und das auch noch möglichst diskret. Über die Tollpatschigkeit der Sklaven konnte sie nicht schmunzeln. Sie war eher bestürzt über die Zustände der Sklavenschaft in dieser villa. Als man sie vorhin im adedis empfangen hatte, wusste eines dieser Dinger auch nicht, dass man Wein nicht pur trank. Eine Barbarensitte war das. So etwas durfte in diesem Haus auf keinen Fall toleriert werden. Sie sah schon, hier wurde die harte Hand einer Hausherrin gebraucht um für Ordnung zu sorgen. Die eines schlecht rasierten decemvirs reichte hier nicht. Auch ihre Söhne hatten anscheinend besseres zu tun. Wie konnte man hier nur leben?
    Die jämmerliche Sklavin war nun kurz davor auch Camillas Mitleid auf sich zu ziehen. Wer beim Herausholen eines Apfels aus einem Becken in selbiges stürzte, musste es wirklich schwer haben. Ein fieses, spöttisches Lächeln auf ihren zarten Lippen blickte er triefenden Sklavin entgegen. Den Apfel in der Linken, stand sie frustriert neben einer der zahlreichen Säulen. Sie wagte es nicht eine der Herrschaften anzusehen, war ihr doch das erneute Missgeschick ziemlich peinlich.


    Sofia sammelte gerade mehrere kleine, spitze Scherben mit scharfen Kanten vom Boden auf. Einige kleine Schnittwunden hatten sich bereits auf ihrer grobmotorischen Hand gebildet. Kleine Blutrinnsale färbten die milchigen Pfützen etwas rötlich. Doch es fiel nicht auf, schließlich bemerkte man fast keinen Unterschied zwischen Rotwein und dem Blut der Sklavin. Selbige war nun bei den Scherben neben Camilla angekommen. Diese ließ sich die Möglichkeit nicht entgehen, und ergriff nun die Eigeninitiative. Sie trat einen Schritt zurück, zum einen um das bedauerndswerte Paket einer zusammengekrümmten Sklavin aus ihrem Blickfeld zu schaffen, und zum anderen um etwas näher an Corvinus zu treten. Dabei trat sie ausversehen auf die einladene Hand, die immer noch fleißig am Boden Scherben aufsammelte. Der harte Ton schnitt sich unter dem Druck von Camillas halbem Gewicht tief in die Innenseite der Hand. Statt sich zu entschuldigen, nahm sie einfach einige Sekunden später ihren Fuß wieder weg und tat so, als wäre nichts gewesen. Nur noch die wimmernde Sklavin, die sich ihre Hand hielt, wies darauf hin.


    Camilla mochte es nicht vor eine blanke Fassade gestellt zu werden. Sie verabscheute diejenigen, die ihr etwas vorspielten. Sie wollte stets die pure Wahrheit erleben. Stets trat sie unangekündigt und dann auf den Plan, wenn es für die Anderen unpassend und überraschend kam. „ Ach, Marcus. Es war so langweilig in Ravenna. Niemand hat mir geschrieben außer dir, und von dir kamen auch nur ein paar Briefe im Jahr. “ Und die wahrscheinlich auch nur aus Anständigkeit und Respekt gegenüber dem Alter. Beides Tugenden, die ihre Söhne teilweise nicht besaßen. Zumindest letztere wies keiner ihrer Sprösslinge auf, sonst hätten sie ihr geschrieben. „ Ich dachte, ich komme euch einfach mal besuchen. Es war ein spontaner Entschluss, für Boten war keine Zeit mehr. “ Camilla kam überhaupt nicht in den Sinn, dass sich Corvinus nicht über ihren Besuch freute. Im Gegensatz zu Cotta stellte sie bei ihm echte Freude fest, statt nur eine freundlich lächelnde Fassade. Auf die Frage, ob sie ihre Söhne bereits unterrichten ließ, nickte sie nur kurz. „ Ich glaube, es ist besser, wenn ich mich noch schnell umkleiden lasse. “ Ihr Zustand war wirklich erbärmlich.



    ~~~ Später ~~~


    Kurze Zeit später, genau genommen hatte es über eine Stunde gedauert, erschien Camilla wieder im adedis. Normalerweise hätte es länger gedauert, aber sie hatte sich gleichzeitig ankleiden, Make-Up auftragen und ihre Frisur herrichten lassen. Und gewaschen werden musste sie auch noch. Das hatte zwar ein richtiges Durcheinander in ihrem cubiculum gegeben, aber nun sah sie wieder menschlich aus. Ihre Haare waren elegant hochgesteckt, so konnte man einige zurückgebliebene Milchreste in ihren Haaren nicht erkennen. Silberne und goldene Haarspangen zierten das nicht mehr verklebte Rot. Ihr Gesicht hatte man mit einem Hauch zuviel Make-Up versehen, es sah einfach zu künstlich aus. Man hatte ihr ein wertvolles Kollier umgelegt. Über der schlichten Unterziehtunica trug sie eine seidene stola, die raffiniert genau die Stellen betonte, bei der mehr gezeigt werden sollte. Das leicht grünliche Gewand passte gut zu den roten Haaren.

  • Es wäre müßig gewesen, Sofia eine Strafe aufzubrummen, das wusste ich. Immerhin geschah ihr ein Missgeschick wie dieses nicht zum ersten Mal, und womöglich wäre auch bei der Ausführung der Strafe irgendetwas passiert, das in direktem Zusammenhang mit der Tollpatschigkeit der Sklavin gestanden hätte. So verzichtete ich also auf eine Drohung, zumal ich sogar guter Laune war. Und es war Camillas Glück, dass ich ihre kleine Racheaktion nicht bemerkte, denn ich schätzte gar zu grausames Verhalten Sklaven gegenüber nicht sonderlich, denn es färbte früher oder später auf das Verhalten des Sklaven gegenüber seines Herrn wieder ab. Dass Sofia sich die hand hielt, wimmerte und angsterfüllt in blankem Horror zu Camilla aufsah, schob ich zu einem Teil auf den Schock des eben stattgefundenen Geschehens, zum anderen Teil auf Soffchens Ungeschicktheit beim Aufsammeln der Scherben. Wein und Blut vermischten sich in schillernden Schlieren auf dem mosaikenen Boden. Ich bemerkte es nicht, zumal die besudelte Statur der Camilla meine Aufmerksamkeit gänzlich fesselte.


    Sogleich überkam mich ein schlechtes Gewissen, nicht öfter geschrieben zu haben. Und der Wunsch der Verteidigung wurde übermächtig. Camilla hatte ganz die Art meiner eigenen Mutter, die stets die Dinge aussprach, wie sie waren, auch wenn sie sie nicht direkt so aussprach, sondern einem nur das Gefühl gab, etwas anderes zu hören, als eigentlich gesagt wurde. Zerknirscht hörte ich also heraus, dass sie mehr von mir erwartet hätte. "Nun ja, das Tribunat.." begann ich, verstummte aber, als mir selbst auffiel, dass es wie die billige Ausrede klang, die es auch war. "Ich hätte öfter schreiben können und auch sollen, Camilla, es tut mir leid", entschloss ich mich daher zur Bloßstellung meinerselbst und hoffte, dass sie damit zufrieden sein würde. Die Erklärung, dass zu wenig Zeit für einen Boten gewesen war, erstaunte mich schon nicht mehr. Es war einfach Camillas Art. "Ich verstehe. Und ich freue mich natürlich außerordentlich, dass du die weite Reise auf dich genommen hast." Und das in deinem Alter und ohne Ankündigung. Ich unterdrückte einen Seufzer und zauberte stattdessen ein Lächeln auf mein Gesicht. Natürlich freute ich mich, dass Camilla uns besuchen kam, aber mit einem vorwarnenden Brief wäre sie eindeutig auf der sichereren Seite gewesen. "Ich hoffe doch, dass man dir bereits ein cubiculum hergerichtet hat und alles zu deiner Zufriedenheit ist?" fragte ich sie.


    "Ich werde im adedis auf dich warten", versprach ich ihr, ehe sie das atrium verließ, um sich wieder gesellschaftsfähig machen zu lassen. Kaum war sie fort, wies ich Sofia nochmals an, sich helfen zu lassen und dann jemand anderen mit dem Herbeiholen einiger Naschereien zu betrauen. Ein neuerliches Fiasko wollte ich vermeiden.


    Die angefangene Schriftrolle hatte ich bereits fertig gelesen, ihr folgte die Tagespost, da Camilla auf sich warten ließ. Einem Sklaven diktierte ich gerade ein Antwortschreiben auf die Unschuldsbekundungen meines Landverwalters Galvinius in Sardinien, als Camilla endlich eintrat. Ich verstummte, musterte die gealterte Schönheit einen Moment in ehrlicher Bewunderung und schickte Caecus dann mit einem Wink der Hand fort - wir würden später weitermachen. Der Anstand gebot es, dass man sich erhob, wenn eine - noch dazu ältere - Dame eintrat, also stand ich auf. "Camilla", begrüßte ich sie zurück. "Wäre ich ein wenig älter, so müsstest du dir wahrhaftig Gedanken machen, wie du mein Werben zurückweisen könntest", komplimentierte ich und wies ihr einen Sessel oder eine Kline, je nach dem, was sie bevorzugen würde. Anschließend legte ich mich selbst wieder auf die Liege und deutete auf das parat stehende Tablett. "Bitte bediene dich", bot ich an.

  • Auf einmal kehrte die Situation von vorhin in ihren Kopf zurück. Cotta - nach ihrer Ohrfeige mit einigen Tränen im Gesicht - hatte sich von ihr abgewendet. Philonicus - am Geruch eindeutig zu identifizieren - neigte immer mehr zu übermäßigem Alkoholkonsum. Kurz senkte sie ihren Blick; eine gewisse Frustration war in diesem zu erkennen. Ihre Söhne hatten auch nie geschrieben. Kein einziger Brief war jemals aus Griechenland gekommen. Nur durch Zufall hatte sie überhaupt davon erfahren, dass ihre Söhne in Roma weilten. Ein Besuch hatte sich da eben ergeben. „ Aber Marcus, dich trifft keine Schuld. Ich kann verstehen, dass du durch dein Tribunat bei der legio keine Zeit hattest für Briefe. Zumal ich überhaupt nicht deine Mutter bin ;)“ , Was sie allerdings ohne weiteres hätte sein können, „ Von meinen Söhnen hätte ich da halt mehr erwartet. Und Appius, er ist so ... Ach, lass uns gleich darüber reden... “ Corvinus konnte nicht wissen, dass gleich sich in eine Stunde wandeln würde. Camilla ahnte, dass es dauern würde die klebrigen Honigreste auf der Haut zu entfernen, die fettige Milch aus den Haaren zu waschen, sich ankleiden und die Frisur herrichten zu lassen.


    Langsam zog die Milch in die Haare ein. Es fühlte sich äußerst unangenehm an. Der Honig hatte aufgehört zu tropfen, allerdings war von ihm noch genügend auf dem gesicht von Camilla vorhanden. Auf Grund der äußerlichen Umstände schaute sie etwas merkwürdig drein. „ Die Reise war nicht anstrengend. Nur weit und langweilig. Und es war mit trotz dem niedrigen Sold, den mein Mann aufweisen konnte, mir möglich mit einem gewissen Standard an Komfort zu reisen. “ Ihre Augen zeigten, dass sie nicht gewillt war, über ihren Mann zu sprechen. Mit diesem Thema hatte sie sich schon zu lange beschäftigt. Er war eine Schande für die Familie gewesen. Als probatus, der niedrigste Rang im Heer, war er zur legio gegangen. Da hätte er doch gleich zur ala gehen können. Lange hatte sich Camilla mit ihm über die Entscheidung zur Legion zu gehen gestritten, und dadurch war ihre Beziehung - nicht doch ihre Ehe - in die Brüche gegangen.
    Sie lächelte wieder freundlich. „ Danke, ich habe bereits ein cubiculum. Ein wahrlich schönes Gemach. Selbst der Kaiserin würdig “, übertrieb sie. Doch tatsächlich war es äußerst angenehm sich in ihrem cubiculum aufzuhalten. Überall dufteten frische Blumen und der Blick war ihr ebenfalls genehm.



    ~~~ Später ~~~


    Elegant ließ sie sich auf einer der Liegen nieder. Vielleicht wahr der Ausschnitt der stola etwas weit und sie lehnte sich mit ihrem vollbusigem Oberkörper etwas zu weit nach vorne. Aber sie musste zumindest mit Corvinus auf gutem Fuß bleiben. Sie hoffte inständig, er würde ihr Verhalten nicht anstößig finden. Vorerst griff sie nicht zum Wein, sondern beließ es beim Genuss einiger wohl erlesenen Trauben. „ Wohl wahr, Marcus “, begann sie zu antworten, „ Aber dein Werben würde ich ganz gewiss nicht zurückweisen. Welch Versäumnis wäre das nur “, schmeichelte sie ihm. Sein Kompliment hatte sie sehr erfreut. Wenigstens einer, der sie noch schätzte. Sie nahm sich eine gut ausschauende Dattel; die süße Südfrucht entspannte sie. Dennoch setzte sie nun einen etwas besorgten Gesichtsausdruck auf. Sie würde wohl nicht drumherumkommen mit Corvinus über ihren Sohn zu reden. „ Weißt du, Appius macht mir Sorgen. Er war so ... so ... “, ihr lag das Wort auf der Zunge, es mochte ihr aber nicht einfallen, „ ... abweisend mir gegenüber. Ach und Manius, ist der jetzt vollends dem guten vinum verfallen? Er roch äußerst besorgniserregend vorhin. “ Auf ihrer durch das Make-Up so zarten Haut bildeten sich einige Falten.

  • Als Camilla zurückkehrte, war sie um einiges freizügiger gekleidet als bei ihrer unfreiwilligen Bekanntschaft mit Honig und Leckereien. Für ihr Alter hatte sie sich zwar recht gut gehalten, aber ich bevorzugte dennoch eher Blicke in jüngere Ausschnitte. :P


    Ob ihrer Worte musste ich lachen. "Ein Versäumnis?" Tja, vielleicht war es das. Wobei ich selbst das nicht beurteilen konnte. Genaugenommen konnte das wenn überhaupt nur Camryn beurteilen, was eigentlich ausgenommen schade war. Ich schob die Gedanken fort und eine Traube in den Mund. Gerade rief ich mir wieder ins Gedächtnis, dass Camilla zuvor etwas von Cotta gesprochen hatte als es ihr wohl auch wieder einfiel. Ich lehnte mich also zurück und machte mich auf eine etwas längere Geschichte gefasst. Bei den meisten Frauen zumindest dauerte eine solche Unterhaltung länger, und deswegen erstaunte es mich auch, dass Camilla begann, nach Worten rang und beinahe augenblicklich wieder verstummte. "Appius? Ach, das wird nur eine seiner Launen sein, Camilla. Mach dir da mal keine Gedanken. Die Finanzen der gens liegen in senen Händen, vermutlich hat ihn das etwas zermürbt. Aber sicher freut er sich nicht minder als ich, dich hier zu haben." Nun gut, wobei Cotta ja von Natur aus eher aufgeschlossen war. Näheres seine Mutter betreffend, wusste ich nicht. "Und Manius...ja, offen gestanden macht er mir auch Sorgen. Er lebt sehr zurückgezogen, seit er hier ist. Dass er dem Wein sehr zugetan ist, habe ich auch schon gemerkt. Vielleicht redest du mal mit ihm...etwas Beschäftigung wird ihm sicher besser tun als das zurückgezogene Leben, das er jetzt führt." Genaugenommen hatte ich Philonicus seit seiner Ankunft nur weitere zwei oder drei Male gesehen, und zwar beim Essen. Er sah stets ausgelaugt und müde aus, und immer haftete ihm der Geruch nach vergorenem Rebensaft an, wie seiner Kleidung Schmutz. So konnte das nicht weitergehen, das war mir natürlich auch klar, doch ich hatte bisher einfach keine Zeit gefunden, mich darum zu kümmern. Es war in dieser Hinsicht also nicht schlecht, dass Camilla nun hier war. Vielleicht konnte sie sich auch um Lupus kümmern, der sich in letzter Zeit eher wie ein Hund benahm denn wie ein Mensch. Ich seufzte tief. "Ah, und entschuldige das Gebaren der Sklavin vorhin. Das war Sofia, am besten merkst du dir Namen und Gesicht und machst einen weiten Bogen um sie. So gut wie nichts, was sie anfasst, gelingt", erklärte ich. "Aber sie beherrscht die Musik sehr gut."

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