hortus | Das Refugium des C' Flavius Aquilius

  • Mit einem Schulterzucken tat ich das Thema Militär ab - ich war noch nie Soldat gewesen, hatte mich damit erst seit kurzem wirklich beschäftigt, und so fehlte mir auch einfach die praktische Erfahrung. Strategielektionen und das Studium der Literaten ließen sich kaum mit der wirklichen Situation vergleichen, und so blieb mir nur, dies alles auf mich zukommen zu lassen und zu schauen, wie es sein würde. Letztendlich musste ich ohnehin erst mein Vigintivirat ordnungsgemäß zu Ende führen, bevor ich über das Militärtribunat nachdenken konnte und wollte.
    "Nunja, er selbst bezeichnet sich als Achaier, da seine Eltern Griechen sind, und deren Eltern davor auch die griechische Tradition lebten und lehrten - in sofern ist Straton wohl allenfalls ein auf hispanischem Boden geborener Achaier, wenn man es ganz genau nimmt. Er hat wie ich damals auch beide Sprachen als Kind gelernt, auf die es ankommt, und mit seinen Eltern spricht er nur griechisch. Was die Frauen angeht ..." Ich grinste etwas, denn Stratons Vorlieben kannte ich was dies anging, nur zu gut. "Ich glaube, er sucht nicht wirklich nach einer Frau, eher nach etwas Vergnügung ab und an, um dann in Ruhe allein weiterzuleben. Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der so resistent gegen die Liebe ist wie Straton. Eigentlich fast beneidenswert, findest Du nicht?"


    Seine Worte über das Priesteramt ließen mich kurz nicken, da ging ich mit meinem besten Freund durchaus konform. Am Anfang war es immer anstrengend, aber mit der Zeit gewöhnte man sich eben an alles. "Irgendwann werde ich noch den Boden küssen müssen, über den Du gehst, wenn Deine Karriere weiterhin einen so steilen Verlauf nimmt - da kommt man sich als der ältere Freund fast so vor, als hätte man sich zuviel Zeit gelassen," nahm ich die Sache scherzhaft, um dann etwas ernster anzufügen: "Ich bin mir allerdings sicher, dass Du Dein Amt gut ausfüllen wirst, und das auch mit dem nötigen Elan. Die meisten Priestercollegien sind einfach zu überaltert, und frischer Wind wird diesen alten Säcken guttun zu spüren, dann müssen sie sich selbst mal ein bisschen mehr anstrengen und nicht nur auf ihren Titeln ausruhen. Ich weiss noch gut, wie sehr Valerius Victor immer über diese Kerle geflucht hat." Und wenn ich es recht bedachte, meine Kollegen im Marstempel waren nicht viel anders als die Septemviri, die sich an ihr bequemes Leben längst gewöhnt hatten.


    Das Thema acta hingegen ließ mich trocken schmunzeln. "Ich habe über eine solche Karriere nie nachgedacht, aber ... es wäre vielleicht eine Möglichkeit, eine Sichtweise einzubringen, die nicht allzu romverliebt ist ... warum nicht. Ich werde es zumindest versuchen und mir ein Thema wählen - es liegt dann bei Dir, ob Du es aufnimmst oder nicht. Nur sei nicht zu erstaunt, wenn ich mit dieser Stadt nicht besonders liebevoll umgehen werde. Sie stinkt zum Himmel, und das seit sehr langer Zeit."

  • Ich hob eine Braue und dachte einen Moment über die Worte Aquilius' nach. Beidenswert... "Nun, so lange ihn das aus bestimmten Schwierigkeiten heraushält - wovon man ausgehen kann - ist eine Liebesresistenz durchaus zu beneiden", erwiderte ich und schmunzelte vage. Ob er einer dieser Achaier war? Im Grunde war es ohne Belang.


    Lauthals lachte ich dann über seine Übertreibung, konnte mich eines wissenden Nickens jedoch nicht erwehren, als er über die Priesterkollegien sprach. "Nun ja, auch die pontifices haben ihr Blut aufgefrischt. Manchmal glaube ich, dass es den septemviri nur darum ging, mit ihnen gleichzuziehen. Es wird, denke ich, nur eine Frage der Zeit sein, bis die haruspices und augures nachziehen. Dabei sollte man sich wohl eher um geeigneten Nachwuchs für die Tempel bemühen, statt Verjüngungskuren durchzuführen", gab ich zu bedenken und zuckte mit den Schultern. "Wir werden sehen, was wird", schloss ich. "Und was die acta betrifft... Ich würde mich freuen, etwas Geistreiches aus deiner Feder zu erhalten. Versuch es einfach, alles weitere sehen wir dann."


    Eine Weile schwiegen wir beide, dann fiel entfernt etwas scheppernd zu Boden, und ich erhob mich, als sei dies ein Startsignal gewesen. "Ich werde mich jetzt besser auf den Weg machen", erklärte ich und lächelte flüchtig, bis die Besorgnis zurückkehrte. "Ich kann dich doch allein lassen?" fragte ich ernst im Hinblick auf die vergangenen Stunden und musterte Aquilius, um das kleinste Zeichen der Ausrede wahrnehmen zu können.

  • "Wenn er mit Frauen irgendwelche Probleme haben sollte, so hat er sie mir bisher jedenfalls noch nicht genannt oder davon erzählt, er behält seine Angelegenheiten gern für sich und ich frage ihn nicht danach. Manchmal ist auch Schweigen recht angenehm, wenn keine Ansprüche gestellt werden, wenn man weiss, es ist kein bösartiges oder verletztes Schweigen," meinte ich und atmete tief durch. Mit wem konnte man schon ernsthaft schweigen, ohne sich etwas vergeben zu müssen? Straton war als Kind aufgeschlossener gewesen, aber mit den Jahren hatte er sich zu einem ernsten Mann entwickelt, der mir nicht nur einmal die Frage überließ, warum er sich so selbst geformt hatte. Aber dieses Rätsel meines vilicus würde ich ein andermal lösen, nicht jedenfalls, solange mein Freund hier war und ich Zeit mit ihm verbringen konnte. "Seit Valerius' Tod waren die septemviri ohnehin nur ein Schatten ihrer Selbst, und so kann es nur gut sein, dass Du dort eine angemessene Position gefunden hast, die Deiner würdig ist. Ich denke, sie haben die bestmögliche Entscheidung getroffen, die sie hätten treffen können - und so wirst Du auch gleichzeitig in Rom festgehalten und ich muss nicht immer Briefe nach Germania schicken, in sofern hat es nur Vorteile."


    Eine Weile lang lauschte ich unserem Atem und dem leisen Zwitschern der Vögel im hortus, die mir so unendlich weit entfernt schienen, so gänzlich aus einer anderen Welt stammend, dass es exotisch, ja gar anregend war, ihnen bei der Balz oder ihren täglichen Gesprächen zuzuhören. Worüber ein Vogel wohl nachdachte? Sicherlich mussten sich Vögel nicht mit enttäuschten Gefühlen, mit Einsamkeit, mit all unseren Sorgen herumschlagen.
    "Auf Deine Gefahr hin, Marcus," sagte ich zum acta-Thema, ".. ich werde sicherlich nicht freundlich schreiben, gibt es doch in Rom so wenig, über das man sich freuen kann, und über das ich mich jemals freuen werde. Es ist einfach eine schmutzige, verhurte Stadt, und dass sie so glorifiziert wird, werde ich nie verstehen." Die ersten Ideen hatte ich seltsamerweise bereits, und schätzungsweise würden sie einen anderen Ton in die bisher doch eher plätschernde Berichterstattung bringen. Sich in aller Öffentlichkeit Luft machen zu dürfen hatte durchaus etwas Anziehendes bei sich. Als sich Corvinus erhob, tat ich es ihm gleich und schmunzelte auf seine Frage hin schief. "Kannst Du. Zur Not kostet es eben noch einen Tisch, aber ich denke, das Schlimmste ist Überstanden. Vae amates - wehe den Liebenden, man hat doch nur Verdruss damit."

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