cubiculum Prisca | Ein Brief samt Bote

  • Leone war gar nicht davon begeistert, schon wieder zur domina Prisca gehen zu müssen. Leone erinnerte sich nur zu gut an die schlechte Laune der Herrin vom letztem Mal. Dennoch erfüllte er tapfer seine Pflicht und brachte den Brief samt Boten bis zum cubiculum.


    Vorsichtig klopfte er an und öffnete nach einen angemessenen Wartezeit die Tür "Herrin, hier ist ein Brief mit einem Boten ... ähm ... ein Bote mit einem Brief von Caius Flavius Aquilius für dich." Mit der Nennung des Namens allein war sich Leone eigentlich sicher, die Erlaubnis zum eintreten erhalten zu haben und wies daher den Boten mit einer Handbewegung an, näher zu treten.

  • Während Straton dem schwarzhäutigen Sklaven durch das Innere der villa Aurelia gefolgt war, hatte er sich natürlich auch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, sich ein bisschen umzusehen. Im Grunde ähnelte die villa Aurelia der villa Flavia sehr - teure, nicht zu protzige Dekorationsgegenstände, sauber gemalte Wände, ein Fußboden, von dem man hätte essen können - und Straton nahm es gerade beim Essen mit der Sauberkeit sehr genau - und natürlich überall winzige Hinweise auf die Exclusivität des Hauses selbst. Das atrium war bestens dafür geeignet, Bittsteller einzuschüchtern und vom Reichtum der gens zu überzeugen, und Straton fand es fast amüsant, dass sich anscheinend alle wichtigen Patrizierfamilien derselben Mechanismen bedienten.


    Als Leone vor der Tür zum cubiculum der Aurelia Prisca zögerte, machte das den Griechen natürlich stutzig. War die Aurelierin etwa ein Drache, eine zickige, gemeine Frau zu ihren Sklaven, wenn selbst ein eigentlich kräftig gebauter Mann wie Leone es nicht eilig hatte, sie zu sprechen? Es würde sicherlich interessant werden. Als die Tür geöffnet war und ihm bedeutet wurde, einzutreten, kam er dem natürlich nach, blieb neben der Tür stehen und neigte den Kopf in Richtung der Aurelierin, bevor er sich vorstellte.


    "Salve, domina Aurelia Prisca. Mein Herr wünscht, dass ich Dir dies übergebe und Dir seine besten Wünsche ausrichte." Damit zauberte er die versiegelte Schriftrolle hervor und blieb abwartend stehen, denn so direkt und schörkellos in die Hand drücken war nicht gerade höflich.

  • Prisca wollte gerade ihr Zimmer verlassen und blieb mitten im Raum stehen, als es klopfte. Zuerst geschah nichts und dann hörte sie Leones Stimme und schon streckte der Ianitor seinen Kopf herein. Prisca holte gerade Luft um Leone etwas zu entgegnen, als auch schon der angekündigte Bote mit dem Brief eintrat. Ein weiterer Brief von Caius Flavius, wie lange ist es denn nun her, seitdem die beiden anderen Sklaven eine Nachricht von ihm überbracht hatten? ... Nur ein paar Tage vielleicht, aber lange genug um ihre Neugier auf die Folter zu spannen. ... Was shreibt er mir denn heute? ... Werde ich schon bald mein Pfand zurück erhalten, oder hab ich ihn am Ende gar vergrault, weil ich ihn etwas warten lies?


    Letzteres war natürlich nicht das Ziel ihrer Hoffnung gewesen, obwohl sie bewusst etwas Zeit verstreichen lassen wollte. Jetzt aber konnte sie es kaum erwarten zu erfahren, was in dem Brief stand. Auf den Gruß des Sklaven hin nickte Prisca nur, wenngleich sich ein leichtes Lächeln auf ihrem Gesicht zeigte. Dann winkte sie ihn zu sich heran, damit er ihr den Brief übergeben konnte. Leone dagegen durfte gehen, was sie dem Ianitor mit einen weiteren Wink bedeutete.

  • Wie ein Drachen sah sie nicht gerade aus, überlegte Straton, und ihr Lächeln verhieß sehr vieles, aber sicher nicht irgendwelche unangenehmen Konsequenzen. So trat er ruhig vor und legte die Schriftrolle behutsam in ihre schlanke, weich wirkende Hand, um dann wieder zurück zu treten und abzuwarten, dass sie las - glücklicherweise hatte ihn sein Herr nicht mit dem Inhalt belastet, zumindest früher war Aquilius' Liebesdichtung scheusslich schwülstig gewesen. Aber vielleicht hatte sich das auch geändert?


    Dem Sonnenstrahl gewidmet, der mir erhellt die dunklen Stunden.


    Hörst Du das leise Rauschen der Wellen,
    die samtig weich den Strand umschmeicheln?
    Hörst Du das ferne Schrei'n der Möwen,
    von Sagen kündend, die wir niemalsvernehmen?
    Hörst Du das Lachen, das noch in uns steckt,
    hervorgelockt von der Sonne allein?
    Hörst Du das Kelcheklingen, vermischt
    mit der geruhsamen Stille gestillten Hungers
    an einem frischen Tag?


    Eine Reise von nur weniger Strecke, und doch so weit von allem fort,
    eine and're Welt eröffnet, ein vollkommener Ort
    eingefangen nur wenige Stunden, gehalten in Deiner Hände Wärme
    genossen gemeinsam, gemeinsam gelacht, gemeinsam geträumt.


    Begleite mich auf diese Reise, für einen Tag die Sonne einfangend,
    das Meer soll Ziel uns sein, ein Essen am Strand, und nur das ewige Blau
    würde schenken ich Dir, könnte ich es
    so bleibt es doch nur ein Ausflug für eine besondere Frau.


    Lasse meinen Sklaven wissen, ob Du geneigt bist, Dein Pfand zurück zu erhalten, Du mein Sonnenstrahl - den Tag bestimmst allein Du.


    C.F.A.

  • Prisca nahm den Brief entgegen und bedachte den Sklaven mit einem flüchtigen Blick, bevor sie das Siegel brach und den Brief entrollte. Dann wandte sie sich zur Seite und machte ein paar bedachte Schritte hin zum Fenster während sie zu lesen begann. Ein Lächeln zauberte sich schon nach der ersten Zeile wie von selbst auf ihr Gesicht. ... Welch schöne Worte und nur für mich gewählt?! ... Die Aufmerksamkeit die ihr der Flavier zuteil werden lies schmeichelte Prisca sehr und gerne gestand sie sich ein, dass sie einem Mann mit einem solch feinen Gespür für die Poesie sehr viel abgewinnen konnte. Sicher, es wäre auch denkbar das ein solcher Text von dritter Hand geschrieben wurde. Doch würde sich derjenige, der sich solcher Mittel bediente, sehr schnell selbst enttarnen.


    ... Ein Ausflug ans Meer, ein idyllisches Essen am Strand ... sicher nur für einen Tag, niemals länger oder gar über Nacht. Nein, wie hätte ich das je erklären können ... Mein Pfand will ich von ihm zurück und wer weiß, vielleicht sogar ein bisschen mehr ... Welche Worte wird er finden, werde ich finden ... warum es nicht einfach herausfinden und ihn näher kennen lernen?


    Prisca betrachtete wie abwesend das Pergament in ihrer Hand und stellte sich im Geiste vor wie es sein würde, dachte auch daran was Helena und sie auf der meditrinalia gesprochen hatten und traf ihre Entscheidung. Dann drehte sie sich mit einem verträumten Blick zu dem wartenden Sklaven um. Ob der Bote wusste, um was es ging und dass er auf eine Antwort warten sollte? Was spielte das für eine Rolle, ob es ein Geheimnis wäre oder nicht?! ... "Richte bitte deinem Herrn aus, dass ich gerne zurück haben möchte was mir gehört. In fünf Tagen." Prisca erlaubte sich das Spiel der Verwirrung und lies den Sklaven das wissen, was Aquilius ihr zur Antwort aufgetragen hatte. Von ihrer Seite aus gab es nichts hin zu zu fügen und so deutete Prisca dem Sklaven mit einem Nicken an, dass er sich zurück ziehen durfte.

  • Anscheinend hatte sich die Liebesdichtung seines Herrn um so einige Grad gesteigert, zumindest wirkte die junge Dame angetan ob dessen, was im Brief für sie verzeichnet gestanden hatte. Der Grieche ertrug es mit einer gelassenen Haltung - von den Flaviern war er nun einmal sehr vieles gewöhnt - und blickte sie ruhig an, als sie sich zu einer Antwort entschlossen hatte.
    "Natürlich, domina, ich werde es ihm wörtlich ausrichten: Du möchtest gern zurückhaben, was Dir gehört, und das in fünf Tagen." Damit neigte er abermals den Kopf und wandte sich auf ihre Geste hin zur Tür, innerlich die Augen verdrehend. Also war Aquilius wohl wirklich an dieser Frau interessiert. Straton sah eine sehr große Menge an Spaziergängen zur villa Aurelia vor seinem inneren Auge auftauchen und fand diese Aussicht gar nicht einmal so erschreckend. Nur konnten sie dann nicht einfach beide Briefe schreiben? Wenigstens hatte sie ihm keine Küsse mitgeschickt, die er seinem Herrn 'ausrichten' sollte oder etwas ähnliches ... auch wenn der Gedanke, von einer jungen, hübschen Frau geküsst zu werden, so unangenehm nicht war. Mit diesem Gedanken schied der Grieche aus den Räumlichkeiten Priscas, und nahm die Botschaft mit sich.

  • ... Manchmal vergeht die Zeit viel zu schnell, um die eigene Unerfahrenheit und Unsicherheit zu überwinden und sich aller Gefühle bewusst zu werden, die das Handeln bestimmen und auf das aus richten, was man begehrt und für sich erreichen möchte. Angemessen lang ist sie nur in dem was man glaubt zu tun und doch vergeht die Zeit viel zu langsam, wenn Neugier und Hoffnung einen zerfrisst. ... Fünf Tage?! . ... schon waren sie Vergangenheit ohne das sich etwas verändert hätte, stellte Prisca für sich fest. ... Wirklich nichts? ... Wie die Tage zuvor stand sie hier alleine hier in ihrem cubiculum und ihr Blick schweifte hin zur Türe, durch die der flavische Bote eingetreten war. ... Doch sehr wohl! Der Brief ... Er hatte so viele Erwartungen in ihr geweckt und die Hoffnung! ... nur die Gewissheit fehlte....


    ... Ob ich diese je erhalten werde? Wahrscheinlich nicht. Nur eines ist gewiss ... Prisca war ungestört mit sich und ihren geheimsten Gedanken. Dafür würde der Eine sorgen, den sie gerade eben vor ihrer Tür wähnte. Hektor! Der neue Leibwächter, der ebenso unverhofft wie alles andere auch in ihr Leben getreten war. Ein Sklave nur! Völlig unbedeutend und doch sollte er sie von nun an vor allem Leid beschützen. ... Würde ihm das gelingen? ... Die Gewissheit blieb aus. ... was sonst? ... oder hoffe ich bereits auf das Unmögliche? ...


    Prisca ging zu dem Spiegel aus Silber der, wie ein kunstvoll gestalteter Torbogen, in die Mauern ihres cubiculums eingelassen war. Fast wirkte er wie die Pforte in eine andere Welt ... in die Zukunft ... Wie gerne hätte Prisca sie durchschritten um zu sehen, was werden wird. Es blieb ihr verwährt und so konnte sie nur einen Blick auf das werfen was sie war. "Bin ich schön und begehrenswert genug? .. so wie diese Dinge die mir geschenkt wurden? ... oder bin ich so vergänglich wie alles Materielle was es zu besitzen gilt? ... ", flüsterte Prisca zu sich selbst gesprochen und betrachtete das, was sie vor sich sah. Sie trug nichts weiter als die beiden Geschenke, die sie erhalten hatte. Alle Masken und Mauern, mit denen sie sich je umgeben hatte, sollten fallen um der Erkenntnis willen .... Nur das goldene Armband, mit den Motiven der Hebes und Aurora, funkelte edel um ihr Handgelenk, so wie die dunkelgrüne seidene Tunika welche sie vor ihren Körper hielt. Nur diese beiden Dinge sollten ihren ansonsten nackten Körper schmücken ....


    ... Keine Gewissheit, nur Einsamkeit! ... Die Tunika glitt wie von selbst zu Boden und gab den Blick frei auf auf das was sie gerade war und was sie ewig bleiben würde . ... Nichts weiter als die Hoffnung ... und doch so real wie das Klopfen an der Türe, das Prisca eben zu vernehmen glaubte ...

  • Wie lange diente ich nun schon Aurelia Prisca? … ganze vier Tage?! … Ich pfiff leise durch die Zähne, während ich so mit verschränkten Armen an der Wand lehnte, die sich gegenüber der Türe zu ihrem cubiculum befand. Keine sehr lange Zeit und doch lange genug um mir sicher zu sein, dass ich sie von nun an mit meinem Leben vor allem Leid beschützen wollte. Das hatte ich mir und ihr bei meiner Ehre geschworen. Ein Sklave, der von Ehre sprach? Ja! Denn ich fühlte mich nicht als solcher. Im Gegenteil fühlte ich mich immer noch als der stolze Soldat, der ich einst war. Dem Ehre alles bedeutete und der sich im Leben nichts sehnlicher wünschte, als irgendwann einmal kämpfend mit dem Schwert in der Hand sterben zu dürfen.


    Und ausgerechnet mir sollte das Schicksal einen so schrecklichen, weil unehrenhaften und demütigendenTod vorher bestimmt haben. Gefesselt und wehrlos sollte ich von einer Bestie zerfetzt werden. Zur kurzweiligen Belustigung des Pöbels und das nur, weil ich meinem Herrn versehentlich das Nasenbein gebrochen hatte. Das es anders letztendlich doch nicht soweit kam verdankte ich einzig der Person, die sich so nah und doch unerreichbar hinter dieser Tür befand! Sie hatte mit dem Händler solange gefeilscht und war dabei so hartnäckig geblieben, bis dieser mich schließlich an sie verkauft hatte. Das imponierte mir sehr. Für sie bedeutete es wahrscheinlich nichts, für mich jedoch bedeutete es alles. War es Schicksal oder Fügung? Wer konnte schon je die Gewissheit haben ... und darüber nach zu grübeln half ebenso wenig


    ... Und ich merkte, dass ich zu viel nachgrübelte! Das war nicht gut, denn ich sollte eigentlich wachsam sein! Gerade kam nämlich ein, für mich fremder, Sklavenjunge völlig außer Atem angerannt und ich musste ihn erst einmal sanft mit beiden Händen abbremsen, bevor er ganz in mich hineinrannte. Die Nachricht die er zu überbringen hatte, war mir jedoch nicht fremd. Von dem Ausflug hatte auch ich erfahren und so nickte ich zu den Worten des Kleinen und strich ihm dabei durchs Haar. „ Ich weiß Bescheid und werde die Herrin gleich in den Garten geleiten! Du geh und hole schnell die Sklavin herbei, nach der die Herrin verlangt hat, sobald die Nachricht von der Ankunft des Gastes da ist.“, flüsterte ich ihm zu und schickte ihn damit fort. Kurz holte ich Luft, schließlich kannte ich Aurelia Prisca noch nicht lange. Eigentlich wollte sie allein sein und nicht gestört werden. Zumindest bis eben jetzt! Auf diese Nachricht mochte sie wohl gehofft haben … Also klopfte ich an, um mich bemerkbar zu machen und rief durch die geschlossene Türe, ohne selbst ein zu treten. „Herrin?! … ihr werdet erwartet!“

  • "Er ist schon hier?", fragte Prisca zuerst überrascht zurück und blickte dabei sehnsüchtig zur Tür. Fast sah es so aus als hoffte Prisca darauf, der Flavier könne jeden Moment herein kommen. ... Ob ihm wohl gefallen würde, was er jetzt sehen könnte? ... Sekundenlang stand Prisca einfach nur da und horchte auf ihre Gefühle. Gedanken und Zweifel, neue und alte wechselten sich ab und verflogen ebenso schnell wie die Überraschung in ihrer Stimme. "Gut! ... Du wartest draußen, bis die Sklavin hier ist und ich soweit bin!" , rief sie ihrem neuen Leibwächter zu um sicher zu gehen, dass diese Türe auch geschlossen bliebe, bis sie sich mit Hilfe der Sklavin fertig angekleidet hätte. Und das würde gar nicht mehr allzu lange dauern, denn ...


    Alles Nötige für den Ausflug lag ohnehin schon bereit: Das Brustband und die Schuhe, ebenso wie die palla und einer der beiden Perlenohrringe, den sie zurück behalten hatte. Dazu wollte sie seine beiden Geschenke, die dunkelgrüne Seidentunika und das Armband tragen. Die Augenpartie etwas geschminkt und die Lippen ein wenig betont. Als Duft ein wenig Rosenöl und ihr seiden glänzendes Haar war bereits kunstvoll und doch nicht überladen hochgesteckt. Prisca warf einen Blick auf den Spiegel an der Wand und betrachtete sich selbstsicher, aber auch kritisch darin. Sie war sicherlich nicht perfekt in allem und doch konnte sie es sich angesichts ihrer Jugend leisten, auf übermäßig viel Schminke, Perücken oder gar sonstiger Hilfsmittel zu verzichten, die zwar beschönigen mochten aber nichts verschönern konnten, was nicht von Natur aus vorhanden gewesen wäre.


    Nur!. ... würden sich all die Mühen lohnen, oder galt am Ende das Interesse des Flaviers mehr der politischen Verbindungen ihrer beiden Häuser als ihrer Person? Ganz sicher war sich Prisca immer noch nicht, obwohl Flavius Aquilius sie mit seinen bisherigen Briefen und Worten sehr beeindruckt hatte. Vielleicht würde er sie heute völlig überzeugen, oder gar enttäuschen? Umso ehrlicher wollte sie deshalb zu ihm und zu sich selbst sein, in dem sie keine Maske ihrer selbst erschuf. Vielleicht wäre das die einzige Möglichkeit, um die lang ersehnte Gewissheit zu erlangen .....

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