Geschichtsträchtig waren viele der römischen Feiertage, doch kaum einer war so nahe an einer Berührung des Göttlichen wie das Armilustrium der Salier. Genauer gesagt, der salii Palatini, denn diese waren es, die mit mir nun die porta unserer Curia auf dem Palatin verließen, in welcher wir uns ansonsten für Planungen oder zum Üben des Tanzes einfanden. Mars schien uns an diesem Tage gnädig zu sein, denn wie schon am Feiertag des Equus October blieben wir vom Regen verschont, es war kühl, aber nicht zu eisig - aber daran dachte ich nicht, zumindest nicht in diesem Augenblick. Denn an diesem Tag trugen wir eine ganz besondere Verantwortung, und zugleich eine große Ehre:
Jeder Salier trug ein Schild, eines der heiligen ancilia, geschmiedet in der Form einer Acht - und einer unter uns, niemand wusste, welcher es war, trug jenes besondere Schild, das einst von Mars selbst als Pfand für den Bestand des römischen Reiches hingegeben worden war, am Arm. Die Weisheit des Numa Pompilius, einem der ersten Könige Roms, hatte dieses so besondere Schild über die Jahrhunderte hinweg beschützt, denn nachdem seine Gemahlin Egeria ihm das Geheimnis des Schildes verraten hatte, hatte der Schmied Mamurius Veturius im Auftrag des Königs elf gleiche Schilde gefertigt, vom Auge nicht vom besonderen Geschenk des Mars zu unterscheiden. So wurde ein möglicher Raub und damit ein Verderben des Reiches wirkungsvoll verhindert - und nur an besonderen Tagen trugen wir, die salii Palatini, diese Schilde durch Rom, auf dass die Menschen immer an das großherzige Geschenk des Mars erinnert würden. Auch wenn ich nicht ahnte, wer nun das besondere Schild trug, ich fühlte mich allein durch das Wissen, dass es unter jenen war, die wir feierlich trugen, auserwählt und in heiliger Ehrfurcht erhoben.
Dieses Mal zog ich den anderen voran, angetan mit der archaischen roten tunica, der trabea, dem ancilium und dem einschneidigen Hiebschwert an der Seite, denn dies war die Aufgabe des magisters, er war seit jeher der Vortänzer und Vorsänger gewesen und ging den anderen sodales voraus. So mussten einst die Krieger ausgesehen haben, die aus dem beschaulichen Städtchen Rom, dieser eins so kleinen Siedlung, eine mächtige Stadt geformt hatten, und auch dieser Aspekt des Armilustriums, die greifbare Erinnerung an unsere stolze Vergangenheit, gefiel mir sehr gut.
Als es hinter mir still geworden war, verharrte ich noch einen Moment, und gab dann mit der Hand das Zeichen zum Beginn, zog dann mein Schwert und schlug es, der Tradition entsprechend, dreimal auf das ancilium - einen Atemzug später antworteten mir die sodales mit derselben Wucht, das metallene Dröhnen erfüllte die Luft, und der Tanz begann. Ich begann den carmen saliare, laut und kräftig mit volltönender Stimme, und im Dreischritt, im Stampfen unserer Füße, im Klang der Waffen auf das Schild, zogen wir los, bezeugten einmal mehr Mars unsere Ehrerbietung und das immerwährende Versprechen, sein Geschenk zu bewahren, zum Wohle des Imperiums.