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Gaudium spiegelt sich in den braunen Augen des Knaben wieder. Als der Zauberer die mit den Lippen geformten Worte in Laute und Töne fasst. Die auch Nero verstehen kann. An seinem Daumen kann er nicht mehr Nuckeln. Er ist aufgeregt wegen all dem, was der Zauberer ihm offenbaren kann. Aber gleichmütig, was die Empörung der jungen Tilla angeht.
"Doch. Vögel sind Dinge. Weil man sie kaufen kann. Alles, was man kaufen kann, ist so."
Nero nickt bestimmt.
"Natürlich sind sie kostbar. Wenn sie teuer sind. Dann macht man sie nicht einfach so kaputt. Tiere sind nicht wie Du und ich. Wir sind Menschen. Die Götter haben uns gemacht als etwas ganz besonderes. Tiere sind nicht so. Ihnen fehlt dieses Dingsbums in sich. Ich weiß nicht mehr wie das heißt. Mein Onkel hat mir das mal erklärt. Aber ich hab es vergessen."
Etlich entschuldigend wirkt das lieblich süße Gesicht des Knaben. Nicht weil er den Tod der Tiere bedauert. Sondern weil er sich nicht entsinnen kann, was ihm sein Onkel erzählt hat. Dabei versucht er alles zu behalten. Er hört gerne seinem Onkel zu, der so viele kluge Dinge weiß. Den Sinn ihrer weiteren gehauchten Worte kann er nicht enträtseln, da der Zauberer nicht für ihn übersetzt. Stumm betrachtet er ihre Lippen, die Wörter formen. Unverstanden. Unerkannt. Deswegen tut er das, was den Erwachsenen stets gefällt. Er lächelt und guckt sie in extenso unschuldig an. Es hilft. Er wird gleich darauf umarmt. Zufrieden glimmt es in seinen Augen.
Nero streckt den Kopf aus dem Umhang.
"Ja. Zeige es uns."
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Seine Hände, die auch von Narben gezeichnet sind, greifen nach der Kohleschale. Sie stellen sie in die Mitte des Zeltes. Zwischen Nero, Tilla und den Zauberer. Isbu faltet die Hände auf seinem Schoß.
"Das sein nicht billig. Du können zahlen?"
Nero zieht die Luft ein und nickt stolz. Endlich jemand, der sein Geld auch für ein Geschäft annimmt. Ihn ernst nimmt.
"Natürlich."
Selbstgefällig klingt seine Stimme. Er greift in seine Tasche und holt einen Sack aus Leder hervor.
"Wie viel kostet es?"
Isbu sieht auf den Beutel, der prall gefüllt scheint. Seine Unterlippe schiebt sich über die Oberlippe. Er zieht sie zurück.
"Fünfzig Sesterces."
Silberne Münzen werden auf den Teppich gelegt. Zehn. Zwanzig. Neros kleine Finger zählen sie sorgfältig ab. Zählen kann er schon lange. Und sogar weit über hundert hinaus. Isbu betrachtet wohlwollend den wachsenden Haufen. Seine dunkle Hand will nach dem Geld greifen. Doch schnell legt Nero die Seinigen darüber.
"Nein. Erst wenn Du es uns gezeigt hast."
Streng ist das Antlitz des Jungen. Isbus Lippen umspielt ein ergötztes Lächeln.
"So sei es."
Ein Tuch fällt vor den Eingang. Nun wird es vollkommen finister in dem Zelt. Die Kohle wirft ein rotes Licht über die Gesichter der Drei. Isbu greift in einen Sack und wirft ein gelbliches Pulver in die Kohle. Dichter Rauch steigt auf. Intensiv ist sein Odeur. Durchdringend in der Nase. Nero hustet und blinzelt einige Tränen hinfort. Die ihm das Bild des Zauberers verschwimmen lassen. Nebulös ist der Zauberer Isbu hinter all dem Rauch zu sehen.
Seltsame Worte mischen sich in Tonkunst. Piano, die von einer hellen Flöte stammt. In einer fremden Sprache wispert Isbu. Hebt die Stimme an, senkt sie beschwörend ehe er in das Latein zurück fällt.
"Dis Pater. Aita. O ihr Unsterblichen der Unterwelt."
Isbu wechselt in das Demotische. Klangvoll sind die Beschwörungen. Aber unverständlich. Seine Hand schwebt über dem Kohlebecken. Den toten Vogel auf der Innenfläche tragend. Immer mehr von dem gelben Rauch steigt auf. Füllt das Zelt. Lässt den Sinnen seltsame Bilder erscheinen. Nero drückt sich fester an Tilla und haucht leise.
"Die Götter. Der Unterwelt. Spürst Du sie?"
Nero erzittert. Eine rote Flamme lodert nach oben. Die Flöte spielt hektischer. Das Gemurmel von Isbu wird drängender. Isbu legt die andere Hand über den Vogel. Erneut flammen die bunten Feuerzungen nach oben. Scheinen nach Isbu zu greifen, doch sie verzehren ihn nicht.
Ex abrupto öffnet er seine Hand und ein Vogel erhebt sich. Fliegt nach oben. Piepst erschrocken. Prallt gegen die Zeltdecke und flattert wild im Zelt herum. Bis er auf dem Boden landet und ängstlich sich tot stellt. Nur das schnelle Herz sieht man unter dem Gefieder pochen. Rasend. Eilend.
Nero starrt erstaunt auf den kleinen Singvogel.
"Wie hat er das gemacht?"
Ein Hauchen. Nero traut sich nun nicht mehr unter den Umhang zu dem Zauberer zu sehen.