atrium | Gracchus, Furianus: Ein Heimkehrer aus Hispania

  • Einer der Sklaven des Haushalts war nach dem Eintreffen des Flavius Furianus sogleich ins Innere der villa enteilt, um Flavius Gracchus vom Wunsch seines Verwandten zu unterrichten, dass er ihn sprechen wollte - ein anderer Sklave führte Flavius Furianus in das atrium der villa Flavia, welches sich eigentlich nicht wirklich geändert hatte, seit dieser das letzte Mal hier geweilt hatte. Stumm blieb er dann an der Seite stehen, für den Fall, dass der dominus noch einen Wunsch äußern würde.

  • Es hatte sich wahrlich nicht viel verändert und Furianus ließ sich, von der strapaziösen Reise geschwächt, auf eine der zahlreichen Klinen nieder.
    Gracchus würde sicherlich bald kommen. Wie er wohl aussah, als Pontifex? Vermutlich hatte sich der Vetter, der eigentlich Onkel war, kaum verändert. Vielleicht war er trotz des großen Verlustes seiner Schwester erleichtert ob seiner Berfugungen in das Pontifikat und den Senat, doch wer wusste es schon genau.

  • Etwas furchtbares war geschehen. Nicht genug, dass sich in Italia bereits Misere an Unheil reihte, Unglück an Tragödie, nun hatte es auch auf Hispania übergegriffen - musste übergegriffen haben, denn welche Gründe würden sonstig Furianus aus der Provinz zu dieser Zeit über das Meer hinweg treiben, ihn seiner Pflicht den Rücken kehren und die weite Reise nach Rom antreten lassen? Kaum jedoch konnte Gracchus dies neuerliche Unglück, dessen Kenntnis ihm nun bevor stand, noch mehr in Tristesse und Devastation hinab ziehen, als die Ereignisse vergangener Woche dies hatten ohnehin bereits getan. Dennoch steckte ein tiefer Kloß ihm im Halse als seine Schritte er zum Atrium hin lenkte, wo der Vetter, welcher sein Neffe war, auf ihn wartete. Ein wenig blass sah Furianus aus, kränklich womöglich - und wen sollte dies wundern, bei jenen Nachrichten, welche er würde unweigerlich überbringen müssen? An Gracchus selbst wies nichts auf die Schieflage seines Gemütes hin, ohnehin war seine Gemütslage ständig in unausgeglichenem Zustand, so dass kaum je dies noch auf seinem äußeren Antlitz sich konnte abzeichnen, mehr noch bereits Teil seiner Selbst geworden war - der undurchdringliche Blick in ferne Gefilde, in welchem stets ein wenig Schwermut lag, die lange zu Perfektion hin getriebene Reaktionslosigkeit seiner Züge, die schmalen, selten sich öffentlich in einem wahrhaft freudigen Lächeln hebenden Lippen, und der gerade aufgerichtete Körper, in ernsthafte Starre gepresst, welchem in Bewegung trotz allem immer ein latenter, sublimer Hauch von Schwingung anhaftete, ganz, als würde Gracchus gleichsam wandeln in gänzlich anderen Welten, auf sanften Wolken oder weichem Gras - eine Couleur, welche er Zeit seines Lebens hatte zu supprimieren gesucht, was jedoch nie gänzlich ihm wollte gelingen.
    "Furianus."
    Längstens waren sie nicht so vertraut miteinander, dass Gracchus mehr als einen vetterlichen Handschlag würde anstreben, in keinem Falle jedoch eine vetterliche Umarmung, brachte zwar Furianus ihn nicht mehr in körperliche Befangenheit, doch war sich Gracchus dessen nie gänzlich sicher, so dass ohnehin er den physischen Kontakt mehr mied denn suchte, gerade und insbesondere in Hinsicht auf seine Vettern - Caius hatte diesbezüglich schon mehr Derangierung gebracht, als dies einem Vetter allein für ein einzelnes Leben konnte zur Güte gereichen.
    "Willkommen zuhause. Wie geht es dir? Welche Umstände konnten dich dazu bewegen, Hispania den Rücken zu kehren und die Hauptstadt aufzusuchen?"
    Selbst Komplikationen in der Führung der Provinz konnten diese Gründe nicht sein, hätte doch Gracchus von solcherlei im Senat erfahren müssen. Obgleich er nichts davon sich anmerken ließ, so war er doch auf das Schlimmste gefasst, als auf eine Kline vis à vis seines Vetter er sich nieder ließ.

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  • Die verhaltene Begrüßung nahm Furianus mit einem kräftigen Händedruck und einem leichten Lächeln entgegen.


    "Ich danke dir für deine Begrüßung, Gracchus. Wie es mir geh? Den Umständen entsprechend. Ich muss dringend ein Bad nehmen, brauche frische Kleidung, doch das ist zur Zeit periphär.
    Was mich hierher getrieben hat, nun, ein schwarzer Schatten über unsere Familie wie über Rom. Sehe nur ich das oder erfasst die flavischen Frauen etwas, dass wir einen Verlust nach dem anderen beklagen müssen?
    Und nun das, Gracchus, ein Frevel nicht nur an ganz Rom, sondern ein noch größerer Verlust eines Mitgliedes, nicht nur eines Mitgliedes, sondern dem reinen Wesen, deiner Schwester.
    Es tut mir unendlich leid, Gracchus, ich weiß nicht wie es in dir nun zugehen mag, aber glaube mir, es geht uns allen unheimlich nahe. Agrippina war nicht nur eine Schwester, eine Tante, nein, sie war die Verkörperung der Tugenden einer römischen Frau. O welch Sünde wurde begangen!"


    Furianus musste sich zusammen reissen, um nicht augenblicklich vor Trauer und doch einer großen Portion Müdigkeit zusammen zu brechen. Die Nachricht des Todes war wie ein Sommergewitter über Tarraco, plötzlich grausam, verheerend und abgrundtief schmerzvoll diese Idylle zu stören. Diese Idylle war bisher sein Rom, doch es wurde nicht nur gestört, durch diesen Mord wurden alle Insignien, alle Tugenden römischen Lebens geschändet. Ja, geschändet. Und er, er konnte nicht fernab Roms zubringen, wenn so etwas geschah.

  • Ein unscheinbarer Schauer durchlief Gracchus' Körper, denn die Worte seines Gegenübers brachten unweigerlich seine Gedanken auf jenen Fluch, der augenscheinlich noch immer auf der Flavia lastete, obgleich er sich uneins war darüber, ob die Ursache Agrippinas Tod in ihren familiären Bindungen zu suchen war oder in ihrer symbolischen Funktion, da doch längstens sie nicht mehr offiziell Teil der Familie gewesen war.
    "Es ist wahr, Furianus, sie war die Verkörperung der Tugend, sie war die Unschuld Roms, sie war die unumstößliche Reinheit unseres Reiches - letztlich sogar in solchem Maße, dass nicht einmal der Schatten des Sterbens sie konnte beflecken, sondern sie gewaltsam aus ihrem Leben musste gerissen werden."
    In unbewusster Weise sog er seine Unterlippe zwischen die Zähne, kaute darauf herum. Weiters war sich auch nicht dessen sicher, ob Agrippina noch seine Schwester war gewesen, war sie doch aus seinem Leben genommen worden als sie beide noch Kinder gewesen waren, einer Pflicht folgend, einer großen Ehre, pro familia. Obgleich dies im Nachhinein betrachtet ein äußerst divergenter Sachverhalt war, so hatte Gracchus selbst damals keinen Unterschied zum Schicksal seines Bruders gesehen. Beide waren sie fort aus der Familie und obgleich der Name seines Bruders war verschwiegen worden, während die Bindung zu Agrippina bei jeder Gelegenheit wurde hervorgehoben, so verband ihn mit beiden nicht mehr als seine Wurzeln, bis heute weniger noch als mit seinem ihm fremden Zwilling.
    "Welcher Schatten indes ist dunkler, jener über dieser Familie oder jener über unserem Reich?"
    Mit prüfendem Blick bedachte Gracchus seinen Verwandten.

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  • Furianus Blick sank unweigerlich gen Boden und er seufzte hörbar auf.


    "O Gracchus, mir kommt es vor, als stellst du die falsche Frage. Kann der Schatten über unserer Familie noch dunkler werden?"


    Natürlich, das wussten sie beide, war das keine hinreichende und befriedigende Antwort gewesen, denn das Reich stand über allem, auch über der Familie. Diesem Reich hatte sich die Familie über Generationen verpflichtet, dies war selten, doch umso prägsamer. Die Tante wurde für den Staat geopfert, sie alle gaben ihre Jahre dem großen Rom und mährten die Macht dieser Stadt, wenn nicht als Kaiser, so doch in Politik, Militär und Religion.


    "Unsere Familie ist mit dem Staat verwoben, Gracchus, unser Schatten legt sich unweigerlich auch über den Staat. Wir können nur, mit einem trostlosen und leeren Lächeln froh sein, dass der Staat weit mehr Schwärze tragen kann als unsere Familie, unser Schatten wird durch das Licht anderer aufgehoben. Ich sorge mich um die Familie, Gracchus."


    Die Todesfälle durchzogen alle Linien des flavischen Hauses, seine wie auch die seiner Vettern und Onkel.

  • "Falsche Fragen gibt es nicht und schlimmer kann es immer werden, glaube mir"
    , konterte Gracchus, mehr unbewusst, denn sich seiner Worte gewahr, starrte am Rand der Kline vorbei auf den Fußboden ,folgte den Spuren der Platten gleich durch ein Labyrinth.
    "Der Schatten über unserer Familie ist längst tiefer als jener über Rom und doch bleibt dies bedeutungslos, denn wir haben kein Recht darauf, Larmoyanz zu zeigen. Wir sind Flavier, wir haben als solche zu leben und wir haben als solche zu sterben. Der Verlust einzelner muss durch die Familie getragen werden, doch nicht dadurch, dass einzelne ihre Last auf sie verteilen, sondern dadurch, dass jeder einzelne das Gewicht der Pflicht und Verantwortung unermüdlich auf seinen Schultern trägt."
    Merkwürdig weit fort klangen die Worte in Gracchus' Ohren, als wären sie aus einer fernen Zeit, wie sie dies tatsächlich waren, aus dem Munde seines Vaters, in den Ohren eines Kindes. Hatten sie so auch einst in den Ohren seines Vater geklungen, seltsam unvertraut, wie die Worte eines Fremden? War dies der Fluch der Familie, welcher von Generation zu Generation weiter sich zog? Langsam hob Gracchus den Blick, um jenen seines Neffen zu suchen.
    "Doch du bist nicht nur deswegen hier, weil du dich ob der Familie mit Sorgen trägst. Sind es Schwierigkeiten in der Provinz?"
    Zu viele Ungewissheiten gab es, nachdem Furianus sich der aufständigen und herunter gewirtschafteten Provinz hatte angenommen, darunter mussten zwangsläufig Schwierigkeiten mehr oder minder großen Ausmaßes sein.

  • "O doch, Gracchus, es gibt falsche Fragen, genau so wie es unpassende Situationen gibt richtige Fragen zu stellen. Schlimmer kann es werden? So grausam können die Götter nicht sein, Gracchus."


    Furianus konnte es sich nicht vorstellen, das sprengte einfach seinen Glauben an die Götter. Auch wenn sich schon Epikur seiner Zeit die Frage stellte, warum die Götter Ungleichheit zuließen, in jeder Hinsicht, konnte Furianus nicht glauben, dass sie nicht eingriffen, wenn es zu weit ging. Nein, die Götter waren weise und gerecht, sie wollten wohl nur prüfen. Doch wozu? Er war sichtlich verwirrt und senkte seine Lider.
    Kurz darauf blickte er empor zu Gracchus, der scheinbar wie verwandelt war. So kannte er seinen Vetter, der Onkel war, noch gar nicht. Wenn er es sich recht überlegte, kannte er ihn überhaupt nicht.


    "Du hast Recht, Gracchus, es liegt an uns die Last zu tragen. Wenn wir es nicht können, haben wir es nicht verdient weiterhin zu bestehen, diese Familie, wir alle. Und wir wären nicht die ersten, die endgültig im Schatten verschwinden würden, wenn wir uns dem nicht stellen.
    Du, ich, Gracchus, wir können uns diese Last nur teilen. Es liegt an uns sie zu stemmen, nicht an meinem Vater, dieser hat seine Schultern schon zur Genüge belastet, nicht an unseren Brüdern, diese sind nicht in der Position einen Teil davon zu übernehmen - noch nicht. Es sind nur wir, Gracchus."


    Und er fürchtete schon, falls sein ewig fauler Bruder nicht langsam mal sein politisches Interesse entdecken würde, diese Bürde seinen Kindern auferlegen zu müssen, so, wie sein Vater es einst tat.


    "Nein, es ist nicht die Provinz. Ich habe mir dort schon genug wieder erlangen können, was Agrippa hergegeben hat, ich habe die Provinz in meiner Hand und meine Leute scheinen sehr fähig diese paar Wochen auch ohne mich die Provinz zu leiten. Es sind, außer diesem tragischen Vorfall, Verpflichtungen Rom gegenüber zu den Wahlen zu erscheinen. Zudem gab es die Möglichkeit, dass ein andrer mein Amt übernehmen könnte und ich zugegen sein muss, um dies zu verhindern.
    Und meine Verlobte will ich auch sehen, Gracchus. Ich will sie nicht, wie Claudia, verlieren, denn die Zeit schreitet voran und ich brauche einen Erben. Ich kann es mir nicht leisten zu warten."

  • Langsam schüttelte Gracchus den Kopf.
    "Nicht die Götter, Furianus, denn gegen das Schicksal sind selbst die Götter machtlos. Regno, regnavi, sum fine regno, regnabo* - es ist der Fortunens Rad, welches unaufhörlich sich weiter dreht, und ich habe gelernt, dass dieses Rad einen weit größeren Durchmesser hat, als man glauben mag. Wer weiß schon, wann endlich er am Grunde der Bewegung angelangt ist? War nach Arrecinas Raub und Minervinas Entführung nicht bereits Leontias und Arrecinas Tod längstens genug für diese Familie? Hattest du glauben wollen, dass schlimmer es könnte uns noch treffen, hattest du glauben wollen, dass Agrippina auf den Stufen zum Heiligtum der Vesta würde ermordet werden? Hattest du wirklich geglaubt, es würde noch schlimmer uns treffen in so kurzer Zeit? Ich sage dir, Furianus, es kann immer schlimmer kommen und es wird schlimmer kommen ..."
    Augenblicklich hielt Gracchus inne. Denn diese Familie ist verflucht, waren die Worte, welche aus seiner Kehle wollten echappieren, über seine Lippen sich wollten drängen. Längstens war er sich des Ursprungs dessen nicht mehr gewahr, hatte dies alles doch bereits viel früher begonnen, als er lange hatte vermutet. Alles ergab somit einen Sinn, die Sinnlosigkeit der Sühnung, der Fortgang des Fluches, welcher längst nicht mehr nur seine eigene Existenz tangierte, das Auf und Ab fern jedweder Muster. Mit einem Funken harter Verzweiflung in den Augen blickte Gracchus seinen Neffen an. Er war Teil dessen, medial darin gefangen, und doch war es weitaus besser, sich dessen nicht bewusst zu sein.
    " ... denn so ist das Leben und wir haben es gleich jeder anderen Bürde zu tragen. Nur, wer nicht auf dem Gipfel ruht, kann diesen erklimmen."
    Trocken waren seine Worte, wie eine leere, fadenscheinige Begründung klangen sie, die sie denn waren, und er überspielte dies, indem rasch er jenes Thema aufgriff, welches Furianus zuvor hatte in den Raum geworfen, jene Politik, welche weit unverfänglicher war.
    "Du glaubst tatsächlich, jemand will das Proconsulat Hispanias dir entziehen? War es nicht so, dass der Senat sich vor deiner bereitwilligen Erklärung schwer tat, überhaupt einen Mann zu finden, welcher dies noch auf sich wollte nehmen?"
    Den Hinweis auf einen Erben überhörte Gracchus großzügig, zwar war sein Neffe ein paar Jahr älter als er, doch wäre längstens es Gracchus Pflicht in seiner Ehe, für einen Nachkommen Sorge getragen zu haben - seine größte Sorge überhaupt in dieser Ehe, zudem eine, welche ihm mehr und mehr zur Sorge gereichte und welche ob dessen er doch kaum wollte in Worte fassen.



    *Ich herrsche, ich herrschte, meine Herrschaft ist beendet, ich soll herrschen.

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  • "Sie treiben das Rad an, Gracchus..."


    Setzte er an und hielt inne, um sich zu besinnen, vielleicht um doch die Worte noch einmal erklingen zu lassen. Doch er konnte dies nicht einfach so stehen lassen, es wäre eine Kritik an den Göttern, eine Kritik ohne Aussage, ohne Begründung und Erklärung.


    "Erinnere dich an die Zeitalter. Gut, der Götter Handlung war selbstverschuldet, die Menschheit hat ihnen nicht genug Aufmerksamkeit und Huldigung entgegen gebracht, doch die Götter haben das Rad des Schicksals in Gang gesetzt, sie haben ein Stück Ungerechtigkeit uns aufgeworfen und wir versagen daran, versiegen geradezu in Selbstmitleid und Ausweglosigkeit. Wie kann man dies denn bekämpfen als Mensch? Etwas von den Göttern geschaffenes, ja, Gracchus, wie außer mit Demut und Eifer den Göttern gegenüber. Doch nicht mit Mord, nicht mit Mord an einer Frau wie deiner Schwester. Das ist nicht nur kontraproduktiv, das ist schlicht und einfach unangebracht dumm.
    Ich will nichts herauf beschwören, aber ich sorge mich um die Zukunft, um die Zukunft den Göttern gegenüber. Wenn wir weiterhin zulassen, dass ein paar Fehlgebildete sich an den Insignien unseres Reiches, an denen unserer Götter, vergreiffen, sie beflecken und beschädigen, dann sind wir des Unterganges, Gracchus.
    Ich bin kein Pontifex, Vetter, aber ich erahne Blitze am Horizont, wenn sie mich blenden, um kurz darauf des Göttervaters Grollen anzukündigen."


    Furianus konnte nicht son sich behaupten munter zu sein, er fühlte sich schlaff, einfach nur müde und von den Ereignissen um ihn herum zerrissen.
    Seine Stimme wurde ruhiger.


    "Und deshalb, Manius, kann es meiner Meinung nach nicht schlimmer für uns kommen. Und wenn, so werden wir nicht die einzigen sein, die fallen."


    Ein leichtes Lächeln konnte Furianus bei der Verwunderung seines Vetters dann doch nicht unterdrücken.


    "Ich war mir sogar relativ gewiss, dass irgend einer dieser Gierigen um mein Amt buhlen wird. Männer einer solchen Sorte, deren wohl berühmtester Repräsentant Senator Germanicus Avarus ist, sind nicht der Ehre, dem Ansehen und gar der Verpflichtung als Römer im Senat, sondern einzig und allein, um Profit daraus zu schlagen. Ich will nicht sagen, dass wir alle selbstlos sind, nein, es ist der Egoismus, der diese Welt zusammen hält, doch dieser ist bei solchen Vertretern geradezu grässlich pervertiert, Manius. Ich rechne mit allem, denn außer dem Ansehen einer Statthalterschaft, besitze ich nun mehr Sesterzen denn je. Das missfällt natürlich einem Mann wie Avarus, er ist ja nicht alleine damit. Und dass sich zuvor niemand für die Wahl gestellt hat, lag zum Einen darin, dass viele nicht die Voraussetzungen dafür erfüllen, nun doch eine Legislaturperiode vorüber gegangen ist und die Konkurenz gewachsen, zum anderen ist es natürlich sehr unattraktiv eine von der Rebellion zerrüttelte Provinz zu übernehmen. Es ist einfacher in den sicheren und reichen nahen Osten zu gehen, nach Gallien oder Nordafrika, anstatt nach Hispania, um dort die Struktur zu stärken, jedwede Art von letztem romfeindlichen Gedankengut auszutilgen und ja auch mit Mehraufwand und eigenen Kosten Stabilität zu erreichen. Und so ist es, Gracchus, ich habe hohe Erträge, ich kann mich nicht beschweren, doch ich kann nicht...schöpfen. Ich investiere und bekomme zurück, anderswo müsste ich ersteres nicht.
    Nun ist alles recht stabil, das Amt scheint nun attraktiv. Das ist meine Erklärung für diese Befürchtung."

  • Einige Augenblicke der Stille traten ein, beinah kontemplativ, in welchen Gracchus seinen Vetter unverholen nachdenklich taxierte, darüber nachsann, mit welchem Götterverständnis Furianus wohl war aufgewachsen, da es augenscheinlich deutlich figurativ war, zu deutlich für Gracchus' Geschmack, obgleich ein wenig es wohl so sein musste, da sein Vetter ihn selbst zu wenig kannte, um über anderes zu sprechen.
    "Die pax deorum ist Abbild unsere eigenen Welt, Furianus. Nicht göttliche Personen wollen ob ihres Zornes besänftigt werden, göttliche Prinzipien müssen zurück geführt werden zum Ausgleich hin. Der Untergang wird nicht bereitet von einem göttlichen Wesen, welches im Zorn Berge aufwirft und mit seiner gewaltigen Hand nach Menschenleben langt, wir selbst sind es, welche dies durch Missachtung der Ideale heraufbeschwören. Doch ich gebe dir Recht, es muss etwas geschehen, ein Ausgleich der Dissonanz, doch nicht ein Numen muss dies überzeugen, sondern die Masse. Und darum kann es immer schlimmer kommen, Furianus, so lange das Ideal nicht erreicht ist, solange der Mensch zu gering ist, um die Welt mit seinem Geiste zu durchdringen - immer darum."
    Diese Thematik gereichte womöglich kaum dazu, einen gerade erst ankommenden Reisenden damit zu behelligen, doch kam Gracchus nicht umhin dies zu tun. Sein eigenes Verhältnis zu den Numina war ein äußerst divergentes, die griechische Ansicht der göttlichen Prinzipien als Personifikation hatte er nie recht sich verinnerlichen können, obgleich auch er sich bisweilen dessen bediente, da die Kommunikation durch dies wesentlich einfacher sicher gestaltete, gleichsam wie er andererseits wenig mehr fürchtete denn die dii inferiores in Persona.
    "Indes möchte ich dies nicht hoffen, auch in Bezug auf deine Position. Deine Worte beschreiben skrupellose, unwürdige Zustände und wenn es wahrhaftig so ist, dann frage ich dich wiederum, weshalb nicht die Götter mit einem gewaltigen Tosen diese Welt von dieser Schlechtigkeit sollten befreien? Ich will nicht glauben, dass dies Bild, welches du vom Senat mit Worten zeichnest, den Tatsachen entsprechen kann. Es mag dies in der Republik so gewesen sein, als der Senat ein Korb voll Hummern war, von welchen jeder einzelne versuchte über den Rücken der anderen hinaus zu steigen, doch in der heutigen Zeit ist dies längst nicht mehr möglich. Wir sind Senatoren, Furianus, wir haben eine Verantwortung und eine Pflicht gegenüber dem Imperium, dem Kaiser und dem Volk."
    Die Ernsthaftigkeit seiner Züge ließ keinen Zweifel daran, dass Gracchus tatsächlich glaubte, was er sagte.
    "Hast du denn tatsächliche Anhaltspunkte für einen Versuch, dir dieses Amt streitig zu machen?"

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  • Auch wenn er das Gefühl hatte missverstanden worden zu sein, nickte er leicht.


    "Ja, selbst verschuldet ist unsere Situation. Retten können wir uns nur indirekt, der Götter Hand ist es, die es vollziehen muss, Manius.
    Der Mensch ändert sich nicht, Gracchus, denn sonst müsste er sich zurück entwickeln, zu den, welche das goldene Zeitalter genießen durften und so lebten, wie von den Göttern gewollt und gewünscht. Zurück zu den Wurzeln, Gracchus, doch wer möchte das schon?"


    Es musste damals wunderbar gewesen sein, als die Menschen noch von der Mutter, ihrer geliebten Erde, behütet und ernährt wurden, kein Neid, kein Leid und keine Krankheit kannte, nur stets die Götter in Ehren halten mussten. Dies war ihre Aufgabe, diese und nicht viel mehr und dennoch konnte sie der Mensch nicht bewältigen.


    "Warum sollten sie, Gracchus, wenn wir uns doch selbst davon befreien, indem solche Männer das Reich von innen heraus wahrhaftig zerfressen? Warum Todgeweihten noch helfen schneller zu verkommen?"


    Zu der letzten Frage konnte Furianus nur müde lächeln, was nicht auf die Frage bezogen war, sondern wirklich auf seinen jetzigen Zustand, der ihm Schwierigkeiten bereitete die Augen offen zu halten.


    "Es sind die üblichen Gerüchte, Gracchus, denen man selbstverständlich nicht zu viel Wahrheit zusprechen sollte, dennoch auch nicht vernachlässigen darf. In Vorsicht bin ich hier, um zu sehen, ob sich etwas bewahrheitet."


    Ein leichtes Gähnen konnte er nicht unterdrücken.


    "Entschuldige, die Reise war doch recht strapazös. Wenn du erlaubst, würde ich mich nun gerne zurückziehen."

  • Vorbei zog das goldene Zeitalter an Gracchus' Sinnen, affirmierte den vorherigen Verdacht, konnte doch nicht mehr dazu gereichen, eine weitere Reaktion zu bedingen, gleichwohl wie auch der Götter' Lethargie, sah doch Gracchus die fortwährende Defatigation seines Vetters, welcher er nicht wollte weiter Vorschub leisten, da in solcherlei Konstitution klare Gedanken ohnehin mühselig waren zu fassen.
    "Deine Diskulpation ist vollkommen unnötig, Vetter, ich bin es, welcher darum bitten muss, da ich nach solch langer Reise dich abhalte von wohlverdienter Ruhe. Es wird noch genügend Zeit bleiben, um über Politik und Philosophie zu disputieren. Womöglich wirst du bis zu den Saturnalia noch bleiben?"
    Ein tristes Fest würde diesen Jahres es werden, zu viel Verlust hatte die Familie hinnehmen müssen, und doch war Gracchus fest entschlossen, trotz allem nicht der Tradition zu entsagen, in keinem Jahr - selbst wenn im desolatesten Falle dies sollte bedeuten, dass mit Sciurus allein er am abendlichen Saturnalientisch würde Platz nehmen.

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  • Mit einer Handbewegung wischte Furianus leicht lächelnd die Worte seines Vetters hinweg.


    "Nein, Gracchus, ich habe doch selbst um dieses Gespräch ersucht, eienr Entschuldigung bedarf es nicht."


    Nach diesen Worten richtete er sich auf, um nach einigen Sekunden, die er für die Balance brauchte - schließlich schaukelte eine Schiffahrt ebenso sehr wie eine Reise mit dem Wagen über längere Zeit noch lange nach und störte den Gleichgewichtssinn - aufzustehen.


    "Ich fürchte, dass ich dich enttäuschen muss. Ich habe mir einen festen Zeitplan gesetzt und müsste wohl bis zu den Saturnalien schon abgereist sein. Es tut mir leid, ich hätte diesem Fest gerne beigewohnt, du weißt es, doch die Pflichten in Hispania kann ich nicht allzu lange vernachlässigen."

  • "Selbstverständlich"
    , pflichtete Gracchus ihm bezüglich der Verbindlichkeiten in Hispania bei.
    "Obgleich dies natürlich überaus deplorabel ist, so geht nichts der Pflicht vor. Es wird dennoch Gelegenheit zum Gespräch geben, dessen bin ich mir sicher."
    Auch Gracchus erhob sich, wünschte seinem Vetter noch ein angenehmes Ankommen und zog sich hernach in seine Gemächer zurück.

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