servitriciuum | Eine neue serva

  • Hübsch sein wenn sie es wollte? Sie war jetzt hübsch? Ihre Finger umklammerten das Zopfende, befühlten die ausgekämmten Haarspitzen. Tilla lächelte Cadhla ganz verlegen an, entkräuselte die Nase. Du bringst es mir bei? Das finde ich prima. Oh, am besten besorgte sie gleich morgen früh ein Honigtöpfchen aus der Küche. Mit dunklen Augen sah sie die Kriegerin an, nahm die Worte auf, die sie da über ihre Mutter und den Zopf erzählte. Nicht nur für Kampf einen Zopf. Vielleicht auch zum Klettern, besonders auf die Bäume im Garten. Tilla musste abermals gähnen, hielt rasch die Hand vor den Mund. Innerlich stimmte sie Caelyn teilweise zu, wie es mit dem Überleben auf der Straße klappte. Genau, Caelyn. Am besten mit möglichst gleichaltrigen oder zu anderen Kindern finden, die nur wenig Lenze älter sind. Aber Cadhla, So eine Sippe, wie du erwähnst, kenne ich nicht. Auch das andere sich um andere kümmern, die alleine sind. Ich kenne nur den Weg. Die, die alleine und verlassen sind, müssen selber zusehen wo sie bleiben und wie sie überleben. Ich kenne niemanden, fügt sie gedanklich hinzu. Ach Quatsch.. sie hatte Cadhla, Prisca und Helena, Maron, die Köchin Niki. Aber das waren auch wieder nicht ihre Verwandten, sondern Personen, die sie auf ihrem Weg kennenlernte. Ach, das war doch alles so kompliziert. Tilla sah die jungen Erwachsenen forschend an, versuchte noch ein Weilchen länger dem Wunsch nach Schlaf zu widerstehen.

  • Als Tilla einfach ihre Hand genommen hatte, war Siv so verblüfft gewesen, dass sie sich einfach hatte mitziehen lassen, auch wenn sie kein Wort von dem verstanden hatte, was das Mädchen gestikuliert hatte – außer dass sie wohl irgendwohin wollte. Umso überraschter war sie, als sie den Garten betraten. Die Germanin musste sich zusammenreißen, um sich nicht zu sehr anmerken zu lassen, dass sie den Garten vom ersten Moment an liebte. Sie war fasziniert von den vielen Pflanzen hier; sie hatte geglaubt so gut wie alle zu kennen, und auf die aus ihrer Heimat – von denen es auch ein paar gab, wie sie feststellte – traf das auch zu. Aber von den Gewächsen hier hatte sie, abgesehen von denen aus dem Norden, die meisten noch nie gesehen, und den Rest kannte sie nicht wirklich, nur von der Reise. Aber mehr noch als all die fremden Pflanzen hier, die sie faszinierten, bedeutete der Garten für sie vor allem eines: sie hatte einen Zufluchtsort gefunden. Inmitten all dieser fremden Menschen, dieser Stadt, die sie nur beängstigend gefunden hatte, dieses Hauses, dessen Wände sie zu erdrücken schienen, gab es doch einen Ort, an den sie sich zurückziehen konnte – wenn man sie ließ. Siv unterdrückte ein Seufzen und versuchte nicht daran zu denken, wie selten sie Zeit für sich haben würde. Stattdessen folgte sie Tilla, die ihr den Garten zeigte und danach das Haus, und schon bald schwirrte ihr der Kopf von den ganzen Gängen und Räumen.


    Später war Siv wieder zu den Unterkünften gekommen und hatte sich bald hingelegt – die ganze letzte Zeit war anstrengend gewesen, der Transport hierher, der heutige Tag auf dem Sklavenmarkt, und nun all die neuen Sachen, die hier auf sie einströmten… Siv war müde, aber sie konnte dennoch nicht schlafen. Sie hatte das Gefühl nicht wirklich atmen zu können – sie war es nicht gewohnt, in einem Raum zu schlafen, in dem sie nicht einfach nur zur Tür hinaus gehen brauchte, und sie war draußen… Sie hatte sich unruhig hin und her gewälzt, und erst als sich die Tür geöffnet hatte und kurz nacheinander zwei Sklavinnen hereingekommen waren, war sie still geworden. Die beiden Frauen fingen an sich zu unterhalten, auf Latein – Siv verdrehte unwillkürlich die Augen unter den geschlossenen Lidern. Sie mochte diese Sprache nicht. Schon aus Prinzip. Dennoch war sie kurz versucht, von ihrem Stockbett aus hinunter zu sehen und die beiden wenigstens zu grüßen, die Gelegenheit zu nutzen sie kennen zu lernen. Aber irgendwie… es schien nicht zu passen. Siv wünschte sich nichts mehr, als jemanden zu haben, mit dem sie reden konnte, jemanden der ihr das Gefühl gab, nicht ganz so alleine zu sein. Aber gleichzeitig fürchtete sie sich auch davor, dass sie sich hier irgendwann zu wohl fühlen würde – so wohl, dass sie sich mit ihrer Situation abfand. So kam es, dass sie einfach nur dalag und zuhörte, und es vergingen nur ein paar Augenblicke, da war der Moment vorbei, in dem sie sich wirklich ungezwungen ins Gespräch hätte einschalten können – und von da an fühlte Siv sich ausgeschlossen. Was sie ärgerte, war es doch einzig und allein ihre Schuld.


    Sie drehte sich doch auf die andere Seite und versuchte erneut zu schlafen, aber sie fand immer noch keine Ruhe, und mehr unbewusst bekam sie die Unterhaltung mit, soweit ihr Latein dafür reichte, hieß das. Tilla kam ebenfalls noch dazu und gesellte sich zu den beiden anderen, aber Siv rührte sich immer noch nicht. Sie hatte wieder überlegt, etwas zu sagen, Tilla zu grüßen, und wieder hatte sie einen Bruchteil zu lange gewartet… Siv schlug die Augen auf und haderte mit sich selbst. Sollte sie etwas sagen? Oder nicht? Oder doch? An Schlaf war im Moment ohnehin nicht zu denken… Aber auf der anderen Seite… Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, als auf einmal ein Wort erklang, dass sie nicht nur verstand, sondern das sofort ihre Aufmerksamkeit erregte. "Kriegerin?" Ohne nachzudenken setzte Siv sich halb auf und schob ihren Kopf über die Kante, so dass ihre langen blonden Haare darüber hingen, und sah zu den dreien nach unten. Sie hatte Kriegerin sein wollen. Ihre Brüder hätten ihr alles beigebracht… Aber ihr Vater war ja der Meinung gewesen, dass es keine Kriegerinnen gab, weil Kämpfen nichts für ein Mädchen war. Und jetzt sollte sie ausgerechnet hier herausfinden, dass es doch Kriegerinnen gab? Nur einen winzigen Augenblick später wurde ihr bewusst, dass sie einfach in das Gespräch hineingeplatzt war. Ihre Wangen färbten sich leicht rötlich, aber sie war zu stolz, um sich jetzt einfach zurückziehen – oder zu erklären, warum sie jetzt erst etwas sagte. Stattdessen fügte sie nur noch hinzu: "Ähm. Hallo."

  • Gutmütig strich Cadhla über Tillas sauber geflochtenes Haar, als sie die Kleine abermals gähnen sah. Sie wirkte in so vielem noch kindlich, auch wenn ihr Körper verriet, dass sie nicht länger Kind war - ihr Gemüt schien der körperlichen Reifung ein wenig nachzuhängen, oder sie wollte einfach noch nicht den ersten Schritt in die Welt der Erwachsenen tun, diesen letzten Schritt weg von einem Rest Unbeschwertheit der Kindheit. Vielleicht hatte sie auch nur deswegen ihr bisheriges Leben gut überstanden. "Du nicht klettern auf Baum, Tilla, das gefährlich. Nächstes Mal du fallen und dann tun wirklich weh. Ich mir nicht will sorgen müssen um Dich." Sie lächelte, als sie dies sagte, und versuchte, mehr wie eine große Schwester zu klingen denn wie eine besorgte Mutter - sie hatte, auch wenn sie diese noch nicht lange kannte, Tilla liebgewonnen. Andererseits, man hätte wohl aus Stein sein müssen, sie nicht zu mögen.


    "Es klingt traurig, was Du erzählen, Caelyn. Kein Stamm so umgehen soll mit Kindern, und Ehre gemacht sich nicht Deine Verwandten. Mögen die Götter sie strafen für alleinlassen!" Selbst in einer Sippe aufgewachsen, für die Traditionen und Pflichten sehr wichtig gewesen waren und ein solches Verhalten undenkbar, missbilligte sie ernsthaft das Verhalten jener, die Caelyn alleine gelassen hatte - es war kein Wunder, dass in dieser Welt Völker wie die Römer stärker wurden, wenn andere ihre Wurzeln vergaßen. "Vermissen Du Leben mit anderen Kindern und sein frei zu gehen und kommen wohin Du willst?" Wahrscheinlich war Cadhla nicht die einzige, die sich nach der Freiheit sehnte, aber angesichts der Alternative, die Caelyn erlebt hatte - stehlen zu müssen und davon zu leben - schien ihr die villa der Aurelier als gar nicht so schreckliches Schicksal. Jeder Dieb wurde irgendwann einmal erwischt. Als sich dann aus einem der Betten noch jemand herauswühlte und sie auch wegen ihrer Vergangenheit neugierig anblickte, röteten sich die Wangen der Keltin unwillkürlich. So viel Aufmerksamkeit war sie einfach nicht gewöhnt. "Ich gewesen Schildmaid zu schützen Sippe vor Feinden, ja ... das sein Kriegerin." Etwas fragender blickte sie zu Siv. "Du auch neu hier? Ich Dich nicht kennen."

  • "Ja, und wie ich mein altes Leben vermisse. Besonders aber vermisse ich meinen Bruder und meine Kumpels. Das war meine Familie!" Wenn das hier so weiter gehen würde, bräuchte ich echt noch einige Taschentücher. Besonders bei diesem Thema, war ich zumindest heute Abend, nah am Wasser gebaut.
    Doch Cadhlas Antwort auf meine Frage, haute mich dann doch fast um! ´ne echte Kriegerin? ´ne Schildmaid? "Krass!" Etwas Geistreicheres bekam ich nicht heraus, so beeindruckt war ich. "Boa! Und was hast du da so alles gemacht? Richtig gekämft, gegen die Plattnasen, und so?" Ich wollte unbedingt noch mehr darüber erfahren.
    Mein Großvater hatte mir füher mal dayon erzählt, daß es Kriegerinnen auch mal in Gallien gab, bevor sie den großen und ruhmreichen Vercingetorix platt gemacht hatten. Damals dachte ich, mein Großvater wollte mich veralbern, doch jetzt sah ich, daß er doch recht hatte.


    In meiner ganzen Aufregung hatte ich erst gar nicht die blonde jung Frau beachtet, die sich dann auch zu Wort meldete. Doch als Cadhla sie ansprach, folgten meine Augen ihrer Stimme zu der jungen Frau.
    "´n Abend!" grüßte ich sie freundlich.

  • Cadhla würde sich Sorgen machen? Um sie? Es ist nur der eine Baum. Tilla umarmte die Ältere ganz spontan etwas stürmisch, legte ihren Kopf auf deren Schulter ab. Weisst du, nur diese eine Baum ist wirklich gut zum Klettern! verriet sie ihr. Ich bin vorsichtig, wenn ich auf ihm klettere. Nach ganz oben traue ich mich noch nicht. Aber bestimmt kann man von dort das Meer sehen. Die anderen Baumgeschwister sind mickrig und voller schwacher Äste. Aber der eine Baum, der hat viele Astgabeln zum Sitzen.. und seine Blätter rauschen wie ein Lied im Wind. Bei Cadhla blieb sie auch sitzen, kuschelte sich erneut unter der Bettdecke ein, versteckte das nächste Gähnen hinter der Hand.


    Mit nur noch halbwegs gespitzten Ohren hörte sie Caelyn zu, nickte zu dem einen oder anderen Wort. Mit einem Lächeln begrüßte sie Siv, beugte sich vor, zupfte spielerisch an deren vornüberhängenden Haaren. Hej Siv, da guckst du aber, ne? neckte sie die andere junge Erwachsene. Langsam wurde es reichlich anstrengend die Müdigkeit zu vertreiben und ebenso langsam rutschte Tilla tiefer, bettete ihren Kopf auf Cadhlas Schoß. Das ist Siv. Sie ist neu vom Markt und ich durfte ihr zu einem Bad und neuer Kleidung verhelfen sowie im Haus herumführen. Brix meint, sie müffelt nicht mehr und sie ist eine Braut von einem seiner Götter. Gucke mal, wie hell ihre Haare sind. stellte sie Siv den anderen vor. Einige unterm Rücken eingeklemmte Strähnen ziepten. Flugs holte sie den schweren Zopf hervor, umfasste die Haarspitzen und nahm mit teilweise schläfriger Miene den Zopf zum Festhalten in die Hand.

  • Siv stützte ihr Kinn auf einer ihrer zur Faust geballten Hände auf und musterte die drei, die sich ihr zuwandten. Die Rothaarige war also tatsächlich Kriegerin… Ein Teil von Siv ärgerte sich über ihren Vater, der ihr so wenig Vorschriften gemacht hatte und ausgerechnet in diesem Punkt stur geblieben war. Und dabei noch nicht einmal Recht gehabt hatte. Der weitaus größere Teil von ihr aber beschloss, sich mit diesem Ärger, wenn überhaupt, erst später zu beschäftigen, und sich stattdessen auf das Gespräch zu konzentrieren, in das sie nun doch endlich hineingerutscht war. Die beiden älteren, die sie nicht kannte, grüßten sie freundlich, während Tilla wieder vor Gesten überzusprudeln schien. Außer Bad, das sie von vorhin wiedererkannte, verstand Siv nichts, weswegen sie auch nicht wusste, was Tilla den anderen beiden alles erklärte. Aber daran hatte sie sich bei der Führung durchs Haus schon gewöhnt, und sie lächelte Tilla leicht zu, als diese an ihren Haaren zog und danach ihren Kopf auf den Schoß der Rothaarigen legte. Sie schien so müde zu sein, wie Siv sich fühlte, und es schien ihr immer schwerer zu fallen, wach zu bleiben. Die Germanin beneidete sie für einen kurzen Moment, hatte sie doch den Verdacht, dass sie selbst heute nicht viel Schlaf finden würde. Umso mehr freute sie sich aber darüber, dass sie nun wenigstens für eine gewisse Zeit etwas Ablenkung hatte, und nickte den anderen beiden zu. "Ja, neu hier. Seit heute Nachmittag… Heute. Brix mich bringen, und…" Sie zuckte etwas hilflos mit den Achseln, als ihr die Worte ausgingen. "Ich Siv. Komme Germanien."

  • Mhm, Germanin also! Hatte ich mir´s doch fast gedacht! Siv hieß sie also. Bislang hatte ich noch nicht viel mit Germanen zu tun. Hatte nur einiges von denen gehört, was nicht immer nur Gutes war.
    Aber das spielte hier und jetzt überhaupt keine Rolle mehr. Hier lebten wir schließlich unter anderen Bedingungen.
    "Schön dich kennenzulernen Siv. Ich heiße Caelyn und bin auch neu hier."
    Ich betrachtete sie mir genauer und auch mir fiel das hellblonde Haar auf.
    Ich hatte mal gehört, Römer stehen auf so was, auf blondes Germanenhaar, meinte ich. Manche feine Damen ließen sich daraus Perrücken anfertigen.Echt krank! Ich hoffte nur für sie, ihr würde so etwas nicht wiederfahren. Sie machte schließlich einen ganz netten Eindruck. Aber man konnte auch nie wissen, was in solchen Römerhirnen vor sich ging. Dieses Volk war einfach unberechenbar und genau das machte es so gefährlich.

  • Es war gar nicht so einfach, Tillas Gesten noch zu folgen - die vielen aufeinander aufbauenden Handbilder überforderten Cadhla ein bisschen, aber nach einer gewissen Zeit glaubte sie, in ungefähr verstanden zu haben, was das Mädchen meinte.
    "Ich gekämpft seit können heben Speer für Sippe," sagte die Keltin schließlich mit einem leichten Lächeln. Mit einem solchen Echo hatte sie wirklich nicht gerechnet, und die staunenden Blicke machten sie verlegener, als es Ursus' oder Corvinus' Verhalten bisher geschafft hatten. "Und getötet viele Männer, auch Römer. Aber letzter Kampf kamen viele Römer mit Rüstung, und sie nehmen unser Dorf und töten alle, die sie können töten. Mich geschlagen, und als ich aufwachen, sein gefesselt und gebunden. Dann sie mich mitgenommen haben hierher, und verkauft." Das war nicht gerade die schönste ihrer Erinnerungen, und sie hob leicht das Kinn an, um keine Schwäche zu zeigen. "Ihr sehen, auch Krieger nicht stark genug, um kämpfen gegen Übermacht. Ich oft wünschen ich wäre gestorben ehrenvoll in letzte Schlacht." Für keinen Krieger gab es ein höheres Ziel, und sie wünschte, sie hätte es erreicht.


    "So viele aus Germania", stellte sie dann fest, die düsteren Gedanken beiseite schiebend. "So schönes, helle Haare. Ihr müssen vorsichtig sein mit Haare, Römer mögen helles Haar. Ich denken, Aurelius Corvinus mögen besonders, wenn Haar hell. Männer oft schwach wenn sehen schöne Dinge." Zumindest ihre nicht gerade positive Meinung von Männern hatte sich auch in Rom nicht geändert, konnte man sich bei ihnen doch zumeist vor allem auf eines verlassen: Dass sie Sklaven ihrer Gelüste waren und dementsprechend schwach. "Salve, Siv. Ich sein Cadhla. Ich hoffe, Du hier nicht sein unglücklich. Erste Tage immer schwer, aber Aurelier nicht schlagen Sklaven, wenn nicht machen falsch. Es können sein schlimmer." Es war sicher nur ein schwacher Trost, aber zumindest ein greifbarer. Sie versuchte, die neue Sklavin freundlich anzulächeln, drückte dann Tilla ein bisschen an sich, deren Handzeichenschwall irgendwie nie abzureißen schien. "Du vorsichtig mit Baum sein, versprechen?"

  • Tilla nickte schläfrig, rieb sich die müden Augen. Ja, ich bin vorsichtig. Versprochen. Ich möchte ihn beklettern, damit ich seine Blätter-Lieder hören kann... Wann singst du wieder? Das was Cadhla über ihre Vergangenheit sagte, erschreckte sie. Diese kräftigen Hände sollten andere getötet haben? Nun, sie war eine Kriegerin, aber trotzdem erschreckte sie das Wort 'viele getötet'. Wieviele waren viele? Und eines, was sie schon wusste, bestätigte Cadhla ihr. Männer in Uniform töteten ebenfalls. Sie erschauderte zitternd. Kein schönes Thema zum Einschlafen! Tilla versuchte an den Kletter-Baum im Garten zu denken.


    Doch irgendwie kam ihr das Thema 'Tod' immer wieder in den Sinn. Beim Samhainfest war er das Thema gewesen. Jetzt wurde er hier in diesem Zimmer besprochen... Und noch etwas wurde erwähnt. Dass die Römer in diesem Haus auf helle Haare standen. Hatte sie Glück, weil sie schwarze Haare trug? Es errinnerte sie an Helenas Bemerkung zum Baden und waschen der Herrinnen und Herren: dass auch sie würde irgendwann zu den Männern in die Wanne steigen müsste. Nee, also wirklich.. ihr gefielen diese Gedanken und die Themen nicht. Langsam erhob sich Tilla von dem Platz neben Cadhla. Ich muss mal. deutete sie an und verliess mit der Bettdecke um die Schultern die Schlafräume.

  • Interessiert verfolgte Siv die Erzählungen der Rothaarigen, auch wenn sie nicht alles von dem verstand, was sie sagte. Aber dass sie gekämpft hatte, gegen Römer, so viel begriff sie, und dass sie am Schluss doch unterlegen war – offensichtlich, sonst wäre sie nun nicht hier. Die Germanin grübelte kurz darüber nach, ob es anders gelaufen wäre, wenn sie hätte kämpfen können. Vermutlich nicht, immerhin waren auch Krieger bei der Gruppe gewesen, mit der sie unterwegs gewesen war. Und auch bei ihnen waren die Römer in der Überzahl gewesen. Sie verzog das Gesicht. "Römer sein feige." Sie machte eine verächtliche Handbewegung. "Mit Angst sie sein. Sie immer machen Kampf, wenn, wenn mehr sind." Siv musste an Ragin denken, daran wie die wenigen Überlebenden zurückgekommen waren und erzählt hatten von dem Überfall, dem Kampf, davon dass sie kaum eine Chance gehabt hatten… Und sie dachte an den Überfall, bei dem sie in Gefangenschaft geraten war. Ihre Augen glitzerten zornig. "Viel gute Mann sind gestorben, haben tot, wenn Römer- weil die Römer so feige sind!"


    Danach stellten sich die beiden anderen vor – Caelyn und Cadhla. Sie nickte beiden noch einmal zu und bemühte sich, die Gedanken an die Römer zu vertreiben, weil das ihren Zorn nur anfachte. Allerdings machte zumindest Cadhla ihr das nicht unbedingt leicht. Siv runzelte leicht die Stirn, als sie anfing über ihre Haare zu reden, weil sie nicht verstand, was genau sie meinte, aber sie hörte wieder das Wort Römer. Tilla 'sprach' wieder mit ihnen und verließ kurz darauf den Raum, und Cadhla fuhr fort, und was sie jetzt sagte verstand Siv schon eher – schwer, schlagen, falsch, das waren Worte, die sie mit am schnellsten gelernt hatte, zwangsläufig. Sie begriff auch, dass die andere Sklavin versuchte, freundlich zu sein und ihr zu helfen, aber was sie vor allem heraushörte war, dass sie im Grunde genauso argumentierte wie Brix zuvor. Ungläubig sah sie die Rothaarige an, die zuvor noch behauptet hatte, Kriegerin zu sein. Unter Kriegerin stellte Siv sich etwas anderes vor. "Nicht schlagen, wenn nicht machen falsch? Alles falsch, alles… Mit welchem Recht bestimmen sie, was falsch ist und was nicht! Ich will überhaupt nicht hier sein, ich…" Sie hätte noch viel mehr sagen können, aber sie brach ab, weil die anderen sie ohnehin nicht verstehen würden. Frustriert darüber, dass sie nicht in der Lage war auf Latein auszudrücken was sie meinte, setzte sie sich im Bett auf, nur um im nächsten Moment herunter zu springen und auf und ab zu laufen. Gleich darauf blieb sie wieder stehen und setzte neu an, versuchte Worte zu finden, mit denen sie wenigstens ansatzweise verständlich machen konnte, was sie sagen wollte. "Ich, ich nicht will sein hier, in Haus, in, in, mit Römer." So wie sie das letzte Wort aussprach, klang es wie eine Beleidigung. "Ich sein hier, sein Sklavin, das falsch!"

  • Tillas Eifer ließ die Keltin leicht lächeln, und der traurige, ernste Anflug ihrer Gedanken wich wieder dem Realen, der Welt, in der sie selbst nicht mehr genau wusste, was sie war. Die warme Zuneigung des Mädchens war ein seltsamer Halt, aber er tat ihr gut, einfach als Mensch angenommen zu werden, ohne Arglist befürchten zu müssen, brachte etwas Ruhe in die letzten Tage.
    "Wenn Du wollen, ich Dir singen später Lied für Schlaf von Mutter," sagte sie dann sanft. Eigentlich war Tilla schon zu alt für so etwas, aber vertraute Klänge spendeten doch zumeist Trost, und Cadhla entsann sich noch, wie gut es getan hatte, ein Lied aus der Heimat am Feuer zu singen. Sie hatte am Samhainabend nicht geopfert, aber doch die Geister ihrer Ahnen versöhnt, wie sie hoffte - und für ihre Eltern hatte sie nicht opfern wollen, es war einfach noch zu früh, sich mit dem Gedanken ihres Todes abfinden zu können. Als sich Tilla erhob, rückte sie etwas beiseite, um sie durchzulassen und nickte - dass Tilla dabei vielleicht noch auf Nachtwanderung gehen würde, erahnte sie schließlich nicht.


    "Sie effektiv kämpfen, wenn sind viele, und leichter gewinnen. Wir verlieren, weil nicht genug Männer," sagte Cadhla bedauernd, als Siv ihren Eindruck bestätigte. "Aber ich nicht denken ist feige - sie einfach mehr Männer. Wenn wir haben mehr Männer, wir nehmen jeden mit, und siegen, und nicht siegen feige. Du sehen Rom ist groß, viel größer als meine Sippe. Als viele Sippen. Dass sie sind mehr, ihr Vorteil ist, und sie nutzen Vorteil." Dass sie die Römer trotzdem nicht mochte, stand außer Frage - aber zumindest diesen taktischen Kniff konnte sie nachvollziehen. Warum nicht jeden Vorteil zum Sieg nutzen, den man bekommen konnte? Sie hätte es ebenso getan, hätte sie mehr Männer gehabt.
    "Sie mehr und sie stärker. Sie die Sieger, und sie nehmen sich Recht, zu bestimmen," sagte Cadhla schließlich, gleichsam bedauernd wie bitter. "Sie nicht bessere oder schlechtere Menschen als wir. Aber sie mehr sind, und sie haben Waffen. Wenn kämpfen mit Feind, dann müssen kennen seine Schwächen. Dann müssen wissen wie denken. Und ahnen, wie handeln - und dann mankann gewinnen, auch wenn sein weniger. Wir nicht genug gewusst über Römer, und sie nicht müssen wissen über uns, weil sind mehr. Du glauben ich glücklich mit Leben hier?"


    Cadhla schüttelte deutlich den Kopf. "Ich gegangen in Ketten von Heimat bis Rom, und das langer Weg. Hassen jeden Schritt! Aber es nicht sinnvol kämpfen gegen Übermacht ohne Waffe und ohne Wissen. Also ich lernen über Römer, um wissen, wo treffen Stelle, die ist verwundbar. Und dann gewinnen." Sivs Zorn rührte eine Saite in Cadhlas Innerem an, die sie nicht nur die letzten Tage hatte schweigen lassen - aber nun erklang das Echo der Ohnmacht auch in ihr. "Meine Mutter sagen, bester Weg zeigen Feind Zähne ist lächeln. Also ich lächeln bis wissen mehr."

  • Ich hörte interessiert den Beiden zu. Cadhla sowie auch Siv waren aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen in die Sklaverei geraten. Ehrlich gesagt, konnte ich da nicht viel mitreden! Gallien war nun schon mehr als 150 Jahre Jahre Teil des Imperiums und meine Landsleute hatten es mittlerweile aufgegeben, sich gegen die Römer zur Wehr zu setzten. Es war nun schon fast drei Generationen her, daß sich die Bewohner von Augustodunum gegen die römische Besatzung aufgelehnt hatten. Doch auch dieser Aufstand wurde niedergeschlagen. Seitdem hatte es niemand mehr gewagt. Im Gegenteil, wir selbst, die einst so stolzen Häduer, wurden allmälich selbst zu Römern. So gut wie keiner sprach mehr die alte Sprache in der Öffentlichkeit, unsere Götter bekamen ein römisches Antlitz und auch unser Kunsthandwerk hatte sich im Laufe der letzten Jahrzehnte völlig verändert. Wir waren zu Gallo-Romanen geworden.
    Doch die Vorstellung, daß Cadhla mal eine Kriegerin gewesen war, beflügelte meine Phantasie und imponierte mir.
    "Ja wißt ihr, bei uns in Gallien sind die Römer nun schon eine ganze Weile und heutzutage kämpft bei uns keiner mehr gegen sie. Doch mein Großvater hat mir früher immer Geschichten erzählt, von unseren glorreichen Vorfahren, wie sie sich erbittert mit den Römern schlugen und dann doch unterlagen." sagte ich schließlich, damit ich auch meinen Senf dazugeben konnte.
    "Aber ich denke, Cadhla hat Recht! Immer Lächeln! Dann erkennen sie nicht deine wahren Absichten und du kannst ungestört zuschlagen!"

  • Siv musste sich anstrengen, um Cadhlas Worten zu folgen, und das führte dazu, dass sie sich wenigstens etwas beruhigte. Ihr Zorn wurde nicht geringer, aber sie bemühte sich ihn zu greifen und zu formen, damit er sie nicht komplett ausfüllte und sie sich nicht genug konzentrieren konnte, um zu verstehen, was gesagt wurde. Unter der Oberfläche brodelte er dennoch weiter, und was sie hörte – was sie begriff von dem, was Cadhla sagte – führte dem Feuer, das in ihr loderte, nur neue Nahrung zu. "Römer schlecht! Und ob die Römer schlecht sind!" explodierte sie dann doch. "Sie sind feige, sie sind arrogant, und sie halten ihr Volk für allen anderen überlegen!" Ihre blauen Augen flammten, und sie dachte nicht im Geringsten daran, dass manche zumindest die letzten beiden Dinge auch über sie sagen würden. Genauso wenig wie sie daran dachte, dass sie schon wieder Germanisch sprach. "Das sind sie aber nicht, und nur weil sie nur dann angreifen, wenn sie mehr sind, und feige Hinterhalte legen, sind sie in der Lage zu siegen! Aber das macht sie nicht besser, und meine Heimat haben sie bis heute noch nicht erobern können! Du, du wie Ragin reden!" Das war einer der wenigen Punkte gewesen, die sie an ihm immer gestört hatten, selbst dann, als sich ihr Trotz endlich gelegt hatte. Wieder lief sie aufgeregt hin und her, blieb aber erneut stehen, als die Rothaarige weitersprach, und diesmal drangen ihre Worte mehr zu Siv durch – weit genug, dass wenigstens ein Teil von ihr anfing, sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen. Für einen Moment war sie hin- und hergerissen. Auf der einen Seite verstand sie, was Cadhla sagte, dass sie wartete, bis ihre Zeit gekommen war – und sie wusste, dass das die Art war, wie Krieger dachten, die meisten zumindest. Cadhla klang wie ihr Vater, wie ein paar ihrer Brüder, wie Ragin, wenn sie über die Römer gesprochen hatten. Auf der anderen Seite konnte Siv aber nicht begreifen, wie sie, wie irgendjemand so ruhig und besonnen bleiben konnte, wenn es um einen Feind wie die Römer ging, und noch dazu um eine Niederlage gegen sie. Sie verstand nicht, wie Cadhla so kühl, ja, berechnend ihre Lage analysieren konnte. Sie selbst hatte in den letzten Monaten oft genug das Gefühl gehabt, innerlich zu zerreißen vor Wut, und sie hatte weit mehr als nur einmal ihre Gefühle nach außen getragen und sich gegen die Römer zur Wehr gesetzt, obwohl sie genau gewusst hatte, wie wenig Sinn es hatte.


    Diesen Kampf in ihrem Inneren hätte vor noch gar nicht allzu langer Zeit innerhalb eines Lidschlags ihre temperamentvolle Seite gewonnen. Aber sie war nicht mehr die, die sie zu Hause gewesen war. Die Gefangenschaft hatte ihre Spuren hinterlassen, nicht nur auf ihrem Körper, und sie hatte dazu gelernt – sich zu beherrschen, wenigstens ab und zu, zum Beispiel. Vor allem aber eines: dass die, die besonnen vorgingen, möglicherweise nicht Unrecht hatten. Früher hatte sie sich nur aufgeregt, wenn andere so über die Römer sprachen wie Cadhla es nun tat, und sie verachtet. Jetzt ließ sie immerhin den Gedanken zu, dass das möglicherweise die objektivere Sichtweise war – in jedem Fall aber die bessere, wenn man erfolgreich sein wollte. Trotzdem konnte sie sich selten weit genug beherrschen, um dafür genügend Abstand zu haben, und so tobte der Kampf in ihr ungehindert weiter. Ihre Emotionen mussten auf ihrem Gesicht deutlich zu lesen sein, als Siv sich schließlich mit gekreuzten Beinen auf dem Boden niederließ und die beiden musterte. Sie war wütend, und gleichzeitig fühlte sie sich hilfloser als je zuvor. Sie sollte die Römer anlächeln? Ihre Kiefermuskeln spannten sich deutlich sichtbar an, als sie den Kopf schüttelte, aber ihre Stimme klang wieder ruhiger. "Ich auch haben Ketten. Gehen lange Weg. Ich… Vielleicht hast du Recht. Aber… Ich, ich nicht kann so, so ruhig sein! Römer sein, Römer sind Feind, sind schlecht!" Erneut sprang die Germanin auf, weil sie schon wieder begann sich aufzuregen. Sie wandte sich an Caelyn. "Deine Heimat hat Römer? Viel Zeit? Germanien frei, Teil bei Germanien, der ist meine Heimat, und ich froh. Wir kämpfen. Ich traurig, leiden, bei deine Land, bei dir. Das sein Zeichen, für wie Römer sein." Sie schüttelte aufgebracht den Kopf. "Ich nicht kann lächeln. Nicht bei Römer."

  • Caelyns Worte ließen Cadhla kurz lächeln. Wie friedlich musste ihr Volk doch leben, denn die Worte der jungen Mitsklavin klangen nicht unbedingt, als sei so sehr viel Leid des ewigen Krieges darin verborgen gewesen. Aber vielleicht war es auch ganz gut so. Der Krieg veränderte Menschen, und nicht immer zum Guten. Sie wusste nicht, was der Krieg aus ihr selbst gemacht hatte, und auch nicht, ob dieser weitere eg sie noch weiter verändern würde.
    "Sie starkes Volk, und großes Reich mit viele Kämpfer. Es nicht erstaunt, dass so schwer, zu gewinnen gegen Römer, wenn sie sein viel viel mehr. Allein in Rom so viele Menschen wie ...viele Stämme." Das Zählen war ihre Sache nicht, und deswegen waren vage Begriffe, mit denen doch jeder etwas anfangen konnte, deutlich hilfreicher. Viele waren eben mehr als die Leute, die damals auf ihrer Seite gekämpft hatten. Und rechnen konnte sie immerhin auch nicht ... Sivs Verhalten allerdings machte Cadhla etwas vorsichtiger. Sie verstand viel von ihren Worten nicht, nicht wegen der Geschwindigkeit, sondern weil sie kein Germanisch konnte, denn zumindest stand zu vermuten, dass dies ihre Heimatsprache war, sie klang sehr anders als das lateinische Idiom.


    So viel Zorn! Ja, sie konnte Siv gut verstehen, vielleicht besser noch als jemals zuvor. Der Zorn war auch Cadhlas stetiger Begleiter und würde es immer sein, solange sie gefangen war, denn nichts anderes war die Sklaverei, eine Gefangenschaft bis ans Lebensende.
    "Was Du denken, was tun, Siv? Du nehmen Waffe, töten jeden, fühlen gut für einige Stunden - und dann? Rom sein groß. Du helles Haar, Du nicht sprechen Sprache, Du nicht wissen gehen wohin. Du aussehen wie Germanin, und dass nur wenige Germanen frei sein in Rom, auch jeder wissen. Du wären gefangen sehr schnell und dann hierher zurück bringen, dann alle sehen Deine Schuld und Tote. Und dann Du bist tot. Das nicht guter Weg, wenn wollen leben frei, Siv. Auch wenn sein sehr befriedigend für Moment, es Dich nicht machen frei. Ich gekämpft seit können halten Speer und Schild, Siv, und wir nicht oft gesiegt gegen Römer. Sie zu viele. Also Sieg muss kommen mit List, nicht mit Wucht. Du nicht wegwerfen Leben wegen Zorn und Hass. Niemand gern ist Sklave, ich auch nicht. Aber ich wollen leben, und wenn bedeuten, dass sein Sklave eine Weile um zu fliehen dann und wissen wie machen so, dass nicht fangen, dann sein Sklavin eine Weile." Sie blieb ruhig, aber es fiel ihr schwer. So vieles in ihr sehnte sich nach einer Waffe. Nach der Initiative ... überhaupt danach, etwas zu ändern.

  • Gespannt hörte ich den Beiden zu. Auch wenn es zum Teil etwas schwierig war, da ihre Sprachkenntnisse doch recht begrenzt waren. Aber ich konnte fühlen, wie schrecklich es für Beide gewesen sein mußte, in die Sklaverei geraten zu sein. Das gab mir eine ungefähre Vorstellung davon, wie es meinen Vorfahren ergangen sein mußte, damals, als Alesia gefallen war und Vercingetorix, der große Hoffnungsträger aller Gallier, seine Waffen strecken mußte.
    Nickend gab ich Cadhla Recht, der Sieg mußte tatsächlich mit einer List kommen, wenn man einer solchen Übermacht gegenüberstand. Das hieß, gut geplant, war halb gewonnen!
    "Öhm, ich will mich ja nicht einmischen, aber hast du eben das Wörtchen fliehen benutzt?" Erwartungsvoll starrte ich Siv und Cadhla an. Wenn die beiden abhauen wollten, könnt ich mich vielleicht anschließen. Das würde zwar bedeuten, noch etwas länger als geplan hier bleiben zu müssen, doch vielleicht hätte ich dann bessere Chancen, nicht gleich wieder geschnappt zu werden.
    "Weil auch ich eigentlich nicht daran gedacht hatte, länger als nötig hier zu bleiben!" fügte ich noch ergänzend hinzu und grinste verschwörerisch dabei.

  • Siv starrte Cadhla ein paar Momente einfach nur an. Was sie tat, was sie tun wollte? Das war eine gute Frage. Sie verstand nicht alles, nicht einmal wirklich viel von dem, was die Keltin sagte, aber sie verstand genug. Es gab nichts, was sie tun konnte, das wusste sie selbst nur zu gut, hatte sie doch so viel versucht, in den ersten Wochen ihrer Gefangenschaft. Sie hatte sich gewehrt, hatte versucht zu fliehen, hatte Ausflucht gesucht in Überheblichkeit, und immer, immer waren es letztlich die Römer gewesen, die am längeren Hebel gesessen hatten. Und das war es, was sie so rasend vor Wut machte. "Ich weiß. Ich… Nichts da, was tun, was tun kann. Nichts." Ihre Stimme war immer noch ruhig, bebte aber vor unterdrücktem Zorn und Hilflosigkeit. "Aber ich nicht, nicht ruhig sein. Nicht lächeln. Ich nicht will, und nicht kann. Nichts tun kann, das, das ist… das… ich hassen das, ich… Es macht mich einfach wahnsinnig, genau dieses nichts-tun-können, ich-" Siv verstummte abrupt. Was brachte es schon, weiter zu reden? Auf Latein konnte sie nicht ausdrücken, wie sie sich fühlte, und auf Germanisch verstand sie keiner. Davon abgesehen bekam sie zumindest bei Cadhla inzwischen das Gefühl, dass sie nachvollziehen konnte, wie es ihr ging.


    Wieder ließ sich die Germanin mit gekreuzten Beinen auf den Boden sinken. Sie presste die Lippen aufeinander und versuchte, dem Tumult in ihrem Inneren wenigstens etwas Herr zu werden. Ganz egal was ihr passiert war, sie ließ es gerade an den Falschen aus. Die beiden Frauen, die ihr gegenüber saßen, konnten am wenigsten etwas dafür, und darüber hinaus trugen sie auch noch das gleiche Schicksal. Für einen winzigen Moment überlegte Siv, wie viel es Cadhla wohl kosten mochte, so beherrscht zu bleiben, wo eine wildgewordene Germanin vor ihr herumsprang und ihr im Grunde vorgeworfen hatte, keine Kriegerin zu sein, nur weil sie so ruhig war. Nun, das hatte Siv nicht getan, aber sie hätte es, jedenfalls noch vor ein paar Minuten, wenn sie Latein gekonnt hätte. Aber auch so glaubte sie, dass genug von dem angekommen war, was sie gemeint hatte. Die Germanin war dankbar, als Caelyn, die sich weitestgehend aus der Diskussion herausgehalten hatte, wieder das Wort ergriff. Bei ihr verstand Siv zwar noch weniger als bei Cadhla, weil sie schneller sprach und eine etwas andere Form von Latein als die Römer, denen sie bisher begegnet war, aber sie verstand zumindest ein Wort: fliehen. Siv seufzte. "Ich fliehen will. Ich fliehen bei Soldaten, bei Weg hier, zwei Mal. Aber Römer viel, und schnell. Sie haben mich wieder eingefangen. Du kannst nichts tun, wenn sie dich haben…" Sie war immer noch aufgebracht, aber jetzt klang ihre Stimme hauptsächlich bitter.

  • Cadhla ließ einfach beide sprechen. Es war besser so. Wenn sie reagierte, wenn sie überhaupt irgend etwas tat, dann wusste sie sicher, dass sie das falsche sagen und tun würde. Mit einem Mal wollte sie einfach nur noch weg, laufen, stundenlang laufen, bis das Gefühl, in diesem Raum, in dieser Stadt und unter den tausend und abertausend Römern zu ersticken, weg sein würde. Bis sie so lange gelaufen war, dass sie erschöpft war und kaum mehr gehen konnte, bis die Beine zitterten, die Muskeln schwach waren und sich die Tortur am nächsten Tag rächen würde, aber bis dahin würde sie sich ruhiger fühlen, wenigstens eine Nacht durchschlafen können ohne die Erinnerungen, die blutverschmierten Bilder und das Wissen um die ewige Demütigung der Niederlage.


    "Seit ich bin hier ich denken darüber nach wie können fortlaufen vor diesem Ort. Wie können gehen zurück in Heimat," presste Cadhla schließlich mühsam zwischen den Zähnen hervor, die Kiefer fast gänzlich aufeinander geschoben, um sich zu beherrschen, die Wut im Inneren, diese ohnmächtige und zugleich empor lodernde Wut irgendwie im Zaum zu halten. "Sie sein mehr und wir nicht aussehen wie Römer. Also es muss geben Weg der uns erlauben zu reisen ohne aufzufallen. Aber ich noch nicht gefunden Lösung. Ich nicht wissen genug über Rom, über Germania, wenn reisen nach Hause, und nicht sprechen Sprache. Also müssen lernen alles. Es nicht wird gehen schnell. Das ist alles, was ich wissen sicher: Es dauern wird bis wissen genug zu wagen Versuch." Sie hob den Kopf langsam, und in den grünen Augen brannte reines Feuer, als sie Caelyn und Siv betrachtete. "Ihr euch müssen machen klar, dass es nicht gehen wird schnell."

  • Eigentlich hätte es mir gefallen müssen, eine Frau so auf Händen zu tragen wenn nur nicht die Sorge um Tilla, dieses schöne Gefühl überwogen hätte. Und immer noch wunderte ich mich darüber, was Tilla in der Abstellkammer zu suchen hatte. Ob sie bei der domina Prisca gewesen war und diese wusste, was passiert war? Vielleicht hätte ich einfach an ihre Türe klopfen und fragen sollen. Dann hätte mir die Herrin entweder den Kopf herunter gerissen oder aber ... ja ich glaube sogar, dass sie sich große Sorgen gemacht hätte ....


    Jetzt war ich jedenfalls hier in der Sklavenunterkunft und ohne mich um zu sehen, trug ich Tilla eilig zu ihrem Bett. Sachte legte ich sie darauf ab und deckte sie sorgfältig zu. Mit meiner Hand fühlte ich ein weiteres Mal ihre glühende Stirn und strich sanft eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. "Das wird schon wieder!...", munterte ich sie und mich auf, denn in Wirklichkeit kannte ich mich mit solchen Krankeiten nicht aus. Ich brauchte Hilfe und dementsprechend hilflos sah ich mich nach allen Seiten um.

  • Cadhla hatte gerade ihre kleine 'Ansprache' beendet, als sich die Tür öffnete, ein ihr unbekannter Mann hereinplatzte und Tilla auf seinen Armen hereintrug - nur die Tatsache, dass sie sehr elend aussah, brachte die Kriegerin dazu, sich zurückzuhalten und ihn nicht gleich wieder aus dem Schlafzimmer der Frauen herauszuprügeln, aber ihrem Blick konnte man durchaus entnehmen, dass dies ein Ort war, an dem er sich unter normalen Umständen sicher nicht aufzuhalten hatte. "Was ist mit Tilla?" fragte sie in einem fordernden Ton, der weit mehr von Sorge um das Mädchen getragen war denn von Abscheu gegen einen Mann in einem Frauenraum - aber ob sich dies auch so für Hektor anhören würde, war zweifelhaft.

  • Ihre Hand löste sich von dem kleinen zerknüllten Knäuel Stoff, an dem sie sich die ganze Zeit festgehalten hatte, während sie zu 'fliegen' schien. Jetzt waren sie wohl gelandet und sie durfte sich ausruhen. Eine Stimme sprach zu ihr... sie verstand ein paar Wortfetzen die aber auch schon wieder im Schlaf versanken. Warum nur war ihr so warm? Mit der Hand schob sie die Bettdecke ein wenig zurück und blieb mit der Handfläche auf ihrem Brustkorb liegen, der sich hob und wieder senkte. Wo war die Möwe hin? Im Fieberschlaf 'sah' sie sich nach allen Seiten um, wälzte sich vom Rücken zuerst nach rechts, dann nach links auf die andere Seite zu Cadhla hin. Durch die Anstrengung atmete sie wieder schneller, pustete eine Strähne, die auf ihrer Nase gelandet war, mit ihren Atemzügen auf und nieder. Der von Cadhla geflochtene Zopf war noch vorhanden, löste sich nur an den Seiten auf. Tillas Haare waren einigermassen trocken. Im Nacken wegen dem Fieber schon wieder nassgeschwitzt. Liebe fliegende Möwe, wo bist du hin? fragte sich das fiebernde stumme Mädchen, begann stumm im Schlaf zu weinen.

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