Sie sah ihn irritiert an. "Wieso fragst du? Ich habe es doch eben gesagt... sehr sehr selten hat Mutter mir oder meinem Bruder etwas von Mogontiacum erzählt. Wegen heftiger Gewitter oder Unwetter habe ich oft nicht schlafen können und bin oftmals zu Phelan unter die Decke geschlüpft. Manchmal wollte so eine stürmische Nacht nicht enden. Sie kam dann zu uns rauf, um uns zu beruhigen und uns mit Erzählungen abzulenken. Da habe ich erfahren, dass es Verwandte hier gibt."
Der große Balkon
-
- Casa
- Tiberius Duccius Lando
- Geschlossen
-
-
Albins Verwirrung löste sich mit Sontjes Worten wieder auf, und seine Gesichtszüge wurden wieder milde.
"Ach, so ist das...", er kratzte sich am Kinn, als er überlegte wie er die folgenden Dinge am besten zu erklären waren, "Nun. Ich denke sie hat dir erzählt, dass wir früher in einer Gegend weiter im Norden lebten, jenseits des großen Stroms, an der Amisia. Diese Casa hier, in der du jetzt lebst, gehörte vor einigen Sommern noch einem Bauern, der sie schließlich an Leif verkaufte. Dieser baute daraus das Heim für die Familie, die nach den schrecklichen Angriffen auf unsere Heimat so weit verstreut war. Deine Mutter hat sich mit ihrem Mann dafür entschieden im freien Germanien zu bleiben, die Gründe dafür kennt sie allein. Eigentlich konnte sie garnicht wissen, wer alles überlebt habt, wie wir alle."
Albin stoppte, und fegte gedankenverloren ein wenig weiter durch den Schnee. Er selbst hatte es auch nur durch Zufall hergeschafft, beharrliches Fragen nach Überlebenden von Wolfriks Stamm hatte ihn hergeführt, schließlich war die Enkel des Ahnherrn der Duccii nicht unbedingt unbekannt in diesen Landen.
"Es ist nicht schwer zu verstehen, dass deine Eltern sich dafür entschlossen haben, die Existenz der Familie hier im Reich zu verschweigen. Nicht alle von Wolfriks Ahnen waren damals Rom gegenüber freundlich gesinnt, immerhin hatten die Römer unserem Stamm schon einmal das Leben in diesen Gestaden verwehrt, und uns mit Waffengewalt wieder zurück in die gefährliche Heimat getrieben. Dein Vater Gunnar, als engster Vertrauter Audaods, war einer derjenigen, die sich immer dagegen ausgesprochen haben Kontakt zu den Römern zu suchen, und immer auf die Traditionen unserer Väter pochten. Letztendlich wurde unsere Sippe ja zerschlagen, viele getötet, ein ganzer Stamm zerstört. Da wäre nicht viel mit Besuchen gewesen..."
-
"Ganz genau...." bestätigte Sontje Albin gegenüber und seufzte schwer. "Immer diese Geheimniskrämerei. Ich meine, so schwer kann es doch gar nicht gewesen sein rumzufragen wer denn noch alles lebt? Wo die übrigen nun leben und wohnen.." fügte sie hinzu, furchte die Stirn. "...egal ob freundlich oder feindlich gesinnt! Immerhin seid ihr Verwandte von uns! Wie hab ich immer die Kinder beneidet die mit Großmama und Großpapa oder Tante und Onkel angeln oder wandern gingen und voller Geschichten und Abenteuer zurückkamen. Meine Brüder liessen meine Eltern schalten und walten. Ich dagegen musste bei Mutter bleiben und alles lernen was sie für wichtig hielt. Naja..." Sontje fertigte sie einen kleineren Schneeball an, warf ihn mit Schwung fort, wo er auf einen immergrünen Tannenbaum aufklatschte.
-
"Nein.", schüttelte Albin bedauernd den Kopf, "kann man nicht. Nur ein kleiner Teil der Familie hat sich nach den Kämpfen, die den Untergang unseres Stammes bedeuteten, im römischen Reich nieder gelassen. Dadurch war er aber auch als einziger schnell zu finden, denn in den Stämmen, die links des Rhenus siedeln, waren die Erben Wolfriks schnell bekannt. Anders herum aber war dies nicht möglich, im freien Germanien gab es kein Postwesen, und die meisten versteckten sich, und nach anderen Überlebenden zu fragen hätte den eigenen Tod bedeuten können. Deshalb hat eure Mutter euch wohl im Unklaren gelassen."
Als Sontje traurig über ihre Jugend, und ihre Brüder sprach, trat Albin mit mildem lächeln auf sie zu und strich ihr sanft mit seiner vernarbten Hand über das blonde Haar: "Junge Sontje, wenn man einen Vater wie Gunnar hat, der das harte Leben in einem Stamm gemeistert hat, und danach nicht wie seine Freunde mit dem Schwert in der Hand nach Valhall gefahren ist, kann man schon verstehen warum er so handelte. Du bist nicht irgendwer. Du bist eine Tochter Wolfriks, du bist eine Tochter unseres Stamms, und damit von Stand. Auch wenn viele Römer deine Familie für Wilde halten, und viele Germanen euch für Verräter an den Völkern der Heimat: du bist eine Frau von Stand, das darfst du nicht vergessen. Das, was die meisten gegen deine Familie antreibt, ist purer Neid. Mitleid bekommt man umsonst, Neid muss man sich verdienen. Und das hat sich deine Familie, das kannst du glauben."
Seine Gesichtszüge wurden hart, als er davon sprach. Die Sache mit Sveija war nicht zu lange her, ein neuer Beweis dafür, dass nicht wenige der Familie feindlich gesinnt waren. Doch wollte er die junge Sontje jetzt mit diesen düsteren Gedanken belasten? Albin stellte fest wie seine Gedanken immer unerbittlicher wurden, das war nicht gut. Die junge Frau hatte so viele Möglichkeiten, da wollte er ihren Weg nicht mit so viel Angst pflastern.
"Deine Mutter hat dich im Glauben an die Traditionen unserer Ahnen erzogen, und ich denke irgendwann wirst du verstehen warum sie das getan hat. Damit, dass deine Mutter dich hierher geschickt hat, hat sie akzeptiert, dass du in ein neues Leben treten wirst. Du wirst lernen wie man liest, und wie man schreibt, sowohl die Sprache der Römer, als auch die Schrift, die in unserer Heimat immer öfter gebraucht wird [die Germanen hatten eigentlich keine eigene Schrift, durch die Nähe zum römischen Reich sind aber die Runen entstanden], und du wirst dich an dein neues Leben gewöhnen... und dann wirst du wissen, wie aus dem kleinen Mädchen Sontje irgendwann die Frau Sontje wird, die ihrer Familie viel Ehre machen wird."
-
Sontje warf weitere Schneebälle gegen den unschuldigen Tannenbaum während Albin ihr immer mehr erzählte. Hin und wieder lief ihr eine Träne über die kalten Wangen. Eben weil Albin ihr alles erzählte und nicht ihre Mutter! "Sie hat es wahrlich geschafft.. also uns im Unklaren zu lassen." grummelte sie. Sie sah zu Boden solange Albin ihre Haare berührte und streichelte. "Eine Tochter Wolfriks." Das klang gut. Sicherlich gab es draußen noch mehr Töchter Wolfriks? Die wie sie unverhofft auftauchten und sich erst bei der neuen Familie zu erkennen geben würden.
"Eine Frau von Stand." Ein wenig röteten sich ihr nassgeweinten Wangen vor Verlegenheit. So rum hatte sie es einfach noch nicht gesehen! Das soeben gehörte machte ihr Angst aber es erleichterte ungemein diese neue Sichtweise zu erfahren. Sontje nickte schwach und murmelte ein leises "Vielleicht..." des Verstehens ihrer Mutter wegens. Endlich sah sie auf, suchte Albins Blick. "Ohja, lesen und schreiben.. das möchte ich sehr gerne können. Du kannst mir gerne helfen... wenn du denn möchtest. Ich würde mich wirklich freuen! Du weisst so viel!" Jetzt konnte Sontje wieder wie immer lächeln. Nun hatte sie ein Ziel vor den Augen.. nämlich beides zu erlernen und irgendwann für jemand anderen anwenden zu können der eben diesen beiden Fähigkeiten nicht mächtig war. "Ob meine Schrift überhaupt leserlich sein wird?"
-
Albin lachte leise, als Sontje ihn bat, ihm soviel beizubringen wie er wusste: "Junge Dame. Ich spreche gerade genug Latein um die Gäste des Hauses willkommen zu heißen, und die Tagelöhner, die hier immer wieder Arbeiten ausführen, zu instruieren. Das treicht auch für meine alten Tage, wie ich finde."
Was auch stimmte... eigentlich wartete Albin nurnoch darauf, dass die Nornen seinen Faden kappten, und ihn für seine Verdienste nach Valhall holten, wo er mit seinen Ahnen und den anderen trinken und feiern konnte. Er hatte schon so viel für die Familie getan, dass er nicht einmal mehr wusste, wo er anfangen sollte davon zu erzählen. Die verheilten Schrammen und Narben auf seinem Körper erzählten die Geschichte der Duccii deutlicher als es Worte je könnten.
"Wir haben einen Lehrer, den wir kommen lassen werden, wenn du möchtest. Du kannst allerdings auch auf eine öffentliche Schule gehen... aber bevor es dazu kommt, musst du erst einmal rudimentäres Latein sprechen, und das bringt man dir hier in der Casa bei."
-
Sontje saß in ihrer Lieblingsdecke eingemummelt in einer windgeschützten Ecke des großen Balkons und beobachtete die keifenden und zankenden Amseln in den Bäumen. Das Lieblingsgetränk namens "Heisse Honigmilch" in ihren Händen haltend merkte sie kaum etwas von der Kälte des heutigen Tages. Die weiche Decke war dazu da zu wärmen und die Kälte abzuhalten. In die Taberna musste und wollte sie die nächsten Tage nicht gehen. Zur Untätigkeit verdammt hatte sie sich wieder einmal an diesen Ort zurückgezogen, um nachzudenken.
Die neuesten Veränderungen im duccischen Hause beschäftigten ihre Gedanken. Zwei der duccischen Männer hatten geheiratet. Cupidus hatte geschrieben und wartete auf ihre Antwort. Dragonum ermittelte wegen Cassella und dem Taberna-Überfall. Arbjon war nicht mehr da... ebenso Duccia Venusia mit den süßen Zwillingen. Der schnieke Vala wollte nach Rom und dann die Geschichte mit Glabrio. Außerdem noch war da noch Callista und die lateinische Sprache. In Latein musste sie einfach besser werden.
Eine Haarsträhne ringelte sich vor Sontjes linkem Auge.. langsam strich sie diese zurück hinters Oh und seufzte. "Manchmal wünschte ich, ich wär daheim." flüsterte sie leise, nippte von der Milch. "Dann wäre das Leben einfach.. und nicht kompliziert." Die schönen Momente... der Kuss mit Glabrio.. der letzte heimliche Ausritt auf Yggur.. die Geburt de Fohlen...
Sim-Off: Wer mag der darf.. aber bitte nicht Sveija.
-
Auch Callista wollte den Nachmittag eher alleine verbringen, obwohl alleine wohl nicht das richtige Wort war. Sie war bereits einige Wochen hier und machte große Fortschritte, wie ihr Ragin und auch Witon immer wieder sagten, was das germanische anging. Auch ihre Ausbildung bei Verus ging in großen Schritten voran und manchmal hatte Callista Angst, Angst weil die zeit so schnell verging, Angst nicht mitzukommen bei all den Neuerungen die immer wieder passierten. In der Casa, die nun ihr zu Hause war, gab es kaum einen ruhigen Moment, man war selten wirklich allein und konnte in Ruhe seine Vokabeln lernen oder weben oder sonst etwas machen. Eigentlich genoß Callista das, die große FAmilie war ihr schon ans Herz gewachsen, aber gelegentlich kam ihre Schüchternheit noch durch, die Panik, die sie befiel wenn sie zuviel mit Menschen zu tun hatte.
Die rotbraunhaarige Römerin trat hinaus und nahm einen tiefen Atemzug, schloß die Augen und lauschte einen Moment dem Vogelgezwitscher, dass sich liebevoll mit dem Rauschen der Baumblätter mischte. Sontje nahm sie erst wahr, nachdem sie sich umgeblickt hatte um einen Sitzplatz zu entdecken. Eine Decke hatte sie nicht dabei, sie war in einen leichten Mantel gehüllt, der die Kälte abhielt. Wobei Callista sowieso schon fror, wo richtige Germanen noch mit leichter Gewandung herumliefen. Ein wenig hatte sie sogar Angst vor dem kommenden Winter.
"Heilsa Sontje." sagte sie leise, um die junge Germanin nicht zu stören oder gar zu erschrecken. "Kann ich setzen?" Sie deutete neben Sontje, damit die Blondine ein Stückchen rücken würde. "Geht es gut dir?" Es war unüberhörbar, dass ihr germanisch sich immer noch reichlich seltsam anhörte und nebenbei einige Fehler enthielt, allerdings konnte sie sich mittlerweile schon unterhalten. Die anderen verstanden was sie wollte und sie verstand, wenn diese ihr antworteten - jedenfalls meistens.
-
Eine weitere Person kam auf den Balkon. Callista oder Elfleda? Elfleda oder Callista? Oder gar Sveija mit rotbrauner Perücke? Sontje erkannte erst nach dem sich Umdrehen der Person wer es war und rutschte bereitwillig zur Seite. "Klar..." brummelte sie freundlich, bot Callista mit stummer Geste den Rest der Kuscheldecke an. "Mhm.. es geht mir gut. Viel viel viel ist los im Haus. Wie ein Kreisel der sich dreht und nicht mehr mehr anhalten kann um den Schwindel aufzulösen. Er dreht sich immer schneller. Mein Handgriff.. mein Halt auf dem Kreisel.. der ist nicht mehr sehr fest mehr." Endlich hatte sie einen Satz gefunden, der ausdrückte was sie wegen den andauernden häuslichen Veränderungen empfand. Sie wischte eine Träne von der Wange weg und versenkte die Nase im halb vollen Honigbecher, um noch einen Schluck zu nehmen. "Willst du auch was..?" fragte sie mit feucht glänzenden Augen Callista.
-
Ein Kreisel? Sontjes Leben war ein Kreise, dem der Griff fehlte? Callista guckte einen Moment verwundert und setzte sich. Sie lehnte die Milch mit einem freundlichen Kopfschütteln ab, nahm allerdings das Stück der Decke gerne an um sich damit zu umwickeln. Jedenfalls so gut es ging. "Du meinen, Leben ist zu schnell? Das kenne ich gut. Ich fühle so auch." Die junge Römerin war nachdenklich und enttäuscht, dass ihr Sprachvermögen wahrscheinlich nicht ausreichen würde, all ihre Gefühle zu erklären. "Ich leben hier vier Monate, Elfleda ist Kind und ich nicht." Callista machte eine typische Handbewegung die einen dicken Bauch darstellte, um zu verdeutlichen was sie meinte. Das germanische Wort für schwanger fiel ihr gerade nicht ein, aber sie war sicher, dass Sontje verstehen würde.
"Ich Angst, dass nicht Kind ich. Wünsche, Leben wäre auch langsamer, dann nicht so schuldig fühle." Ja, da war es raus. Sie hatte noch mit niemandem darüber gesprochen, allerdings fiel es ihr bei Sontje leichter. Die jüngste Frau hier im Haus war zwar noch unverheiratet und kannte daher die Nöte vielleicht nicht, die eine Ehefrau sorgten, wenn sie nicht schwanger wurde. Allerdings mochte das auch ihr größter Vorteil sein, brauchte Callista doch nicht befürchten von ihr verurteilt zu werden. Sie hoffte nur stark, dass Sontje nicht direkt zu Witjon rennen und ihm alles erzählen würde. Er würde zwar sowieso wissen, dass sie noch nicht schwanger war, aber sie wollte vermeiden, dass er den Eindruck kriegen konnte sie sei unfruchtbar. Dann war vielleicht eine Scheidung vonnöten... und sie war gerne seine Frau. So weit wollte sie es also keinesfalls kommen lassen. "Warum du nicht Hochzeit, Sontje?"
-
"Ja, das Leben ist schnell." bestätigte Sontje nickend Callistas Frage und lauschte deren nächste Worte. "Elfleda? Kind? Was meinst du??" Ihre erste Reaktion waren große Augen und ein sachtes Schulterzucken, als endlich der Groschen im Kopf fiel. "Dann kriegst du vier Monate später Kind." plapperte sie. "Elfledas Kind ist dann alt... Nein, warte kurz, ich muss überlegen, wie ich sage." Hm.. wie drückte man das bloß passend für die Römerin aus? Am Besten in kurzen Sätzen.
"Du kannst Kind Elfleda zugucken. Dann weißt du chon Bescheid. Elfleda muss lernen wie Kind groß ziehen. Und Du nur noch zu- und abgucken. Wissen sammeln über Kind Elfledas. Weniger Fehler machen. Also ich meine bei deinem Kind." Die Römerin stellte eine Frage. Sie sah zu den Bäumen und schliesslich Callista wieder an. "Oh.. weil Phelan zuerst heiraten soll. Aber Phelan will, dass ich zuerst heirate. Aber ich will nicht vor ihm heiraten." Da waren schon zwei 'Aber'-Gründe. "Und ich möchte keine Kinder haben!!" Einerseits weil Geburten anstrengend waren und sie sowieso sämtliche Anstrengungen meiden musste. Sie konnte ja noch nicht mal ein Holzschwert heben. Einen Grund gegen Kinder hatte Sontje noch... nach dem Heiraten folgte das Kinder kriegen und sie hatte Angst, dass ihre Kinder ebenfalls den Husten bekommen würden. -
"Nein, Nein, Nein. Du musst sprechen richtige Germanisch. Wie ich lernen, wenn du spricht wie ich?" Callista zog die Stirn kraus und schüttelte den Kopf. Sontje war so nett, manchmal sogar zu nett. Es half ihr leider nicht, wenn jeder in dem Säuglingsgermanisch mit ihr sprach, dass sie mittlerweile ihr eigen nannte. So würde sie die Feinheiten nie richtig machen. Hoffentlich verstand die Blondine das und war jetzt nicht eingeschnappt.
Allerdings war ihre Idee gut gewesen. Auf Latein hätte Callista zig Vorschläge und Ideen gehabt, aber es war schwer, diese auszudrücken.
"Ich kenne Kind nicht, hatte keine Bruder oder Schwester. Vielleicht gut, so kann ich lernen und weniger nervös, wenn ich selber Kind. Was heißt Kind kriegen auf germanisch? Heißt `schwanger` auf Latein."
Danach kamen sie darauf zu sprechen, warum Sontje noch nicht verheiratet war und Callista zog wieder die Stirn kraus, aber diesmal, weil sie das Gesagte nicht verstand.
"Natürlich du heiraten vor Phelan. In Rom heiratete mit zwölf, aber lebt oft schon vorher bei Familie von Mann. Mann heiratet später, vielleicht 20 oder manchmal älter. Muß sein 14, aber oft älter."
-
"Ja, natürlich, wie dumm von mir. So kannst du nicht unsere Sprache lernen. Schwanger heisst swanger bei Frauen; swangar bei Pferden." Sie sah ihr die verheiratete Frau bedauernd an wegen ihrer Geschwisterlosigkeit. "Ich habe zwei Brüder, aber keine Schwester. Dabei wollte ich schon immer mal eine kleine Schwester haben. Zwilling sein macht viel Spass aber auch anstrengend. Ich fühle und spüre wie es ihm geht und umgekehrt... aber mit der Zeit und seiner Arbeit hier wird dieses Gefühl immer weniger. Ganz bestimmt bist du weniger nervös, wenn du tagtäglich siehst, wie Elfleda mit ihrem Kind umgeht." Sie lehnte sich bequem zurück. "Mit zwölf schon beim Mann leben, den man später heiratet? Das muss total langweilig sein... lesen und sticken und einkaufen und kochen, das wars dann in Rom, ne ?"
-
"Man lebt schon vorher beim Mann und dann mit zwölf Hochzeit. Damit neue Familie zahlt Essen und Schule. Mädchen nicht beliebt, Söhne besser. Alle wollen Söhne. Mädchen gehen früh weg und Söhne kriegen ... Geld ... Förderung ... Erziehung."
Oh, das musste ein grausames Bild sein, dass sie hier von den Römern zeichnete. Aber es kam vor, viel zu oft sogar, wie Callista fand. Noch etwas, dass sie an den Germanen zu schätzen wußte und sie hoffte sehr, dass sie auch eine Tochter bekommen würde. Irgendwann einmal, wenn Witjon seinen Erben hatte. Dann würde sie diese zu einer freien und schönen Frau heranziehen, nicht so ein scheues reh wie sie selber war. Und sie würde ihre Kinder auch selbst stillen, ganz egal wie normal Ammen in Rom waren. Den Göttern sei Dank war sie selbst ganz anders aufgezogen worden und ihre Kinder sollten es mindestens ebenso herzlich haben!
"Phelan ich kenne, aber wer anderer Bruder? Lebt hier?" Callista staunte, ihr war nicht bewußt gewesen, dass Sontje noch einen weiteren Bruder hatte. Wer das wohl war?
-
"Das Mädchen darf nach dem Verlassen der eigenen Familie zur Schule gehen. Ihr späterer Mann bezahlt die Schule?" fragte Sontje erstaunt nach. "Warum sollen Söhne besser sein als Mädchen? Weil die kräftiger und sportlicher sind als wir Haus&Heimchen? Wir können ein Haus mit allem drum und dran führen." setzte sie außerdem dazu. "Ich kann eine Taberna führen. Das ist nicht viel anders als ein Haus zu führen, anstatt Familie sind es Bewohner aus der Stadt und Fremde von außerhalb, die Nahrung und Schlaftstatt von uns annehmen und dafür zahlen."
Sie sah wieder zu den Bäumen rüber, dorthin wo der Friedhof in etwa liegen musste. "Gero war Lieblingssohn von Vater, er half in jeder Weise aus und ging Vater ihm sogar bei nerven- und kraftaufreibebender Schwerstarbeit immer zur Hand. Phelan war da ganz anders, er verabscheute das Leben auf dem Hof. Daher verbrachte mein Zwilling den größten Teil seiner Jugend in der freien Natur. Aus diesem Grund sprach Gero nie mit ihm, da er ihn für sein Desinteresse am väterlichen Hof mehr oder minder verachtet hat." Sontje seufzte. "Ich habe mich aus dem Zwist rausgehalten und gehofft, dass Phelan doch noch Anerkennung von Gero bekommt. Aber Gero ist nach Vaters Tod fortgegangen und irgendwo verstorben, ohne Mutter oder uns Zwillinge wiederzusehen."
-
"Nein, Mädchen nicht gehn Schule. Lehrer kommen nach Hause ... mhhhh ... Hauslehrer." Ja, das müsste ungefähr hinkommen, Callista suchte nach Wörtern um es für Sontje so deutlich wie möglich auszudrücken. Aber insgeheim dachte sie bei sich, dass es selbst auf perfektem germanisch wohl für die junge Frau nur schwer zu verstehen war. Germanen als solches und besonders die duccische Familie ging recht frei mit Rollenverteilung um. Um nicht zu sagen unsittlich. Ihre Mutter oder auch Balbus und der Rest der Familie hätte sicherlich nie geduldet, dass sie eine Taverne führte! Niemals! Noch dazu als unverheirates Mädchen. Aber Lando schien es nichts auszumachen, dass Sontje die Taverna führte. Und Sontje war auch noch stolz drauf!
"Gute römische Frau ist ... Tugend. Nett und höflich, gute Gastgeberin, muß nicht selbst kochen, dafür man hat Sklaven. Muß können Lesen und Schreiben, soll sagen kluge Sachen und Gäste unterhalten, soll hübsch sein und ... uhm ... nett. Soll können Weben und sticken und natürlich, das Wichtigste, machen Söhne. Viele Söhne, gesund und stark." Sie überlegte noch eine Weile und setzte ihre Erklärungen dann fort. "Man soll sein züchtig und bescheiden und nur sein im Haus und machen gutes Heim für Mann und Kinder. Das Wichtigste. Dann man ist Matrona. Man nicht gehn vor Türe, alles kommt ins Haus. Händler, Lehrer, Sklaven, Besuch, alles. Man nicht braucht einkaufen selbst." Callista lächelte schwach. "Daher ich dankbar darf werden Priesterin. Nicht immer sein zu Hause, auch haben Aufgabe in Tempel. Witjon guter Mann." Ja, das war er wirklich. Da sie nun ihm unterstand und nicht mehr ihrem Onkel, jedenfalls nicht direkt, hätte er es ihr verbieten können. Aber ihm war diese Idee wohl nie gekommen und sie dankte Iuno sehr dafür. Auch wenn sie kein Problem gehabt hätte, ihr Leben in der Casa zu verbringen, freute es sie ungemein den Dienst an ihrer Göttin antreten zu können.
"Dein Bruder tot? Wie traurig. Mein Beileid." Die junge Römerin biss sich auf die Unterlippe, das hatte sie nicht besprechen wollen und es tat ihr unendlich leid, dass sie alten Wunden aufriss. Klammheimlich blickte sie zu Sontje, ob diese besonders traurig wirkte. "Ich nicht wollte sprechen über Tote. Entschuldigung. Mein Eltern auch tot, erst Vater, dann Mutter. Nicht lange her. Deswegen ich zu Balbus, gelebt in Rom. Nachdem Mutter tot geworden, das ist her ein Jahr, ungefähr."
-
"Ein eigener Hauslehrer für Mädchen?? Sowas aber auch." staunte Sontje und staunte noch mehr, je mehr sie darüber erfuhr wie es römischen Mädchen erging. "Bestimmt allein der Hauslehrer was das Mädchen lernt oder bestimmt die Familie des späteren Mannes?" Hm.. sie tippte auf die Familie, da die Mädchen dann ohnehin beim Mann bleiben sollten.
"Puhhh.. das ist aber viel was ein Mädchen können muss.. und das alles schon mit zwölf Sommern! Für wen soll sie bloß weben und sticken außer für das Haus? Wird ihr hergestelltes Zeug dann verkauft? Ich meine, damit sie eigenes Geld kriegt?" Sie schüttelte den Kopf. "Und dann auch noch Gäste unterhalten und Kinder kriegen? Was ist denn es plötzlich niemanden gibt der ins Haus kommen möchte? Zum Beispiel wegen ansteckender Krankheit? Dann bleibt alles stehen und liegen und es wird nicht aufgeräumt. Mutter hat gesagt, jeder ist selbst für das Wegräumen der Dinge verantwortlich, dann stolpert beziehungsweise verletzt sich keiner an den rumliegenden Sachen. Nee also, weisst du, ich würde selber kochen können und einkaufen gehen und bestimmen, ob ich brav zu Hause bleibe oder zum Vergnügen rausgehe." ereiferte sich Sontje. "Du hast recht! Du hast es mit Witjon gut getroffen. Ich würde das alleine Ausreiten total vermissen!"
Ihr Blick wurde traurig sobald sie zum Thema Gero zurückkehrten. "Danke.. mhm.. dann bist du eine ganze Waise. Warum hat dein Onkel dich bei sich aufgenommen? Hattest du keine Münzen von Mutter zum alleine in Rom leben übrig?"
-
"Die Familie." beantwortete Callista erstmal die direkte Frage der Blondine. Sie rückte sich etwas zurecht und zupfte die Decke wieder in Position. "Kleidung man macht für eigene Familie, nicht Verkauf. Frau nicht braucht eigenes Geld. Mann bezahlt ... versorgt ... Frau nicht kümmern Finanzen. Manche Frau Ahnung Finanzen und hilft, wenn Mann Geschäft besitzt. Kommt drauf an, was Mann macht und welchen Stand Familie hat. Reiche brauchen nicht machen sowas. Nur leben und gebären und schön aussehen."
Dann runzelte sie die Stirn. Wieso liegenbleiben? Die Hausarbeit? "Nein, man hat Sklaven. Sklaven machen Essen, sauber ... Hausarbeit. Nichts liegen bleiben. Alle Arbeit Sklaven." Sie schaute fragend und wurde hellhörig. "Du reiten alleine? Mit Pferd? Ohne Mann?" Sie hatte auch mal ein Pferd besessen, nun ja, ein Pony eher, ein kleines weißes. Aber sie konnte sich noch gut erinnern wieviel Spaß sie immer mit ihm hatte, als sie auf dem kleinen Platz auf dem Landgut ihrer Eltern geritten war. Das war zwar nicht unbedingt ein Wald gewesen, aber immerhin, sie konnte schon ein bisschen reiten. Obwohl sie es sicherlich über zehn Jahre nicht mehr getan hatte. Vielleicht... ? Nein, nein, das gehörte sich nicht. Sie war jetzt eine verheiratete Frau und auf bestem Wege Mutter zu werden, diese Erschütterungen konnten nicht gut sein und es war gefährlich. Wenn sie nun stürzte. So wie Aquilia. Nein, Witjon hatte damals sehr traurig ausgesehen, nie würde sie ihm das antun können. "Was für Vergnügen du draußen gehen?"
-
Die Familie also. "Aha.. wie lange dauert es bis Mädchen und Mann tatsächlich heiraten werde? Überhaupt noch heiraten werden?" Sie stöhnte gespielt auf. "Kleidung für die Familie machen?!? Oh Frau.. stell dir vor, du kriegst als neues Familienmitglied fünf Brüder und sechs Schwestern, dazu Mütter und Väter, dazu Kinder und Oma und Opa! Da kommst du überhaupt nicht nach mit sticken und stricken! Das muss richtig schrecklich sein für ein Mädchen! Tag aus und Tag ein sticken und stricken anstatt draußen mit anderen Kindern zu spielen! Puh.. arme Reiche!" Sontje wischte imaginären Schweiss von der Stirn. "Sklaven.. dazu kann ich nix sagen. Kein gutes Thema." Sie trank den Milchbecher aus und stellte ihn zur Seite. "Oh... du weisst, Silko ist fort. Seitdem reite ich alleine die schönen Strecken ab, die er mir gezeigt hat. Manchmal springe ich auf Yggurs Rücken über Hindernisse. Ich geniesse es.. den kurzen Moment in der Luft! Das ist toll!" begann Sontje auf einmal zu schwärmen. [COLOR=purple]"Hast du Lando schon gefragt, welches Reitpferd du aus der Hros kriegst? Er hat mir Yggur gegebn, nachdem er gehört hat, dass ich mit dem Hengst gut umgehen kann!"
-
"Man kommt in neue Familie und macht Kleidung für sie. Als ... uhm ... Beschäftigung. Kleidung wird kauft, wie alles andere. Reiche haben viel Geld, brauchen viel Kleidung. Zum Zeigen. Für Feste." Callista zuckte mit den Achseln, über die Prunk- und Geltungssucht der Römer brauchten sie sicherlich nicht diskutieren. Die Germanen hatten da ein viel bodenständigeres Verhältnis zu Kleidung und deren Verbrauch. Sie besaßen zum Teil nur ein richtig wertvolles Set, das man dann an besonders wichtigen Anlässen und nur dann trug. Diese Einstellung kam Callista sehr viel näher - ihre Mutter hatte sie bescheiden und genügsam erzogen und sie hatte sich in einem ganzen Jahr genau drei neue Kleider geleistet. Etwas, dass andere Frauen in wenigen Sekunden einkauften, nur um sie dann genau ein einziges Mal anzuziehen. Allerdings war sie auch nie auf wirklich wichtigen Festen gewesen, wo der Anschein, den man erweckte wichtiger war als das, was man wirklich leisten konnte. Das war eher der Bereich der Ehefrauen reicher und mächtiger Römer. Und Callista war sehr froh darum.
"Ja, Silko. Groß. Schwarz. Ich Angst. Nicht spreche mit ihm bevor er weg. War nett?" Callista erinnerte sich nur zu gut an den eindrucksvollen Ägypter, den sie auf Landos Hochzeit zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte sie zutiefst geängist und sie war ehrlich gesagt froh, dass er weg war, auch wenn er sicherlich die richtige Abschreckung für Eindringlinge und anderes Gesindel war, dass Böses im Sinn hatte. Sontje sprang allerdings schon zum nächsten Thema. "Reitpferd? Ich? Ich reiten?" Sie schüttelte den Kopf und lächelte unsicher. Wieso sollte Lando ihr ein Pferd geben!?
Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!