hortus | Das Refugium des C' Flavius Aquilius

  • Ich erschrak vom Geräusch des zertümmernten Tischchens so sehr, daß ich beinahe selbst mein Versteck verraten hätte.


    Das Gespräch der beiden Männer war mittlerweile nicht mehr zu überhören, denn es wurde nicht mehr gesprochen, es wurde bereits geschrien! Hatte ich das eben richtig verstanden? Es ging um Liebe. Nicht um die Liebe zu einer Frau, sondern zu ihm. Wer war dieser ihm? Aquilius liebete einen Mann?
    Ich versuchte, mich etwas zu strecken, damit ich wenigstens ein bißchen davon sehen konnte, was sich gerade in der Laube abspielte.
    Schließlich konnte ich erkennen, wie Aquilius auf seine Knie zu Boden sank. Ich wollte schon zu ihm hingehen. Doch um dies zu tun, fehlte mir doch endgültig der Mut. Also beobachtete ich weiter.
    Doch dann passierte es! Durch einen dummen Zufall, mußte ich plötzlich niesen. Hoffentlich hatten sie mich nicht gehört!

  • Da ich noch mit dem Rücken zu Aquilius stand, erschrak ich auch dementsprechend, als er nicht in erwartetem Tonfall änderte, sondern zornig brüllte. Im nächsten Moment ärgerte ich mich bereits darüber, dass ich leicht zusammengezuckt war. Ich wandte mich um. Die verzerrte Fratze des Mannes auf der Liege erinnerte kaum noch an den lebenslustigen Aquilius, der er einst gewesen war und doch noch sein sollte. Gleichermaßen fasziniert wie unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, sah ich ihn über die Entfernung von den paar Metern, die uns trennten, hinweg an. Ich hatte durchaus eine vage Vorstellung davon, wie es war, durchleben zu müssen, was er schilderte. Oder...nein, die hatte ich nicht. Wenn ich die Hand ausgestreckt hatte, hatte ich ihre Haut spüren können. Ich hatte ihr einen Kuss rauben können, wann immer mir danach war. Nicht im Geringsten wusste ich, wie es war, wenn man eine Vestalin liebte. Wie hatte ich das annehmen können? Und doch... Es war verfemt, eine göttliche Jungfrau zu lieben. War dies der Fluch der Flavier? Der Grund, aus dem sie so viele Todesfälle erleiden mussten in letzter Zeit? Schon sprach er weiter. Die Verzweiflung war ihm bei jedem einzelnen Wort anzusehen. Es machte mich ganz krank, nicht helfen zu dürfen, höhlte mich aus wie Wasser einen Stein. Dass er mich zu Unrecht etwas beschuldigte, war nur zweitrangig.


    Als er dann Deandra erwähnte, presste ich meine Lippen aufeinander und sah fort. Ich hielt mich selbst nicht für den feinfühligsten Mann, gerade wegen der Art, auf die ich die letzten Seile gekappt hatte, die mich und sie verbunden hatten. Dennoch hatte sie mir etwas bedeutet und das tat sie auch noch, wider aller Gedanken in meinem Kopf. Wider der Entlobung. Wider dessen, was ich mir beständig einredete und hoffte, dass es irgendwann von der Fiktion zur Realität werden würde. Aber auch das war eine andere Geschichte, und Aquilius hetzte auch sogleich weiter. Mit enttäuschten Augen stand ich dort, hörte wie sich mein Freund um Kopf und Kragen brüllte und mich verfluchte. Kaltes Entsetzen schlich mir den Nacken hinauf, als er diesen Wunsch äußerte.


    Und plötzlich schleuderte er mir die Erleuchtung entgegen.


    Vollkommen perplex starrte ich ihn an, obwohl ein Teil von mir, welcher gleichermaßen fühlte, doch schon längst geahnt hatte, was all dies zu bedeuten hatte. Und doch war er so gelähmt, über Jahre hinweg dermaßen eingepfercht gewesen, dass er kaum noch zum Tragen kam. Während der ersten paar Schritte, die Aquilius von der cline fortstrebte, raste mein Puls mit den Gedanken um die Wette. Unwillkürlich fuhr ich mir mit der Rechten über das Gesicht, schnappte nach Luft. „Caius, ich.... Gracchus?“ fragte ich ungläubig und kam einen Schritt näher. „Es geht um Gracchus? Ihn? Deinen Vetter?“ Um jede Möglichkeit des erneuten Vorbeiredens auszuschließen, marterte ich ihn mit diesen Fragen. Und augenblicklich schlug auch das schlechte Gewissen zu, denn hatte ich nicht einen verruchten Momentlang gewünscht, die Welt möge aufhören, sich zu drehen, als ich seinen Duft aufgenommen hatte? „Aber...“ In Ermangelung einer spontanen plausiblen Erklärung hob ich die Arme auf Hüfthöhe und ließ sie wieder fallen. Einen flüchtigen Moment später musste ich mit ansehen, wie Aquilius einen kleinen Tisch anhob und damit ausholte. Ich unterdrückte den Impuls, Aquilius zurückhalten zu wollen, denn zu gut wusste ich von mir selbst, dass Zorn in Gewalt umgewandelt viel schneller abflaute als mittels Worten. Holz splitterte, regnete darnieder und bedeckte bald den Boden der kleinen Laube. Der Zorn schien durch einen letzten Ausruf vollends entwichen zu sein, zurück blieb ein Häufchen Aquilius, das leblos zwischen Splittern auf der Erde hockte. Der Vergleich mochte sinnfrei sein, aber er kam mir verletzlich vor wie ein Neugeborenes.


    Vergessen waren all die Worte, die der Hass ihm eben noch eingepflanzt hatte, was jetzt zählte, war dass er mir zuhörte. Ich riss mich von meinem Fleck los und kam zu ihm. Vor ihm fiel ich ebenfalls auf die Knie, griff nach seinen Schultern und zog kurz daran. „Caius, ich bitte dich!“ sprach ich eindringlich, und weil er gar nicht, oder eher mir nicht schnell genug reagierte, barg ich sein Gesicht in meinen Händen und zwang es herum, sodass er mich ansehen oder aber die Augen verschließen musste. „Du bist mein bester Freund, wie könnte ich dich hintergehen? Wie könnte ich so etwas tun und dann hierher kommen, reinen Gewissens vor dir stehen und dich nach deinem Wohlbefinden fragen? Ich bitte dich, denke nach! Gracchus ist ein Freund, vielleicht nicht einmal das, ich weiß es nicht.“ Aufgebracht schüttelte ich den Kopf. „Ich habe ja nicht geahnt, dass....“ Ich ließ Aquilius’ Gesicht endlich los und setzte mich nun resignierend neben ihn auf den Boden. „Was muss ich tun, damit du mir glaubst? Damit nicht auch noch du mir Eigennutz und Intrigenspinnerei vorwirfst?“ Wie Ursus, dachte ich bitter. Wie meine eigene Familie. Mir wurde es kalt ums Herz.

  • Ich blieb einfach sitzen, während mir das Holz in die bloßen Knie und Schienbeine schnitt, wo es gesplittert war, aber ich konnte dies nicht einmal mehr spüren. In meinem Körper war einfach nichts mehr, kein Gefühl, kein Zorn, kein Funke dessen, was einen Menschen wohl lebendig machte, übrig geblieben war nur die Leere, war der Gedanke an den Tod, der uns Flaviern immer wieder nahe kam. War es das, warum unsere Familie so strahlend emporsteigen konnte, um dann umso tiefer zu fallen? Einen Fluch trug ein jeder mit sich herum, der unser Blut in den Adern führte, und dieser Fluch war es, der uns irgendwann in den Dreck zwang. Selbst Arrecina, die liebe, kleine Arrecina - oder Leontia, schön und talentiert. Auch sie waren gefallen, in den Staub die Sterne.
    Die Worte glitten über meinen Körper, der sich seltsam nackt und schutzlos präsentierte, obwohl ich eigentlich korrekt bekleidet war - vielleicht war es die Haltung, diese kompromisslose Hoffnungslosigkeit in meinem Inneren, die mich dies glauben ließ, und sein Nachfragen prasselte auf mich hernieder wie ein kühler Winterregen auf das nackte Land, wenn es nicht bestellt wurde. Doch weder die Betonung, noch den Sinn konnte ich direkt aus jenem Gesprochenen extrahieren, vorerst waren es nur Worte.


    Nicht einmal Bridhes Niesen hörte ich wirklich - was sicherlich ihr Glück war und ihr nun noch ein wenig weiteres Lauschen ermöglichte, ohne dass ich davon auch nur ein Quentchen ahnte - meine Welt war einzig und allein darauf beschränlt, auf den mit Splittern übersäten Boden zu starren und zu hoffen, ich würde einfach nur umfallen, mein Herz aufhören zu schlagen. Einfach zu hoffen, es wäre bald vorüber. Vielleicht hätte ich doch springen sollen. Dann umfassten mein Gesicht seine Hände, er zwang mich, hinaufzublicken, und verschwommen erschien mir sein Gesicht vor Augen, ohne dass ich ihn wirklich erkannte, sah ich doch in eine Ferne, die in meinem tiefsten Inneren lag und dort heraus auch nicht genommen werden konnte. "Er war es stets, und immer nur er," flüsterte ich kaum hörbar, noch immer tonlos, so leise, dass er mir sehr gut würde zuhören müssen, um die Worte zu verstehen. "Du hast mich irgendwann einmal gefragt, warum es damals ... dabei blieb. Ich konnte nicht. Man kann nichts verschenken, das man nicht mehr besitzt, und ... er besaß mein Herz seit dem ersten Tag." Ich blinzelte leicht, und dieses Mal rannen einige stille Tränen meine Wangen herab, ohne dass ich mich dafür schämen konnte. Es war im Grunde egal geworden, jetzt, da auch noch dieses letzte Bisschen meines Inneren offen zutage lag.


    "Ich weiss nichts mehr, Marcus, nichts mehr, was ihn angeht," wieder nur leise geflüsterte Worte, wenngleich eine angestrengte Lauscherin sie vielleicht noch vernehmen konnte. "Als ich euch sah ... egal was da nun ist ... konnte ich .. konnte ich nicht mehr. Es ist wohl .. eine verbotene Leidenschaft, etwas, das sich niemals entfalten wird. Nicht entfalten darf. Jeder Mensch darf ihn offener anblicken als ich es jemals dürfte. Jeder Mensch ihm näher sein. Es ... ich könnte ihn sogar ..verstehen, hätte er Dich gewählt."
    Die bitteren Worte schmeckten auf vertraute Weise gleichsam schmerzvoll und doch süß, endlich war ich wenigstens von dieser Last befreit, einmal hatte ich es ausgesprochen, und niemals wieder würde ich es aussprechen müssen. Letztendlich hatte ich mich in Marcus' Hand gegeben, bei dem ich nicht mehr wusste, was er war, wieviel er mir noch sein konnte, und was Gracchus vielleicht doch zu ihm hinzog. Das Bild blieb mir noch lebendig und wach vor Augen, diese eine, vertraute Geste, die ich ihm nicht hatte schenken dürfen, und immer würde ich nur der Beobachter bleiben. "Ich glaube nicht einmal mehr an mich selbst, Marcus, wie kann ich da noch irgendwem glauben ... Ovidius Naso hatte doch immer Recht, die Liebe schenkt einem nichts als Leid."

  • Ich pickte mir wahllos einen Holzsplitter heraus, um etwas in den Händen zu haben, um mich körperlich zu beschäftigen und damit einen Ausgleich zu den sich im Kreise drehenden Gedanken zu schaffen. So leise sprach er, dass ich genau hinhören musste, um zu verstehen, was er flüsterte. Ich konnte mich eines gewissen, neidvollen Gedankens nicht erwehren, als ich vernahm, was er da sagte. Doch konzentrierte ich mich auf den Grund meiner Anwesenheit, den eigentlichen Grund, aus dem ich hergekommen war und welcher ihm nicht ganz klar zu sein schien. Zuerst zu Aquilius, nicht zu Gracchus. Der Hilfe wegen, nicht der Gefühle.


    Ein Kloß hatte sich in meiner Kehle gebildet, und jener wuchs noch an, während er weitersprach, mich an diese naive Frage erinnerte, die ich ihm - so schien es - vor unzähligen Jahren nach zu viel Wein und dennoch klaren Verstandes gestellt hatte. Damals hatte er nicht geantwortet, zumindest nicht direkt. Ohne mit der Wimper zu zucken, sah ich Aquilius an, während er sprach. Selbst die dunkelste Wolke am tristesten Herbsthimmel vermochte den salzigen Tropfen nicht zu verdecken, der sich aus seinen Wimpern löste und einen Weg die Wange hinab suchte. Gleichsam fasziniert wie tief bewegt folgte ich der feuchten Bahn, welche die Träne zog, mit den Augen. Der Kloß hatte ein vermutlich nicht mehr zu toppendes Ausmaß angenommen. Seine Worte zogen an mir vorbei, wie die Träne seine Wange hinabrann. Verwunderung füllte mich aus, gleichsam Mitgefühl. Wann waren mir das letzte Mal Tränen gekommen. Bei der Nachricht über den Tod meines Vaters. Und zuvor? Ich konnte mich nicht erinnern.


    Nach kurzem Zögern hob ich doch die Hand und strich die Träne mit dem Daumen fort. Kurz ließ ich sie an Ort und Stelle verweilen, dann legte ich ihm die Hand in der gleichen vertrauten Geste auf die Schulter, die ihm stets vor Augen stand. "Es wäre vermessen, zu behaupten, ich wisse wovon du sprichst oder könne es nachempfinden. Ich hatte ja keine Ahnung... Caius, wenn du nur einmal etwas gesagt hättest..." Ein Kopfschütteln unterstrich die Worte. "Es ist eine...hm, schwierige Konstellation. Und dennoch gäbe es Möglichkeiten. Ihr lebt im gleichen Haus, seine Gattin ist ihm nicht sonderlich zugetan und sollte er gleich empfinden..." Es waren Worte eines Unwissenden, die im Raum standen. Was wusste ich schon von Flavius Gracchus, von der Beziehung in welcher er zu Aquilius stand oder Aquilius zu ihm? Ich zog kurz in Erwägung, auch die andere Hand auf seine andere Schulter zu legen, entschloss mich aber anders und rutschte so herum, dass ich nun neben Aquilius saß. Alsdann legte ich ihm einen Arm um die Schultern. Er schien wie ausgewechselt, seitdem er seiner Wut ein Ventil dargeboten hatte, auf dessen Ergebnis wir nun hockten. "Als wir uns zum ersten Mal trafen, warst du mir gleich sympathisch. Die Schicksalsfäden der Parzen haben nur kurz zwischen zwei Varianten der Webkunst geschwankt, Caius, sich dann aber in Freundschaft verwoben, untrennbar. Niemals würde ich etwas tun in dem Wissen, dass es dich quält. Niemals würde ich dir wissentlich schaden, sei es durch Wort oder Tat. Wenn ich dir helfen kann, in welcher Weise auch immer, so zögere nicht. Es gibt nur eine einzige Bedinung, die ich stelle. Sprich nicht mehr so über den Tod, Caius. Wenn es etwas gibt, wovor ich Angst habe, so ist es der Verlust meiner Familie, und du bist unlängst ein Teil davon, ganz gleich was du auch je im Zorn behaupten magst", sagte ich leise.


    "Ovidius Naso war ein wankelmütiger Mensch, Caius", fuhr ich fort. "An einer Stelle behauptet er, die Liebe brächte dem Liebenden nichts als Leid, an anderer sieht er die Hoffnung als die Liebe nährend an. Wenn du mich fragst, ist die Liebe selbst launisch. In welchen Farben sie schillert, kommt auf die Beteiligten und die Umstände an." Und meine glitzerte derzeit in tristem Grau vergangener Zeiten, dachte ich, doch hätte ihn die Erwähnung Deandra vermutlich nur wieder in Grübeleien gestürzt. Egal was ich sagte, nichts würde ihn vermutlich aufmuntern können. Auch wenn die Gefahr, welche er in mir sah, vielleicht gebannt sein mochte, so würde ihn doch das liebende Verhältnis zu seinem Vetter stets wieder in tiefe Depressionen bringen. Ich betrachtete Aquilius' Profil und seufzte tief. Alles, was mit jener meiner Sichtweise von Aquilius oder auch Gracchus zu tun hatte, schloss ich tief in mir ein, in die hinterste Kammer meiner Selbst. Es hatte schlichtweg hier nichts zu suchen.

  • "Warum sollte ich über dieses einzige, tiefste, schmerzvollste Moment meines Lebens sprechen, Marcus? Warum es ausbreiten, wenn sich doch nichts an dem ändert, was ist? Ich hatte gedacht, dieses Gefühl .." Ich sprach das letzte Wort fast verabscheuend aus, denn in so manchem Augenblick war es mir, als gäbe es diese Liebe nur, auf dass ich leiden müsste. "... irgendwann verblassen würde. Mit den Jahren geringer werden, weniger wichtig, weniger bestimmend, dass es mir irgendwann gelingen würde, wieder für einen anderen Menschen offen zu sein, egal ob Mann oder Frau. Aber es ist nie geschehen. Ich sehe ihn und seine Frau, unterhalte mich mit ihm, wir scherzen zusammen, trinken unseren Wein gemeinsam und doch - alles, was mehr wäre als diese harmlosen Dinge, all das ist verboten. Er ist mein Vetter, wie Du schon richtig festgestellt hast." Jetzt war es leichter, die ganze Sache logisch anzugehen, und mit einem Handrücken wischte ich mir über die Augen, als könnte es die vergossenen Tränen irgendwie negieren, diesen Augenblick der Schwäche auslöschen.


    "Dafür darf es keine Möglichkeiten geben, Marcus, Du kennst die Strafen für Inzest, und der sich entwickelnde Skandal würde ihn stürzen ... gäbe es überhaupt Hoffnung." Ich durfte ihm nicht sagen, dass Gracchus ähnlich empfand wie ich, denn auch wenn Marcus mein Freund war, meine Geheimnisse kannte, so wusste ich doch nicht, wie nahe sich mein Vetter und mein Freund wirklich standen, und allein der Gedanke daran war schon unerträglich. Einen anderen Mann in seiner Nähe würde ich niemals dulden können, auch und schon gar nicht Marcus.
    "Helfen kannst Du mir nicht dabei, denn gäbe es eine Hilfe für diesen Zustand, hätte ich sie mir längst gesucht, längst versucht, etwas an dem zu ändern, was ist. Ich kann es nur akzeptieren, wie es ist, und hoffen, dass meine Gedanken, meine Empfindungen nicht zu oft in eine Richtung driften, in die sie nicht gehen dürfen." Nach einer kurzen, sinnierenden Pause fügte ich leise, den Kiopf zu ihm gewandt, an: "Aber ich danke Dir dafür, dass Du es überhaupt in Erwägung ziehst, nach all dem, dessen ich Dich geziehen habe. Ich ... ich kann selbst nicht so recht ...verstehen, was mit mir los war. Ich ..." Leicht schüttelte ich den Kopf, einerseits über meine Ratlosigkeit, andererseits über mein Verhalten.


    "Ich war noch nie so ... mörderisch wütend. Und das wegen einer einzigen Szene, die nicht einmal war .. was ich dachte." Hoffte ich. Hoffentlich war es wirklich nur ehrliche Anteilnahme gewesen, der Versuch, den Untröstlichen zu trösten. Über mehr wollte ich nicht nachdenken, auch nicht darüber, was Gracchus dabei wohl empfunden hatte. "Allerdings, was den Tod angeht, kann doch niemand leugnen, dass die Flavia derzeit ihm sehr nahe wandelt. Wie hoch steigen doch manche unter uns, vorzüglich in ihren Gaben, ihrem Tun, um dann zu fallen und in Dunkelheit zu vergehen. Es ist das unselige Blut, das einen Domitius groß gemacht hat, und dann in Zorn und Wut vergehen ließ, wir tragen es alle in uns, diese dunkle Blut, diese Raserei, diese Neigung zum Dunklen, jeder auf seine eigene Art. Bis heute dachte ich, ich wäre davon in weitem verschont geblieben, aber nun weiss ich es besser." Ich, ein Teil seiner Familie? Das hatte mir noch kein Mensch jemals gesagt, mein Vater hatte mir eher in seinem Zorn entgegen geschleudert, er bereue es, dass ich ein Teil der Familie sei. "Ich bitte Dich um Verzeihung, Marcus, auch wenn ich weiss, dass es wohl kein Verzeihen gibt für die Worte, die ich Dir entgegen warf. Ich war .. nicht bei mir selbst, ich weiss nicht einmal, ob ich es jetzt wirklich bin."


    Ich lehnte still den Kopf an seinen, und so saßen wir da, auf den Holzsplittern auf dem Boden der Laube, in den Garten mit jenen alten Bäumen blickend, deren Äste sich im Wind wiegten. Wieviel hatten sie wohl schon gesehen, gehört, beobachten können? Hatten sich an diesem Ort noch andere Tragödien ereignet? Oder hatte ich ihn nun mit meinem Schmerz entweiht, eine kleine Liebeslaube, die einst einem anderen Zweck gedient haben mochte?
    "Manchmal ist es, als würde ich innerlich entzwei brechen ... und es ändert sich nicht, nichts daran ändert sich. Das ist vielleicht das Schlimmste von allem, es nicht vergessen zu können, immer weiter zu hoffen, und doch zu wissen, wie sinnlos es ist."

  • Mein Niesen war ihnen, zum Glück, wohl doch entgangen. Ich wollte eigentlich auch nicht darüber nachdenken, was wohl passiert wäre, hätte man mich entdeckt. Sicher wäre Aquilius nicht sehr erfreut darüber gewesen, hätte er gewußt, daß ich nun sein Geheimnis kannte.
    Ich konnte es mir zwar nicht vorstellen, daß ein Mann einen anderen Mann liebte. Doch wurde mir jetzt auch einiges klar. Mein Vater hatte einmal gesagt, es gäbe immer wieder gewisse Launen der Natur.
    War dies auch eine solche Laune oder war es einfachBestandtei dieser, mir immer noch fremden Welt.
    So lauschte ich also weiter und versuchte auch immer wieder einen Blick durch das dichte Gestrüpp zu erhaschen. So langsam hatten sich die Wogen wieder geglättet, denn mittlerweile schrien sie sich nicht mehr an. Ich sah sogar, wie sie ihre Köpfe aneinander hielten. Nein, die waren wirklich alle eine Laune der Natur! So dachte ich jedenfalls.
    Dann begann ganz fürchterlich meine Nase zu kribbeln. Es war einfach schrecklich. Hatte ich mir hier vielleicht auch noch etwas eingefangen? Eine Erkältung wäre jetzt ganz schön unpassend! Doch es half alles nichts. Das Kribbeln wurde immer starker und ich konnte nicht an mir halten. Laut, so daß es sicher noch die Leute auf der Straße hören mußten, nieste ich aus voller Kraft. Mit dem Erfolg zwar eine frei Nase zu haben aber sicher auch gehört worden zu sein! Mist! Was sollte ich denn jetzt tun? Wegrennen oder hier bleiben und hoffen, sie würden nicht nach mir sehen? Oder Möglichkeit Nummer drei in Betracht ziehen!
    Einfach so zu tun, als ob man ganz unverfänglich im Garten spazieren war. Ja, das war wohl das Beste!
    Also kam ich hinter meinem Busch hervor und flanierte durch den Garten, ganz nach dem Motto alles meins!
    Irgendwann kam ich dann auch wieder an der Laube vorbei. Die beiden Süßen saßen immer noch wie ein verliebtes Pärchen dicht beieinander.
    Ganz schön frisch hier draußen! , rief ich ihnen zu, während ich vorbei spazierte.

  • "Warum es verschweigen, wo du weißt, dass du nicht fürchten müsstest, ich könnte dich auslachen oder verurteilen? Gerade ich, Caius?" fragte ich postwendend auf seine eigene Frage, schüttelte aber sofort den Kopf. "Nein, sage nichts. Ich kann es nachvollziehen. Manches macht man lieber mit sich allein aus, ganz gleich, wie nahe einem jemand steht." Ich dachte daran, wie nahe mir meine Familie stand. Und dennoch hatte ich bisher keinen von dem Entlöbnis mit Deandra erzählt. Ich ging davon aus, dass Aquilius wusste, dass ich sein nicht ganz freiwillig gestandes Geheimnis und damit sein Vertrauen nicht missbrauchen würde. Dennoch hatte ich das Bedürfnis, ihn gleichsam in etwas einzuweihen, das niemand sonst bisher wusste. Nicht einmal Deandra. Später. Nur zu gern schob ich dieses Thema vor mir her.


    Durchaus irritiert über ein wahrlich ohrenbetäubendes Niesen und das anschließende, urplötzliche Erscheinen der Sklavin von zuvor, hob ich dann den Kopf und blickte in ihre Richtung. Darauf, dass sie womöglich das bisherige Gespräch belauscht hatte, kam ich nicht einmal ansatzweise. Mit gerunzelter Stirn ließ ich die Sklavin links liegen und wandte meine Aufmerksamkeit erneut Aquilius zu, wenngleich ich nun auch etwas leiser sprach, sodass die Sklavin ein Lauschen schwer haben würde. "Ich kenne die Strafen", bestätigte ich. "Aber sie können nur verhangen werden, wenn der Umstand publik ist.“ Was natürlich der Tatsache entsprach. Selbst wenn die Familie davon wüsste und diese anrüchige Beziehung aufs schärfste verurteilte – ob man dabei wahrhaftig von Inzest sprechen konnte? Immerhin bestand hier nicht die Gefahr, jemandem einen Kuckuck ins Nest zu legen. Ein Seitenblick verriet mir, was Aquilius davon hielt. Entgegen meiner durch den vorherigen Wutausbruch bedingten Gemütslage verspürte ich das Bedürfnis, ihn gleichwie zu berühren. Ich seufzte und unterdrückte den Drang danach. Er hatte seinen Kopf immer noch an mich gelehnt, wandte sich mir zu. Die Sklavin war längst vorbeispaziert. Er war mir so nah. Die Situation hatte etwas Unwirkliches. Ich holte tief Luft und hielt sie an. Im denkbar schlechtesten aller Momente kam das nun wieder aus dem entlegensten aller Winkel zum Vorschein! Das Herz schien mit jedem Schlag die angehaltene Luft mehr zu stauen, und als ich schließlich antwortete, tat ich es mit einem langgezogenen Seufzer. „Du musst dich nicht für Selbstverständlichkeiten bedanken, Caius. Es gibt also nichts zu verzeihen.“ Kurz darauf fügte ich an „Mir ist es selbst schon oft genug so ergangen. Zuletzt in Ostia. Ich habe die Verlobung aufgelöst. Es ist sogar bereits amtlich“, gestand ich nun, weil es einerseits ohnehin aus mir heraus wollte, andererseits die Situation abrupt umgestaltete und meine Gedanken damit etwas von dem warmen, duftenden Körper an meiner Seite ablenkte.


    Ich pickte einen Holzsplitter vom Boden auf und drehte ihn gedankenverloren in der Hand. Da saßen wir inmitten des zerschlagenen Tisches und gleichsam inmitten der vermeintlichen Scherben der Liebe. Der eine eifersüchtig und verzweifelt, der andere resigniert und zornig, die Situation gewürzt mit ein wenig Selbstmitleid und einer nicht zu unterschätzenden Tragikomik, die schließlich auch mir auffiel. Ich schnippte den Splitter fort und legte meine Hand auf die von Aquilius. „Manchmal frage ich mich, ob die Götter nicht herabschauen auf uns Menschen und sich prächtig amüsieren. Stell dir nur mal ein Drama mit Elementen dieses Lebens vor. Das ist lachhaft und zum Heulen zugleich.“ Ich grinste schief und knuffte Aquilius in die Seite. „Ich habe heute festgestellt, dass ich deinen Willen unterschätzt habe. Ich wage sogar zu behaupten, dass ich niemanden kenne, der einen stärkeren besitzt als du, Caius. Solange er dir eigen ist, wirst du weder in Zorn noch Raserei vergehen, davon bin ich überzeugt. Jetzt stehen erst einmal die Wahlen an, in denen du mit Sicherheit die Bestätigung dessen erhalten wirst, was ich dir eben gesagt habe.“

  • "Vielleicht bin ich einfach schon zu lange daran gewöhnt, mit niemanden über diese Sache zu sprechen. Irgendwann schweigt man ganz automatisch über alles, was das tiefste Innere anbelangt, und spricht es auch nie wieder an. Es brächte ja doch kaum Hilfe noch eine Änderung, und innerhalb der Familie ist ein solches Wissen auch nicht gut aufgehoben," sagte ich langsam und blickte auf das Gras das sich ebenso leicht im Wind bewegte wie die Zweige der Weiden um die Laube herum. Es hätte so friedlich und schön sein können, wenngleich in meinem Inneren die Ödnis eines jüngst beanspruchten Schlachtfelds herrschte und nur wenig der Ruhe, die nach dem Sturm kam. Dass Bridhe so überraschend in unsere Nähe kam - das laute Niesen hatte sie zweifelsohne angekündigt - sah ich nicht zum Anlass, meine Haltung oder meine Sitzposition zu ändern, denn immerhin war Corvinus mein Freund, und nichts anrüchtiges an unserem Verhältnis zueinander. Aber ... hatte sie gelauscht? Wie lange vor dem Niesen war sie hier gewesen? Was hatte sie erfahren? Ich konnte nicht anders, selbst in der dumpfen Taubheit meiner Gefühle lauerte doch dieser zutiefst flavische Argwohn, der es uns so schnell gebot, uns vor Gefahren zu schützen, ob nun vorhanden oder eingebildet.


    "Bridhe, Du wartest in meinem cubiculum auf mich," traf ich in knappen Worten meine Anordnung, und mein Blick mochte zusätzlich verraten, dass ich weder Widerspruch akzeptieren würde noch Widerworten zuhören. Es gab Momente, in denen ich geduldig war, und Momente, in denen ich wahrscheinlich zu geduldig war, aber dieser war keiner davon. Wenn sie klug war, ging sie weiter und tat, was ich ihr gesagt hatte, an diesem Tag war so vieles möglich, und ich war mir keineswegs so sicher wie mein Freund, dass die mörderische Wut, die eben erst abgeklungen war, nicht mehr wiederkehren würde. Niemals hatte ich so sehr an mir gezweifelt wie an diesem Tag, ohne den verlässlichen Halt eines Wissens, ohne den Gedanken an Manius, an dem ich mich oft genug geklammert hatte - wenn ich schon an ihm zweifelte, und an meinem besten Freund zweifelte, wieviel war dann noch sicher auf dieser Welt?
    "Es ist besser, kein Mensch erfährt jemals davon. Es ist meine Last, Corvinus, und ich trage sie lange genug mit mir herum,ich werde sie auch weiter tragen, und hoffen, dass mir irgendwann die Götter gnädig sind, es zu beenden. Oder zu verändern, was ist. Du wirst lachen, ich stand auch schon einmal auf den tarpeischen Felsen und wollte hinabfliegen, damit es ein Ende findet." Nur einem Mann war es zu verdanken, dass ich noch hier war, und jener war fern in Parthia.


    Seine Worte über die Verlobung schreckten mich allerdings doch etwas auf. "Warum hast Du diese vorteilhafte Verbindung gelöst? Die Claudia ist eine alte gens, und man wird die Schmach nicht so leicht vergessen, die ihr durch dieses erwächst. Was ist zwischen euch geschehen, dass Du die Frau, die Du liebst, nicht mehr heiraten willst?"
    Fast begierig stürzte ich mich auf dieses neue Thema, vermochte es mich doch von all den anderern unerfreulichen Dingen meiner eigenen Existenz abzulenken. Nun rückte ich doch von ihm ab, um ihm ins Gesicht blicken zu können, zu überraschend war diese Nachricht gewesen. Vor wenigen Wochen noch hatte ich die beiden als sicheres nächstes patrizisches Ehepaar gesehen, das sehr bald viele Kinder machen und in gegenseitigem Einvernehmen glücklich werden würde. "Da komme ich mit meinen Hirngespinsten und Du trägst Deine eigenen Sorgen mit Dir herum. Was für ein schlechter Freund bin ich in diesen dunklen Tagen, aber ich will es nicht bleiben. Wenn Du möchtest, erzähle mir alles. Vielleicht hilft es ja doch."

  • Als ich meinen Namen aus seinem Mund hörte, zuckte ich zusammen und blieb ich dann stehen. Seinem Ton konnte ich entnehmen, daß er mich ertappt hatte! Er wußte genau, daß ich gelauscht hatte. Nervös biß ich auf meine Lippe. Mist, dachte ich und schloß über mich selbst ärgernd, die Augen.


    Ja, dominus.
    sagte ich nur knapp und ging zurück zum Haus.
    Das konnte ja noch heiter werden! Aber sicher war es besser, seinen Anweisungen zu folgen.

  • "Es hätte schwerlich eine Änderung gebracht, da magst du recht haben, doch vielleicht hätte dir das Bewusstsein geholfen, nicht ganz allein dastehen zu müssen", erwiderte ich, tat aber gleich darauf meine Worte mit einem Schulternzucken ab. "Manchmal tut es einfach nur gut, jemandem zu erzählen, was einen gepackt hält und nicht loslässt." Mir ging es schließlich genauso, wie ich just in jenem Moment erkannte. Es tat gut, eine Bürde mit jemandem teilen zu können, dem man vertraute. Während Aquilius die Sklavin verwies, hing ich meinen eigenen Gedanken nach und betrachtete die sich im sanften Windspiel wiegenden Blätter der nahen Weide.


    "Mich musst du nicht bitten, den Mund zu halten, Caius. Ich weiß, was auf dem Spiel steht. Aber deine Sklavin solltest du im Auge behalten. Wer weiß, wie viel sie wirklich gehört hat. Selbst Gerüchte kannst du gerade jetzt am allerwenigsten gebrauchen", gab ich zu bedenken, doch etwas enttäuscht darüber, dass er mich auf seinen Wunsch hinwies, sein Geheimnis zu verwahren - wie ich es ohnehin getan hätte. Nur ein kleiner Teil von mir, jener, dem die Ausmaße der Informationen erst langsam bewusst wurden, reagierte neiderfüllt und grollend. Doch ich wusste ihn zurückzudrängen, zumindest für den Moment. Ein Seufzen kam über meine Lippen und ich sah Aquilius schräg von der Seite her an. "Vom tarpeischen Felsen? Bona Dea, Caius!" tadelte ich vorwurfsvoll. "Manchmal scheinst du auf Gedanken zu kommen, die ich nicht einmal einem Octavier zutrauen würde." Meine Stimme troff vor Ironie, sie wurde begleitet von einem Kopfschütteln. Ob es mir gelang, die Situation zu lockern? Wohl kaum. Ich war noch nie sonderlich begabt darin gewesen, prekäre Situationen mit Humor zu neutralisieren. Meine Rechte fand den Weg auf Aquilius' Schulter. "Versprich mir nur eines, Caius: Wirf dein Leben nicht weg." Dass dieser Satz nicht nur dahergesagt war, sondern ich tatsächlich auf eine bestätigende Antwort wartete, verriet ein intensiver Blick.


    "Die Claudia ist in der Tat eine alte gens, und was mein Entschluss für Auswirkungen haben mag, schlägt mir selbst unangenehm auf. Tja, warum also? Ich kann sie seit dem Tod meiner Eltern nicht mehr ansehen, ohne Groll in mir. Unser Verhältnis war dabei schon immer etwas besonders, da sie als meine Schwester aufgewachsen ist, es aber im Grunde nicht war. Ich weiß nicht, es klingt verrückt, aber wir haben uns unterschiedlich entwickelt. Ständig geht sie mir mit ihren Gefühlen auf die Nerven..." Ich merkte, wie ich nach ernstzunehmenden Punkten suchte, die erklärten, dass sie mich verletzt hatte, und zuckte mit den Schultern. "Ich könnte sie nicht bis ans Ende meiner Tage an meiner Seite ertragen, Caius. Es ist einfach so. Hinzu kommt, dass diese Verbindung mir im Weg steht. Kaum jemand weiß, dass Deandra nur in die Aurelia adoptiert wurde. Für die meisten ist sie meine Blutsverwandte - womit wir wieder beim Thema wären." Die Inzest. Erneut hob ich die Schultern. "Nun ja. Ich habe mich entschieden und das Verlöbnis bereits gelöst. Mach dir keine Gedanken, mein Freund, mir geht es gut dabei." Ein halbherziges Lächeln bestätigte dies nur vage. Vermutlich würde ich nie wieder eine Frau finden, die mich zugleich faszinierte und für eine Heirat in Frage kam. Abgesehen von der claudischen Schönheit namens Callista. Ich schmunzelte.

  • In gewisser Weise hatte er Recht - es hatte mich tatsächlich erleichtert, überhaupt darüber gesprochen zu haben, jenen innerlichen Druck aus Leid und Qual einmal herausgelassen zu haben, mich von all jenem befreit zu haben, was mich seit Wochen, Monaten und Jahren beschäftigte. Letztlich hatte ich mich wohl inzwischen zu sehr daran gewöhnt, mein Innerstes vor anderen Menschen zu verschließen, auf dass ich nicht verletzt würde, auf dass mein Vertrauen keinen Missbrauch erfuhr, wie es so leicht geschehen konnte in einer Welt, in der es so wichtig geworden war, anderen gegenüber zu glänzen. Und war ich nicht vor wenigen Augenblicken erst noch bereit gewesen zu glauben, mein Freund hätte mir den einzigen Menschen genommen, den ich wahrhaftig liebte? Nein, das Misstrauen würde mich immer begleiten, auch wenn meine ratio mir anderes diktieren wollte. War nicht Gracchus der perfekteste erastes für einen eromenos? War nicht Corvinus ein wohlgeratener, stattlicher junger Mann, wie man ihn sich nur wünschen konnte? Gleichsam elend und müde fühlte ich mich, und doch auch erleichtert, so seltsam diese Gefühle überhaupt miteinander existieren konnten. "Ich bin es nicht mehr gewöhnt, über solche Dinge zu sprechen, Marcus, manchmal scheinen mir die Tage der Unbeschwertheit so fern, als hätten sie nur in einem Traum existiert. An manchen Tagen scheint es mir, als gäbe es kein Licht, keine Fröhlichkeit mehr, keine Freude - und an solchen Tagen ist es leicht, sich flüchten zu wollen."


    Unsere Blicke trafen sich, als er seine Antwort einforderte, mich beschwor, mein Leben nicht wegzuwerfen, und ich nickte nur matt. "Hätte ich es gekonnt, wäre ich wohl längst nicht mehr auf dieser Welt, sondern irgendwo sonst. Und damals hat mich jemand abgehalten, der mich überhaupt nicht kannte und doch ... bereit war, zuzuhören. Ihm schulde ich mein Leben, und diese Schuld werde ich irgendwann begleichen müssen." Ich wölbte die Lippen zu einer Art Lächeln, auch wenn es mir nicht leicht fiel. Seine Hand auf meiner Schulter tat gut, vermittelte sie doch die Illusion, es könnte jemanden geben, der mir wirklich helfen konnte. "Ich weiss auch heute nicht mehr, was mich damals so sehr getrieben hatte - nur, dass ich so verzweifelt war, so ohne Hoffnung, dass es mir als der einzige Weg schien. Die Aussicht darauf, niemals im Leben glücklich zu werden, ist nicht unbedingt eine schöne. Stets etwas zu erhoffen, das weder sein kann noch darf - es ist eben eine Last, die manchmal so schwer wird, dass man sich fühlt, als sei man Atlas und die Welt drohe, von den eigenen Schultern zu rutschen."
    Dann, nach einigen Augenblicken, wiederholte ich einen Gedanken, den ich zuvor nur im Zorn geäußert hatte: "Überlege Dir gut, ob Du diese Verbindung zwischen unseren Häusern willst, Marcus. Liebe kann ich einer Frau wohl nicht schenken, nicht nach dem, wie es jetzt ist. Nur Respekt, ein angenehmes Leben .."


    Was er allerdings über seine ehemalige Verlobte sprach, ließ mich die Stirn runzeln. "War ihre Adoption in die gens Aurelia denn jemals für Dich ein Hinderungsgrund? Wenn etwas nicht allgemein bekannt ist, dann mache es bekannt und das Geschwätz wird verstummen. Das wäre der letzte Grund, eine Liebe zu opfern, Marcus. Was das andere angeht ... ich wünschte, es wäre für Dich und sie anders ergangen, denn Du wirktest glücklich, als Du über Deine Liebe sprachst. Als hätte sich Dir der Olymp aufgetan, und ich gestehe es, ich habe Dich in diesem Moment sehr beneidet, niemals hätte ich vermutet, dass über dieser Liebe ein Schatten hätte liegen können." Diesmal war ich es, der meinem Freund die Hand auf die Schulter legte, bekräftigend, aber auch ermutigend sollte die Geste wirken, zumindest hoffte ich dies. "Ich kann nur hoffen, dass Dir durch dieses gelöste Verlöbnis nicht irgendein Makel anhaftet oder der Groll der Familie folgt - ich würde wohl einiges tun, um den ehemaligen Verlobten meiner Tochter zu treffen, wenn sie durch ihn so beleidigt wurde. Halte die Augen offen, die Claudier sind nachtragend, genau wie die Flavier ihre eigenen dunklen Angewohnheiten haben." Ich blickte ihn an und mit einem Mal tauchte diese unwillkommene, stille Frage wieder auf, die ich heruntergekämpft hatte, als er mir von seiner Liebe erzählt hatte: Was wäre gewesen, hätten wir damals mehr Zeit miteinander verbracht? Hätte ich Gracchus vergessen können?

  • Marginal hob ich einen Mundwinkel an. Ich wusste, wovon er sprach. Mir ging es schließlich oft genug so, wie er beschrieb. "Vielleicht", schlug ich daher vor, "sollten wir unsere Landpartie von vor Jahren wiederholen. Damals hat sie uns beiden gut getan, warum sollte ein solches Unterfangen nicht nochmals gut tun?" Ich hob eine Schulter und sah ihn fragend an. Natürlich wusste ich um die Brisanz dieses Vorschlags, der mich darum nicht weniger reizte. Vielleicht machte ich ihn auch gerade weil er heikel war?


    Brennend hätte mich indes interessiert, wer dieser ominöse Lebensretter war, und ich konnte zudem nicht umhin, mich geringfügig schuldig zu fühlen, weil ich damals nicht da gewesen war, um ihn vor der dieser dummen Torheit zu bewahren. Der tarpeische Felsen... Vielen Leben hatte ein Sturz schon ein Ende bereitet, doch traf es nicht meistens andere? Niemals einen selbst oder Personen, die man schätzte und liebte? Und wenn das dann doch einmal der Fall war, fühlte man sich ungerecht behandelt. Ich zog eine kurze Grimasse, verlor jedoch den wichtigsten Punkt nicht aus den Augen. "Versprich es mir, Caius", forderte ich erneut, geschickt verpackt in einen Tonfall nicht nur echt wirkender, sondern wirklich echter Besorgnis. Wem sollte ich sonst mein Leid klagen, wenn nicht ihm? Wem konnte ich sonst so vertrauen wie ihm? Gewiss, ich hatte viele Kleinten, eine Menge Bekannte und eine Hand voll Freunde, aber einen wirklich engsten Freund hatte ich nur einen, und das war er. Ohne zu zögern hätte ich ihm meine Seele anvertraut, weil ich wusste, dass er mich nicht enttäuschen würde. Doch...war da nicht ein winziger Keim des Zweifels, seit seiner Anschuldigung vorhin? Verächtlich wischte ich den Gedanken fort.


    "Nur Respekt und ein angenehmes Leben? Caius, es gibt niemanden, dem ich Prisca lieber anvertrauen täte, als dir. Respekt, etwas Zuneigung und kleine Freiheiten sind schon mehr als sie sich wüschen kann. Tiberius Durus zeigt Interesse an Helena. Ich kenne ihn bei weitem nicht so gut wie dich, doch glaube ich, dass Prisca bei dir um Längen glücklicher sein wird als bei ihm. Und was würde sie erwarten, wenn ich sie jemand gänzlich Fremden verspräche? Schlimmstenfalls Missmut und tumbe Depression. Meine Entscheidung hinsichtlich deiner Absicht ist gefallen, also bemühe dich nicht weiter, sie negativ zu beeinflussen, mein Freund, das wird dir nicht gelingen. Mit Prisca selbst habe ich noch nicht darüber geredet, doch denke ich nicht, dass sie abgeneigt ist. Sie schwirrt im Haus umher wie von Bienen gestochen." Ich schmunzelte. "Ich erwarte von dir gar nicht, dass du sie aus tiefstem Herzen liebst, Caius. Was ich allerdings erwarte, ist dass du meine Lieblingsnichte angemessen behandelst. Ich gehe davon aus, dass du dir dessen bewusst bist. Wäre es anders, hätte ich dir meine Zustimmung gerade nicht versichert." Nun zierte ein breites Grinsen mein Gesicht.


    Es hielt allerdings nicht sonderlich lange, denn nun schnitten wir erneut ein Thema an, das mir nicht behagte. "Nein, war sie nicht. Dennoch ist sie ein Stolperstein von nicht geringer Größe. Es war auch keine Liebe, die ich geopfert habe, Caius, denn die habe ich mir nur eingeredet, das wird mir immer klarer." Ich seufzte und schüttelte den Kopf. "Und ich war ziemlich erfolgreich damit. Mir graust es vor dem Moment, in dem ich ihr sagen muss, dass ich die Verlobung gelöst habe. Trotz allem, was geschehen ist, habe ich sie noch sehr gern. In gewisser Weise wird sie immer meine Schwester bleiben, weißt du? Auch wenn ich sie nicht mehr an meiner Seite sehen möchte." Seine Hand tat gut, sie spendete zugleich Kraft, Trost und Zuversicht. Gelassen sah ich zu Aquilius und schmunzelte verhalten. "Siehst du, du bist der erste, dem ich überhaupt davon erzähle. Das ist der Grund, aus dem du nicht noch einmal so eine Dummheit in Erwägung ziehen solltest, wie jene, in die der tarpeische Felsen involviert war...." Ich grinste nun vollends. "Wir sind schon zwei, Caius. Ich denke, eine wiederholte Landpartie würde einiges an Spaß mit sich bringen - wo wir doch zwischen Holzsplittern sitzend uns schon so fröhlich die Herzen ausschütten. Fehlt nur noch eine Amphore Falerner."

  • Die Landpartie. Sie schien eine halbe Ewigkeit weg zu sein, und gerade das machte den Gedanken daran irgendwie schön und reizvoll. Auch wenn der Reiz von damals, der immer zwischen uns geschwebt hatte, im Augenblick erloschen war, es war ein schöner Tag gewesen, der mir gutgetan hatte - und solche Tage waren in der letzten Zeit ausgesprochen selten gewesen. Sollte ich es wagen, mit Corvinus erneut auf einen solchen Ausflug zu gehen? Letztendlich war ich, wer ich war, und früher hatte er mich gereizt. Konnte ich es wagen, unsere sich entwickelnde Freundschaft auf diese Weise aufs Spiel zu setzen? Aber andererseits - was wäre das für eine Freundschaft, wenn wir nicht einmal miteinander ausreiten gehen konnten, ohne dass ich mir selbst misstraute?
    "Warum nicht - ich hatte meinen Sklaven ohnehin vor einiger Zeit einen Ausflug versprochen. Nimm Du doch auch Deinen Haushalt mit - ich denke, ab und an muss man seinen Sklaven auch ein bisschen Freizeit gönnen, damit sie an den anderen Tagen umso williger ihren Aufgaben nachkommen. Hast Du ein bestimmtes Ziel im Auge?"


    Eines wurde mir jedenfalls klar - ich würde wohl um ein Versprechen nicht herum kommen, und wenn mich erst einmal ein Wort band, dann konnte ich mich nicht einfach davonstehlen aus dem Leben, ohne als Eidbrüchiger von den Göttern verlacht zu werden. Aber wollte ich denn noch sterben? Im Grunde war ich mir dessen noch immer nicht so sicher, wie ich es eigentlich hätte sein sollen. Auch wenn mich Tiberius Vitamalacus damals davon überzeugt hatte, wie ehrlos ein solcher Tod war, die grundlegende Situation hatte sich nicht geändert. Ich liebte noch immer einen Menschen, den ich nicht lieben durfte, und inzwischen hatte sich zu diesem Verbot durch unsere Sitten auch noch ein Schwur gesellt.
    "Ich verspreche es," sagte ich schließlich tonlos, und die Worte fielen mir schwer. Irgendwann würde ich zwischen dem Gerüst meiner Versprechen zerbrechen, irgendwann würde diese Last zu groß werden, und ich wagte es nicht, mir vorzustellen, welche Art von Mensch dann aus mir werden würde. Der heutige Tag hatte mir etwas vor Augen gefürt, dem ich mich lange gegenüber verschlossen hatte, aber die Wahrheit ließ sich eben niemals auf lange Sicht verstecken.


    "Ich hoffe, ich kann ihr ein guter Ehemann sein, Marcus, und wenn ich daran zweifle, dann nicht wegen ihren Eigenschaften, sondern wegen der meinen. Mein Wort hast Du, dass ich mich sehr darum bemühen werde, sie glücklich zu machen, aus dieser Verbindung mehr zu machen als nur einer Vereinbarung zwischen zwei alten gentes, die ihre Bande dadurch aufzufrischen versuchen." Wobei mir die Götter hoffentlich auch zur Seite stehen würden. Denn ich hegt die stille Befürchtung, ich könnte ihr nicht genug sein, und alles, was ich ihr bieten konnte, unter dem gewohnten Luxus ihres Heimathauses verblassen - Prisca war mir bisher wie eine besonders teure, besonders exqusite Blüte erschienen, die nicht an jedem Ort gedeihen würde. "Ich habe sie auf einen Ausflug ans Meer eingeladen, um sie ein bisschen besser kennenzulernen, und sie hat mir diesen zugesagt - vielleicht ist das der Grund ihrer momentanen Freude? Bevor ich Dich offiziell um ihre Hand bitte, möchte ich mir sicher sein, dass auch sie in dieser Verbindung keine lästige und unangenehme Pflicht sieht. Dass sie sich mit dem Gedanken anfreunden kann, meine Frau zu werden - sie soll nicht das Gefühl bekommen, wir würden über ihr Wohl bestimmen wie über den Einkauf einer teuren Ware."


    Was er über seine Gefühle und Aurelia Deandra sagte, ließ mich indes nachdenklich werden. So etwas würde es bei mir nicht geben - wenn ich mich einmal entschieden hatte, dann wurde auch geheiratet, wie man es der Frau gelobt hatte, alles andere war nur würdelos und schmerzhaft.
    "Auch außer Dir weiss niemand, wem meine Gefühle gelten, Marcus, und ich werde es wohl auch keinem anderen Menschen jemals mitteilen ... letzten Endes bleibt bei all dem Schmerz wohl die Erkenntnis übrig, dass unsere Freundschaft so einiges übersteht, und wir sie beständig prüfen. Und den Wein bringe ich mit, mein Weingut stellt inzwischen einen recht guten Wein her - wäre doch gelacht, wenn der nicht mit dem Falerner mithalten könnte." Jetzt schmunzelte ich doch auch, und es tat nicht mehr so sehr weh wie noch vor wenigen Augenblicken. Auch wenn die Kenntnis meines Geheimnisses mich verwundbarer machte, ich hatte doch die stille Hoffnung, es sei bei ihm gut aufgehoben. Wem hätte ich sonst vertrauen können?

  • Forschend taxierte ich Aquilius einige Herzschläge lang. Würde er sein Wort halten? Oder würde die Versuchung eines Tages wieder so groß werden, dass er nicht anders konnte, als dem Ruf zu folgen? Die trüben Gedanken schob ich beiseite, sie hatten hier nichts verloren. Auch, wenn ich insgeheim Minerva anrief, sie möge Aquilius in jenem evtuellen Moment in der Zukunft die Weitsicht schenken, die er brauchen würde, um sich nichts ins Schwert oder vom tarpeischen Felsen zu stürzen.


    "Das ist eine recht gute Idee, ja", pflichtete ich, froh über den Themenwechsel, bei, als er auf die Sklaven zu sprechen kam. "Ich denke, so können wir es machen. Das Ziel indes hängt von der Dauer ab, die wir einplanen. Wir könnten an der Küste entlang in Richtung Pompeji ziehen, was meinst du?" fragte ich. "Ach, ich habe dir noch gar nicht erzählt, dass ich mich aus eigener Kraft an ein Pferd gewagt habe während meines Tribunats", erzählte ich mit leicht selbstverspottender Stimme. "Es wollte zwar in den seltensten Fällen das tun, was ich wollte, aber immerhin." Grinsend schnippte ich einige Splitter von meiner Kleidung und machte dann Anstalten, mich zu erheben.


    "Komm, Caius", forderte ich ihn auf, als ich stand, und hielt ihm die Hand hin. Auf dem Boden zu sitzen, erschien mir plötzlich unangebracht. Die Stimmung war umgeschlagen, und es gab keinen Grund mehr, wie zwei Jungen zwischen den Resten eines Wutopfers zu sitzen. Stattdessen zog ich die cline vor. "Ach. Du scheinst mir der einzige zu sein, der an dir zweifelt. Und noch dazu unnötig." Ohne es zu ahnen, bestätigte ich mit den folgenden Worten Aquilius' Ängste. "Prisca ist durchaus anspruchsvoll und erhaben. Sie würde sich nicht so verhalten, wäre sie nicht beeindruckt, glaub mir." Ich winkte ab. "Ich schlage vor, du besuchst uns zu einer cena, wenn du es offiziell machen möchtest. Über die Mitgift kann man dann später noch reden, wenn sie nicht dabei ist. Ich stimme dir voll und ganz zu - sie ist keine Ware, obgleich mir doch sehr teuer doch kostbar wie eine seltene Perle."


    Ich lächelte vage und neigte den Kopf. "Die besten Freunde sind diejenigen, mit denen man über dieselben Dinge schweigen kann, Caius", sagte ich leise und versicherte nochmals: "Von mir wird niemand etwas erfahren." Noch war das wahre Ausmaß und die Beteutung seines Geständnisses nicht vollends in mein Bewusstsein gesickert, weswegen ich nicht weiter darüber nachsann. Das würde später noch kommen, ganz gewiss. Ich schwieg weiters, und bedachte den zerschlagenen Holztisch mit einem weiteren, langen Blick, ohne ihn jedoch wirklich zu sehen. Meine Gedanken weilten fern der Gegenwart, in der Vergangenheit. Bei einer gemeinsamen Reise, die schon lange zurücklag und doch einiges an Überraschungen und auch an Verführungen parat gehalten hatte - und das Harmloseste daran war der Wein gewesen, den auch damals schon Aquilius gestellt hatte. "Das hast du dir so gedacht", erwiderte ich gedankenverloren und riss hernach erst den Blick los, ebenso wie die Gedanken, um Aquilius anzugrinsen. "Aber um beim Thema zu bleiben... Wann würde es dir passen? Legen wir doch gleich einen Termin fest, ehe du einen Rückzieher machst..." stichelte ich.

  • "Hmm Pompeji ist im Winter nicht mehr ganz so reizvoll, aber die Küste ist generell keine schlechte Idee. Ich dachte da an einen Ausflug von zwei, drei Tagen, sonst lohnt es sich nicht - und wenn wir schon ausreiten, dann doch bitte nicht in der unmittelbaren Nähe von Rom, wo man an jeder Ecke auf Bekannte oder Klienten stößt, das muss nun wirklich nicht sein. Ich möchte einfach einmal für einige Stunden all dies hinter mir lassen können, und ... Du weisst ja, was ich meine ... einfach mal wieder ich selbst sein. Hier in Rom wird das in dieser Form niemals möglich sein, vielleicht noch hinter verschlossener Tür, aber sicher nicht außerhalb der heimischen villa. Sollen wir noch jemanden von Deiner Familie mitnehmen? Von der meinigen ... hm, vielleicht meinen Großneffen, aber ich denke, es ist kein Muss - je mehr andere Augen dabei sind, desto eher sind wir nicht mehr wir selbst," überlegte ich laut vor mich hin und erhob mich schließlich, als er es auch tat - es gab wirklich keinen Grund mehr, noch länger zwischen den Holzsplittern zu sitzen. Das Aufräumen würde ich später Straton übertragen, denn die anderen Sklaven im Haushalt mussten das nicht unbedingt erfahren. Im Nachhinein war mir mein Zerstörungstrieb doch etwas unangenehm. Es erinnerte mich an einen Tag, an dem ich die Einrichtung meines cubiculums zerlegt hatte, im Zorn und in ohnmächtiger Wut über ein Gespräch mit Gracchus.


    So streckte ich mich gemächlich auf der cline aus, nachdem ich einige der darauf liegenden Holzspiltter mit der Hand weggewischt hatte, und atmete tief durch. Was er mir da über Prisca erzählte, machte mir nicht gerade allzu viel Mut, aber nun, sie würde in einer luxuriösen villa wohnen, und ich würde hoffentlich auch im Amt Einfluss gewinnen und mir einen Namen machen, der mir bessere Einkünfte erlaubte. So schlecht sah die Zukunft nicht aus, wenn sie nicht vollkommen überzogene Ansprüche hätte.
    "Sobald ich weiss, ob sie mit der ganzen Sache einverstanden ist, werde ich Dir wegen einer cena Bescheid geben. Es soll einfach passen, verstehst Du? Ich habe in meinem Leben noch nicht so sehr viel wirklich richtig gemacht, noch nicht vieles wirklich rund gemacht - und wenigstens meine Ehe soll angenehm beginnen, so angenehm wie möglich für sie, und ich hoffe, dann wird es auch angenehm für mich. Es klingt wahrscheinlich ziemlich albern, aber ich möchte dieser Frau morgens ins Gesicht blicken können, wenn wir beieinander gelegen haben, und mich nicht wie ein Fremder fühlen, der besser im eigenen Gemach genächtigt hätte. Eine solche Ehe ist nicht allzu viel wert, wenn man sich nicht wenigstens ein bisschen gegenseitig zu schätzen weiß."


    Prisca. Ein sonniges Lächeln. Würde das genügen, um mich zu halten? Würde es genügen, um uns beiden ein glücklicheres Leben zu gestalten? Ich wusste es nicht, und die Zeit würde es zeigen müssen.
    "Du meinst wirklich, ich würde mich vor diesem Ausflüg drücken? Du fliegst gleich in den nächsten Brunnen, amicus meus, wenn Du weiterhin so frech bist," gab ich seine Stichelei ungerührt zurück, und musste wider Willen grinsen. "Wann passt es Dir? Ich muss ein bisschen mit meiner Amtsübernahme planen, wenn es denn so wird, wie es soll - ansonsten nehmen wir uns einen mehrtägigen Feiertag dafür her." Mehrere Tage ausser Haus ... es hatte wirklich etwas reizvolles an sich, und mir begann der Gedanke wirklich zu gefallen. Es wäre auf jeden Fall eine schöne Abwechslung, und die Sklaven konnten die Zeit auch nutzen, um ein bisschen zu entspannen - letztlich hielt ich nicht viel davon, andere Menschen dauernd zu schinden, es erwuchs daraus nie etwas Gutes. Zumindest nicht im privaten, engsten Kreis des Haushalts. Und ... ein Gespräch mit Gracchus würde ich führen müssen. Es ging letztlich kein Weg mehr daran vorbei, dass wir einige Dinge klärten. Auch, weil ich wissen wollte, woran ich war bei ihm. Was überhaupt noch war.

  • "Wie es dir beliebt", erwiderte ich schmunzelnd. So schnell konnte man das flavische Feuer entfachen, und wenn es erst einmal brannte, wärmte es ganz vorzüglich. Die prekäre Situation von vorhin schien fast gänzlich vergessen, alles Denken war nurmehr auf alltägliche und ganz normale Themen gerichtet, und das hielt ich durchaus für einen Erfolg. Leise lachend, klopfte ich Aquilius auf den Rücken. "Wo immer du auch hin möchtest, Caius. Allein die Aussicht, einige freie Tage zu haben, und jene dann auch noch mit dir zu verbringen, ist verlockend. Den Sklaven kommt ein Ausflug gewiss auch zugute, da hast du recht. Ich muss mal sehen, wen ich da mitnehme... Deinen Großneffen kenne ich zwar noch nicht, aber ich denke, dass es noch viele Möglichkeiten für ihn geben wird, zu reisen. Vielleicht stellst du ihn mir bald einmal vor? Lass uns die Partie von damals wiederholen, Caius. Nur du und ich", fügte ich an und lächelte. Er wusste gewiss, was ich meinte, worauf ich anspielte. Auch wenn uns seit langem nichts weiter als eine tiefe Freundschaft verband, zudem nun sein Vetter als fortwährende Präsenz im Raum schwebte, schweiften meine Gedanken in eine bestimmte Richtung. Ich zwang sie zur Umkehr.


    "Natürlich. Ich kann das voll und ganz nachvollziehen und es klingt auch ganz und gar nicht albern, Caius. Immerhin ist das der Grund, aus dem ich selbst meine Verlobung gelöst habe", bemerkte ich und hatte hernach ein trockenes Gefühl im Mund. "Das sollte für keinen albern klingen, der Wert auf gegenseitigen Respekt legt. Illusionen hat Rom schließlich beileibe genug." Bitter war meine Stimme geworden, was ich letztenendes auch selbst bemerkte. Unbehaglich räusperte ich mich. "Sie ist eine enge Vertraute, Caius, vielleicht meine engste. Achte sie und verletze sie nicht, das ist alles, worum ich dich bitte." Die Worte begleitete ein intensiver Blick, der nur kurz währte. Hernach schnappte ich mir einen Splitter und bewarf Aquilius halbherzig damit. "Genug der tristen Diskussionen, du hast recht. Schwöre mir bei....bei dieser assula*, dass du keinen Rückzieher machen wirst", drängte ich ihn theatralisch und konnte das breite Grinsen von meinem Gesicht nicht verbannen. Das kleine Holzstückchen traf seine Brust und rutschte an einer Stofffalte auf die Liege herunter. "Wie wäre es gleich nach den Saturnalien? Im Grunde sollte ich mich nach dir richten, immerhin wirst du bald dein neues Amt antreten und ich meines abgeben. Und bei meiner neuen Tätigkeit ist die Arbeitszeit doch relativ frei einteilbar. ... Ach, erwähnte ich schon, dass ich gestern inauguriert wurde?" fragte ich wie nebensächloch und sah Aquilius gespannt an. Hatte er schon davon gehört?



    *Splitter

  • In einem waren wir Flavier immer gut gewesen - uns vom Grund prekärer Themen auf den doch etwas sichereren Boden des alltäglichen Geschehens zu retten, und ich war mir inzwischen sicher, da keine allzu große Ausnahme zu bilden. "Ein Ausflug wie damals? Spätestens wenn Du mit Deinem eigenen Pferd ankommst, wird es nicht mehr wie damals sein," neckte ich ihn mit einem leichten Grinsen, denn bei unserem ersten Ausflug war er ein grauenhafter Reiter gewesen. "Aber meinetwegen, es soll mir Recht sein, dann mit Anhang ein andermal, es wird sicherlich genug Gelegenheiten geben, wenn Du nicht wieder als Tribun irgendwo in die Einöde ziehst oder dergleichen mehr." Und ich nicht wieder eine halbe Ewigkeit als Fischer in einer winzigen Hütte am Meer lebe, fügte ich trocken hinzu. Aber die Gefahr, dass Severus Arrecina entführen würde, war angesichts ihrer Abwesenheit derzeit relativ gering. "Ich werde Straton den Ausflug planen lassen, wenn es Dir recht ist, er ist bei so etwas recht geschickt - und meinen vilicus als Begleiter dabei zu haben, ist auch von Vorteil, falls wir unterwegs irgend etwas dringend brauchen. Wann immer man etwas organisiert haben will, ist er die richtige Wahl. Ich hätte ihn eigentlich früher herholen sollen ...aber egal."


    Seine Worte über die Ehe ließen mich zu ihm blicken, und eine Braue hob ich langsam an. Das Thema Deandra war längst nicht so abgeschlossen, wie er es mir glauben machen wollte, soviel war sicher - und wahrscheinlich war es im Augenblick auch nicht der richtige Zeitpunkt, darauf ein wenig mehr einzugehen. Im Grunde war ich schon neugierig, wie aus der großen Liebe eine gelöste Verlobung werden konnte - die bisherigen Erklärungen waren zwar wortgewandt gewesen, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es nicht das Ende des Flaggenmasts gewesen war.
    "Ich muss Dir keinen Schwur leisten, Marcus, denn wenn ich sie gefragt habe, ob sie meine Frau werden will, wird sie dies auch werden. Wenn sie mir darin einwilligt, sind wir so gut wie vermählt, alles andere sind Formalia, die man eben erbringen muss. Sie ist eine Frau voller Sonne im Herzen, sie wird früh genug dunkle Tage erleben - ich will nicht der Grund dafür sein, dass dies geschieht. Das Leben ist selten genug freundlich zu uns, und wenn ich sie vor den schrecklichen Momenten ein wenig abschirmen kann, werde ich es tun. Wir haben doch beide genug Dreck gesehen, Marcus. Dabei soll es bleiben. Wenigstens sie sollte glücklich werden können."


    Ich griff mir den Holzspan mit spitzen Fingern und betrachtete ihn einige Momente lang. "Nach den Saturnalien, ja, wieso nicht. Danach wird es ohnehin eine Weile dauern, bis Rom seinen Rausch ausgeschlafen hat." Mein Kopf ruckte herum, dann hob ich überrascht die Brauen. "Nein, das wusste ich noch nicht - gratuliere! Das ist ja nun wirklich überraschend - wie kommt es?" In den letzten Tagen war ich wohl eindeutig zu viel mit meinem eigenen Leid beschäftigt gewesen ...

  • "Spätestens, wenn mich mein eigener Gaul abwirft, ist es dann wie damals", bemerkte ich trocken und dachte an meine Reitversuche in Germanien zurück. Das war mehr schlecht als recht gewesen, hatte aber für einfaches Auf-dem-Pferd-sitzen zwecks Emfangskommittee-spielen gereicht, und das war vordergründig Sinn der Sache gewesen. Der Ausflug würde zeigen, ob und wenn ja, wie gut ich mit Aquilius würde mithalten können, wenn er davonpreschte. Den leichten Spott in seiner Stimme, als auch er von Germanien sprach, quittierte ich mit einem Grinsen. Vielleicht, überlegte ich, sollte ich Ursus beim nächsten Mal mitnehmen. Dann war er beschäftigt und kam nicht auf dumme Gedanken. Das würde ich mir noch näher überlegen, nahm ich mir vor. "Ich denke, mein Lieber, dass eher du derjenige sein wirst, der zum Tribunat ausfliegen wirst - sofern du es denn freiwillig absolvieren wirst?" fragte ich. "Straton... Ist das der zugeknöpfte Sklave von vorhin gewesen? So einer mit verbissenem Ausruck auf dem Gesicht? Hat mich an meinen scriba erinnert" fügte ich an, "aber wenn du sagst, dass er Planungsgeschick hat, soll es mir recht sein. Wo hast du ihn denn 'hergeholt'?"


    Was er indes über die Ehe sagte, erweckte in mir den Wunsch, beschämt zur Seite zu schauen, doch ich hielt dem Drang stand. Die römische Gesellschaft erwartete nun einmal, dass man sich in gewissem Alter eine Frau nahm, und zudem war in den wenigsten Fällen wirkliche Liebe mir von der Partie, denn die meisten Ehen wurden vorab geschlossen und waren damit reine Formsache. Mein Fall erschien mir plötzlich schwieriger, denn eben wegen der Gefühle hatte ich den Schlussstrich gezogen. Immerhin mochte ich Deandra, konnte nur nicht mit ihr in einer Ehe leben und wollte ihr nicht antun, dass sie wie so viele andere Frauen unglücklich wurde. Ich ging nicht näher darauf ein, in der Hoffnung, dss unangenehme, weil zum Nachdenken anregende, Thema so unter den Tisch fallen lassen zu können. Stattdessen griff ich bereitwillig nach dem nächsten. "Die Saturnalien.... Dieses Jahr ist es bei uns besonders schlimm. Wir haben letztens so viele neue Sklaven bekommen, ich weiß gar nicht, was ich alles besorgen lassen soll. Und untereinander kennen sie sich längst nicht so gut, dass ich mir Tipps holen könnte." Ich zog eine Grimasse. Wegen des Festes musste ich mir auch noch Gedanken machen. Immerhin wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass wir die Saturnalien nicht bei uns verbringen würden.


    Der raubvogelgleiche Blick, mit dem Aquilius mich dann mussterte, machte mich schmunzeln. "Einer der septemviri ist in den Ruhestand gegangen und hinterließ einen freien Platz", erklärte ich. "Ein guter Freund von mir, Aemilius Atimetus, hat es offensichtlich irgendwie geschafft, meinen Namen einzubringen. Und plötzlich hatte ich die Erklärung der captio durch den rex sacrorum im Briefkasten. Für mich kam das Ganze auch überraschend." Ich lächelte. Natürlich freute ich mich darüber. "Es könnte also demnach sein, dass wir nun auch beruflich öfter miteinander zu tun haben werden, zumal du ja auch einige discipuli unter dir hast und ich refelmäßige Berichte über den Ausbildungsstand der angehenden Priester abzugeben habe."


    Schließlich räusperte ich mich. "Caius, da wäre noch etwas. Du bist doch auch jemand, der regelmäßig die acta diurna liest. Hättest du nicht Lust, auch einmal selbst den ein oder anderen Artikel zu verfassen?"

  • Ich grinste vor mich hin, als ich mich daran erinnerte, wie unsicher er schon auf meinem geduldigen Lapsus gesessen hatte - aber gut war es, dass er sich daran versucht hatte, es entschieden zu verbessern, es war auf Dauer für einen Patrizier einfach peinlich, wenn er sich mit Pferden nicht auskannte. Zumindest musste er oben bleiben können, wenn es losging, gut musste es ja nichtmal aussehen. "Ich denke schon - man sollte in allen Bereichen Erfahrungen sammeln, und da nehme ich das Militär nicht aus. Als Consul spätestens hat man eine große Verantwortung, und sich dem Militär nie gestellt zu haben, ist keine gute Grundlage für eine Karriere, bei der man von möglichst vielen anerkannt werden will." Als er meinen Straton beschrieb, nickte ich etwas. "Ja, das ist er - er ist mein vilicus, kümmert sich um die Rechnungen und diesen ganzen Papierkram, der immer auftaucht, wenn man ihn am wenigsten brauchen kann. Im Grunde habe ich ihn nur aus Hispania hergeholt, weil ich die Hochzeit plane, beziehungsweise, eine Heirat - spätestens da wird der Haushalt größer und man braucht jemanden, der alles im Auge behält. Wir sind gemeinsam aufgewachsen, in Hispania, seine Familie dient der meinen schon in der vierten Generation nun. Also ist er im Grunde eins der wenigen wirklich wertvollen Erbstücke meines Vaters."


    Das Ehethema schien abgehakt, und da er es nicht weiter ansprach, ließ ich es auch dabei bewenden, was zu sagen gewesen war, hatten wir gesagt und ich verspürte nicht den Drang nach noch mehr davon. "Ach ja, die Saturnalien. Das wird schon werden - zur Not schenke ihnen Geld, das sie nach ihrem Belieben ausgeben können, Rom bietet doch genug Möglichkeiten - und gerade an den Festtagen wird aller möglicher Kram angeboten, der wohl jeden Geschmack befriedigen könnte. Und vielleicht noch eine Garnitur guter Kleidung mit dazu - sowas kann man immer gebrauchen, und Du kannst Dir sicher sein, dass Deine Sklaven immer die Dinge tragen, die Dir recht sind." So hatte ich es in Hispania gemacht, als ich lange nicht zuhause gewesen war, und das Schlechteste war es nicht gewesen. Nur, was ich der Familie schenken würde, wusste ich jetzt auch noch nicht, die letzten Tage hatten mich anderweitig so im Atem gehalten, dass an Geschenke nicht zu denken gewesen war.


    "Nun, ich freue mich, dass es einen würdigen Mann getroffen hat mit der captio - wobei sie Dir mit der Erhebung zu den septemviri keinen großen Gefallen getan haben, wenig Ehre bringt dieses Amt ein, aber sehr viel Arbeit. Aber das ist Dir sicherlich ebenso bewusst wie jedem anderen Mitglied des cultus deorum - Ehre gibt es im Dienst der Götter nicht zu gewinnen, vielmehr die Pflicht." Wieder schmunzelte ich, wenngleich etwas freudloser. Letztendlich hatte ich die Worte des Valerius Victor noch sehr deutlich im Hinterkopf, die mich bisher von jedem höheren Priesteramt hatten Abstand nehmen lassen - aber diese Erfahrung würde mein Freund sicherlich selbst früh genug machen. Hatten sie es also geschafft, sich einen jungen Mann in voller Blüte für diese Arbeit heranzuholen. Dumm waren die collegien wirklich nicht, in sofern musste man sie fast bewundern. "Die Acta?" Verblüfft ein zweites Mal, hustete ich kurz, da ich mich verschluckt hatte. "Darüber habe ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht, Corvinus. Ich wüsste auch nicht, worüber ich schreiben könnte, ohne allzu sarkastisch und ironisch zu werden - und das ist für eine Kaisertreue Einrichtung wohl eher nicht so gefragt."

  • Aquilius erntete ein beipflichtendes Nicken von mir. "Da stimme ich dir uneingeschränkt zu. Nicht zuletzt erwirbt man auch Kenntnisse, die einem beim bloßen Wälzen von alten Schinken schlicht verwehrt bleiben, auch wenn das Tribunat für unsereins nicht daraus besteht, arglose Nachwuchssoldaten zusammenzubrüllen", sagte ich und grinste kurz. Ich wäre vermutlich ohnehin nicht dafür geeignet gewesen. Das Militär war nicht so meines.


    "Ein waschechter Hispanier also... Und er scheint etwas auf dem Kasten zu haben, wenn du ihn zu deinem vilicus gemacht hast. Wenn er dir in der vierten Generation dient, solltest du dir langsam mal Gedanken um die fünfte machen. Allzu jung sieht den servus nämlich nicht mehr aus", stichelte ich und lachte. "Für dich weiß ich schon etwas", erwiderte ich dann auf seine Worte bezüglich der Saturnalien. Und für die Sklaven würde ich auch schon irgendetwas finden oder finden lassen. Bei einigen hatte ich bereits eine Idee, andere waren mir noch ein Rätsel. Von der Familie ganz zu schweigen. Für Ursus war mir allerdings bereits etwas eingefallen, und ich plante, nach meinem Besuch hier zu jemandem zu gehen, der mir eben dieses geplante Geschenk würde anfertigen können. Vielleicht, so hoffte ich, würde ihn dies anregen, das Bild des selbstsüchtigen, abweisenden Onkels zu überdenken, das er von mir hatte. ich schob den Gedanken fort.


    "Ich danke dir, Caius. Und ja, ich bin mir dessen bewusst. Zu Anfang werde ich mich vermutlich in gewisser Weise verloren fühlen oder gar dem Ertrinken nahe, aber ist das nicht immer so, wenn man in ein bisher unbekanntes Wissensgebiet eintaucht? Ich werde jedenfalls alles daran setzen, zur Zufriedenheit der Allgemeinheit zu agieren." Dies und nichts anderes war seit jeher mein Bestreben gewesen, egal welches Amt ich inne gehabt hatte. Vielleicht, so Aquilius es denn wollte, konnte ich nach einiger Zeit im Amt auch sein Fürsprecher sein, dachte ich. Doch dann fiel mir ein, dass er seinen ....Geliebten.... wohl mir voranstellen würde. Ein seltsames Gefühl, so zu denken, und entsprechend froh war ich, als er auf meinen Vorschlag bezüglich der acta einging, wenn auch nicht sonderlich angetan. Dass er mich beim cognomen nannte, irritierte mich etwas, doch ich überspielte es. "Achwas, Caius, Sarkasmus und Ironie kann ein Salz sein, welches die Suppe überhaupt erst schmackhaft macht. Zudem verlangt niemand von dir, staubtrockene Artikel zu verfassen. Etwas Würze tut jedem gut, auch der acta. Ironie muss nicht schließlich unbedingt Kaiseruntreue sein. Und", fügte ich verschwörerisch hinzu, "gute Schreiber mit scharfem Blick und Weitsicht kann die Zeitung stets gebrauchen." Na, wenn das nun nicht zog, wusste ich auch nicht weiter. :D

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