Armilustrium - Der Zug der Salier

  • Geschichtsträchtig waren viele der römischen Feiertage, doch kaum einer war so nahe an einer Berührung des Göttlichen wie das Armilustrium der Salier. Genauer gesagt, der salii Palatini, denn diese waren es, die mit mir nun die porta unserer Curia auf dem Palatin verließen, in welcher wir uns ansonsten für Planungen oder zum Üben des Tanzes einfanden. Mars schien uns an diesem Tage gnädig zu sein, denn wie schon am Feiertag des Equus October blieben wir vom Regen verschont, es war kühl, aber nicht zu eisig - aber daran dachte ich nicht, zumindest nicht in diesem Augenblick. Denn an diesem Tag trugen wir eine ganz besondere Verantwortung, und zugleich eine große Ehre:


    Jeder Salier trug ein Schild, eines der heiligen ancilia, geschmiedet in der Form einer Acht - und einer unter uns, niemand wusste, welcher es war, trug jenes besondere Schild, das einst von Mars selbst als Pfand für den Bestand des römischen Reiches hingegeben worden war, am Arm. Die Weisheit des Numa Pompilius, einem der ersten Könige Roms, hatte dieses so besondere Schild über die Jahrhunderte hinweg beschützt, denn nachdem seine Gemahlin Egeria ihm das Geheimnis des Schildes verraten hatte, hatte der Schmied Mamurius Veturius im Auftrag des Königs elf gleiche Schilde gefertigt, vom Auge nicht vom besonderen Geschenk des Mars zu unterscheiden. So wurde ein möglicher Raub und damit ein Verderben des Reiches wirkungsvoll verhindert - und nur an besonderen Tagen trugen wir, die salii Palatini, diese Schilde durch Rom, auf dass die Menschen immer an das großherzige Geschenk des Mars erinnert würden. Auch wenn ich nicht ahnte, wer nun das besondere Schild trug, ich fühlte mich allein durch das Wissen, dass es unter jenen war, die wir feierlich trugen, auserwählt und in heiliger Ehrfurcht erhoben.


    Dieses Mal zog ich den anderen voran, angetan mit der archaischen roten tunica, der trabea, dem ancilium und dem einschneidigen Hiebschwert an der Seite, denn dies war die Aufgabe des magisters, er war seit jeher der Vortänzer und Vorsänger gewesen und ging den anderen sodales voraus. So mussten einst die Krieger ausgesehen haben, die aus dem beschaulichen Städtchen Rom, dieser eins so kleinen Siedlung, eine mächtige Stadt geformt hatten, und auch dieser Aspekt des Armilustriums, die greifbare Erinnerung an unsere stolze Vergangenheit, gefiel mir sehr gut.


    Als es hinter mir still geworden war, verharrte ich noch einen Moment, und gab dann mit der Hand das Zeichen zum Beginn, zog dann mein Schwert und schlug es, der Tradition entsprechend, dreimal auf das ancilium - einen Atemzug später antworteten mir die sodales mit derselben Wucht, das metallene Dröhnen erfüllte die Luft, und der Tanz begann. Ich begann den carmen saliare, laut und kräftig mit volltönender Stimme, und im Dreischritt, im Stampfen unserer Füße, im Klang der Waffen auf das Schild, zogen wir los, bezeugten einmal mehr Mars unsere Ehrerbietung und das immerwährende Versprechen, sein Geschenk zu bewahren, zum Wohle des Imperiums.

  • Dass der Wind nicht still über der Stadt lag wie im Hochsommer, sondern in beständigem Hauch über die Hügel zog, war beinahe ideal für diesen erhabenen Tag, denn obgleich die ancilia längst nicht waren so schwergewichtig wie ein zeitgemäßes Schild der Legionseinheiten, obgleich die Rüstung sich in Grenzen hielt, so verlangte der Stampftanz den sodales, von welchen die wenigsten tatsächlich einem militärischen Dienst nachgingen, doch einiges an Anstrengung ab, so dass sommerliche Hitze unerträglich wäre gewesen. Zu Beginn der Feierlichkeit dachte jedoch noch keiner unter ihnen an den Kraftaufwand, welcher vor ihnen lag - abgesehen von Iulius Castus womöglich, welchem bereits die Füße schmerzten, noch ehe er einen einzigen Dreischritt hatte getan - stramm standen sie im Licht der glimmenden Sonnenstrahlen, die Köpfe unter den ehernen Helmen stolz gereckt, mit einer Hand das Schild haltend - ein jeder im Gedanken, womöglich jenes des Mars persönlich habhaft geworden zu sein - die andere am Schwert. Der Tag, die Szenerie schien Gracchus wahrhaft erhaben, wie an jedem Feiertag, welchen die salii zelebrierten konnte er den Glanz des Ritus förmlich vor Augen sehen, die Symphonie der Wahrhaftigkeit in seinen Ohren erschallen hören und das erquickende Prickeln durch jede Faser seines Körpers ziehen spüren. Wie ein Schlag durch sein Herz dröhnte Aquilius' Schwerthieb dreimalig auf das ancilium, wie eine einzige Klinge hoben sich die Schwerter der übrigen sodales zur Antwort, schlugen die Schilde, dass die Luft um sie herum erbebte. Drei Schritte, in ständiger Wiederholung, stampfend auf den Grund, welcher seit Jahrhunderten Besitz war des mächtigsten Volkes, welches je die Erde hattegesehen, welcher noch in Jahrtausenden die Erhabenheit dieses Volkes würde erahnen lassen, dazu das sonore Klingen der archaischen Gesänge, deren Worte wohl überliefert waren von Generation zu Generation, doch deren Bedeutung bereits in dieser Zeit weitgehend war verloren, so zogen die salii palatini stolz und erhaben vom palatinischen Berg hinab.

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  • Bereits früh am Morgen war ich wach gewesen, hatte ein stärkendes Frühstück eingenommen und den Himmel begutachtet. Obgleich die Sonne nicht von Wolken verborgen war, so war es doch ein recht frischer und damit idealer Tag für den Waffentanz, den es später am Tage zu tanzen galt. Ursus und Cotta hatten ihre Ausrüstung ein paar Tage zuvor aus dem Heiligtum des Quirinus erhalten, Pegasus besaß seine bereits. Mit der tunica picta und dem eisernen Brustschutz bekleidet, hatte nurmehr die purpurne trabea gefehlt, um uns wie waschechte Salier aussehen zu lassen. Bewaffnet mit ancile und enis waren wir schließlich guter Dinge und mit Kampfgeist im Herzen zum comitium gezogen, wo neben unseren Waffenbrüdern auch die salii palatini sich bereits eingefunden hatten. So, wie es auch zu den Anfängen gewesen sein musste, als Sabiner und Latiner ihre Heere im Kriegsfalle gestellt hatten, auf dass sie zu einer einzigen Streitmacht verschmolzen und jedwedes Übel abwandten, das die kleine Siedlung, die Rom einst war, bedrohte.


    Jeder nahm seinen ihm zugedachten Platz ein, ich selbst begab mich an die Spitze "meiner" Salier und grüßte leicht verdutzt Aquilius, welcher der neue magister zu sein schien. Doch gebot es dieser Festtag, die Verwunderung zumindest vorerst beiseite zu schieben - schließlich hatten wir einen Tanz zu tanzen! Gemeinsam mit unseren Waffenbrüdern zogen wir salii collini über das forum romanum und darab vorbei, stolz die Köpfe erhoben, ernsten Gesichtsausdrucks und feierlich schreitend. Unser erstes Wegziel war das velabrum, und als wir jenes und vielerlei auf uns gerichtete Augenpaare passiert hatten, würde nach dem forum boarium der Aventin folgen, der südlichste der sieben Hügel Roms und einer der traditionsreichen Aufführungsorte des Waffenreigens der Salier. Im Gleichschritt, das einschneidige Schwert fest in meiner Rechten und rhythmisch auf das ancilium schlagend, sang ich tieftönend und aus vollem Halse das carmen saliare.


    Schlussendlich waren wir dort angelangt, wo man den Saliern bereits einen umgrenzten Bereich zugedacht hatte. Gegenüber nahmen wir Aufstellung, hinter Aquilius sein "Heer" und hinter mir das meine. Herausfordernd glühten unsere Augen, wir wollten das Beste geben. Im Gleichtakt schlugen unsere Schwerter auf die Schilde, stampften die Füße den hartgebackenen Boden Roms. Inbrünstig schmetterten wir das carmen saliare, und auch wenn Claudius Frugi in Gedanken bereits bei der anschließenden cena saliares war und Cloelius Quadratus in der letzten Reihe einen Patzer nach dem anderen praktizierte und ab dessen bereits ebenso rot vor Scham wie eine tunica war, so konnte man doch jedem einzelnen ein gewisses Maß an Stolz ansehen.

  • Es war schon ein gutes Gefühl, zum ersten mal in voller feierlicher Ausstattung anzutreten. Er war zwar noch nicht beim Militär gewesen, doch im diesem Moment fühlte Ursus sich tatsächlich wie ein tapferer Krieger. Mit ernstem Gesichtsausdruck, der sein feierliches Gefühl gut widerspiegelte, reihte sich Ursus zwischen den anderen Collini ein.


    Neugierig blickte er sich um. Mit den salii palatini hatte er ja noch nichts weiter zu tun gehabt. Und doch erkannte er einige bekannte Gesichter unter ihnen. Ihnen voran schritt Caius Flavius Aquilius, den Ursus vom Fest her kannte. Anscheinend war er der Magister der Palatini. Hätte er sowas nicht wissen sollen? Ursus nahm sich vor, besser aufzupassen. So etwas war doch wichtig! Aquilius machte jedenfalls eine verdammt gute Figur dabei, das mußte man ihm schon lassen. Aber auch Corvinus machte sich ohne Zweifel gut.


    Stolz erhobenden Hauptes zogen sie durch Roms Straßen. Noch war da nichts schwieriges dabei und sogar Cloelius Quadratus schien damit zurecht zu kommen. Doch die Feuerprobe stand ja noch bevor. Sie hatten zwar zuhause noch gründlich geübt und eigentlich war Ursus der Meinung, daß er die Abfolge beherrschte, doch es war natürlich immer wesentlich schwieriger, wenn man es unter den Augen der Öffentlichkeit vorführen mußte.


    Doch es war ganz anders, als Ursus erwartet hatte. Der Gesang, der ihm beim Üben fast ein wenig albern vorgekommen war, klang nun stimmig und das Innere zutiefst berührend, passend zum Stampfen der Männer und zum Klingen der Schwerter, die in so herrlicher Perfektion gleichzeitig auf die Schilde geschlagen wurden. Daß Cloelius Quadratus in der letzten Reihe patzte, bemerkte Ursus gar nicht. Alle um ihn herum waren im Gleichtakt, rissen ihn einfach mit sich. Es war wie ein Rausch. Lag das wirklich nur daran, daß sie jetzt so viele mehr waren? Oder lag es an der größeren Ernsthaftigkeit als bei den Proben, an der Andacht, denn dies alles taten sie ja Quirinus und Mars zu Ehren? Auf jeden Fall lag eine ungeahnte Feierlichkeit in der Luft, die auf den Gesichtern ebenso zu lesen war wie der Stolz, hierbei mitwirken zu dürfen.

  • Schwer war der Schild, langsam Myrtilus' Schritte. Nichts hatte ihn davon abbringen können, mit seinen sodales wider besseres Wissens heute hier aufzumarschieren. Sein Leibsklave Zahir blieb stehts in seiner Nähe, denn ob jener Schwäche, die vor kurzem seine Brust beengt hatte, war zu jedem Zeitpunkt möglich, dass der alte Claudier schlicht nicht mehr weiterkonnte oder gar zusammensackte. Myrtilus selbst war indes guter Dinge. Sonst an den Stock geklammert, nutzte er das Schild dann und wann, um sich abzustützen, wenn es gar nicht mehr anders ging. Es war ihm peinlich, dass man sein Alter ihm so sehr ansah, und er hatte den neuen magister, zu dessen Ernennung er nicht einmal anwesend gewesen war wegen der Schwäche, der er anheim gefallen war, darum gebeten, dass ihm kein Platz am Rande der Prozession zugeteilt wurde. Auf diese Weise würde nicht jeder den greisen Schwächling erblicken, der er geworden war. Es war ihm zu peinlich. Allein vom Laufen mit dem schweren Schild und dem Schwert schon keuchend, bangte er ernsthaft um seine Partizipation, wenn der Tanz beginnen sollte.


    Mit Müh und Not war Myrtilus schließlich bis hierher gekommen, den Aventin hinauf und auf den Platz, an dem der magister Halt gebot. Doch ging es eben nur bis hierher, nicht aber weiter. Der Claudier strauchelte, stützte sich schwer auf das achtförmige Schild und schwankte. Ein neben ihm stehender Salier reagierte schnell und diskret, indem er den Claudier stützte. Myrtilus' Beine zitterten, sein Herz jagte im Galopp hinfort und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Zahir war flugs heran, und er war es auch, der den alten Mann aus der Truppe der Salier an den Rand führte, damit er sich auf einen Schemel setzen konnte. Myrtilus presste sich die Hand auf den Brustkorb, das beklemmende Gefühl ließ ihm seinen Atem stocken, er schwitzte, als hätte er soeben einen raschen Lauf absolviert. er bemühte sich, weder zu Atem zu kommen. Zahir verhehlte seine Besorgnis nicht. Hinter ihm tanzten die Salier und sangen unter den Augen vieler Zuschauer, doch um den Platz herum gafften ebenso zig Schaulustige schadenfroh nach dem Alten augur, der zu schwach war, um seine Pflicht auszuüben.

  • Zum Glück kannte man noch keine Dopingproben. Sonst hätte ein einfacher Test problemlos den Träger des echten Marsschildes ermitteln können, durfte der sich doch fortan über eine langanhaltende Extradosis Testosteron freuen. Da man aber eben weder Dopingproben noch Geschlechtshormone kannte, würde sich erst noch langsam per Mundpropaganda herumsprechen müssen, dass der Sacerdos vom Mars-Ultor-Tempel seit diesem Armilustrium ganz besonders fit und leistungsfähig war - in allen Belangen.

  • Sim-Off:

    Meine Güte, wird hier ein Tempo vorgelegt; kein Wunder, dass einige schlapp machen. :D


    Seitdem ich zusammen mit Ursus die Gegenstände unserer Ausrüstung aus dem Heiligtum des Quirinus abgeholt hatte, hatte ich diese kaum noch aus den Augen gelassen. Alle Pflege dieser Gegenstände hatte ich mit eigenen Händen übernommen; nicht einmal von Maron hatte ich mir dabei helfen lassen, nein, dies war des Patriziers eigene Pflicht.


    Mit Stolz hatte ich die Ausrüstung an diesem Tag zum ersten Mal angelegt, ebenso schon einige Tage zuvor die eigens angefertigten tunica picta und trabea. Dass die ungewohnte, zeremonielle Ausrüstung hier und da drückte, war schnell vergessen angesichts des erhebenden Gefühls, das uns wohl alle befiel, als wir uns am comitium mit den übrigen Collini und den Salii Palatini vereinigten wie vor Zeiten die Latiner und die Sabiner. In allen Augen sah man die gleiche Glut, selbst in den galligen Augen der Alten unter uns; allen Gesichtern konnte man den Ernst und die Feierlichkeit ablesen, die uns und diesen Tag erfüllten. Niemand aus den Reihen der Collini schien eine ausladende Begrüßung untereinander zu vermissen, und ebenso kurz fiel das Nicken aus, das ich und die anderen Aurelier den Palatini hinüberschickten, besonders den Flaviern Gracchus und Aquilius, die wir von dem Fest in der heimischen villa so gut kannten.


    Das Fest, das heute hier begangen wurde, hatte zu meiner großen Zufriedenheit viele Gäste, die längs des Weges standen, den wir nun vom Forum aus hin zum Aventin durch Roma im Gleichschritt zurücklegten. Blicke zur Seite auf die Zuschauer am Wegesrand warf ich jedoch so gut wie nie; zu sehr nahm mich die Feierlichkeit unseres Zuges und der Rhythmus des Schlagens auf die Schilde gefangen. Ab und an erhaschte ich aus den Augenwinkeln heraus das Gesicht eines Zaungastes; Neugier lag in vielen Blicken, Feierlichkeit und Andacht in anderen, in manchen aber glaubte ich auch, Belustigung zu erkennen. Unbeirrt von all dem aber setzte sich unser Zug bis hin zum Aventin fort.


    Dort angekommen, nahmen wir von Neuem unsere Formation ein. Marcus' Brustkorb hob sich merklich, noch einmal sog er Luft ein; dann gab er uns mit seinem Schlag auf sein Schild das Zeichen für den Tanz und das carmen saliare. Und was beim Üben staksig gewirkt hatte, unbeholfen, ja künstlich, das verlief in diesem Augenblick mit fast unheimlicher Perfektion und riss uns alle mit in seinen Rausch.

  • Schon in aller Frühe, es dunkelte noch, hatte Plotina an diesem Tag nach einem kurzen Gebet die Porta der Casa Sergia hinter sich geschlossen und sich auf den weiten Weg nach dem Aventin hin begeben. War sie erst noch - von den um diese Zeit üblichen Laufburschen abgesehen - ziemlich alleine auf der Straße gewesen, hatte die kühle Luft eingesaugt und das ein oder andere Blatt von den Bäumen fallen sehen, so war sie, je näher sie dem Aventin kam, von immer mehr Menschen umgeben, die entweder wie sie selbst zu diesem Hügel wollten oder aber einen Platz am Rande des Weges einnahmen, den die Salier vom Comitium auf dem Forum Romanum aus bis zum Aventin zurücklegen mussten in ihrer Rüstung heute, am Fest des Armilustrium. Plotina sputete sich wegen der Kühle, die ihr an diesem Tage schon halbwegs winterliche Züge anzunehmen schien, aber auch, um nicht noch von den zweifellos trainierten Saliern vor dem Aventin eingeholt zu werden.


    Dies gelang, denn Plotina hatte vielleicht nicht genügend bedacht, dass die Salier ja Patrizier waren und unter ihnen gewiss einige, die der körperlichen Betätigung bis auf ihre Sodalitäten-Pflichten recht entwöhnt waren. :P Rings um den Platz, an dem die Sodales ihre rituellen Tänze darbieten würden, hatten sich allerdings schon so viele Zuschauer eingefunden, dass die alleinstehende Sergierin es schwer hatte, selbst noch an einen Ort zu gelangen, an dem sie nicht nur den Gesang des Carmen Saliare würde hören, sondern auch den Tanz würde sehen können. Schließlich war ihr aber auch dies vergönnt, wenn sie dabei auch ziemlich abseits zu stehen kam.


    Nun aber kamen auch die Salier heran, denen ihre Schläge auf ihre Schilde von weitem schon als Herold dienten. Plotina stellte sich auf ihre Fußspitzen und reckte den Hals, und da! konnte sie die ersten erkennen, die sich im Gleichschritt dem Festplatz näherten. Hatten die Zuschauer auch hier im Rund bisher hauptsächlich Gespräche über Klatsch und Tratsch bewegt, so schien es der aufmerksamen Sergierin, als kehre nun doch eine ehrfüchtige Spannung ein, die noch dichter wurde, als die Salier auf dem Platz das Carmen Saliare anstimmten und mit stampfenden Schritten tanzten.


    Die ganze Zeit über war die fromme Sergierin sehr andächtig gewesen, und immer wieder lief ihr ein Schauer den Rücken hinunter. Ihren Augen entging allerdings nicht, dass einer der offenbar ältesten Teilnehmer des patrizischen Festzuges bei seiner Ankunft auf dem Platz zusammenbrach. Besorgt verfolgte sie die Szenerie, doch konnte sie mitansehen, wie man sich sofort aufmerksam um den Mann kümmerte und ihn zu einem Schemel führte, wo er offensichtlich langsam wieder Kraft zu schöpfen begann. Empört registrierte Plotina hinter sich das ein oder andere gehässige Wort aus dem Munde von Zuschauern zu dieser Begebenheit; sie selbst war im Gegenteil der Ansicht, dass jede der beiden Sodalitäten, die hier tanzten, hätte stolz auf diesen würdigen Greis sein können, der es sich nicht hatte nehmen lassen, trotz seines Alters Mars bzw. Quirinus Ehre zu erweisen.

  • Schien der Zug durch die Stadt, die kurzen Darbietungen an öffentlichen Plätzen, das langsam Portato der salischen Symphonie, so folgte oben auf dem aventinischen Hügel das wilde Stakkato, das archaisch, ursprüngliche Reigen eines sonst so beherrschten Volkes. Es war der Rhythmus, welcher jedem Manne innewohnte, seit Anbeginn der Zeit, das gewaltige Schlagen eines gigantischen Herzens, die ungeheure Kraft jedem Feind sich in den Weg zustellen, auszuziehen, als winziger Teil einer monströsen Welt diese Stück um Stück zu erobern und sich einzuverleiben. Der Schlag auf das Schild war der Schlag, welcher die Sonne jeden Morgen an den Himmel katapultierte, es war der Schlag, welcher sie jeden Abend vom Antlitz der Welt zu Schleudern wusste. Jeder dumpfe Schritt ließ die Erde unter ihnen erzittern, denn es war der Schritt Tausender und Abertausender stolzer Römer, welche auf jedem digitus der Welt bereit standen, ihre Vorherrschaft zu verteidigen, die Zivilisation den unzivilisierten, barbarischen Ländern in Grund und Boden einzustampfen. Ihre Stimmen erbebten, ließen die Luft schwingen, denn ihr Gesang trug die göttlichen Wurzeln ihrer Existenz bis hinauf in den Äther, ließ die Welt vernehmen, dass Rom die Perle der Welt und deren Zentrum war, dass die Söhne der Wölfin nichts würde aufhalten können in ihrem Drang. Schweiß lief über die Körper der Salii, durchdrang längst die Tuniken unter ihren Rüstungen, tränkte ihre Haare unter den Helmen, doch nichts konnte ihr Singen, ihr Wirbeln und Stampfen stoppen, nichts konnte den Rausch ihren Körpern austreiben, denn höchstens die Aufgabe des Körpers selbst. Gracchus sah nicht mehr die sich wie Kreisel drehenden Saliae virgines um sich, jene einst aristokratischen Jungfrauen, welche in diesen Tagen nur noch angemietete Schauspielerinnen waren, er hörte nicht mehr die sie begleitenden Bläser, er spürte nicht mehr seine Füße hart auf dem Grund. Er sah das dumpfe Schlagen der Schwerter auf den Schilden vor sich, er hörte die volltönenden Gesänge in seinen Ohren und roch den Odeur der Exhaustion der Körper, er rauschte durch eine kaskadöse Symphonie, welche sich um den magister kumulierte, um Caius herum. Wie ein leibgewordenes Bildnis des jungen Mars zog sich die Erscheinung seines Vetters wieder und wieder durch Gracchus' Sinn, die muskulösen Arme, die strammen Waden, das kantige Gesicht, auf welchem ein flimmernder Film aus salzigen Perlen lag, der perfekte Körper, welchem nichts anderes an den Leib zu passen schien, denn eben die Rüstung eines archaischen Kriegers, und er wünschte sich, dieser Tanz möge niemals sein Ende nehmen, niemals, bis dass sein Körper ohne Leben würde in sich zusammen brechen.

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  • Dem Feiertag wegen hat sich Callista früher erhoben. Aus dem weichen und warmen Bett. Das ihr selige Träume schenkt. Das Vergessen und an manchen anderen Tageszeiten auch andere Vergnügungen. Die morgendlichen Schmeicheleien ihrer Sklavin hat sie nicht abgewartet. Es war schon reichlich spät gewesen. Eilends hat sich Callista aufgemacht. Rechtzeitig erkämpfen ihr die Sklaven einen Platz. In der ersten Reihe der Zuschauer. Ihr Vater selber erscheint zum heiligen Tanze. Er wird sich sicherlich freuen. Sie unter den Zuschauern zu sehen. Aber das ist nicht der einzige Grund. Für Callistas Erscheinen. Nicht nur Greise sind unter den Saliern. Nein. Auch schöne und athletische Männer. In der Blüte ihrer Kraft. Und nichts könnte Callista abhalten. Diesen zu zu sehen. Bei ihrem traditionellen Tanz. Archaisch. Kraftvoll. Stolz. Verwegen. Alles, was die Männer noch begehrenswerter macht.
    Nicht zu lange muss Callista warten. An dem Platz, den sie sich auserkoren hat. Für ihre Admiration. Für die schönen männlichen Körper.
    Callista hat schon früher die Auftritte der Salier geliebt. Heutigentags kann sie sich für die Salierzüge noch mehr enthusiasmieren.
    "Meine Benohé?"
    Die Sklavin tritt näher an Callista.
    "Siehst Du den schönen Mann?"
    Benohé fixiert die Salier. Und weiß nicht, wen Callista dieses Mal meint. Nur ihr Vater dürfte ausgeschlossen sein. Ebenso zwei andere ältere Männer. Die den Ansprüchen von Callista nicht genügen. Auch der dürre Bursche in der hintersten Reihe. Der würde Callista nicht gefällig sein.
    "Ja, Herrin."
    Zustimmung. Mehr braucht Callista nicht.
    "Wie wundervoll sie tanzen. O wie schön. Erhaben. Edel und dem alten Blute entsprechend. Nur die Salier können diese Würde ausstrahlen."
    Den anderen Bruderschaften schenkt Callista niemals so viel Aufmerksamkeit. Die Ährenkränze wirken etwas albern auf Callista. Natürlich sagt Callista das nicht. Denkt es nicht. Immerhin sind diese auch von großer Bedeutung. Aber die Waffentänze beeindrucken Callista jedes Jahr. Sie seufzt hingebungsvoll. Kann sich nicht an den schönen Männern satt sehen.
    "Oh."
    Aquilius betrachtet Callista länger.
    "Schön ist er. Eines Marspriesters würdig."
    Sie streift über ein anderes bekanntes Gesicht. Nein. Sie betrachtet mehr die schönen Waden. Und beißt sich auf die Unterlippe.
    "Eine Schande. Dass der Aurelier stets die Toga trägt. Wenn man ihn sieht."
    Eigentlich findet Callista es auch schade. Dass dieser überhaupt etwas am Leibe trägt. Callista lächelt vergnügt. Ein drittes Gesicht wird ihr gewahr. Sie sieht den Mann länger an. Auf dem Fest hat sie ihn gesehen. Aber doch ist eine andere Vertrautheit zu spüren. Anziehend. Betörend. Callistas Brust hebt sich schneller. Unwillig schüttelt Callista den Kopf. Sie mag es nicht. Wenn sich ein Rätsel auftut. So sieht sie lieber dem weiteren Tanz zu.
    "Da möchte man flagrant eine bezahlte Tänzerin sein, meine Benohé. Wenn es sich schicken würde. Tragisch."
    Mit einem Deuten zeigt sie ihren Sklaven. Sie will den Zug noch weiter verfolgen. Und das Straucheln ihres Vaters entgeht Callista. Auch die Erschöpfung auf seinem Gesicht.
    "Herrin? Ich glaube, Deinem Vater geht es nicht gut."
    Überrascht reißt sich Callista von den schönen Männern los. Besieht sich ihren Herrn Papa.
    "Oh."
    Ein menschlicher Funken erhebt sich in Callista. Als Kind hat sie ihren Vater geliebt. Verehrt. Der Hass ist an diese Stelle getreten. Ein Quäntchen Zuneigung ist ihr dennoch geblieben. Und dieser kämpft mit dem Hass in ihr. Sucht nach Luft. Um heller zu strahlen.

  • Dass seine Tochter sich unter den Zuschauern befand, davon ging Myrtilus aus. Er hatte seinen Kindern stets verdeutlicht, dass die religio eines der höchsten Güter war, die ein Mensch römischer Abstimmung selbst dann noch zu besitzen imstande war, wenn er sonst nichts mehr besaß. Und doch wünschte er sich in jenem Moment, er hätte mehr Atem als Pflichtgefühl, denn das Luftholen fiel ihm unsäglich schwer. Der nubische Zahir hatte sich neben den Claudier gehockt und sah besorgt zu ihm auf. Myrtilus selbst hatte die Augen geschlossen und schnappte flach nach Luft. Ganz käsig war er im Gesicht, und der Schweiß perlte von seinen Runzeln. Zahir fingerte an dem aeneum tegumen herum, der pileus lag bereits mit ancile und enis neben dem Schemel des alten Mannes auf dem Boden. "Herr, du brauchen Medizinmann!" bellte Zahir, als er auch noch die letzte Schnalle des Harnisch löste. "Zahir..lass gut...sein", brachte Myrtilus hervor und machte eine abwehrende Geste. Der schwarze Sklave ignorierte den Widerspruch und richtete sich zu voller Größe auf und hob die Hände trichterförmig an den Mund.


    "Medizinmann wir brauchen!" brüllte er und übertönte damit sogar das rhythmische Klopfen der Salier und ihre Gesänge. Myrtilus war die ganze Angelegenheit nur peinlich, doch erwiderte er nichts, da ihm dazu schlicht der Atem fehlte. Sein Herz raste weiter dahin, als wollte es einen Wettlauf mit dem Tod gewinnen.

  • Hinter mir entstand Unruhe - aber was auch immer es war, wir durften nicht innehalten, es wäre einem folgenschweren Frevel gleich gekommen, die rituellen Tänze zu unterbrechen, mit denen wir an diesem Tag Mars ehrten. Für einige Momente lang war meine Konzentration auf den Dreischritt gestört, aber ich geriet nicht aus dem Rhytmus, dafür hatten wir zu viel geübt, dafür kannte ich all dies zu gut - irgendwann dachte man nicht mehr darüber nach, man tat es einfach. Den Rufen zufolge war etwas mit einem meiner sodales geschehen, dennoch, ich durfte den Kopf nicht wenden, musste weiter allen voran gehen, den Gesang in keinem Augenblick unterbrechen, wie es Pflicht und Brauch zugleich war.


    Diese Momente waren die quälendsten, die ich in der letzten Zeit durchstanden hatte, denn die Ungewissheit über das Geschehene und der Zwang, mich darum nicht kümmern zu dürfen, mischten sich zu einem drückenden Gefühl der Pflichtlosigkeit einem sodalis gegenüber, und ich würde meine Pflicht an Mars verletzen, würde ich mich darum kümmern. Als das laute Gebrüll nach einem .. Medizinmann ... sich erhob, konnte ich für einige Momente aufatmen, es schien Hilfe zu geben, und es gab Leute, die sich kümmerten. Mehr hätte ich auch nicht tun können - und schon trugen uns unsere Schritte fort, immer gemeinsam mit den anderen, Schritt um Schritt, Schlag um Schlag.


    Die Gesichter in der Zuschauermenge verschwammen um mich herum, und ich gab mich wieder dem fordernden, gleichförmigen Takt hin, wissend, dass auch die anderen Salier nun mit uns zogen. Irgendwo unter ihnen waren Marcus Aurelius Corvinus und seine Vetter, aber ich sah sie nicht, sah nur den vor uns liegenden Weg und die Schritte, die noch zu tanzen waren. Rauh war der Klang aus den vielen Kehlen, das gemeinsam gesungene carmen saliare, uralt, traditionell und so sehr vom wahren Wesen Roms sprechend wie keine sonstige Tradition. Nichts kam dem Zug der Salier gleich, und wie es war, war es vollkommen. Ich atmete tief durch, denn ich spürte die Anstrengung in meinen Muskeln deutlich, wohl wissend, dass es längst noch nicht vorüber war, dass wir noch ein großes Stück Wegs vor uns hatten, das bewältigt werden wollte. Der Schild war schwer, die Waffe zu heben und den gleichförmigen Schlag gegen den Schild zu führen ebenso, dieser süße Schmerz der Anstrengung pulsierte bei jedem Schritt durch meinen Körper.


    So war es immer gewesen, so würde es immer sein, bis ich aus dem Leben und damit aus dem Verbund der Salier ausscheiden würde - das Wirbeln der Jungfrauen nahm ich nicht mehr wahr, dachte nicht nach, ich tanzte den Rhytmus des Kampfes, ein Schritt, ein Schmerz, Müdigkeit in den schwer werdenden Gliedern, aber aufgeben kam nicht in Frage, egal, wie lange der Tanz dauern würde, wir tanzten ihn, als letzte Pflicht an Mars, dem Beschützer unserer Stadt, des römischen Reichs.
    Und mit einem Mal war der Schmerz weg, fortgeblasen, wie es immer war, wenn der Körper warm geworden war, sich auf die Belastung eingestellt hatten - und weiter zogen wir, singend, tanzend, schwitzend, wie die Krieger es einst getan hatten, um Rom zu wahrer Größe zu führen.

  • Einem Fisch auf dem Trockenen. So dünkt in dem Moment Callista. Ihr Mund öffnet sich. Schließt sich. Und öffnet sich erneut. Erschrocken hält sie die Luft an. Ihr Vater ist welk geworden. Das hat Callista durchaus bemerkt. Mit Degout. Aber der Anblick schockiert sie. Schon als Kind hat sie daran geglaubt. Ihr Vater ist unsterblich. Er wird immer da sein. Solange auch Callista auf Erden wandelt. Dieses Ringen mit dem Tod. Mit dem Alter. Es zerstört Callistas Illusion. Und rückt den grausamen Segen Plutos näher an ihr Bewusstsein. An ihr eigenes Leben. Ihre Unterlippe erzittert. Starr bleibt sie stehen. Verfolgt den weiteren Zug der Salier nicht mehr. Besieht die anderen schönen Männer nicht.
    "Pater."
    Ein Hauchen. Die Flamme lodert ein Quäntchen höher. Tränen treten ihr in die Augen. Für sie selber gemeinhin. Aber dieses Mal auch einige Wenige für ihren Vater. Erstaunt wirkt Benohé. Callista bemerkt es nicht. Schon eilt sie auf ihren Vater zu. Die kleine Patrizierin drängt sich energisch durch die Nachzügler. An Gaffern vorbei. Sie gleitet neben ihrem Vater auf den Boden. Das kostbare Gewand wird beschmutzt. Es ist Callista gleichgültig. Ihre Finger ergreifen die Hände ihres Vaters. Kalt sind ihre schmalen Finger. Aber noch kälter erscheinen ihr die schwieligen Hände ihres Vaters.
    "Pater meus."
    Sie presst seine Hand an ihre Wange. Blass ist diese. Vom Schrecken. Hilfe suchend. So sieht Callista zu dem Sklaven von Myrtilus. Dann zu Benohé. Die einem Schatten gleicht. Hinter Callista steht.
    "Einen Medicus. Schnell, Benohé."
    Geschmeidig gleitet Benohé in die Reihen der Zuschauer.


    "Pater. Es wird alles gut."
    Was tue ich da?
    Wenn er stirbt. Dann bist Du ihn los, Callista. Dann kannst Du alles tun. Wozu Du Lust hast.
    Traun. Aber...
    Die Stimmen verstummen. Im Angesicht des Zwiespaltes. Hass kämpft gegen die kindliche Zuneigung. Tränen rinnen über ihre Wangen.


    Die Entscheidung wird ihr abgenommen. Ein grauhaariger Grieche tritt hervor. Hinter der Sklavin.
    "Einen Medicus hast Du gerufen?"
    Ein Blick. Der Hellene erkennt die Faktizitäten. Zu Benohé gewandt.
    "Besorge eine Sänfte, Serva. Lasse sie bis hierher bringen."
    Sanft drängt der Grieche Callista zur Seite. Greift nach einer Tasche.
    "Einen Becher. Mit Wasser."
    An Zahir sind die Worte gerichtet. Oder auch an Callista. Benohé hat sich in die Menge begeben. Um die Sänfte der Callista zu holen. Nicht lange und der Medicus erhält den Becher. Callista kniet weiter neben ihrem Vater. Hält die Hand fest. Einem rettenden Anker similär. Ängstlich sieht sie zu ihrem Vater hoch. O, wenn er sie doch beruhigen würde. Sagen. Dass es ihm schon gut gehen wird. Bis in alle Ewigkeit.
    Dunkle Tropfen vermengen sich mit dem klaren Wasser. Der Medicus verrührt den Trank. Reicht ihn an Myrtilus.
    "Trink dies. Das wird Dir gut tun."

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    Mit einem gewaltigen Schlag, als die Schwerter der sodales auf die Schilde krachten wie ein einziges, endete die Darbietung der salii collini und salii palatini auf der Kuppe des aventinischen Hügels. Mit glasigen Blicken standen die Tänzer auf dem Platze vor dem Altar, ihre Bäuche hoben und senkten sich unter den Rüstungen, manch einer schnaufte hörbar, Schweiß lief unter den Helmen hervor, ließ Schläfen und Stirne glänzen. In gänzlicher Frische strahlte dagegen das Antlitz des Pontifex, welcher vor dem Altar nun seine Arme ausbreitete, um nicht nur die salii, sondern alle Soldaten des römischen Imperium in ihrer Gesamtheit zu umfassen.
    "Soldaten Roms! Am heutigen Tage seid ihr versammelt, um die Reinigung der Waffen anzunehmen, stellvertretend für jeden einzelnen römischen Soldaten im gesamten Imperium Romanum und darüber hinaus! Am heutigen Tage gilt euer und unser Dank dem unsterblichen Mars, stellvertretend für den Dank jedes einzelnen römischen Soldaten im gesamten Imperium Romanum und darüber hinaus!"
    Hinter dem Pontifex reihten sich Ministri auf, in je einer Hand Schalen mit glühenden Kohlen balancierend, die andere bereit in einem Beutel an den Gürteln der Tuniken voller Weihrauchkörner stecken.
    "Mars aeternus, höre unsere Worte, blicke herab auf unsere Bitte!"
    Die Ministri setzten sich in Bewegung, begannen die sodales in einem rechtswendigen Kreis zu umrunden, dabei die Räucherkörner auf die heißen Kohlen zu streuen, so dass bald ein graufarbener Nebel um die Salier herum wehte, langsam sich zum Himmel hin aufmachte.
    "Mars aeternus, wie es Dir zusteht, so sagen wir Dank am Ende des kriegerischen Jahres, so bitten wir um Deine Gunst, dass Frieden unser Reich überziehe, dass unsere Soldaten Zeit finden zur Regeneration, dass unser Heer erstarke für den nächsten Angriff!"
    Ein Schwein wurde heran geführt, mit Kupferpartikeln rotfarben eingefärbt, ihm hernach ein Schafsbock in natürlichem Rotbraun, gefolgt von einem jungen Stier, dessen rotfarbenes Fell man ebenfalls hatte mit Kupferpartikeln aufgewertet. Geschmückt waren sie allesamt, wie der Ritus des Opfers dies gebot, die Hörner von Bock und Stier vergoldet, ebenso die Hufen, Stier und Schwein mit dorsule über dem Rücken und rotfarbene und weiße Binden um den Kopf des Rindes. Die Tiere wurden durch den Pontifex dem Mars gebührend durch Wein und mola salsa geweiht, sodann trat jener von den Opfergaben gefolgt die Umrundung der salii an.
    "Pater Mars, wir bitten Dich inständig, Du mögest gnädig sein und geneigt gegenüber Rom, dem römischen Heer und seinen Soldaten, aus welchem Grund wir heute Suovetaurilien um die Streiter Roms führen, damit Du sichtbare und unsichtbare Mängel, Verheerung, Unheil und Schmutz aufhalten, verhüten und abwenden mögest und damit Du Makel nimmst von Rüstung und Waffen der tapferen Krieger, welche in Deinem Namen die Feinde des Imperium Romanum niederstreckten, sie von Niedertracht und Bosheit säuberst und ihnen neue Stärke und Glanz einverleibst, damit Du Deine Söhne führst, und wohl erhältst uns, dem römischen Volke, zu unserem Schutze und unserem Wohl, aus diesem Grunde, unser Heer zu entsühnen und das Lustrum durchzuführen, wie ich gesagt habe, sei durch diese Suovetaurilien von noch säugenden Tieren verherrlicht: Pater Mars, sei aus diesem Grunde durch die Suovetaurilien verherrlicht!"
    Um das kleine, symbolische Heer herum geführt, wurden die Tiere nebeneinander aufgereiht, die Opferschlächter hielten sich bereit, auf ein Zeichen des Pontifex ihre Kehlen zu durchschneiden oder im Falle des Stieres die Halsschlagader mit dem wuchtigen Schlag eines Beiles zu durchtrennen. Stille kehrte ein, ein dreifaches "Age?" wurde gesprochen und dies durch den Pontifex bestätigt durch jenes obligatorische, so oft in Rom vernommene "Agone.". Blut schoss aus den Kehlen, wie in einer kleinen Kaskade aus dem Stier, dem Schwein, dem Schafsbock, plätscherte hinab in goldene Schalen und als jene gefüllt waren über deren Rand auf den steinernen Boden. Mit filigranem Schnitt wurden hernach die Leiber geöffnet, die Eingeweide entnommen und zur Begutachtung dem Pontifex vor gelegt. Kaum war die litatio eine Frage, doch hatte es den Anschein, als würde jener sich intensiv mit den Innereien der Tiere befassen und womöglich tat er dies, nur um das tatsächliche Ergebnis in später viel kleinerer Runde mitzuteilen, während vor den versammelten Bürgern Roms, vor den Verbänden der salii collini und salii palatini indes er alsbald lauthals verkündete:
    "Litatio!"
    Die Reinigung war somit geglückt, der symbolischen Beendigung der Kriegszeit stand nichts im Wege, obgleich wohl alle Anwesenden sich dessen waren gewahr, dass der Krieg in Parthia nicht würde ruhen, auch im Winter nicht.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

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