Gabriel kam sich vor wie ein Vollidiot. Und früher hätte er das auch alles viel lockerer weggesteckt, doch er hatte sich seit den zwei Überfällen wohl mächtig verändert, so sehr, dass er sich manchmal selbst nicht wieder erkannte. Und er war seltsam dünnhäutig geworden, etwas, was so gar nicht zu ihm passte und was er hasste.
Und so lange war das alles schon her?? Es kam Gabriel deutlich kürzer vor, aber vielleicht täuschte er sich auch nur, denn seit der schweren Kopfverletzung hatte sich irgendwie alles verändert.
Und nun stand er vor der einzigen Frau, mit welcher er gerade einmal eine einzige Nacht verbracht hatte, eine Nacht, die hätte schöner sein nicht können, nach all den Jahren der Abstinenz.
Und er hatte sein Herz an sie verloren, doch nun hatte sie ihn auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht. Und er hatte sich vollkommen dämlich verhalten, weil sein verdammter Stolz gekränkt war. Vielleicht kam aber eben auch wieder mal einfach nur alles zusammen. Ein Tiefschlag nach dem nächsten, irgendwie zehrte dies an Gabriels Nerven.
Er hatte weder in der Zeit, als er ein Sklave war noch als Freier Mann wirklich tiefe Freundschaften gehabt. Gut, da waren einige sehr nette Menschen, die er getroffen hatte, aber dennoch fehlte ihm soetwas wie Freundschaft oder Familie, auch wenn Falcos Familie hinter ihm stand, so richtig freundschaftlichen Kontakt wie zu Falco hatte er zu den anderen nicht aufgebaut. Es lag wahrscheinlich an ihm selber und an seinen zwei langen Krankenhausaufenthalten.
Und so lauschte er mit ernster Miene Medeias Worten und es schien ihm, als würde er neben sich stehen und innerlich lachte er über sich, über die Art und Weise, wie er sich da stehen sah: Mit leicht hängenden Schultern und noch kleinen Blessuren im Gesicht. Vor allem aber erschreckte ihn seine Mimik: Ernst und ein wenig traurig.
Und so gab sich Gabriel einen Ruck, straffte seine Schultern und ein Lächeln erschien in seinem Gesicht, welches aber nicht von langer Dauer war, denn plötzlich tauchte die Frau im schwarzen Gewand auf, welche neben Medeia auf der Bank gesessen hatte, als man Gabriel in den Garten geführt hatte. Und es war der eiskalte Blick und die spöttisch gesprochenen Worten, die sein Lächeln für einen Moment verblassen liessen. Ja, er war heute etwas zu dünnhäutig, denn er nahm dies als persönlichen Angriff auf sich wahr. So wie er im Moment wohl jeden wahrnahm, der ihn nur schief anblickte.
Seine Augen verengten sich leicht und er zeigte der Frau deutlich seine Abneigung, auch wenn er nichts sagte und sie bald darauf verschwand.
Eigentlich wollte er erst etwas zu Medeias Worten sagen, doch nun grinste er, allerdings eindeutlich falsch und leicht bitter stiess er hervor: »Reizenden Besuch hast du dir da in dein Heim geholt ...«
Er blickte der Frau noch nach, bevor er sich wieder der Frau zu wandte, deren Anblick eigentlich immer sein Herz höher schlagen liess, doch nun musste er sich zusammen reissen.
Und so sprach er aufrichtig, aber leicht distanziert, da er sich selber schützen musste vor zu viel Emotionalität: »Ich möchte mich noch einmal ausserordentlich entschuldigen, wenn ich dir zu nahe getreten war und auch für mein recht unangemessenes Auftreten. Und nein, ich halte dich nicht für gefühlskalt. Und ja, ich habe mich verliebt, ich Dummkopf!« Ein schwaches Lachen war zu erkennen und Gabriel lies seinen Blick gedankenverloren über den Garten schweifen, dessen Herrlichkeit er jedoch nicht wahr nahm.
»Vielleicht habe ich mich tatsächlich verändert und glaub mir, besonders glücklich bin ich damit nicht.« Wieder kam ein leicht falsches Lachen, als wolle er seine Schwächen überspielen, was eigentlich auch nicht seine Art war. Vorhin, als Medeia sein Kinn umfasst hatte, da genoss er diese zärtliche Berührung und auch jetzt sogar noch sehnte er sich nach der Frau, die er begehrte. Doch sie wurde sicherlich von vielen begehrt und auch wenn ihre Worte über ihn aufrichtig klangen, so ging Gabriel davon aus, das er eigentlich doch nichts besonderes in Medeias Leben war. Doch wie auch immer: Er rückte ab von seinem verletzten Stolz, denn so reagierten die meisten Menschen. Und auch wenn Gabriel sich etwas vorgemacht hatte und ihn der Ärger darüber schmerzte, so nahm er alle Kraft zusammen kämpfte gegen seine Traurigkeit an.
»Ich nehme dein Angebot mit Dank an, Medeia!« Er klang sehr aufrichtig und meinte es auch. »Ein bisschen Reden kann nicht schaden, nach so langer Zeit.«
Und dann konnte er seinem Drang nicht wieder stehen, hob seine Hand und strich Medeia eine rote Locke aus der Stirn, eine zaghafte Geste, die aber auch bedeuten sollte, dass er sie immer noch mochte und ihr in keinster Weise böse war.
Und auf die Frau, welche Medeia angesprochen hatte, würde er dann demnächst eingehen.
edit: Betreffszeile eingefügt + letzter Satz neu