servitriciuum | Eine neue serva

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    "Und hier kannst du schlafen", erklärte Brix und öffnete die Tür zum Schlafbereich der Frauen. Hier standen zweistöckige Betten aus Holz und je ein Stuhl für jeden Zimmerbewohner. Außerdem fand sich an der Fußseite eines jeden Zweistockbettes eine Truhe. Brix steuerte eines der Betten an. "Hier unten schläft Tilla, du kannst oben schlafen. Du hast doch keine Höhenangst, oder?" Ein schallendes Lachen war zu hören, und Brix' volltönende, tiefe Stimme verriet, dass er gern lachte. Natürlich sprach er mit Siv in der Sprache seiner Landsmännin.


    Er klappte die Truhe auf, die in zwei Fächer unterteilt war. Die linke Kammer enthielt bereits einiges, die rechte war indes leer. "Aha, rechts ist also dein Bereich. Viele Römer scheren sich nicht darum, ob ein Sklave etwas von persönlichem Wert hat. Aber von uns hat jeder so eine Kiste, und alles, was du dort reinlegen möchtest, das gehört nur dir und keiner darf es dir nehmen. Diebstahl allerdings wird schwer bestraft", erklärte Brix ernst. "Kannst du eigentlich Latein?" fragte er sie kurz darauf und setzte sich auf einen herumstehenden Stuhl, über dessen Lehne eine getragene tunica hing. Sie fiel herunter, als er sich setzte, und Brix bückte sich, fischte sie vom Boden und warf sie aufs Bett. Nachdenklich musterte er dann die Gestalt der hübschen Germanin. "Du wirst neue Kleidung brauchen", stellte er fest. "Die Herrschaften legen wert darauf, dass wir gepflegt aussehen. Weißt du, für den Fall, dass Besuch kommt."

  • Siv konnte nicht verhindern, dass ihre Augen größer wurden, als sie das Haus schließlich betrat. So viel neues sie auch in den letzten Monaten gesehen hatte, war doch nie so etwas Prunkvolles dabei gewesen. Allerdings hielt der Moment nicht lange an – sie zwang sich dazu, ihr Staunen zu unterdrücken. Es war das Haus eines Römers, das war alles, was zählte. Davon abgesehen, so prächtig es auch sein mochte, es war so anders als alles, was sie kannte… Siv hätte es nie zugegeben, aber sie hatte Angst. Angst vor dem, was kommen würde, vor diesem neuen Leben. Sie biss sich auf die Lippen, während der Germane sie zu ihrer Unterkunft brachte. Sie würde sich auflehnen, sie würde sich nicht unterkriegen lassen. Aber insgeheim wusste sie, dass auch sie gebrochen werden konnte. Sie hatte es ja schon in den letzten Wochen auf der Reise hierher gemerkt, wie schwach sie manchmal war, obwohl sie es nicht sein wollte, und sie wusste, sie konnte und würde gebrochen werden, je nachdem wie es von nun an weiterging. Und sie hatte Angst vor diesem Moment. Angst davor, auch noch das letzte bisschen Stolz und Selbstachtung zu verlieren, das ihr geblieben war.


    Auf Brix’ Worte reagierte sie kaum. Die Kiste, die er ihr zeigte, streifte sie nur mit einem Seitenblick – sie hatte nichts außer dem, was sie am Leib trug. Das Zimmer selbst unterzog sie einer genaueren Musterung, und sie konnte ein leichtes Schaudern nicht unterdrücken. Nein, Höhenangst hatte sie keine – aber Platzangst würde sie hier bekommen. Sie konnte jetzt schon nicht mehr genau sagen, auf welchem Weg sie hierher gekommen waren, aber es hatte für ihren Geschmack von der Tür bis zur Unterkunft zu lange gedauert. Der Gedanke, nicht einfach raus an die frische Luft zu können, wann immer sie wollte, schnürte ihr jetzt schon den Atem ab, und sie warf einen sehnsüchtigen Blick zum Fenster, bevor sie sich schließlich zu dem Germanen umdrehte und ihn musterte. Wenigstens hörte sie vertraute Worte, auch wenn er einen anderen Dialekt sprach als sie.


    „Ein bisschen“, antwortete sie endlich auf seine Frage, ob sie Latein könne. Obwohl sie die Sprache der Römer genauso wenig leiden konnte wie die Römer selbst – schon aus Prinzip – hatte sie schon bald nach ihrer Gefangennahme begriffen, dass es für sie nur von Vorteil sein konnte, die Sprache ihrer Feinde zu verstehen. Vor allem, wenn sich diese nicht darüber im Klaren waren, wie viel sie tatsächlich konnte. „Es reicht, um das Nötigste zu verstehen.“ Dann runzelte sie Stirn. Neue Kleidung… Und am besten noch ein Bad. Ihre Lippen verzogen sich spöttisch. „Gepflegt aussehen? Für die Römer? Für Besuch, den die Römer bekommen? Warum sollte ich das?“

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    Dem Germanen war es keinesfalls entgangen, dass die junge Sklavin sich unbehaglich fühlte. Man musste sie ja nur ansehen, um dies festzustellen. Brix kratzte sich hinter dem rechten Ohr und verschränkte dann die Arme vor der Brust. Er wusste noch gut, wie er selbst damals in den Besitz der Aurelier gekommen war. Das war vor fünfzehn Jahren gewesen, und Brix zählte inzwischen zweiunffreißig Sommer. So lange war es schon her, und doch erinnerte er sich daran, als sei es gestern gewesen. Der inzwischen in Hels Reich weilende Cicero hatte ihn erworben. Eigentlich hatte er für die Stallungen verantwortlich sein sollen, die sich an das Haus anschlossen, doch schon bald hatte der Vater des momentanen Hausherren das Verhandlungsgeschick bemerkt, das Brix innewohnte. Und so war er quasi die rechte Hand des maiordomus geworden, hatte ihn auf Einkaufen begleitet und vieles gelernt, was er noch nicht wusste. Mit dieser Herausforderung war auch sein Kampfesgeist allmählich eingeschlafen, denn auch Brix war nicht immer so zufrieden gewesen mit seinem Dasein wie gegenwärtig. Siv ging es genauso, das fühlte er einfach. Er schenkte ihr ein freundliches Lächeln.


    "Bist du vom Stamm der Chatten? Ampsivarier bist du jeenfalls nicht", sagte er. "In dir steckt eine Kämpfernatur, hm? Nun ja, die wirst du hier nicht brauchen. Es wird dir niemand etwas zuleide tun oder dich ungerecht behandeln. Hier gilt eine eiserne Regel: Keine Bestrafung, wenn sie nicht gerechtfertigt ist, und niemand legt Hand an den Besitz eines anderen. Das zählt natürlich auch für dich. Du solltest dich daher gutstellen mit dem dominus. Er ist manchmal etwas seltsam, aber im Grunde doch gerecht."


    Dass sie Latein konnte, zumindest bruchstückhaft, war an sich schon eine gute Sache. Es würe ihr damit leichter fallen, sich einzugliedern. "Ein bisschen reicht für's Erste. Du wirst ja lernen. Am besten hältst du dich an Cadhla, sie ist Keltin und lernt auch noch die lateinische Sprache. Sie macht gute Fortschritte, ich könnte mir vorstellen, dass ihr zwei euch versteht. Und was die Pflege angeht..." Briex runzelte die Stirn. Er hatte noch keinen Schimmer, wo Siv genau eingesetzt werden sollte. Die Aufsicht über die kleine Sisenna führte momentan Cadhla. Vielleicht würde Siv in den Garten kommen, um sich dort um die exotischen Gewächse zu kümmern? Oder sie wurde dem dominus direkt zugeteilt oder einer seiner Basen. Er würde es entscheiden. In jedem Falle aber sollte Siv zurecht gemacht werden. "Warum du das solltest? Naja, mit verkrusteten Haaren und fleckiger tunica bist du nicht gerade ein Augenschmaus, und das wollen wir doch ändern", sagte er und zwinkerte Siv grinsend zu.

  • "Ja, ich bin Chattin." Bei Brix’ nächsten Worten begann Siv die Stirn zu runzeln, und ihre Miene verfinsterte sich zusehends. So etwas wie Verachtung begann sich in ihr zu formen. Der Germane, der ihr gegenüber saß, schien sich mit seinem Sklavendasein abgefunden zu haben, und das war etwas, was sie weder begreifen konnte noch wollte. "Welche Bestrafung ist denn bitte gerechtfertigt? Und wofür, dafür dass ich gegen meinen Willen hier bin? Die Römer halten sich für etwas besseres, aber das sind sie nicht, und sie haben nicht das geringste Recht sich so aufzuführen!" entgegnete sie hitzig. Im nächsten Moment biss sie sich auf die Lippen. Doch, die Römer hatten das Recht, und wenn es nur das des Stärkeren war. Trotzdem weigerte sie sich, sich damit abzufinden, und Siv hätte noch viel mehr sagen können, aber sie schwieg. Es hätte nichts gebracht, und es war nicht sonderlich klug, einen der anderen Sklaven vor den Kopf zu stoßen, wenn er freundlich zu ihr war. Sie wollte es sich nicht mit Brix verscherzen, schon gar nicht am ersten Tag. So kam nur noch ein gemurmeltes "Keiner der Römer weiß, was Gerechtigkeit ist. Dafür sind sie zu selbstgefällig."


    An Cadhla also sollte sie sich halten… Wie hieß nochmal die Sklavin, mit der sie sich das Stockbett teilte? Tilla? Siv prägte sich die Namen ein. Sie würde sich kaum alle auf einmal merken können, aber sie konnte versuchen, so viele wie möglich zu behalten. Nicht unbedingt die von den Römern, auch wenn sie diese wohl auch bald lernen würde; wichtig aber waren die Namen von denen, die dasselbe Schicksal teilten wie sie. So sehr sie auch am liebsten gegen alle und jeden aufbegehrt hätte, wie in den ersten Monaten ihrer Ehe, wusste sie doch, dass es keinen Sinn hatte. Sie war inzwischen älter, vernünftiger. Und wo ihr damals ihre Verwandten und Freunde verziehen hatten, dass sie sich ihnen gegenüber unmöglich benommen hatte in ihrem Glauben, dass ihr himmelschreiendes Unrecht widerfahren war, würde sie hier wahrscheinlich weit weniger Glück haben. Sie wollte nichts mehr als sich wie ein verletztes Tier, das in der Falle saß und blind vor Zorn, Schmerz und Angst war, gegen jeden wehren, jeden angreifen, der ihr zu nahe kam. Aber dann würde sie bald wirklich allein sein. Warum sollten sich die anderen Sklaven großartig um sie bemühen, wenn Siv ihnen gegenüber unfreundlich und ungerecht war? Nein, sie würde sich selbst ständig in Erinnerung rufen müssen, dass die anderen Sklaven dasselbe erleiden mussten wie sie – und genauso wenig wie sie etwas dafür konnten.


    Sie sagte Brix nicht, dass sie inzwischen mehr Latein konnte als nur ein bisschen. Genauso wenig sagte sie ihm, dass sie zwar vorhatte, weiter so viel und so schnell zu lernen, wie sie konnte, aber nicht es auch zu zeigen. Ihren Mund konnte sie allerdings nicht mehr halten, als er ihre – rhetorische – Frage tatsächlich beantwortete und ihr dabei auch noch zuzwinkerte. "Ich will kein Augenschmaus sein. Schon gar nicht für die Römer." Tatsächlich sehnte sie sich danach, endlich aus den schmutzigen Sachen herauszukommen. Sie wollte sich nicht herrichten, nur um den Ansprüchen der Römer zu genügen, aber ihre Haare waren verkrustet, so sehr, dass ihr Kopf juckte, und das was sie am Leib trug fühlte sich nicht mehr sonderlich angenehm auf der Haut an. Da sie aber praktischerweise ohnehin keine Wahl haben würde, musste sie das auch nicht laut sagen.

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    Brix seufzte und sah Siv mit einem gewissen Mitleidsgefühl an. Er kannte das ja alles. Die meisten waren zuerst vom Zorn erfüllt. Es gab nur selten Sklaven, die sich von Anfang an zuverlässig verhielten und nicht bei der kleinsten Gelegenheit aufbegehrten. Darüber hinaus war sie Chattin und entstammte damit einem germanischen Stamm, der selbst unter den Germanen für seine halsstarrige Sturheit bekannt war. „Ich kann ja verstehen, dass der Zorn dein Herz erfüllt, Siv. Ich möchte dir gern mal eine Frage stellen: Hast du zu Hause immer gewusst, wann es die nächste Mahlzeit gab? Ob sie üppig oder dürftig ausfallen würde? Hast du dir nicht manchmal gewünscht, dass alles leichter würde?“ fragte Brix gleich mehr als eine Frage. Die Germanen waren zwar kein Haufen unkoordinierter Trampel, aber er wusste aus eigener Erfahrung, dass es im Winter auf Glück ankam, ob und was man von der Jagd heim brachte. In seinem Dorf, da erinnerte er sich noch genau, waren nach einer schlechten Ernte und einer Rattenplage gut zwei Fünftel der Dorfbewohner den Hungertod gestorben. „Es mag dich jetzt noch zürnen, was die Römer dir angetan haben, aber du wirst dich daran gewöhnen. Hier darfst du essen, so viel dir gut tut, und obendrein wirst du erlesene Kleider bekommen. Du wirst einmal wöchentlich baden können - glaubst gar nicht, wie sehr die Römer auf Reinlichkeit bedacht sind – und wenn der Herr dir eine besondere Aufgabe zuteilt, sogar öfter. Hier gibt es nicht nur Arbeit und Strafen, wenn du das denkst. Mitunter wirst du sogar belohnt werden, mal mit besonders gutem Essen, mal mit ein paar Stunden Zeit für dich selbst.“ Brix schwärmte. Er hatte auch allen Grund dazu, denn von Cadhla hatte er gehört, was die flavischen Sklaven so alles erdulden mussten. „Wenn du Zeit für dich hättest, Siv, was würdest du am liebsten tun?“ fragte Brix versonnen.


    „Nicht alle Römer sind das. Besonders ihre Soldaten müssen es aber sein, denn im Grunde sind sie nichts anderes als Sklaven ihres Kaisers, die für ihn kämpfen und sterben. Sie sind nicht wie wir, das stimmt. Wir kämpfen nur, wenn unsere Familien bedroht sind, oder unser Land und unser Vieh. Oder wenn ein befreundeter Stamm angegriffen wird. Die Römer indes reißen sich das Land unter den Nagel, obwohl sie es weder brauchen noch bedroht werden. Das bedeutet aber nicht, dass alle so sind“, erwiderte Brix und zeigte damit zumindest noch ein Fünkchen an Germanengeist.


    Als Siv allerdings erneut bockig ablehnte, sich zu waschen und neue Kleidung anzulegen, musste Brix neuerlich schallend lachen. Sein Bart zitterte dabei. „Siv, ja, wahrhaftig, du bist Thors Braut!“ spielte er auf ihren Namen an. Als das Lachen verklungen war, sprach er weiter. „Siv – ganz ehrlich – du siehst gerade scheußlich aus. Wenn du dich schon nicht für einen Römer waschen willst, dann tu es für mich.“ Er zwinkerte ihr zu und grinste. „Sonst klaue ich einfach deine tunica...“

  • Siv hörte sich mit ausdruckslosem Gesicht seine Schwärmereien über das Leben bei den Römern an. Nur ihre Augen blitzten verächtlich, und ihre Kiefer pressten sich aufeinander. Natürlich stimmte, was er sagte. Die Winter waren hart, und es verging kein Jahr, in dem Kälte und Hunger keine Opfer forderten. Aber damit war sie aufgewachsen. Diese Gefahr gehörte zu ihrem Leben dazu wie die Wälder, die ihr Dorf umgaben. Hätte sie die Wahl, würde sie mit Freuden das alles in Kauf nehmen, nur um hier weg zu können. Wann ihr Leben schließlich zu Ende sein würde, lag ohnehin in Hels Hand. Aber bis es soweit war, brauchte sie nichts von dem Luxus, den Brix aufzählte. Sie wollte einfach nur tun und lassen können, wonach ihr war.


    Dann allerdings stellte ihr der Germane eine Frage, die sie inne halten ließ. Was würde sie tun… "Reiten", antwortete sie ohne nachzudenken und mehr zu sich selbst als zu ihm. "Im Wald sein. Frei sein…" Siv verstummte, als die Sehnsucht plötzlich in ihr aufwallte und überhand nahm. Wie lange war es schon her, dass sie im Wald herumstreifen konnte? Dass sie hatte reiten können? Sie wusste es nicht mehr. Aber sie wagte stark zu bezweifeln, dass sie hier so etwas würde tun können. Es sei denn, es gab Aufgaben für sie, die eines von beiden erforderte. Aber auch das wagte sie zu bezweifeln. Als Brix dann auf die Soldaten zu sprechen kam, musterte sie ihn, etwas überrascht, dass er offenbar doch nicht alles so großartig fand, was die Römer taten. "Ich sag doch, sie halten sich für was Besseres."


    Fast schon gegen ihren Willen verzogen sich Sivs Lippen dann zu einem Lächeln, als Brix ein dröhnendes Lachen ertönen ließ, und sie stellte fest, dass sie sich nicht mehr daran erinnern konnte, wann sie selbst das letzte Mal wirklich gelacht hatte. "Ich wäre lieber Thor selbst als seine Braut", erwiderte sie grinsend. Dann wurde sie wieder ernster. "Ich hab ohnehin keine Wahl, oder?" Darauf dass sie scheußlich aussah, ging sie nicht ein – sie wusste zu gut, wie recht er damit hatte. Einen Moment schwieg sie, unschlüssig, ob sie noch etwas sagen sollte. Aber dann gab sie sich einen Ruck. Brix hatte es durch seine Art tatsächlich geschafft, sie etwas aufzumuntern, und dafür war sie dankbar – auch wenn sie seine Meinung über die Römer nicht teilte. Sie lächelte ihn etwas schief an. "Aber ich werd daran denken, dass ich es für dich tun soll. Immerhin will ich meine Sachen behalten."

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    Der Germane hob eine Braue, als Siv derart schnell auf seine Frage antwortete. Demnach schien sie ein Faible für Pferde zu haben. Ob er die kleinen Stallungen erwahnen sollte, die sich ans Haus anschlossen? Vorerst entschied er sich dagegen, schließlich war sie gerade erst angekommen und ihr Augenmerk sollte zufürderst anderen Dingen gelten. Vielleicht durfte er Siv einmal mitnehmen, wenn er wieder einmal hinaus zum Gestüt ritt und die Finanzbücher abholte, damit Cotta sie prüfen konnte.


    Brix hob seine Hand und stupste Siv leicht an der Schulter an, als sie ihre Sehnsüchte äußerte. "Wenn die Freiheit dein sehnlichster Wunsch ist, dann diene gut. Die Freiheit ist der Lohn, der dich dafür erwartet, Siv", sagte er ernst. Seine Stimme verriet, dass auch er auf die Freiheit hoffte. Er ließ sie wieder los, und nun trat ein wenig Spott in seine Augen. "Einen Wald kann dir in Rom keiner bieten, aber der Garten hier ist auch nicht schlecht." Er feixte und fuhr sich anschließend durchs Haar. Die Stimmung lockerte sich merklich, nicht zuletzt, da Siv auf seine Fopperei einging. "Das ist ein Wort", lachte er. "Ich sage gleich Tilla Bescheid. Sie wird dir alles zeigen und dir helfen - ehe du es dir noch einmal anders überlegst. In einem Punkt muss ich dich aber enttäuschen...deine tunica verbrennen wir. Sie starrt vor Schmutz. Und sie ist die Inkarnation eines Fetzens. Zumal du ja neue Kleidung bekommen wirst."


    Er stand auf und streckte sich. Dann warf er einen Blick aus dem Fenster. "Schon so spät... Ich gehe eben Tilla suchen. Du kannst ja schon mal probeliegen", empfahl er Siv und zwinkerte ihr zu. Dann ging er raschen Schrittes hinaus und in Richtung culina. Tilla half hier manchmal aus und er hoffte, sie hier zu finden. Er spazierte hinein, grüßte Niki, die Köchin, und fragte sie: "Hast du Tilla gesehen?"

  • Heute musste sie wieder einmal in der Küche helfen, dabei wäre sie gerne für den Garten eingeteilt gewesen. Heute war laut Nikis Worten die Zeit gekommen, Brot zu backen. Mhm... das hörte sich ganz einfach an. Mit neugierigem Blick verfolgte sie mit, wie Niki den Teig anrührte und zu kneten begann. Tilla war der Tisch zu hoch oder besser, sie war zu klein geraten. Darum streifte sie durch die Küche, um einen Hocker zu finden. Tilla fand einen Hocker und schleppte diesen zurück zum Tisch.


    So, jetzt konnte sie anfangen. Bevor sie ihre Hände ins wunderbar weiße Mehl tauchen konnte, hörte sie ihren Namen. Suchend sah sie sich nach dem Sprecher um. Das war ja Brix! Tilla hüpfte vom Hocker, der mit einem leisen Knall umfiel und lief auf ihn zu. Salve Brix. Ich darf heute den Brotteig kneten. Niki hat mir alles gezeigt. Siehst du den Tisch da drüben. Da ist der Laib. 'plauderte' drauf los, sah ihn mit roten Wangen an. Warum bist du hier? Haben die Herrinnen gerufen? Die 'sprechenden' Hände wischte sie zwischendurch an der Schürze ab, die ihre Tunka schützen sollte.

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    Schnell wandte Brix den Kopf. "Ach." Er blinzelte. "Da bist du ja..." Niki grinste spöttisch und rührte weiter in ihrer großen Schüssel herum. Zu schade, fand Brix, dass sie mit diesem Miesepeter von scriba liiert war. Irritiert betrachtete er Tilla dabei, wie sie mit den Händen fuchtelte. Er hatte einfach keinen Sinn dafür, diese gezeigten Worte zu erlernen. Außerdem gefiel ihm Niki, weswegen er lieber sie angeschaut hätte als Tillas Gebärden. Aber er musste sie ja ansehen, um sie zu verstehen - was er auch tat, wenn auch er nicht ganz verstand, was sie ausdrücken wollte. Tilla deutete auf den Teig und machete eine knetende Bewegung. Brix verstand das allerdings anders.


    "Du willst jemanden mit dem Teig erwürgen", stellte er nüchtern fest und blinzelte ungläubig. War das Abwischen an der Schürze nun auch eine Geste oder einfach ein Abwischen? Mit gerunzelter Stirn und gequältem Ausdruck sah er Niki an, die sich an Tillas Ausdrucksweise längst gewöhnt hatte, wie annähernd jeder Sklave in der villa. Während sie Gewürze in ihre Schüssel warf, übersetzte sie sinngemäß, und Brix nickte. "Ahso. Also, nein, haben sie nicht. Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du Zeit hast, dich um eine Neue zu kümmern." Niki hielt im Rühren inne und sah fragend zu Brix. "Eine Neue?" fragte sie. "Jupp. Heißt Siv und ist eine Landsmännin. Bisschen eigenwillig noch, aber ich gehe davon aus, dass sich das legen wird..." Er wandte sich wieder Tilla zu. "Jedenfalls braucht sie dringend ein Bad, sie müffelt nämlich. Und neue Klamotten braucht sie auch, genauso wie jemanden, der ihr das Haus zeigt. Hast du nicht Lust, Tilla? Sonst gehe ich Cadhla fragen. Oder ihr tut euch gleich zusammen."

  • Sie wollte was? Neeeee, das ist falsch. beeilte Tilla sich, sein Bild vom Teig zu korrigieren und sah zu Niki, die derweil schmunzelte. Hatte der Sklave sie auf den Arm genommen? Für den Scherz drehte sie Brix feixend eine lange Nase und brachte sich mit großen Schritten in Sicherheit. Neben der Köchin stehend, die inzwischen ihre Gesten übersetzte, begann Tilla die Schürzenschnüre auseinander zu fädeln.


    Mit gespitzen Ohren hörte sie Brix zu. Die Herrinnen hatten nicht gerufen, wer dann? Ebenso überrascht wie Niki sah sie auf. Ausgerechnet SIE sollte sich um eine NEUE kümmern. Tilla biss sich auf die Lippen, hielt die abgezogene Schürze fest. Schaffte sie das denn? Gegen einen Versuch dies zu schaffen sprach nichts. Außer das ihr das erste Brot backen entging. In Ordnung. Ich mache das. Wenn ich darf und Niki nichts dagegen hat. Langsam ging sie wieder auf Brix zu und hängte die Schürze an ihren Platz zurück. Neugierig auf die andere Sklavin wartete sie auf Nikis Erlaubnis, gehen zu dürfen. Wie hiess die noch mal? Achja.. Siv. Was ist eine Landsmännin? Wo ist sie, die Neue, denn gerade? Warum müffelt sie? fragte Tilla den älteren Mann. Tja.. ihr Wissensdurst war unersättlich.

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    Gespielt grollend reckte Brix den Kopf vor, sodass er aussah wie ein Stier. Er verhielt jedoch nicht lang in dieser Stellung, sondern richtete sich bald wieder auf und zuckte mit den Schultern. Niki betrachtete Tilla liebevoll - sie mochte das Mädchen sehr - und nickte. "Natürlich, geh nur. Ich werde das Brot zuletzt backen, Liebes. Vielleicht bist du bis dahin schon wieder da, dann kannst du die Fladen formen", sagte sie freundlich und zwinkerte Tilla zu. Dann sah sie zu Brix und machte eine wegschickende Bewegung. "Na los, ihr zwei. Raus aus meiner Küche", sagte sie fröhlich und erntete dafür von Brix einen lieben Blick. Die Griechin war sich sehr wohl der Wirkung bewusst, die sie auf den Germanen hatte. Schmunzelnd wandte sie sich wieder ihrer Schüssel zu. Brix sah sie noch einen Moment lang verträumt an, dann deutete er mit dem Kinn hinaus.


    "Na dann komm, Tilla", sagte er und ging voraus. "Eine Landsmännin ist... Ach weißt du, sie ist auch Germanin und kann noch nicht so gut Latein. Und sie müffelt, weil sie frisch vom Markt kommt. Du weißt doch, wie dreckig es bei den Händlern ist..." erklärte ihr Brix, während er mit Tilla zurück zur Sklavenunterkunft der Frauen ging.

  • Sie lächelte Niki zu und nickte. Ja, hoffentlich bin ich dann schon wieder zurück. Wenn nicht ist auch gut, dann kann ich schnuppernd zur Küche zurückgehen... erwiderte sie verschmitzt zwinkernd. Gehorsam verliess sie die Küche und winkte Niki ein letztes Mal zu.


    Neben Brix gehend hörte sie ihm zu. Germanin? Latein? Es hörte sich nach jemandem aus einem fernen Land an. Frisch vom Markt? Dann ist sie gerade erst angekommen? Sie krauste die Nase. Dann brauche ich für Siv passende Kleidung und Sandalen. Kamm und Seife fürs Bad. zählte Tilla an den Fingern auf. Auch um sich rückzuversichern, war es doch das erste Mal, dass ausgerechnet sie eine neue Sklavin in die aurelianische Sklavengemeinschaft einführen sollte. Neugierig sah sie zu den Unterkünften rüber, denen sie sich Schritt für Schritt näherten. Du bringst mich zum Schlafsaal? Ist sie denn dort? Aufgeregt wischte sie mit den Händen ihre Tunika glatt, diesmal eine dunkelrote mit Rändern. Sie ähnelte ungefähr der von dem Theaterfest, nur der Saum war etwas verlängert worden, weil sie noch am Wachsen war. Heisst sie nur Siv? Irrte Tilla sich oder hörte sie tatsächlich ein hölzernes Bettgestell knirschen? Sich etwas hinter Brix versteckend spähte sie an ihm vorbei, betrachtete Siv neugierig aus dunklen Augen.

  • Wenn die Freiheit dein sehnlichster Wunsch ist, dann diene gut… Ihre Lippen verzogen sich zu einem halb spöttischen, halb bitteren Lächeln. Sie war frei gewesen, bevor die Römer gekommen waren. Für etwas dienen zu müssen, und dann auch gut zu dienen, was sie eigentlich von Geburt an gehabt hatte und ihr nun gegen ihren Willen genommen worden war, dagegen sträubte sich alles in Siv. Damit akzeptierte sie nicht nur die Situation so wie sie war, sondern letztlich auch, dass es seine Richtigkeit hatte, dass sie nun Sklavin war. Und das kam für sie nicht in Frage. Sie gehörte nicht hierher, und sie würde keinen Herrn anerkennen. Ihr war durchaus bewusst, dass ihr vermutlich nichts anderes übrig bleiben würde als wenigstens so zu tun, aber in ihrem Inneren würde sie sich nicht damit abfinden. Sie wollte sich nicht damit abfinden, aber auch hier wusste Siv im Grunde, dass es vermutlich so kommen würde. Irgendwann würde sie aufgeben, weil es einfacher war, als ständig aufzubegehren. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass sie es nicht wollte… Laut sagte Siv allerdings nichts mehr dazu, nicht zuletzt weil Brix den Eindruck machte, dass er tatsächlich ernst meinte, was er sagte. Dass er selbst darauf hoffte. Und sie wollte nicht, dass er den Eindruck bekam, sie würde sich über ihn lustig machen – oder über seine Hoffnung frei zu kommen.


    Der Germane erhob sich anschließend und verließ den Raum, um Tilla zu suchen – mit der sie sich das Stockbett teilen würde. Siv drehte sich mit einem Seufzen um und trat ans Fenster. Das Bett ignorierte sie, wie alles andere um sie herum. Stattdessen wanderten ihre Gedanken zu den letzten Wochen, Monaten, und sie schloss die Augen, während ihr Kopf gegen die Wand sank. Schon da hatte sie angefangen, sich mit ihrem Schicksal abzufinden, auch wenn sie sich immer wieder gezwungen hatte, sich dagegen zu wehren – mit Absicht an das gedacht hatte, was sie verloren hatte, an die Wälder, an ihre Familie, ihre Freiheit. Alles was weh tat, alles was den Schmerz frisch hielt – weil sie dann gegen diesen Schmerz ankämpfen konnte. Und das half ihr nicht aufzugeben, ließ sie gegenüber den Römern stark sein. Sie klammerte sich an ihren Trotz, ihr Temperament, ihren Kampfgeist. Nur abends, wenn sie nicht einschlafen konnte, in dieser seltsamen Zeit zwischen Schlafen und Wachen, zwischen Traum und Wirklichkeit, die die einzigen Momente waren, in denen sie sich unbeobachtet fühlte und in Ruhe gelassen – das war die Zeit, in der sie ihrer Trauer, ihrer Einsamkeit, ihrer Angst nachgab. Die einzigen Momente, in denen sie Schwäche zuließ, und Tränen, die lautlos und heiß über ihre Wangen liefen, bis sie endlich einschlief.


    Als Siv ein Geräusch an der Tür hörte, hob sie ruckartig den Kopf. Ohne es zu merken nahm sie eine abwehrende Haltung ein, indem sie die Arme vor der Brust verschränkte, und ihre Augen bekamen einen gehetzten Ausdruck, ähnlich dem eines gejagten Tieres. Zu sehr war sie noch an den Sklaventransport gewöhnt, wo Geräusche letztlich immer bedeutet hatten, dass Römer kamen. Ihre Arme sanken wieder etwas herab, als sie Brix erkannte, und im nächsten Moment sah sie, dass er nicht alleine gekommen war – halb hinter ihm war eine junge Sklavin, die sie neugierig ansah. Siv legte den Kopf etwas zur Seite und versuchte sich an einem Lächeln. "Bist du Tilla?" Im nächsten Moment verbesserte sie sich, als ihr klar wurde, dass sie das Mädchen auf Germanisch angesprochen hatte – und dass es vielleicht freundlicher war, zuerst sich selbst vorzustellen. Obwohl sie mehr auf Latein hätte sagen können, begnügte sie sich damit, auf sich zu deuten und mit einem erneut angedeuteten Lächeln zu sagen: "Siv. Du Tilla?"

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    Während sie auf das servitriciuum zusteuerten, schwappten Fragen über Fragen aus Tilla heraus, und Brix hatte seine liebe Mühe damit, alles ordentlich und vor allem vor der nächsten Frage zu beantworten. "Äääh", machte er verwirrt und verstand meistens nur die Hälfte von dem, was sie gebärdete.


    "Ja,sie ist gerade angekommen. Genauer gesagt habe ich sie eben abgeholt. Matho hat sie eingekauft und zurücklegen lassen." Brix schmunzelte. "Seife und so findest du ja im balneum servorum. Nur bei der frischen tunica gibt es wohl ein Problemchen. Eigentlich wollte ich dich bitten, ihr eine zu leihen, bis sie eigene Kleidung hat, aber sie ist ein gutes Stück größer als du, also wird daraus wohl nichts. Vielleicht kannst du Cadhla aufgabeln und sie bitten, Siv eine zu leihen? Ich werde mich inzwischen mal mit Matho unterhalten, damit ihr später auf den Markt gehen und was Passendes kaufen könnt", versprach er und bog um eine Säule herum. "Jepp. Ist sie. Und ja - nur Siv. Das bedeutet 'Braut des Thor'. Weißt du, wer Thor ist? Er ist der Wettergott meines Volkes. Sehr mächtig. Viel mächtiger als dieser Jupiter", erklärte er verschwörerisch und schob alsdann die Tür auf.


    Der Germane grinste Siv an und schob Tilla dann hinter seinem Rücken hervor. Irgendwie war sie ja doch niedlich, die Kleine. "Tilla wird dir alles zeigen. Das wird vermutlich anfangs noch etwas gewöhnungsbedürftig für dich sein, Siv, denn sie kann nicht sprechen. Sie redet mit ihren Händen." Brix lächelte die beiden Mädels an. "Ich lasse euch dann mal allein und suche nach Matho. Macht mir keine Schande. Wir sehen uns später sauberer wieder", sagte er zu Siv und verließ grinsend den Raum.

  • Matho hatte Siv eingekauft? Nicht Brix? Sie stupste Brix in die Taille, schüttelte den Kopf. Nicht zurücklegen. Hingebracht heisst das. belehrte sie ihn mit einem Zwinkern in den dunklen Augen, freute sich ihm ihr stetig anwachsendes Wissen mitzuteilen. Tilla nickte zu Brix Worten und machte große Augen. Eine Tunika abgeben? Ahso... Cadhla konnte das auch machen. Immer noch die Ohren spitzend lief sie neben ihm her. Braut des Thors? Sie ist mit einem Gott verheiratet? So ganz blickte sie noch nocht in diesem Spiel durch. Wie sollte sie auch? Religionswesen kannte sie als ehemalige Straßendiebin nicht. Auf der Starße hatte man andere Sorgen als die Götter zufrieden zu stellen. Ich darf mit der Neuen auf den Markt gehen? Das ist ja klasse. freute Tilla sich.


    Siv sprach sie in einer ihr fremd klingenden Sprache an. Entgegen ihrer Vorstellung, die Neue hinter Brix breitem Rücken in Ruhe betrachten zu können, schob Brix sie nach vorne und erklärte auch gleich, dass sie nicht sprechen konnte. Scheu blickte Tilla die blonde Frau an, erwiderte mit derselben Schüchternheit das Lächeln und nickte. T-I-L-L-A bestätigte sie nickend und bemerkte das Brix raus ging. Und nun? Jetzt war sie mit ihr allein. Siv stand beim Stockbett. Prompt platzte eine Frage aus Tilla raus. Schläfst du über mir? Ihre Füßen trugen sie zu dem Bett, wo sie sich sogleich hinsetzte und zu Siv aufsah. Brix hat gesagt, du müffelst. Badest du gerne? Ich mag Zitronenseife. Die duftet arg gut. Ohjeh.... vielleicht sollte sie lieber die Tafel verwenden? Flugs schnappte sie sich die, die unterm Kopfkissen versteckt lag, schrieb alles 'mit den Händen gesagte' auf und reckte Siv die Tafel entgegen.

  • Siv war, gelinde gesagt, irritiert. Brix war gegangen, nachdem er ihr noch ein paar Informationen gegeben hatte, und Tilla brauchte nur einen Moment, bevor sie zu gestikulieren anfing. Und die Germanin starrte sie nur verständnislos an. "Das kann ja lustig werden…", murmelte sie. Warum war Brix so schnell verschwunden? Wie um alles in der Welt sollte sie sich mit diesem Mädchen verständigen? Tilla jedoch schien entweder Erfahrung damit zu haben, dass Fremde mit ihrer Gebärdensprache nicht viel anfangen konnten, oder sie hatte etwas von Sivs Verständnislosigkeit auf ihrem Gesicht sehen können – jedenfalls griff sie unter ihr Kopfkissen und zog eine Tafel hervor, auf die sie etwas kritzelte und die sie ihr dann hinhielt. Zögernd nahm Siv die kleine Platte entgegen und sah auf die Zeichen, die ihr genauso wenig sagten wie Tillas Gesten. Sie kannte zwar Runen und deren Bedeutungen – nicht alle, aber doch die wichtigsten. Aber die Zeichen, die die Römer benutzten? Damit war sie zum ersten Mal auf der Reise hierher in Berührung gekommen – und sie war erstaunt gewesen, als sie auch nur ansatzweise begriffen hatte, wie sehr die Römer diese Zeichen benutzten und wie viel sie damit offenbar ausdrücken konnten.


    "Und wie lustig das werden wird… Hör mal, ich kann nicht -" Sie unterbrach sich selbst, als ihr bewusst wurde, dass sie schon wieder Germanisch sprach. Einen Moment überlegte sie und zog die Unterlippe zwischen die Zähne, um darauf herum zu kauen. Es würde schwierig genug werden, sich mit Tilla zu verständigen, selbst mit dem wenigen Latein, das sie tatsächlich beherrschte – auch wenn das Mädchen offenbar verstand, was sie sagte, konnte sie nicht reden, und Siv selbst begriff weder ihre Gesten noch konnte sie lesen. Wenn sie weiter so tat, als ob sie nur das Allernötigste auf Latein begriff, würden sie hier kaum weiter kommen. Schließlich traf Siv eine Entscheidung. Vor den Römern konnte sie immer noch vorgeben, weniger zu verstehen. Sie lächelte Tilla bedauernd an und gab ihr die Tafel zurück. "Ich… Das da – ich nicht kann. Ich nicht - ich kann das nicht lesen." Sie deutete auf die Zeichen, die dort standen, und zuckte etwas hilflos mit den Achseln. "Nicht wissen, was bedeutet.Tut mir leid."

  • Mit schiefgelegtem Kopf beobachtete Tilla Siv genau, lauschte dem Klang der fremdartigen leute, die Sivs Mund, nach dem Lesen der Tafel verliessen. Oha, dachte Tilla bei sich und wartete still auf ihrem Bett verharrend ab, was nun geschehen würde. Die Frau dachte anscheinend gerade nach und sie lächelte dabei. Siv kaute auf den Lippen, genaiso wie Tilla, wenn sie nachdachte. Mit ruhiger Hand nahm sie die Tafel wieder an sich, legte sie ab.


    Tilla erkannte ein paar Fetzen der Sprache die sie hier im Haus sprachen aber das anders klingende war ihr fremd. Kurz sah sie hinab auf das was sie geschrieben hatte und stupste Sivs Handgelenk und das obere Bettgestell an, fügte die Schlafen-Geste mit kurzzeitig geschlossenen Augen hinzu. Du schläfst oben?


    Mhm.. mit dem Baden war das schon schwieriger. Wie wäre es mit Zeichnen? Malen? Kurzerhand wischte Tilla die Buchstaben von der Tafel und zeichnete mit dem Griffel zwei Szenen im Bad: ein Strichmännchen saß lächelnd im Badzuber, hielt einen Schwamm in der Hand. Im nächsten Bild zog das Strichmännchen eine Tunika und Sandalen an, hielt einen Kamm in den Haaren. Wieder stupste sie Sivs Handgelenk an, hielt ihr die Tafel entgegen. Das dürfte jetzt nicht bsonders schwer zu verstehen sein. Mit einem Fuß auf und ab wippend wartete sie auf die Antwort.

  • Tilla nahm die Tafel wieder entgegen und schien kurz zu überlegen, dann berührte sie Sivs Handgelenk und machte wieder eine Geste. Diesmal begriff die Germanin, was Tilla von ihr wollte. "Ob ich oben schlafe? Ja, zumindest hat Brix das gesagt." Sie nickte und wiederholte, diesmal auf Latein: "Ja. Brix sagen, das Platz… mir. Mein Bett. Für mich. Für schlafen." Siv seufzte lautlos, als ihr klar wurde, dass sie ein Kauderwelsch von sich gab, jedes Mal wenn sie Latein sprach. Bisher hatte sie das nie gestört, aber bisher hatte sie auch immer nur dann Latein nutzen müssen, wenn sie mit Römern zusammen war. Die übrigen Gefangenen auf dem Weg nach Rom waren auch Germanen gewesen, mit denen sie sich in ihrer Sprache hatte unterhalten können. Das würde sich hier ändern – sie würde sich bemühen müssen, um sich verständlich auszudrücken, nicht nur für Tilla, sondern auch für die anderen Sklaven, wenn sie nicht gerade wie Brix ebenfalls Germanen waren.


    Tilla selbst gab sich jedenfalls Mühe, um einen Weg zu finden, sich Siv mitzuteilen. Sie hatte wieder die Tafel zur Hand genommen und kritzelte erneut darauf herum, und als sie sie Siv das nächste Mal zeigte, waren kleine Bildchen zu sehen. Ein Lächeln huschte über Sivs Gesicht, und die Aussicht auf ein Bad, selbst wenn sie sich dabei letztlich für die Römer herrichten musste, erschien ihr gar nicht mehr so schlimm. Sie nickte erneut. "Putzen. Putzen?" Siv runzelte leicht die Stirn. Sie war sich ziemlich sicher, dass es nicht das richtige Wort für sich waschen war, aber sie wusste kein anderes. "Ich… mich putzen. Und dann… neue Kleidung… Sachen tragen. Brix sagen, du mir hilfst. Wohin?" Sie musterte Tilla und lächelte erneut, während Tilla vorausging, um ihr den Weg zu zeigen. Sie mochte das Mädchen. "Wie lange du hier?"

  • Über Tillas Gesicht huschte ein kleines Strahlen. Na, das ging doch prima. Lächelnd nickte sie zu Sivs Worten und spitzte die Ohren, wenn wieder die fremden Laute über den Lippen der Frau rutschten. Das klang doch gar nicht so schlecht.. mhm. Ja. Dein Bett. bestätigte Tilla ihr und fragte sich, wie es war, des Nachts jemanden über sich zu wissen. Bisher hatte noch keiner der anderen Sklaven 'über ihr' geschlafen. Die Bildchen schienen ihr auch klar zu machen, was Tilla ihr vorschlug. Kopfschüttelnd korrigierte sie Siv. Nein.. nicht putzen. Waschen. Sich selber waschen. Baden. Sie rieb sich die Arme ein, als ob sie sich selbst badete.


    Kleidung. Tunika. Sandalen. Mit den Fingern deutete sie auf die Sachen, die sie trug, zeigte sie Siv vor. Klar helfe ich dir. Zum Badezimmer würden sie demnach auch gleich gehen. Tilla rutschte vom Bett und ging vor zur Tür. Hm... wie lange sie nun hier war, mhm, das hatte sie sich nicht mehr gefragt. Die Tage waren arbeitsreich und vergingen so schnell vorüber, dass sie oft genug einfach nur ins Bett fallen und schlafen wollte. Kurz drehte sie sich um, zeigte vier mal sechs Finger vor. 24 Tage, lautete ihre grobe Schätzung über den Daumen gepeilt.


    Dann öffnete sie die Tür, deutete auf die nächste. Das Badezimmer ist nebenan. Du kannst alleine reingehen. Seife, Laken und Tunika findest du in den Truhen. Ich warte hier auf dich. Behutsam deutete sie auf das Strichmännchen im Badezuber, fügte die Truhen mit dem Zubehör hinzu. Und malte auf einem weiteren Bild Tilla selbst auf, die durch die Tür vom Bad getrennt war. Fragend sah sie Siv an. Die Frau war bestimmt alt genug, um alleine baden zu können.

  • Siv folgte Tilla zur Tür und nickte zum Zeichen, dass sie deren gezeichnete Hinweise verstanden hatte. "In Ordnung. Wir sehen dann." Sie deutete erst auf das Bad, dann zurück zu den Unterkünften, und hoffte Tilla verstand, dass sie ‘bis später’ gemeint hatte. Die andere Sklavin wandte sich schließlich ab, und Siv ging hinüber zum Bad, betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich. Sie war froh, dass sie für ein paar Momente alleine sein würde. Seit ihr Leben sich in diesen… diesen Trümmerhaufen, so schien es ihr, verwandelt hatte, waren Augenblicke der Ruhe so rar geworden… vor allem solche, in denen sie wirklich zur Ruhe kam. Ihr kam es so vor, als ob sie sich auf einem Abhang befand, mitten in einer Lawine, die sie mit sich riss, und noch war nicht in Sicht, wann diese Lawine endlich stoppen würde – geschweige denn wie ihr Leben dann ausssehen würde. Und das Schlimmste war, es gab nichts, was sie tun konnte. Ihre Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten. Sie hasste es, sich so hilflos, so ausgeliefert zu fühlen.


    Siv holte tief Luft, schüttelte die Gedanken ab und begann, in den Truhen zu stöbern, die Tilla ihr ‘gezeigt’ hatte. Bei den Sachen, die sie zutage förderte, begann sie sich zu wünschen, es gäbe hier irgendwo einen Fluss oder See, in den sie springen könnte, anstatt hier in einem Haus baden zu müssen. Sie musterte die Sachen, die sie herausgelegt hatte, und griff dann mit nachdenklich vorgeschobener Unterlippe nach einem Ding, dessen Nutzen ihr völlig unklar war. Es war ungefähr halb so groß wie ihre Faust, unregelmäßig geformt, und die Farbe lag irgendwo undefinierbar zwischen beige und grau. Siv drehte das Ding vorsichtig in ihrer Hand und schnupperte dann daran; ihre Nasenflügel weiteten sich, als sie den seltsamen, aber nicht unangenehmen Geruch wahrnahm, den das Ding ausströmte. Danach berührte sie es vorsichtig mit der Zungenspitze – nur um mit einem Laut des Widerwillens das Gesicht zu verziehen und die Hand schnell sinken zu lassen. Sie beschloss, das Ding erst mal Ding sein zu lassen und das Bad vorzubereiten, auch wenn sie mit der Hälfte der Sachen in dem Raum nicht wirklich etwas anfangen konnte; erst als sie fertig war, nahm sie es noch mal und drehte es für einen Moment unschlüssig in der Hand. Offenbar war es zum Waschen gedacht, warum sonst sollte es hier sein – vielleicht sollte sie es einfach mal ins Wasser halten… Gedacht, getan. Gespannt, ob etwas passieren würde, hielt sie ihre Hand ins Wasser – war dann aber doch überrascht, als es mit einem Mal so glitschig wurde, dass ihre Finger fast den Halt daran verloren. Mit gerunzelter Stirn zog Siv ihre Hand wieder aus dem Wasser und betrachtete das Ding etwas verärgert, das, einmal nass geworden, nicht daran dachte, seine Glitschigkeit aufzugeben. Mehr noch, auf ihren Fingern bildete sich inzwischen ein leichter Film, der dafür sorgte, dass ihr das Ding auf einmal aus der Hand flutschte. "Hey!" Siv griff danach, bekam es zu fassen, nur um es im nächsten Moment wieder zu verlieren, und diesmal landete es tatsächlich auf dem Boden. Mit einem Fluch bückte sie sich danach und hob es auf, und dabei entdeckte sie, dass der Film sich inzwischen zu so etwas wie Schaum gewandelt hatte, der denselben Duft verbreitete wie das Ding selbst, nur intensiver. Dieses Mal rümpfte Siv leicht die Nase wegen des ungewohnten Geruchs, aber sie entdeckte, dass sich der Schmutz von ihrer Hand durch den Film zu lösen begann, und beschloss dass es das war, wozu das Ding gut sein musste.


    Nach ihrem kleinen Abenteuer mit diesem Ding namens Seife, dessen Namen sie vielleicht irgendwann mal lernen würde, entledigte sie sich schließlich mit einem Seufzen ihrer dreckigen Sachen und stieg in das warme Wasser. Ihr Körper trug noch die Spuren der Reise, die Blessuren, die sie dabei davon getragen hatte, aus welchen Gründen auch immer, und es dauerte einen Augenblick, bis sie sich entspannte und die Wärme genießen konnte, die sie umgab. Dann seufzte sie auf und verharrte einige Momente wie sie war, bevor sie ganz untertauchte und anschließend begann, sich zu waschen, wobei sie das Ding zu Hilfe nahm. Und ohne es zu wollen, kehrten ihre Gedanken wieder zu ihrer Situation zurück, was als nächstes kommen würde, was sie hier erwarten würde. Sie genoss es, die Zeit im Bad für sich zu haben, aber gleichzeitig war es auch gefährlich – in Gegenwart anderer konnte sie sich zusammenreißen, konnte ihre Gefühle weitgehend verbergen, sogar vor sich selbst. Aber wenn sie alleine war, fiel es ihr schwer sich nicht einzugestehen, wie verloren sie sich fühlte. Entwurzelt, heimatlos… Bebend holte Siv Luft und blinzelte die Tränen weg, die auf einmal ihre Augen zu füllen drohten. Mit einem wütenden Ruck stand sie auf und verließ das Wasser; sie zitterte in der für ihren nassen Körper kalten Luft, und eine Gänsehaut breitete sich aus, aber sie blieb trotzdem noch einige Momente so stehen, ließ die Kälte wirken, bevor sie nach einem Tuch griff und sich abtrocknete. Schwach, schimpfte sie sich innerlich, und ihre Bewegungen waren grob genug, dass ihre Haut davon brannte und die Blessuren zu schmerzen anfingen. Du bist so schwach. Kein Wunder, dass du hier gelandet bist. Trotzdem konnte Siv nicht verhindern, dass ihre Unterlippe bebte und ihre Augen ständig blinzelten.


    Etwas später tauchte Siv wieder in dem Schlafraum auf, wo Tilla auf sie wartete – sauber, die Haare gewaschen, so dass sie in noch feuchten, glänzenden Wellen weit über ihren Rücken fielen. Unruhig fingerte sie an der Tunika herum, die sie nun trug. Sie fühlte sich unwohl in dem Ding, und das nicht nur, weil es mehr Haut sehen ließ als sie gewohnt war. Es war der Stoff, und wie das Kleidungsstück geschnitten war. Es war so anders als die festen Sachen aus Leder, die sie kannte – es war so leicht, so fließend, umschmeichelte ihren Körper und folgte den Konturen, dass sie das Gefühl bekam, sie könnte genauso gut nackt herumlaufen. "Fertig." Sie zupfte immer noch an dem Stoff herum. "Was… als jetzt?"

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