Archiv der alten Casa | Hortus, Säulengang, Culina

  • Gabriel kam sich vor wie ein Vollidiot. Und früher hätte er das auch alles viel lockerer weggesteckt, doch er hatte sich seit den zwei Überfällen wohl mächtig verändert, so sehr, dass er sich manchmal selbst nicht wieder erkannte. Und er war seltsam dünnhäutig geworden, etwas, was so gar nicht zu ihm passte und was er hasste.
    Und so lange war das alles schon her?? Es kam Gabriel deutlich kürzer vor, aber vielleicht täuschte er sich auch nur, denn seit der schweren Kopfverletzung hatte sich irgendwie alles verändert.


    Und nun stand er vor der einzigen Frau, mit welcher er gerade einmal eine einzige Nacht verbracht hatte, eine Nacht, die hätte schöner sein nicht können, nach all den Jahren der Abstinenz.
    Und er hatte sein Herz an sie verloren, doch nun hatte sie ihn auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht. Und er hatte sich vollkommen dämlich verhalten, weil sein verdammter Stolz gekränkt war. Vielleicht kam aber eben auch wieder mal einfach nur alles zusammen. Ein Tiefschlag nach dem nächsten, irgendwie zehrte dies an Gabriels Nerven.
    Er hatte weder in der Zeit, als er ein Sklave war noch als Freier Mann wirklich tiefe Freundschaften gehabt. Gut, da waren einige sehr nette Menschen, die er getroffen hatte, aber dennoch fehlte ihm soetwas wie Freundschaft oder Familie, auch wenn Falcos Familie hinter ihm stand, so richtig freundschaftlichen Kontakt wie zu Falco hatte er zu den anderen nicht aufgebaut. Es lag wahrscheinlich an ihm selber und an seinen zwei langen Krankenhausaufenthalten.
    Und so lauschte er mit ernster Miene Medeias Worten und es schien ihm, als würde er neben sich stehen und innerlich lachte er über sich, über die Art und Weise, wie er sich da stehen sah: Mit leicht hängenden Schultern und noch kleinen Blessuren im Gesicht. Vor allem aber erschreckte ihn seine Mimik: Ernst und ein wenig traurig.


    Und so gab sich Gabriel einen Ruck, straffte seine Schultern und ein Lächeln erschien in seinem Gesicht, welches aber nicht von langer Dauer war, denn plötzlich tauchte die Frau im schwarzen Gewand auf, welche neben Medeia auf der Bank gesessen hatte, als man Gabriel in den Garten geführt hatte. Und es war der eiskalte Blick und die spöttisch gesprochenen Worten, die sein Lächeln für einen Moment verblassen liessen. Ja, er war heute etwas zu dünnhäutig, denn er nahm dies als persönlichen Angriff auf sich wahr. So wie er im Moment wohl jeden wahrnahm, der ihn nur schief anblickte.
    Seine Augen verengten sich leicht und er zeigte der Frau deutlich seine Abneigung, auch wenn er nichts sagte und sie bald darauf verschwand.
    Eigentlich wollte er erst etwas zu Medeias Worten sagen, doch nun grinste er, allerdings eindeutlich falsch und leicht bitter stiess er hervor: »Reizenden Besuch hast du dir da in dein Heim geholt ...«
    Er blickte der Frau noch nach, bevor er sich wieder der Frau zu wandte, deren Anblick eigentlich immer sein Herz höher schlagen liess, doch nun musste er sich zusammen reissen.
    Und so sprach er aufrichtig, aber leicht distanziert, da er sich selber schützen musste vor zu viel Emotionalität: »Ich möchte mich noch einmal ausserordentlich entschuldigen, wenn ich dir zu nahe getreten war und auch für mein recht unangemessenes Auftreten. Und nein, ich halte dich nicht für gefühlskalt. Und ja, ich habe mich verliebt, ich Dummkopf!« Ein schwaches Lachen war zu erkennen und Gabriel lies seinen Blick gedankenverloren über den Garten schweifen, dessen Herrlichkeit er jedoch nicht wahr nahm.
    »Vielleicht habe ich mich tatsächlich verändert und glaub mir, besonders glücklich bin ich damit nicht.« Wieder kam ein leicht falsches Lachen, als wolle er seine Schwächen überspielen, was eigentlich auch nicht seine Art war. Vorhin, als Medeia sein Kinn umfasst hatte, da genoss er diese zärtliche Berührung und auch jetzt sogar noch sehnte er sich nach der Frau, die er begehrte. Doch sie wurde sicherlich von vielen begehrt und auch wenn ihre Worte über ihn aufrichtig klangen, so ging Gabriel davon aus, das er eigentlich doch nichts besonderes in Medeias Leben war. Doch wie auch immer: Er rückte ab von seinem verletzten Stolz, denn so reagierten die meisten Menschen. Und auch wenn Gabriel sich etwas vorgemacht hatte und ihn der Ärger darüber schmerzte, so nahm er alle Kraft zusammen kämpfte gegen seine Traurigkeit an.


    »Ich nehme dein Angebot mit Dank an, Medeia!« Er klang sehr aufrichtig und meinte es auch. »Ein bisschen Reden kann nicht schaden, nach so langer Zeit.«
    Und dann konnte er seinem Drang nicht wieder stehen, hob seine Hand und strich Medeia eine rote Locke aus der Stirn, eine zaghafte Geste, die aber auch bedeuten sollte, dass er sie immer noch mochte und ihr in keinster Weise böse war.


    Und auf die Frau, welche Medeia angesprochen hatte, würde er dann demnächst eingehen.



    edit: Betreffszeile eingefügt + letzter Satz neu

  • Oje... Commodus sprang auf, als der Krug mit einem lauten Krachen zerbrach. Er hatte alles mitbekommen, aber nicht zeitig genug reagiert. Irgendwie war es eine von diesen Situationen, in der man etwas kommen sieht, aber nicht daran denkt, zu handeln. Er musste lächeln, als Olympia klagte, sich über ihre... Unachtsamkeit beschwerte.
    "Warte, lass mich dir helfen"
    sagte er und entledigte sich der Paenula. Er hob einige Splitter auf, warf sie in den Korb, als ihn der Aufschrei Olypia's aufsehen ließ. Entweder war sie wirklich so ein Pechvogel oder einfach nur woanders mit ihren Gedanken.
    "Ich bleibe nur ein paar Tage hier. Morgen oder spätestens übermorgen muss ich zurück, der..."
    er sah sich um, ob sie nicht belauscht wurden und sprach leiser
    "... der Römer erwartet mich in Kürze zurück. Ich lebe aber nicht in der Legio"
    sagte er dann, musste lächeln, als sie nuschelte.
    "Mein Herr hat eine Insula in der Stadt angemietet. Dort lebe ich, kümmere mich um die Unterkunft und na ja... ab und zu schickt er mich mit einem Auftrag, Briefe zuzustellen. Ich war sogar schon in Germania. Eine öde Gegend, das kann ich dir sagen. Nur Wald und sonst nichts. Voller menschenfressender Wilder und Barbaren. Nachts spuckt es hinter jedem Baum und Räuber und Banditen ziehen umher, plündern und morden jeden, den sie in die Finger kriegen können...
    natürlich war das übertrieben, wenn nicht gar gelogen.
    "Und dann ich alleine mit meinem Pferd unterwegs. "Commodus..." hatte mein Herr zu mir gesagt "... ich verlass mich da auf dich". Tja, was soll man da machen, da willst du den Herrn natürlich nicht enttäuschen, nicht wahr. Also ziehe ich weiter, trotze allen Gefahren und überbringe den Brief. Wenn ich weiter so mache, wird er mir sogar eines Tages die Freiheit schenken... zumindest sagte er das einmal"
    jetzt erst merkte er, dass er plapperte. Commodus verstummte, sah Olympia an, musste lächeln.
    "Soll ich mir das mal ansehen?"
    sagte er und deutete mit einer leichten Kopfbewegung an, dass er ihre Schnittwunde am Daumen meinte.

  • „Die Freiheit?“ Olympia sah Commodus für einen Moment ganz erstaunt an. „Das klingt doch großartig.“ Sie lächelte und zog ihren Daumen wieder aus dem Mund, der auch kaum noch blutete. Schnell wischte sie sich ihre Hand an ihrer langen Tunika ab und hatte wohl wieder zu ihrer unbekümmerten Fröhlichkeit vom Anfang und von dem kleinen Malheur wieder gefunden. Bei den Erzählungen über das barbarische und fürchterliche Germanien hatte sie angemessen geschaudert und sah Commodus mit dem Ausdruck an, dass sie ihm jedes Wort so abkaufte und für bare Münze hielt. „Oh ich kenne einen einzigen richtigen Germanen. Ja, der erschien mir auch recht ungestüm zu sein. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er ein Räuber in seiner Heimat ist und hinter den Bäumen den armen Römer...auflauert!“ ...Römerinnen wollte sie schon sagen. Stattdessen errötete sie leicht und griff nach dem Brett mit dem Essen.


    Unter dem Herd glühten die Holzscheite und erhitzten die Fläche darüber. Olympia warf das Essen in eine große gusseiserne Pfanne. Mit einem Holzlöffel rührte sie das Essen langsam um und wandte sich an eine Getreidemühle, um ein paar Körner und Nüsse darunter zu zermahlen. Mit einer Hand drehte sie die Steinplatte darüber. An der Seite fielen die gemahlenen Körner herunter und sie warf sie zu dem brutzelnden Essen. „Und weißt Du schon, was Du machen willst, wenn Du frei bist? Ich meine, ich hätte keine Ahnung.“ Sie lächelte und zuckte mit der Schulter. „Wahrscheinlich würde ich das Gleiche danach tun. Ich kenne ja nichts anderes!“ Just in dem Moment kam Pumilus in die Küche. Als er Olympia und Commodus in einem Raum entdeckte, kniff er seine Augen misstrauisch zusammen. Mit zusammengepressten Lippen trat er auf Commodus zu. Mürrisch reichte er ihm einen Papyrus. „Das ist von meiner Domina. Der Brief an Deinen Herren!“



    An Lucius Artorius Avitus
    Centurio Legio Prima
    Mantua



    Mein lieber Neffe,


    mit Freude habe ich heute Deinen Brief von Deinem getreuen und sehr höflichen Sklaven entgegen genommen. Auch ich habe es sehr bedauert, Dich nur kurz auf dem Fest der Vinalia Rustica gesprochen zu haben. Scheinbar wollen die Moiren unsere Lebensfäden immer nur kurz und sehr launig überkreuzen, mal in Rom und dann wieder in Germania. Dass Du Germania vermisst kann ich mir gut vorstellen. Zwar waren meine Besuche dort meist mit sehr viel Arbeit verbunden und ich konnte dem Land wenig Reiz abgewinnen, doch habe ich durchaus auch die Schönheit der Natur dort erfahren und die Freundlichkeit so manch eines der, wie meine Landsleute wohl sagen würden, Barbaren und Germanen kennen gelernt. In mancher Hinsicht habe ich mein Urteil über diese Menschen revidieren müssen, sind sie doch nicht alle so naiv und ungebildet, wie sich das die meisten Griechen vorstellen. Doch bist Du nicht auch froh darüber dem unwirtlichen Leben dieser Provinz entkommen zu sein und jetzt in einer berühmten Legion dienen zu dürfen? Oder ist es gerade der Mangel an Kampf und Beutemöglichkeiten, die den Dienst in Italia weniger reizvoll macht?


    Das Leben hier in der Casa ist in den letzten Wochen wieder sehr beschaulich geworden. Corvinus und Hypathia sind abgereist. Doch ein weiterer Cousin von Corvinus ist nach Rom zurück gekommen, Artorius Tacitus ist sein Name. Ich kenne ihn auch noch aus der Zeit von Athen, wuchs er doch mit Marcus und Decimus gemeinsam wie ein Bruder auf, zumindest erschien mir das so, wie ich es aus Schilderungen erfahren habe. Damals kannte ich alle drei jedoch noch nicht. Mein Amt des Aedils nähert sich langsam dem Ende entgegen. Unfroh darüber bin ich nicht, habe ich doch gerade während der Zeit der Ludi gemerkt, wie wenig erfreulich so manche Aspekte des Aedilamtes ist. Aber ich möchte mich nicht darüber beklagen, denn missen möchte ich diese Zeit auch nicht, die immer wieder eine große Herausforderung war. Ob ich jene auch meistern konnte, dass werde ich wohl erst bei meiner Res Gestae erfahren.


    Doch gleich darauf, mein lieber Neffe, geht es auch für mich Richtung Norden. Ich möchte es Dir schon gleich ankündigen, da ich gedenke, nach Mantua in nächster Zeit zu kommen. Immerhin gibt es nun drei Männer in Mantua, die ich gerne besuchen möchte. Zum einen natürlich Dich, um endlich mal die Zeit zu haben, um mit Dir alleine ein längeres Gespräch zu führen. Dann möchte ich auch unserem Patron wieder meine Aufwartung machen. Und schlußendlich, Du wirst vielleicht darüber etwas überrascht sein, möchte ich Deinen Primus Pilus besuchen. Während Deines letzten Besuches kam es zwischen ihm und mir immer wieder zu angenehmen Begegnungen. Mir scheint sogar, dass er ernstere Absichten hegt. Doch dazu mehr, wenn ich in Mantua bin. Und bitte, verrate Deinem Primus Pilus nichts von meinem Kommen. Es soll eine kleinere Überraschung sein.


    Somit verbleibe ich in der Hoffnung, Dich baldig persönlich zu sprechen. Mögen die Götter übr Dich wachen, Lucius.


    Deine Tante
    Medeia

  • "Hm"
    gab Commodus nachdenklich von sich. Das war eine gute Frage, die Olympia gestellt hatte. Er hatte so viel davon geträumt, die Freiheit zu erlangen, dass er bis dato noch nie darüber nachgedacht hatte, was er mit ihr anstellen würde. Er hatte wahrscheinlich beste Voraussetzungen, um als Tabelarius Dispositus zu arbeiten, aber eine solche Beschäftigung erschien ihm als nicht sonderlich verlockend. Ohnehin war die 'Freiheit' im Moment nicht mehr als ein Wunschtraum. Wer konnte schon sagen, ob der Artorier wirklich sein Wort hielt.
    "Ich denke, ich lasse es drauf ankommen und sehe dann, was sich mit der Freiheit anstellen lässt. Mir wird schon nicht Bange"
    gab er schulterzuckend zurück. Was Olympia mit 'das Gleiche' meinte, erschloss sich ihm nicht so recht, da er nicht wusste, was alles zu ihren Aufgaben hier in dem Haushalt der Artorier zählte, so dass er nachhacken wollte.
    "Und was..."
    weiter war er mit seiner Frage nicht gekommen, da im selben Moment Pumilus eintrat.


    Commodus warf dem kleinwüchsigen Sklaven einen fragenden Blick zu, setzte dann aber wieder eine unbeeindruckte Miene auf. War das etwa Eifersucht, dass Pumilus plötzlich wie ausgewechselt schien... Commodus nahm den Brief entgegen, ein "danke" folgte, dann steckte er den Brief in seine flache Ledertasche.

  • Mit verschränkten Armen musterte Pumilus Commodus. Der fremde Sklave hier in der Culina mit seiner Olympia? Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und er biss sich auf die Unterlippe. Olympia wandte dem kleinen Mann betont gleichgültig die Schulter zu und kümmerte sich um das Essen, was in der großen gusseisernen Pfanne vor sich hinbrutzelte. Pumilus zog einen Hocker heran, er hatte wohl beschlossen Anstandsdame zu spielen, und musterte unentwegt Commodus. Dabei bemerkte er nicht, wie Olympia sich umdrehte und mit einem Lächeln die Augen verdrehte und auf Pumilus deutete. Dann zwinkerte sie Commodus gut gelaunt zu und holte einen tönernen Teller hervor und schaufelte eine große Portion von ihrem gekochten Essen heraus, schnitt ein großes Stück vom grobkörnigen Brot ab und stellte das Essen von ihm. „Bene tibi sapias!“ wünschte sich ihm lächelnd. Pumilus wandte ganz langsam seinen Blick von Commodus ab. „Olympia. Die Herrin braucht Dich, hab ich ganz vergessen. Sie will ein Bad haben und Du sollst das Feuer entzünden.“


    Misstrauisch musterte Olympia Pumilus und nickte dann. Sie warf Commodus noch ein freundliches Lächeln zu ehe sie die Küche verließ. Heftig räuspernd sah Pumilus wieder zu Commodus und seine Nasenflügel bebten leicht. Ha, jetzt würde er zeigen, wer der Mann im Haus war. Natürlich er, Pumilus. Es war ja sonst keiner, oder fast keiner, im Haus und er fand, er müsste die Rolle übernehmen. „Du!“ Er hob seine Hand und seinen kleinen Zeigefinger Commodus entgegen. Es sollte vielleicht drohend wirken, aber es war eher ein wenig drollig wie er sein Gesicht verzog. „Dass wir uns gleich richtig verstehen, Olympia gehört mir, ja. Und Du lässt die Finger von ihr, egal wann Du in der Casa auftauchst...oder wir in Mantua!“ Wenn ein Sklave im Haus informiert war, dann war es Pumilus. Schließlich brachte er seine Herrin gerne dazu, ihm allerlei zu erzählen. „Und lieben tut sie sowieso nur mich!“ Pumilus war da sich nicht ganz sicher, aber fast- so wie er fest an seinem unerschütterlichen Selbstvertrauen festhielt.

  • Die Sonne war schon fast hinter den sieben Hügeln Roms verschwunden, der Himmel in einem tiefroten und purpurnen Farbton getaucht. Die wenigen Wolken am Himmel strahlten bei den Farbtönen umso heller, doch der tiefblaue Nachthorizont streckte schon seine Fühler nach dem letzten Sonnenlicht aus um die Stadt in den Umhang der Nacht zu hüllen. Der Brunnen im Viridarium plätscherte leise als aus dem Füllhorn des Steinknaben Wasser hineinfloss. Eine Lerche zwitscherte fröhlich in den Zweigen eines immergrünen Lorbeerbaumes an dem noch einige Früchte hangen. Neben dem kleinen Brunnen standen ein kleiner marmorner Tisch und drei Klinen, die von Blauregen umrankt wurden, der natürlich zu dieser Zeit nicht mehr blühte. Dies war der Ort an dem Medeia mit Gabriel vom Garten aus geschritten war. Die sachte Berührung im Garten hatte sie mit einem Lächeln empfangen und sich nicht dagegen gesträubt. Stattdessen hatte sie sanft seine Hand genommen und ihn zu diesem Ort geführt. Mit einem, vielleicht traurigen, Lächeln ging sie auf die Klinen zu und setzte sich. Einladend deutete sie auf eine andere Kline.


    Suchend war ihr Blick als sie durch den kleinen Innengarten im Haus sah, der viel kleiner war als der Garten hinter dem Haus. Doch nicht minder idyllisch und wohnlich, vielleicht sogar etwas prächtiger. „Olympia?“ Nur ein kurzer Moment und eine junge blonde Frau trat in den Garten zwischen dem Säulenhof. „Ja, Domina?“ fragte sie und warf Gabriel einen scheuen Blick zu. „Olympia, bring uns die Cena hier her und zünde danach die Öllampen an. Dann sag Pumilus, dass ich ungestört bleiben will!“ Olympia nickte und wandte sich zum Gehen ab. Die Hälfte des Gartens lag schon in einem tiefen Schatten des heranziehenden Abends. Doch die Klinen lagen noch im purpurnen Abendlicht und der Stoff der Kissen und des Bezuges sahen blaupurpurn aus, ebenso das Gewand von Medeia und ihre sonst roten Haare. Medeia stützte sich gegen die Rückenlehne der Liege. „Magst Du mir vielleicht jetzt erzählen, was dort passiert ist, Gabriel? Welcher Mann aus dem Cursus Honorum hat Dich angegriffen, Gabriel?“

  • Gabriel hatte sich von Medeia an diesen Ort führen lassen und auch wenn er wahrnahm, wie zauberhaft dieser Ort war, so sah er es nur halb.
    Er war angespannt. Er hörte kaum die Vögel, sah kaum die Schönheit um sich herum. Auch nahm er das Plätschern des Brunnens wahr, doch es bedeutete ihm nichts. Er fühlte sich nicht entspannt und glaubte, es wäre besser, wenn er gehen sollte. Medeia hatte von Dingen in der Vergangenheit gesprochen, die ihm noch so präsent waren. Und dies ärgerte ihn, aber er liess sich nichts anmerken.


    Und dennoch nahm er die Abendstimmung wahr: Sie schien auf der einen Seite zu beruhigen. Dieses Licht tauchte alles in warme Töne, angenehme Töne. Und würde sein Verstand nicht so rotieren, so hätte er sich gerne der Stimmung hingegeben und Medeia einfach geküsst. Doch er tat es nicht.Stattdessen wartete er, bis sie mit einer Bediensteten sprach und lauschte dann ihren Worten. Immerhin wollte sie mit ihm ungestört sein, aber viele Hoffnungen machte er sich nicht mehr.


    Und dann nahmen sie auf den Klienen Platz und Medeia fragte ihn nach dem Vorfall seines letzten Unfalls.
    Auch Gabriel hatte es sich so gut wie möglich bequem gemacht, doch sah man ihm doch an, dass er nicht entspannt war. Er saß eher auf der Kliene, als das er lag und verschränkte seine Hände zwischen seinen leicht gespreizten Knien und schaute erst zu Boden, als er sprach: »Das ist Vergangenheit. Es ist geschehen. Es war wohl ein einstiger Freund, oder Kollege, der mir die Schläger auf den Hals hetzte.«


    Gabriel wunderte es, dass er ihr den Namen nicht sagte, aber was hatte das noch für einen Sinn. Alles war so lange her. Und dann kamen seine Kopfschmerzen und er hoffte, dass er nicht an diesem Gedächtnisschwund leiden würde, seit dem Überfall davor ...
    Und dann hob er seinen Kopf und blickte Medeia an. Er versuchte sein übliches Grinsen aufzusetzen und doch schien er sich verändert zu haben.
    »Du hast vorhin von einer Frau gesprochen und es klang, als würde es dich stören. Aber ist das der Grund? oder ist es dein Ruf? Ich hatte dieser Frau einmal auf der Strasse geholfen, sonst nichts. Und sie besuchte mich im Krankenhaus. Mehr nicht.«


    Er machte eine Pause, sah auf den Boden, wo ein Käfer an seinem Fuss versuchte, vorbei zu kriechen. Er nahm seinen Fuss ein Stück beiseite, um ihm den Weg zu ebnen und fügte dann hinzu, in einem tonlosen Satz: »Du widersprichst dich, Medeia. Entschuldige, wenn ich so offen bin. Aber ich versuche dich zu verstehen, kann es aber noch nicht so ganz.«


    Und dann blickte er sie offen an.

  • Der Innenhof der Casa wurde immer mehr in das Dämmerlicht getaucht. Medeia sah Gabriel stumm an und spielte mit den Fransen eines der Kissen. War es aus Nervosität? Es schien fast so zu sein. Ein schweres Seufzen löste sich unwillkürlich von Medeias Lippen. In dem Moment näherten sich leise Schritte. Die junge blonde Sklavin, Olympia, kam heran und stellte eine hölzerne Platte auf den Tisch neben der Klinengruppe. Kleine Tonschüsselchen und Töpfchen waren darauf zu sehen, die die Sklavin auf den Mosaiktisch stellte und die Deckel abhob. Dampfendes Essen, feines Geflügelfleisch, gekochtes Gemüse und Mulsum waren in den Töpfen. Aber auch noch dampfendes frisches und köstlich duftendes Brot und dazu Käse und Oliven. Auch an eine Kanne mit verdünnten Wein hatte die Sklavin gedacht. Sie stellte alles ab und dazu das Essgeschirr. Dann nahm sie das Tablett und ging auf leisen Sohlen davon. Gerade wollte Medeia die Worte von Gabriel erwidern, als die Sklavin erneut kam und still einige Öllampen anzündete. Doch dann war die junge Frau wieder fort.


    Medeia sah noch mal in ihre Richtung, prüfend. Dann wandte sich zu Gabriel. „Warum sollte es mich stören, wenn Du Dich mit einer anderen Frau triffst, Gabriel? Glaubst Du, ich bin eifersüchtig? Das bin ich nicht. Schließlich war es eine Nacht zwischen uns und es ist einige Zeit her.“ Das Licht einer Öllampe funkelte in Medeias grünen Augen und sie sah Gabriel lange an. Erst dann fiel ihr wohl scheinbar das Essen wieder ein. „Bitte bediene Dich, Gabriel. Olympia, meine Sklavin, ist zwar ein Tollpatsch, aber sie kocht sehr gut.“ Medeia lächelte leicht und nahm die Kanne und goss Gabriel etwas von dem verdünnten Wein ein, wobei es Wein von dem Gut ihres Schwagers war und den würzigen Geschmack Süditalias wiedergab. Sie schob Gabriel von dem Geflügel zu und deutete einladend auf das Essen. „Du musst Dich nicht entschuldigen, wenn Du offen bist. Das schätze ich doch sehr an Dir, Gabriel. Deine ehrliche Art. Schließlich werde ich von genug Menschen getäuscht und belogen. Aber inwiefern widerspreche ich mir?“

  • Gabriel hatte der Sklaven dabei zugesehen, wie sie die köstlich duftenden Speisen auftischte und er merkte, dass er richtig Hunger hatte. Zumal diese Speisen so ausgefallen waren gegen das Essen im Krankenhaus oder der Kaserne.
    Und ihm fiel auf, wie Medeia ihn prüfend ansah und er grinste leicht. Wieder kam er sich vor wie ein Idiot. Aber immerhin erkannte er, warum. Natürlich war er enttäuscht, hatte er sich damals doch Hals über Kopf in Medeia verliebt. Und doch sah er ein, dass sie keine Zukunft mit einander haben würden können.


    Und so beugte er sich vor, nahm die Kanne verdünnten Weines und goß erst Medeia einen Kelch ein, welchen er ihr reichte. Danach schenkte er sich selber ein und auch wenn er Hunger hatte, wollte er erst mit ihr anstossen.
    »Danke für Speis und Trank. Und du hast Recht, ich benehme mich ja gerade so, als hättest du unsere Verlobung aufgelöst!« Nun war da wieder sein verschmitztes Grinsen zu sehen, was in der letzten Zeit selten war.
    »Mit dem Widerspruch meinte ich, dass du vorhin hast anklingen lassen, das du damals nicht wusstest, was du davon halten solltest, dass da eine Frau mit im Spiel war bei dem Anschlag. Aber ich nehme an, dass ich das vollkommen falsch interpretiert habe.« Wieder lachte er und es war ein aufrichtiges Lachen.


    In der einen Hand seinen Weinkelch (oder Becher?) haltend, fischte er sich eine Olive vom Teller, aß sie und sprach dann weiter: »Ja, es klang in meinen Ohren ein wenig eifersüchtig, aber ich denke, du meintest eher deine politische Situation. Ich sollte weniger auf meinen Bauch hören!!« Wieder war da das schelmische Grinsen. Dann hob er den Kelch an und prostete Medeia zu und es war, als wäre seine seltsam gedrückte Stimmung wie weggeblasen.
    »Lass uns auf unser Wiedersehen trinken und auf deine Karriere!!«
    Und dann nahm er einen Schluck Wein, sah dabei aber über den Rand des Gefässes weiterhin Medeia an und es schien etwas Geheimnisvolles darin ...

  • Ein letztes Mal trillerte die Lerche und ihr Flügelschlag verschwand in der Dämmerung. Sobald die Sonne weg war, wurde es etwas frischer im Innenhof. Leise plätscherte der Brunnen, beruhigend und melodisch. Ein Nachtfalter umflatterte eine Öllampe bis er in die Flamme geriet und seine filigranen Flügel durch die tödlichen Flammen knisterten. Medeia ließ den verdünnten Wein in ihrem Trinkgefäss kreisen und sah Gabriel an. Ernst, wenn auch ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen lag. „Meine Karriere ist schon wieder vorbei, Gabriel. Die Zeiten in Rom haben sich verändert, mit einem Schlag. Oder war es schon schleichend?“ Medeia sah ganz kurz in den Becher und hob wieder ihren Blick. „Es ist wie in meiner Heimat, nur dass die Menschen dort ehrlicher mit ihren Ansichten sind...“ gab Medeia etwas mysteriös von sich. Dann lächelte sie. „Trinken wir lieber auf Dich, Gabriel. Und Deiner Zukunft, die durchaus von großen Dingen bewegt sein kann. So Du den willst!“ Ihre Augen sahen ihn recht intensiv an und sie trank einen Schluck Wein.


    Das Essen kaum beachtend lehnte sich Medeia zurück und hob ihre Beine auf die Kline. Ihre lange leicht schillernde Tunika rutschte etwas nach oben und zeigte ihre bloßen Füße. An der Unterseite waren leichte Grasflecken zu sehen. Lange erwiderte Medeia den Blick von Gabriel und schwieg dabei. In der Dämmerung erschienen die ersten Sterne am Nachthimmel, begonnen mit dem Abendstern, Venus. Von innen im Haus waren mal Schritte zu hören, doch sie verschwanden gleich wieder und Gabriel und Medeia blieben weiter ungestört im kleinen Innenhof. „Die Moiren sind schon launische Wesen, nicht wahr? Wir haben uns schon gestritten wir ein zänkisches Liebespaar, haben eine Nacht miteinander verbracht und sitzen jetzt einträchtig miteinander bei der Cena. Und trotzdem kenne ich weder Dich, noch Du mich. Aber sag, Gabriel, bist Du immer noch bei den Vigilen?“

  • Tiberius wandelte leicht stumpfsinnig durch das Domus. Er hatte diesmal keine Sandalen an und ließ seine nackten Füße die leichte Kälte des Bodens aufnehmen, die etwas erfrischendes an sich hatten. Zu seiner Verwunderung hatte er heute noch niemanden in der Casa entdecken können, abgesehen von den üblichen Verdächtigen – den Sklaven. Aber niemand der anderen Artorier lief ihm über den Weg. Entfernt versuchte er sich an das Gespräch letztens mit Corvinus zu erinnern. Er würde in Misenum leben, Avitus war in Mantua und fast der Rest der Familie war ebenfalls nicht mehr in Rom daheim. Wenn das noch länger so anhalten würde, oder gar noch der ein oder andere ebenfalls von dannen ziehen würde, wäre das Haus bald unbewohnt, oder zumindest von einer Person und einer Schar Sklavem. Die Sklaven konnte man ja nicht als Bewohner zählen. Das erste mal stiegen ihm Zweifel in den Kopf. Sollte er nun auch einfach wieder abreisen? Nach Mantua, zur Legion? Der Nächste sein, der die Casa dauerhaft verlässt? Er war ja noch gar nicht lange hier, bald wollte er wieder weg sein! Oder sollte Tacitus noch ein wenig warten? Er wusste es nicht, schüttelte nur mit dem Kopf und schaute auf.


    Sein Weg hatte ihn zur Culina geführt. Die Küche des Hauses. Völlig unbewusst war er von seinem neuen Cubiculum durch das ganze Domus geschlendert und stand nun in dem Raum, der eigentlich nur von Sklaven betreten wurde. Dem Ort, wo es eigentlich nach erlesenen Köstlichkeiten duften sollte, dem Ort wo man die Untergeben schuften hören konnte. Aber auch hier war es still, leblos und langweilig. Natürlich, warum sollte man kochen, wenn niemand da war, der es essen konnte? Einen hatten sie dann vergessen! Tacitus selbst, der er war hier und er hatte Hunger. Großen Hunger, Die letzte Woche war sehr anstrengend für ihn gewesen und das Einfinden in diese riesige Stadt war auch nicht gerade ein Zuckerschlecken gewesen. Überall musste man aufpassen, Mantua war keineswegs so hektisch – und diese Hektik zog auch unwillentlich Gefahr mit.


    Der Artorier schaute prüfen zur Seite und einmal über seine linke Schulter. Es war wirklich niemand hier, versicherte er sich. Fast schon auf Zehenspotzen stahl er sich zur Gänze in die Küche und schaute sich interessiert um, in der Hoffnung irgend etwas essbares finden zu können. Er hatte nun wirklich keine Lust, das Gegrummel dieses Minigladiatoren ertragen zu müssen und diese Olympia würde auch nur Gegrummel bei Pumillus auslösen, sollte sie was auch immer für mich tun. Eine verzwickte Lage. Eine Lage, die ihn nun dazu brachte, die Küche nach Speisen zu durchkämmen. Vielleicht konnte er ja eine Schale Oliven oder Trauben, Datteln oder Nüsse finden. Die machten keinen Aufwand, die konnte man so ohne weiteres essen ...

  • Nun, wo Gabriel etwas entspannter wurde, bemerkte auch er die Ruhe und Schönheit um sie herum, und wie die Lerche ein letztes Mal ihren Gesang zum Besten gab, bevor sie schliesslich in der Dämmerung verschwand. Und wahrlich wirkte das Plätschern des kleinen Brunnens beruhigend. Als der Falter der Flamme der Öllampe zu nahe kam, schoss Gabriel beiläufig durch den Kopf, wie schnell ein Leben doch vergehen konnte und das des Falters war sicherlich nicht sehr lange gewesen.


    Schliesslich blickte er Medeia an und ihm entging nicht, dass auch sie ihn ansah, ernst und doch war da ein gewisses Lächeln. Wie schon damals war er magisch von ihrem oftmals geheimnisvollen Blick angezogen, und er fragte sich manchmal, was in ihrem Kopf vorging. Als sie dann von ihrer Karriere sprach und etwas mysteriös wirke, hob er interessiert eine Augenbraue. Wenn sie wusste, wer er früher war und welche illegalen Beschäftigungen nachgegangen war ... er grinste leicht.


    Gabriel hielt seinen Becher Wein in der Hand und stutzte ein wenig, als sie auf ihn und seine Zukunft trinken wollte, stutzte aber mehr noch über ihre Aussage, dass diese, seine Zukunft, von großen Dingen bewegt werden könne, wenn er denn wolle.
    Er liess sich ihre Worte im Munde zergehen, bevor er antwortete und beobachtete sie dabei, wie sie ihre Beine auf die Kline legte, wobei sein Blick einen Moment an ihren nackten Füssen verharrte, welche wohlgeformt waren, trotz den Grasflecken. Und als sie ihn dann so lange und schweigsam anschaute, erwiderte auch er schweigsam und standfest ihren Blick und ein kleiner Schauer lief über seinen Rücken. Warum schaute sie ihn so lange und schweigend an? Nicht, dass es ihm unangenehm war, oder doch? Gabriel war eigentlich weder ein Kind von Traurigkeit, noch besonders unsicher, ausser, wenn er schlecht drauf war, oder ihn seine Kopfschmerzen plagten.


    Die Schritte im Haus nahm er nicht war. Er wurde immer entspannter und genoss das Beisammensein an diesem lauschigen Ort. Ebenfalls nahm er nicht wahr, dass sie das Essen nicht anrührte. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der rothaarigen Frau vor ihm und er spürte, wie er gegen seine Emotionen für sie ankämpfen musste.


    Und dann lachte er bei ihren Worten verhalten: »Ja, es ist schon verrückt. Seltsam, wie einem manchmal Menschen begegnen, auch wenn man sie nicht kennt.«


    Er überlegte, ob er von seiner kriminellen Vergangenheit erzählen sollte. Sie hatte ihn niemals gefragt, warum er zum Sklavendasein verdammt worden war.
    Stattdessen hob er seinen Becher an und nahm einen Schluck, ohne einem Trinkspruch, denn ihm war es nicht wichtig, auf seine Zukunft zu trinken.
    »Ja, ich bin noch bei den Vigilen, aber ich werde dort eventuell aufhören ...« Eigentlich wollte er nicht über seine Arbeit sprechen. Doch sie hatte gefragt und so gab er ihr eine Antwort.
    »Als Libertus kann ich nicht befördert werden. Egal, ob ich, wie neulich, Menschen aus einem brennenden Haus gerettet habe. Aber mein Vorgesetzter wollte sich darum kümmern, ob es da nicht einmal zu einer Änderung der Gesetzte oder Richtlinien kommen kann.«


    Nun, wo das Thema bei seiner Arbeit angekommen war, schaute er sich ein wenig interessiert um und nahm all die Pracht und Schönheit wahr, die auf angenehmer Weise sogar bescheiden wirkte.
    Er überlegte, ob er sie noch einmal auf seine Karriere ansprechen sollte, doch viel mehr interessierte ihn, was sie über ihre Heimat und der Ehrlichkeit der Menschen dort angedeutet hatte und so fragte er:
    »Wenn die Menschen in deiner Heimat ehrlicher sind mit ihren Ansichten, warum lebst du dann hier?«


    Offen schaute er sie an.



    edit: Mal wieder die Sig ... Gabriel ist ja in Zivil -.^

  • Unverwandt Gabriel anschauend lehnte sich Medeia gegen die Rücklehne der Kline und stützte sich mit ihrem Ellbogen auf einem Kissen ab. Ihre Locken strichen über den samtigen Stoff und über ihre bloßen Oberarme und schienen sie dort leicht zu kitzeln. Jedenfalls stellte sie den Weinbecher auf dem Tisch ab und strich sich ihre roten Haare etwas zurück. Ihr Gesichtsausdruck wurde etwas nachdenklicher und sie musterte Gabriel mit Verwirrung, Entrüstung und Erstaunen. „Was soll das heißen, als Libertus kannst Du bei den Vigilen nicht mehr aufsteigen? Das heißt, die oberen Ränge stehen nur noch Bürgern offen? Das ist...das ist bei den Hilfseinheiten doch ganz anders...“ Medeia schüttelte den Kopf und sie schien kurz nachzudenken. „Da muss wirklich etwas geändert werden.“ Sie seufzte leise, griff wieder nach dem Weinbecher und trank doch einen Schluck Wein.


    Mit ihren Augen wanderte Medeia über sein Gesicht und an seinen Konturen entlang, lächelte leicht und mit einem Mal schien sich ihre Körperhaltung etwas zu verändern. Vorher wirkte sie noch ein wenig angespannt. Doch als sie ihn betrachtete, löste sich das und sie räkelte sich, etwas lasziv und die Tunika um ihren Leib schmeichelnd. „Ach, Gabriel, die Ansichten in meiner Heimat waren mir von je schon zuwider. Rom ist geschickter darin, die widerliche und nur scheinbare Moral zu verbergen und zu tun, als ob die Stadt so viele Möglichkeiten eröffnet. In Wirklichkeit ist sie genauso ein verlogener Sumpf wie Athen. Nur kenne ich Athen, bei den Göttern, sehr viel besser als ich Rom zu ergründen vermochte. Vielleicht hatte ein Bekannter von mir Recht und Rom ist auch nur ein verdorbener Sumpf, aus dem diese Stadt geboren ist. Trotzdem fühl ich mich noch wohler hier in Rom als in Athen.“ Sie lächelte und sah Gabriel intensiv an. Sie senkte ihr Stimme und schnurrte schon fast die nächsten Worte. „Außerdem wäre ich Dir sonst nie begegnet. Und das wäre doch sehr, sehr schade. Meinst Du nicht auch?“

  • Gabriel beobachtete Medeia dabei, wie sie sich zurücklehnte und ihren Ellenbogen auf einem Kissen abstützte, den Weinbecher abstellte und sich die roten Haare, welche Gabriel auch so anziehend fand, zurück strich.
    Und dann fiel ihm ihr Gesichtsausdruck auf, nachdem er das von seiner Arbeit erzählt hatte. Ihre Anteilnahme schien ihm echt und er zuckte leicht die Schultern, nahm noch ein wenig von dem köstlichen Essen und auch wenn er gerne und viel aß, so hatte er im Moment nicht so den richtigen Appetit, so dass es bei kleinen, wohlproportionierten Häppchen blieb. Der Wein aber schmeckte ihm köstlich und so nahm er noch einen Schluck, bis er fest stellte, dass sein Becher schliesslich leer war und so stellte er ihn auf den Tisch und gab noch etwas zu seiner Arbeit zum Besten:


    »Ja, nachdem ich die Ausbildung beendet hatte, wurde ich Vigil. Der quasi erste Rang nach einem Probatus. Aber zu mehr werde ich wohl nicht schaffen, als Libertus.«
    Er lachte leicht gequält und es zeigte dennoch mehr von seiner leichten Verbitterung, als er zeigen wollte: »Die Kastanien darf ich aus dem Feuer holen ... «


    Ja, er hatte schon so manch aus einem brennenden Haus gerettet und sein Leben aufs Spiel gesetzt, aber dies erwähnte er nicht, da er nicht gerne prahlte.
    Wieder war er am Überlegen, ob er von seiner damaligen kriminellen Vergangenheit erzählen sollte und fügte hinzu: »In Damaskus hatte ich eine ertragreichere Tätigkeit ...« Er schmunzelte und lehnte auch sich zurück, während er Medeia beobachtete und diesmal auch mit einem geheimnisvollen Lächeln.
    »Aber sie brachte mir nach vielen Jahren nicht wirklich Glück ...«


    Nur kurz ging er dann auf die Moral der Städte ein, nickte und murmelte, während sein Blick über Medeias Körper striff: »Lügen gibt es überall. Es geht um Macht und EInfluss. Ich denke, da gleichen sich solche Sümpfe der Großstädte überall ...« Für einen Moment musste er an Damaskus denken und wie ihn ein anderer Dieb verraten hatte ...


    Doch während Gabriel weiter Medeia anblickte und sich schliesslich bei ihren letzten Worten ihre Blicke trafen, lächelte er versonnen und ein wenig schelmisch, mysteriös und er pflichtete ihr bei, in dem er seine Stimme etwas senkte, sie von unten herauf mit leicht geschlossenen Augen und angehaucht verführerischen Blick anblickte und sprach: »Das ist wohl wahr. Sonst wären wir uns niemals begegnet.«


    Irgendwas lag in der Luft und Gabriel empfand es als spannend und war gespannt, wie sich das Gespräch entwickeln würde. Er war nun sehr entspannt, ebenso wohl wie Medeia und er fixierte sie nun schon fast provozierend mit einem seltsamen Lächeln um die Lippen.

  • -Noch vor der Mantuareise-


    Unverwandt erwiderte Medeia den Blick von Gabriel, der Stoff um sie herum raschelte leise als sie sich etwas räkelte, wie eine Katze im weichen und grünen Gras wirkte sie im selbigen Momente. Vielleicht eine Tempelkatze aus dem fernen Ägypten? „Damascus?“ murmelte Medeia versonnen, ihr Blick schien für einen Moment in die Ferne zu gehen. Dann richtete sich ihr Blick wieder auf Gabriel. „Syria soll eine schöne und sehr mysteriöse Provinz sein. Was für eine Beschäftigung hattest Du denn dort, Gabriel?“ Medeia lächelte und hatte natürlich im Entferntesten keine Ahnung, was es sein könnte. Aber die Neugier verleitete Medeia oftmals zu solchen Fragen. Ihre katzenhaften grünschimmernden Augen ruhten auf Gabriel und sie griff nach dem Weinbecher, drehte das Gefäß jedoch nur zwischen ihren Fingern. „Ich bin sehr froh, dass das Schicksal solche Wege für uns geknüpft hat.“ Und das war Medeia wirklich. Selten hatte sie eine solche Begegnung wie vor zwei Jahren erlebt, eine so völlig verzehrende Leidenschaft ohne dass sie sich von dem Mann innerlich schon im vorn herein distanziert hatte. Medeia beugte sich etwas nach vorne und sah Gabriel intensiv und mit einem Anflug von loderndem Feuer in ihren Augen an.


    Dann lehnte sie sich wieder zurück und zuckte mit der Schulter. „Rom ist wie ein Fluss, er verändert sich von Tag zu Tag. Wer weiß, vielleicht stehen Dir schon morgen ganz andere Möglichkeiten offen und Du kannst mehr Einfluss erlangen als so manche in Patrizier? Es ist vieles möglich hier in Rom. Man muss sich nur eine raue Schale erwerben, wenn man diesen Weg hier gehen will.“ Medeia lächelte wehmütig und trank nun doch einen Schluck Wein. Die letzten Grillen zirpten in der Dunkelheit. „Und irgendwie fände ich es in der Tat ein wenig schade, wenn Du Dich verändern würdest, Gabriel. So einen Mann wie Dich habe ich nicht oft in meinem Leben getroffen.“ Medeia mochte Gabriel wegen seiner schon fast naiven Weltsicht, seinem warmen Lächeln, seiner freien und feinen menschlichen Art, wenngleich sie schon an jenem Abend gemerkt hatte, dass Gabriel in vielem doch den meisten Männern glich, den Besitzansprüchen über die Frauen und insbesondere Medeia in diesem Fall.


    Nachdenklich ruhte ihr Blick auf Gabriel, sie schien innerlich zu zögern, wollte dann wiederum auch Gabriel etwas mitteilen. Sie hätte es ihm schon früher erzählt, doch hatte der Moment im Garten ihre eigene Offenheit fast wieder zerstört. „Gabriel, ich kenne Dich doch so wenig, aber eigentlich wollte ich Dir schon am ersten Abend von meiner Vergangenheit erzählen. Doch jetzt zögere ich. Würdest Du es verraten? Würdest Du es anderen erzählen?“ Medeia sah Gabriel lange an, prüfend und etwas unruhig.

  • -Noch vor der Mantuareise-


    Gabriel musterte Medeia sehr genau und sie sollte es sogar gerne mitbekommen. Doch war es nicht der übliche Blick eines lüsternen Herren, der nur auf das weibliche Geschlecht aus wahr. Seine Augen verengten sich zu dünnen Schlitzen und er grinste. Doch dieses Grinsen war anders als sonst, fast schon ein wenig geheimnisvoll. Und er sah ihren Blick, diese Katzenhaften Augen und er glaubte etwas zu erkenne, was sie vielleicht noch nicht in ihm sah. Doch nachdem er ihre Worte hörte, sah er sie in einem anderen Licht.


    Ihre katzenhaften grünschimmernden Augen waren auf ihn gerichtet und alles was sie dann sagtem schien ihm ein Teil dessen zu werden, was hier abging: Er hatte, auch wenn er es nicht wahrhaben wollte, in ihr eine sehr berechnende Person gesehen. Aber das machte deb Reiz aus. Und auch wenn er nicht wusste, ob er ihr trauen sollte, so war er offen:


    »Einst war ich der Meisterdieb von Damascus!« Ernst war sein Blick. Und genau blickte er sie an. Würde sie ihm glauben? Doch Gabriel, so lustig und naiv er auch wirkte, war nun ein anderer Mensch. Stählend sah er sie an.
    Und dann spürte er, dass er etwas feilbot, was er er eigentlich wollte, doch er tat es, ihr zum Wunsch.


    Auf einmal wirkte Gabriel gar nicht mehr so lustig und naiv. Seine Augen bohrten sich in die von Medeia. Doch dann lächelte er: »Ich danke dir für deine Pläne, mehr als ein Patrizier zu werden, aber frage mich, ob ich das will und ob ich das nötig habe!« Ernst sah er sie an.

  • - Immer noch vor der Mantuareise-



    Verblüfft blinzelte Medeia auf das Geständnis von Gabriel. Erstaunt sah sie ihn an, dann huschte ein Lächeln, ein entzücktes Lächeln, über ihr Gesicht. Sie rollte sich etwas weiter herum und auf ihren Bauch, stützte ihr feines Kinn auf ihren hellen und glatten Händen ab und sah Gabriel an, musterte ihn prüfend, wenngleich auch mit einem sehr freundlichen Ausdruck und in keiner bösen Absicht. Schließlich löste sich ein Lachen tief aus ihr, es war nicht belustigt, sondern erfreut und gut gelaunt. „Ein Meisterdieb?“ Sie schüttelte lächelnd und ungläubig den Kopf. „Ich habe noch nie einen Dieb sich selber so bezeichnen gehört. Nun gut, ich kenne auch nicht so sonderlich viele Diebe. Die wirklichen Meisterdiebe haben jedoch sich nicht Meisterdiebe, sondern Feldherren und Patrizier geschimpft!“ Medeia lachte noch mal, ihre Locken spielten um ihren schlanken Hals und an ihren Wangen entlang. Lasziv und etwas träge griff sie nach dem Becher mit Wein und trank erneut einen kleinen Schluck. Medeia trank nie viel, hatte es noch nie getan, selbst wenn ihre ‚Gäste’ es sich wünschten. Aber sie hatte gelernt sie glauben zu lassen, sie würde mit ihnen mittrinken. Aber nichts hasste Medeia mehr als die Kontrolle zu verlieren über sich selber und Dummheiten zu begehen, aus dem Rausch heraus.


    Sinnierend drehte sie den halbvollen Becher in ihrer Hand. Eigentlich hatte sie nichts gegen Patrizier, im Gegenteil. Es gab einige Männer aus den ehrwürdigen Geschlecht, die Medeia äußerst schätzte. Zum einen Flavius Gracchus, ein beeindruckender Mann, gebildet, mit einer schon fast majestätischen Ausstrahlung. Er hatte ihr durchaus gut gefallen, doch die Kühle, die ihn umgab, machte ihn genauso unerreichbar wie sein Name. Doch Medeia wußte genau, dass so eine Fassade sehr täuschen konnte und dass gerade solche Männer öft in Tabernae, wie ihre Ehemalige in Athen, zu finden waren. Oder Tiberius Vitamalacus, ein aufrechter Mann, ein ehrbarer Römer und ein treuer Diener des Staates, auch ihn schätzte Medeia. Oder Flavius Aquilius, früher hatte sie seinen Gensnamen nicht gekannt, dafür mehr von ihm gesehen und erfahren als so manch eine Frau aus gutem Hause. Er gehörte mit Sicherheit zu einem ihrer angenehmsten Kunden von damals. Sie lächelte still vor sich hin und sah auf den blutroten Wein hinab. Aber Männer, die sich auf ihren Namen ausruhten, waren Medeia zuwider. Ein Mann wie Gabriel, aufrecht, ehrbar und immer bemüht das Beste zu tun, war ihr tausendmal lieber als ein arroganter und aufgeblasener Nichtstuer von Patrizier, der glaubte, sein guter Name würde reichen, damit die Arbeit getan wird. Sie schüttelte den Kopf, befreite sich von jenen Gedanken und sah Gabriel lächelnd an. „Ich glaube, wieder habe ich mich ungeschickt ausgedrückt, Gabriel. Das tut mir aufrichtig leid, denn ich will Dich nicht beleidigen. Du solltest den Weg gehen, der Dich glücklich macht, Gabriel! Viel von dem Getue um Macht, Ruhm und Ehre ist nur ein schmieriges Theater, was hier in Rom gespielt wird. Doch letztendlich steckt nicht viel Großartiges dahinter!“ Sie lächelte vage und ließ wieder den Wein in ihrem Becher kreisen.


    Wieder rollte sie sich herum und jetzt auf die Seite, träge fuhr sie sich mit der Hand durch die Haare und betrachtete Gabriel unverwandt. Grillen zirpten im Hintergrund, ein Nachtvogel flog über die Gartenanlage und verschwand über dem Dach. Immer mehr Sternenlichter tauchten am Himmel auf, nachdem Venus schon ihre Strahlen herunterblinken ließ. Medeia sah weiter Gabriel an und schwieg für einen Moment, dann senkte sie ihre Augenlieder und stellte den Becher zur Seite. „Gabriel, ich möchte Dich um etwas bitten. Es ist eine Bitte, natürlich kann ich das nicht fordern oder verlangen. Bitte, erzähl niemandem, was zwischen uns war. Ich glaube, Du bist Dir nicht ganz bewusst, was es heißt, wenn Du es jemanden erzählst. Es bedeutet nicht nur, dass ich mein Gesicht verliere, nein, Du würdest mich in die Ehrlosigkeit werfen!“ Sie fuhr sich mit ihrer Zunge über die Unterlippe und zögerte für einen kurzen Moment. „Du hast gesagt, dass Du Dich in mich verliebt hast damals. Ich hoffe, dass Du mich jetzt nicht so sehr hasst, dass Du...mich derart demütigen würdest. Bitte!“ Langsam hob sie ihren Blick, ihre grünen Augen richteten sich zögerlich auf sein Gesicht und nach einem kurzen Augenblick sah sie ihn dann doch eindringlich an und ihre Augen schienen leicht zu glänzen, wie von den ersten Tränen. Oder täuschte das nur?

  • Gabriel beobachtete jeder ihrer Bewegung und musste zugeben, dass es ihm gefiel, was er da sah. Er war eben auch nur ein Mann und Medeia verstand es nur zu gut, sich schön und anmutig zubewegen. Doch Gabriel wusste auch, zu was Frauen in der Lage waren, um den Verstand der Männer um ihren Finger zu wickeln und er wurde immer vorsichtiger. Schon bereute er seine Ehrlichkeit, denn irgendwie wirkte Medeia seltsam auf ihn. Und ja, es ärgerte ihn auf einmal, dass er so ehrlich geworden war, dennoch hörte er ihre Worte.
    »Ich verstehe, Medeia und glaube mir, es lag niemals in meiner Absicht, dich zu hintergehen oder dir zu schaden. Ich bin eh nur ein Libertus und habe keinerlei Rechte, ausser, dass ich etwas freier bin, als ein Sklave. Aber wie kommst du darauf, dass ich dich hintergehen würde?« Streng sah er sie an. »Du musst viele schlechte Erfahrungen gemacht haben. Doch eines wundert mich: Du bist für mich keine naive Frau. Woher rührt also deine Angst?«
    Irgendwie merkte Gabriel langsam, dass er auch vorsichtig werden sollte. Ja, irgendwas kam ihm seltsam vor. Und so sehr er diese Frau auch begehrte, so wurde er nun doch vorsichtig. Es war sein Instinkt.
    »Vielleicht war ich mal verliebt, so wie du vielleicht auch ... aber wir wissen beide, das dies vorbei ist.«


    Leider, so dachte er und doch spürte er auch: Vielleicht war es besser so.


    »Ich habe keinen Grund, dir Schmerzen oder Beleidigungen entgegen zubringen. Aber sprich, warum hast du Angst, dass ich dies tue oder tun könnte?«


    Seltsam sah Gabriel nun die Frau vor ihm und er sah sie mit Distanz an. Irgendwas stimmte nicht. Er wusste nur noch nicht was.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!