Ein Tag am Meer - oder: Patrizier auf Erholungs(kurz)urlaub

  • "Es ist in der heutigen Zeit sehr verlockend zu glauben, dass man etwas kaufen und damit gänzlich besitzen könnte, selbst die Seele eines Sklaven, dessen Pflicht es ist, klaglos zu dienen - aber letztendlich ist doch immer weitaus mehr entscheidend, wie man mit einem anderen Menschen umgeht, wie man ihn achtet, wie man sich selbst benimmt, um dann in den Spiegel dessen zu blicken, was man durch diese Taten reflektiert erhält. Ich habe über die Jahre hinweg die Erfahrung gemacht, dass die wenigsten reichen Menschen wirklich glücklich sind, und ich weiss nur zu gut, wie wenig es bedarf, um wahres Glück zu spüren," erwiederte ich ihr nachdenklich und lächelte schließlich etwas wehmütig. Diese Tage, Wochen in der einfachen Fischerhütte standen mir noch deutlich vor Augen, und ich fand mich immer wieder an manchen Tagen darüber grübelnd, ob ich mir mit der Rückkehr in das Leben der Patrizier ein glücklicheres Leben zurückgeholt hatte. Die harte Arbeit auf dem kleinen, nußschalenartigen Boot vermisste ich nicht, wohl aber diese Abende, an denen die Gesellschaft der kleinen Familie von damals und ein einfaches Mahl gereicht hatten, mich zufrieden zu machen. Je mehr man besaß, desto mehr schien man zu brauchen, um zufrieden zu sein, überlegte ich still und betrachtete die junge Frau auf der anderen Kline still, bis sie sich wieder in der Gewalt hatte.


    Warm und sanft lagen ihre Finger in meiner Hand, und sie schien diese von sich aus zu drücken - ein angenehmes Gefühl, das mir unsere stille Verbundenheit noch ein wenig zu versüßen imstande war. "Geschenkt wird Dir im cultus deorum nichts werden," sagte ich schließlich und musste dann doch kurz schmunzeln. "Meine Vettern Gracchus und Lucullus sind ebenfalls den Weg in den cultus deorum gegangen und beiden wurde, genausowenig wie mir, irgend etwas leichter gemacht noch geschenkt. Vor den Göttern muss ein jeder selbst beweisen, wieviel er wert ist und was er leisten kann, und die Gunst der Götter erringt man nicht allein durch eine hohe Geburt. Wenn Du beständig lernst, Dich einbringst und voller Eifer und Demut dienst, wirst Du sicherlich Erfolg haben, nicht weil Du eine Aurelia bist." Es waren klare Worte, aber sie resultierten aus meiner bisherigen Erfahrung - ich hatte sogar bisweilen das Gefühl, dass man sich als Patrizier mehr anstrengen musste als alle anderen, um gleichermaßen anerkannt zu werden, da vielen Patriziern der Ruf eines faulen Nichtsnutz mit genügend ererbtem Geld vorauszueilen schien, und dass man nie für etwas arbeiten musste. Viele der älteren Priester waren darob besonders aufmerksam, was man tatsächlich leistete - und was nicht.


    "Hast Du Dich denn schon entschieden, welcher Göttin Du dienen möchtest? Eine Ausbildung kann, wenn man sich erst einmal sicher ist, in welche Richtung man gehen will, deutlich besser verlaufen, da Du alle relevanten Dinge gleich auf die gewählte Göttin hin zugeschnitten lernen wirst," fügte ich noch an und konnte gerade noch ein deutlich hörbares Luftschnappen unterdrücken, als ihre Daumenkuppe über meinen Handrücken strich. Götter, diese Frau würde mich noch in den Wahnsinn treiben, ehe wir überhaupt berlobt waren (und ich war mir sicher, dass ich keine andere mehr haben wollte als sie). Wie sollte es mir erst ergehen, wenn wir verlobt waren und ich auf unsere erste Nacht warten musste? Ich fühlte deutlich, dass sich die feinsten Härchen auf meinem Rücken bis hin zum Nacken aufgerichtet hatten, und es bedurfte weiterer, kontrollierter Atemzüge, bis ich sie wieder klar sehen konnte, von der jäh aufgeflammten Begierde nicht deutlich überlagert. Was hatte sie gesagt? Offen reden können? Bona dea, wenn ich jetzt offen darüber sprach, wonach mir war, würde ich mir diese Ehe ziemlich verderben.
    "Es freut mich, dass Dir dieser offene Ton zusagt - ich bevorzuge es, Gedanken klar aussprechen zu können, denn allzu oft muss man sich hinter Lügen, hinter Schmeichelei verstecken. Wenn man einander zugeführt wird, sollte das nicht nötig sein."


    Ich rettete mich in ein leichtes Lächeln und atmete abermals sehr langsam und sehr tief durch. Am besten, ich fragte sie irgendwas, und beschäftigte sie damit ein wenig, damit ihr nicht auffallen würde, wie es mir gerade erging. "Was hältst Du eigentlich von den Spielen im Circus? Und Wagenrennen? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es wohl wenig zwischendrin zu geben scheint - die meisten Menschen lehnen die Spiele entweder rigoros ab oder sie sind ausgesprochen davon begeistert, ich würde meine Hypothese doch sehr gerne auch überprüfen, wenn sich die Gelegenheit schon so günstig bietet." Unschuldig wie frisch gefallener Schnee lächelte ich sie an und hoffte, man würde meinen Augen nicht ansehen können, dass sie ein Feuer in meinem Inneren nicht nur entzündet, sondern abermals hatte auflodern lassen. War das letzte Mal, das ich bei einer Frau gelegen hatte, wirklich schon so lange her? Anscheinend doch, normalerweise konnte ich mich besser beherrschen, selbst innerlich - Begierden zu verstecken war doch deutlich leichter als sie andauernd zu unterdrücken. Ob sie leicht zu entzünden sein würde ...? Ich musste es erproben, später ...

  • Seine Worte und die Ansichten die er vertrat gefielen Prisca und so hört sie ihm aufmerksam zu, auch wenn sie noch immer mit ihrer Fassung rang. Aus ihm sprach eindeutig mehr Erfahrung die er, aufgrund des Altersunterschiedes (und mochte dieser auch nicht allzu groß sein), ihr gegenüber zu besitzen schien. An was er gerade denken mochte, welche Erinnerung zeichnet sich dort auf seinem Gesicht?, versuchte Prisca sein wehmütiges Lächeln zu deuten. … wie wenig es bedarf, um wahres Glück zu spüren … wie wahr …, dachte Prisca für sich und begegnete seinem Blick. Sie verlor sich langsam in seinen Augen, versuchte darin zu lesen was ihn bewegen mochte, fand so vieles was sie zu verbinden schien und vergaß überdies ganz ihre Tränen und traurigen Gedanken wieder. ...


    … und sie begann, auf seine Frage hin, darüber nachzudenken für welche Göttin sie sich entscheiden sollte, denn eigentlich verehrte sie zwei Göttinnen sehr. Da war Iuno die Göttin der Geburt und Ehe, die zweifellos am besten in das Bild einer werdenden Ehefrau und, vielleicht irgendwann, Mutter passen würde. Aber Prisca verehrte eine ganz bestimmte Göttin noch viel mehr. " Ich würde gerne der Göttin Fortuna dienen, …", begann Prisca überzeugt zu sprechen doch dann ließ Caius´ hörbarer Atemzug sie kurz verstummen. Galt dies nur ihrer Wahl der Göttin oder eher? … Priscas neugieriger Blick fiel nach unten wo ihr Daumen eben noch auf seinem Handrücken ruhte. Sein leichtes Lächeln und ein weiterer tiefer Atemzug von ihm ließen erahnen woran es gelegen haben könnte. War ich denn so abgelenkt von meinen Gedanken? … Wenn er nur wüsste wie es mir gerade ergeht. Mein Herz pocht schon seit Stunden wie wild…, stellte Prisca für sich fest und lächelte während sie sich zwang, das Thema nicht ganz aus den Augen zu verlieren.


    " … sie fasziniert mich …", so wie du es tust …schloss Prisca direkt an ihren Worte an und hielt weiter seine Hand. " … eigentlich schon immer, denn Fortuna bestimmt unser Schicksal und schenkt uns das Glück. Dem einen können und dem anderen wollen wir uns nicht entziehen. Ihr fühle ich mich verbunden, denn schon als Kind wollte ich immer wissen, welches Schicksal die Parzen für mich bereit halten … ob ich glücklich sein werde, es darf … mein ganzes Leben … ob es mir vergönnt sein wird mein Glück zu finden .…", auch in der Liebe. Seufzend unterdrückte Prisca diese letzten Worte, sah ihm nur tief in die Augen und fuhr mit einem sanften Lächeln fort: "Bisher hat Fortuna es stets gut mit mir gemeint und dafür bin ich sehr dankbar. … Und deshalb möchte ich ihr gerne dienen, um so vielleicht den Menschen, denen das Schicksal nicht gewogen zu sein scheint zu helfen, den Glauben an die Götter nicht ganz zu verlieren. …"Viele Gedanken an ihre Familie, an den Tod ihrer Mutter und auch an Caius, schloss Prisca in diese wenigen Worte mit ein die ihre Wahl verdeutlichen sollten. Sicher war dies keine Entscheidung die man überstürzt treffen sollte, ebenso wenig wie die einer Heirat. Was den cultus deorum betraf so würde Prisca sich natürlich den Anforderungen und Aufgaben stellen, die sie dort erwarten würden. Und in einer Ehe? … Dafür genügte eigentlich schon ein einziger Blick, um sich sicher zu sein …


    Obwohl Prisca natürlich begierig darauf war zu erfahren was er zu ihrer Wahl der Göttin sagen würde, ließ sie sich von seinem unvermuteten Themenwechsel dazu hinreißen, ihre Gedanken in eine ganz andere Richtung zu lenken. Was ich von den Spielen halte? Warum frägt er mich das gerade jetzt?, dachte sie sich dabei nur kurz, nahm aber gleichzeitig ihre Hand von seiner und griff nach einer Olive um sie sogleich zu verspeisen. "Nun, ich persönlich mag die Spiele und ich liebe die Atmosphäre in den Stadien. Besonders die venationes mit ihren schönen Kulissen und die verbissen geführten Wagenrennen gefallen mir. Es mag vielleicht ein paar wenige geben, die solche Spektakel rigoros ablehnen, aber ehrlich gesagt verstehe ich diese Leute nicht. Das Volk liebt schließlich diese Spiele, oder warum sonst baut man solch imposante Arenen wie das Colosseum? Und was kümmert es mich, wenn dort das Blut verurteilter Verbrecher vergossen wird. Sie haben es in meinen Augen nicht anders verdient. ", antwortete Prisca ebenso direkt wie überzeugt und ohne lange überlegen zu müssen. In der Tat zeigt sich in ihren Augen sogar ein leichtes Funkeln der Begierde, auch wenn es ihr dabei weniger um das Blutvergießen an sich und mehr um den Gesamteindruck und die Atmosphäre bei den Spielen ging.


    Aber es bedurfte gar nicht solch großer Spektakel um das Feuer der Leidenschaft in Prisca zu entflammen. Schon ein kleiner Funken reichte aus. Und dieser war längst übergesprungen. Das fühlte Prisca deutlich, denn eine angenehme Wärme durchfloss sie jeden Moment, in dem sich ihre Blicke trafen, oder sich nur ihre Finger wie zufällig berührten. Doch noch musste Prisca dieses Feuer in ihr zügeln, es wohl behüten und durfte sich nur innerlich darin verzehren - nach ihm. Eine Qual! Und doch ein erregendes Gefühl zu wissen, dass der Tag kommen würde An dem ich endlich mit ihm"sch ...pazieren gehen? … wollen wir? Ich meine ... wollen wir nachher noch ein bisschen spazieren gehen ... am Strand? Oder worauf hättest du gerade Lust?"Herrje hab ich geträumt und das mit offenen Augen? Blinzend und stotternd fing Prisca gerade noch ihren letzten Gedanken ein und hüllte ihn in Schweigen. Was folgte war wohl eine völlig aus dem Zusammenhang gerissene Frage und ein ebenso fragender Blick zu Caius. Wie lang habe ich ihn so angestarrt? ..du meine Güte wie peinlich! Ich will gar nicht wissen, was er jetzt von mir denken mag. "Ich hab die Wirkung des Weines, nach unserem erfrischenden Bad im Meer, wohl etwas unterschätzt. …"Ein entschuldigendes Lächeln und der Griff zum Becher mit dem verdünnten Wein konnten, angesichts ihrer glühenden Wangen, wohl nur die letzte Hoffnung auf Rettung sein.

  • Fortuna ... was für eine ungewöhnliche Wahl für eine Göttin. Aber da der Fortuna-Kult in Rom selbst recht gut vertreten war, sicherlich keine unmögliche. Dennoch sagte mir ihre Wahl auch, dass ich an sie wohl einen anderen Maßstab würde anlegen müssen als an alle anderen Frauen, mit denen ich bisher zu tun gehabt hatte. Manche waren einfach strukturiert gewesen - manche wünschten sich etwas und bekamen es, oder aber man hatte mit einer empfindlichen Szene zu rechnen. Andere wünschten sich etwas, schafften es aber geschickt, einem diesen Gedanken unterzujubeln, dass man glaubte, es sei ein eigener gewesen und schließlich gab man mit Freuden etwas, das man vielleicht unter anderen Umständen eher mit rationalen Erwägungen angegangen wäre. Manche Frauen schienen mir in einem Mann gar ein probates Mittel zu sehen, sich nicht langweilen zu müssen, Geschenke zu erhalten, umschwärmt zu werden und letztendlich auch körperlich befriedigt, ohne selbst ein Mindestmaß an Interesse am Wohl desjenigen aufbringen zu müssen, der sich für sie krumm legte - aber Prisca schien mir von wohlgefälliger Aufmerksamkeit, ohne gelangweilt zu wirken (die Götter allein mochten wissen, ob sie sich gut mit mir unterhielt, ich konnte dies schließlich nur hoffen), von freundlichem Wesen und intelligenter Natur. Dass sie zudem hübsch und verlockend von Gestalt war, machte die Sache eher schwieriger als leichter.


    "In Rom wird sehr viel Wert auf den Kult der Fortuna gelegt, in sofern ist dies eine Entscheidung, die sicherlich nur zum Besten der Stadt getroffen ist," erwiederte ich nach einer fast ewig erscheinenden Weile, in der auf meiner Hand noch das Echo ihrer Berührung nachprickelte.
    "Auch wenn ich bezweifle, dass die Göttin Dir einen Blick in die Zukunft gestatten wird, dürfte sie doch eine ihrer Dienerinnen wohlwollend begleiten, und was kann man sich schon mehr wünschen als ein wenig Glück bei allen schweren und mühseligen Dingen des Alltags, zudem noch etwas Glück bei den schönen Ereignissen? Im Grunde gibt es kein besseres Argument, als das Interesse eines Mannes noch mehr entflammen zu lassen als es dies schon ist, wenn nicht die Aussicht auf eine von Fortuna gesegnete Frau an seiner Seite," dass ich hier nicht zuletzt auch von mir sprach, würde ihr wahrscheinlich schnell auffallen, und um nicht zu aufdringlich zu wirken, fügte ich schnell an:
    "Dass Du jenen beistehen möchtest, die es vielleicht schlechter getroffen haben, finde ich ein sehr ehrenwertes und unterstützenswertes Ziel, zu wenige junge Frauen heute sind bereit, über ihr eigenes Wohl hinaus zu blicken, Du könntest gewiss der ein oder anderen Patrizierin ein gutes Beispiel geben."


    Ich tröstete mich mit einigen weiteren Oliven, achtete aber peinlich genau darauf, dass sich unsere Hände nicht berührten - dass sie so viel Vergnügen an den Spielen zu finden schien, war etwas erschreckend, denn ich selbst mochte diese nicht unbedingt und sah schon einer ehelichen Zwangsgemeinschaft entgegen, in der ich mir Bücher mitnehmen musste, um nicht vor Langeweile und Überdruß über das öde Abschlachten in der Arena zu vergehen. Aber sollte ich höhere Ränge erreichen, wäre es sicher nicht schlecht, mit einer Frau gesehen zu werden, die an derlei Dingen Spaß hatte ...
    "Die Wagenrennen sind mit noch das spannendste unter all den vielfältigen Möglichkeiten der Arena," sagte ich langsam und machte mich mit dem Gedanken bekannt, dass sie eventuell eine Anhängerin halbnackter Gladiatorenkämpfe war. "Ich spiele mit dem Gedanken, mich einer factio anzuschließen, aber dies wäre nichts, was ich ohne meine Gemahlin tun wollte, letztendlich ist sie doch auch diejenige, die eine solche Leidenschaft würde ertragen müssen, und da sollte man sich zumindest über die Richtung einig sein." Bisher hatte mich noch keine der factiones übermäßig gereizt, vielleicht hatte sie auch einen Favoriten, sodass ich gar nicht in die Verlegenheit einer mühseligen Suche kommen würde.


    Ihr unvermittelt leidenschaftlicher Blick ließ mich zusammenzucken und ich war mir sicher, dass ihre Gedanken sich auch in eine Richtung verirrt hatten, die mir, seit wir uns das erste Mal berührt hatten, nicht fern gewesen war. "Spazierengehen ... ja das klingt gut," antwortete ich auf ihre Frage. Wenn wir noch lange alleine in diesem Zelt bleiben würden, wüsste ich ohnehin nicht mehr, wie ich den Gedanken entkommen sollte, die mich bei ihrem Anblick beschlichen. "Ein paar Schritte werden uns sicherlich zerstreuen." Vor allem mich!
    Damit erhob ich mich und bot ihr den Arm, damit sie sich nicht abstützen musste, wenn sie von der cline aufstand, um sie dann zum Zelteingang zu führen, hinter dem uns eine frische Meeresbrise erwartete, die so nach Salz und Luft schmeckte, dass mir das Herz schneller schlug. Jetzt mit einem Boot hinausfahren, Fische fangen ... das Caius-Selbst, das einmal ein Fischer gewesen war, existierte noch immer und es wollte vor allem in Momenten wie diesen wieder frei leben. Würde ich ihr das jemals erzählen können, ohne fürchten zu müssen, sie hielte mich für weniger als ich es war? Es war nun einmal keine Geschichte, mit der man bei einer wohlerzogenen Patrizierin hausieren ging.

  • Ja Fortuna mochte in der Tat eine etwas ungewöhnliche Wahl sein. Doch besaß die Schicksalsgöttin für Pricsa die meiste Faszination von allen Göttern. Weil die Vorstellung, in die Zukunft zu blicken oder gar das Schicksal mit bestimmen einfach so verlockend war und das, obwohl sich diesbezüglich Prisca fast keiner Illusion mehr hin gab. Schon gar nicht seit dem Besuch bei der Sibylle der - außer einer unbeschriebenen Tafel und den Tränen einer Sklavin - keinerlei Erkenntnis über das Schicksal gebracht hatte. Aber an das Schicksal einer Sklavin wollte Prisca bestimmt nicht denken, denn heute ging es schließlich um ihre eigene Zukunft. Wie würde diese wohl an der Seite des Flaviers aussehen? Werden wir beide glücklich sein? Oh, Fortuna kannst du mir nicht wenigstens einen kleinen Blick auf mein künftiges Schicksal gewähren? … Sag schon, bitte! Nur dieses eine Mal., flehte Prisca im stillen die Göttin an. Eine Antwort erhielt sie freilich nicht..


    Und so recht überlegt wollte Prisca auch gar keine Antwort darauf, denn gerade diese Ungewissheit, dieses Neue und Unbekannte schuf eine süße und prickelnde Spannung in ihr. Genau so wie die flüchtigen Berührungen ihrer Hände eine gewisse Spannung, in Form einer leichten Gänsehaut verursacht hatte, welche ihr immer noch wohlig über den Rücken lief.


    "Ich fürchte auch, dass Fortuna mir diesen Blick in die Zukunft verwehren wird, werter Caius. … Andererseits ist Glück etwas was uns allen zu Teil werden sollte. … Und wenn es mir nützt das Interesse eines Mannes für mich zu wecken, so soll Fortuna mich gerne ein bisschen mit diesem Glück segnen ", antwortete Prisca dem Flavier mit einem verheißungsvollen Lächeln, wohlwissend, dass er gerade auch von ihnen beiden gesprochen hatte.


    Caius schien eine hohe Meinung von ihr zu haben, zumindest was ihren Einsatz für die vom Schicksal Benachteiligten betraf. Vielleicht verwunderte es ihn aber auch ein wenig, wie sie andererseits die blutigen Gladiatorenspiele so sehr lieben konnte. Wie auch immer, waren diese Spiele eben zu jener Zeit eine Normalität und Prisca fand Gefallen daran. Nichts schlimmes, wobei … "Die Wagenrennen sind mir von all den Spielen auch die liebsten", … die Aurelia hierin sehr wohl dem Flavier beipflichten konnte.


    Ebenso wie Prisca wohlwollend zur Kenntnis nahm, dass der Flavier seine Frau bei bestimmten Entscheidungen durchaus mit ein binden wollte. Zu jener Zeit sicher keine Selbstverständlichkeit und ein Grund mehr, diesen Mann zu …"Lieber Caius, ich finde sehr schön, dass du bei einer solchen Entscheidung auch an deine Frau denken würdest. Denn sicher ist dies eine von vielleicht wenigen Gelegenheiten, um etwas gemeinsam zu unternehmen. Ich erinnere mich gerade an die letzte Sitzung der facito aurata, auf die ich meinen Onkel begleiten durfte . Vielleicht würde diese ja auch dir zu sagen?!", meinte Prisca, die gerne an den vergnüglichen Abend in der casa Decima zurück dachte. Sicher kannte die Aurelia vergleichsweise keine anderen factiones, doch warum sollte es nicht diejenige sein, für die sich auch ihr Onkel entschieden hatte.


    Ganz nebenbei bemerkte Prisca, dass sie in ihren Gedanken an Caius sehr viel weiter abzugleiten drohte, wie es sich für eine junge Patrizierin geziemt hätte. Ihr leidenschaftlicher Blick traf dann wohl auch genau ins Schwarze, so dass der Vorschlag mit dem Spaziergang für sie beide die rettende Zerstreuung bringen würde. Also legte Prisca ihre Hand dankend auf dem ihr angebotenen Arm und erhob sich elegant von der cline, um mit dem Flavier gemeinsam das Zelt zu verlassen.


    Die frische Meeresbrise empfing sie beide wieder und Prisca atmete tief die würziges Luft in ihren Lungen, während sie beide so dastanden und auf das Meer hinausblickten.. Erinnerungen an ihre Kindheit kamen zurück, wie sie hier barfuß am Strand entlang gelaufen war. Es war eine schöne und unbeschwerte Zeit gewesen, die Prisca sehr vermisste und die sie doch nicht zurück holen oder festhalten konnte - so wie diesen wundervollen Tag mit Caius. "mmmh, ist es nicht herrlich hier? Wenn wir doch nur etwas mehr Zeit hätten … ", seufzte sie leise vor sich hin und schloss für einen Moment die Augen, " Aber Du kommst mich doch bald schon in Rom besuchen, ja?" fügte Prisca dann leise eine Bitte an und unterstrich diesen Wunsch mit einem sehnsüchtigen Blick in Richtung des Flaviers.

  • Hektor hörte ihr zu und erzählte abermals von den positiven Dingen. Aus großen tränengetrockneten Augen sah sie den bärtigen Mann erschrocken an. Sie will heiraten? Warum denn? Mag sie nicht mehr bei uns bleiben?! Und.. Ein weiterer Gedanke fügte sich dem hinzu, der Tilla erneut traurig machte. Musst du mit ihr mitgehen? Hektor, kannst du nicht bleiben? Du kennst die Pferde im Stall am besten von allen... Ja, was beredeten die Frauen so? Keine Ahnung.. mich fragt niemand und ich werde nicht be- oder gefragt... schob sie die Frage beiseite.


    Ich dachte, du hast Severus beim Samhainfest im Garten oder auf der Saturnalienfeier gesehen. Ja.. ich finde es gut, ihm den Beutel zurückgesteckt zu haben. Er brauchte des Geld für irgendeine Buchrolle und hat mir bis heute nicht verraten, ob er Ärger wegen meinem fingerflinken Diebstahl bekommen hat. Und außerdem hat er mir trotz alledem einen Namen geschenkt... 'kleiner Irrwisch'.


    Tillas Augen funkelten verschmitzt auf, bevor sie erneut traurig dreinschaute und ihm beim Zurückfallen in den Sand zusah. Du hast völlig recht.. so ein Tag wie heute soll nimmer zu Ende gehen... Prisca und den Mann vor den Haien retten und mit dir quasseln. Spontan kuschelte sie sich mitsamt der umgelegten Decke enger an Hektor, sah den kreischenden Möwen beim Fliegen zu. Hektors ruhiger Atem verleitete Tilla dazu lustlos gegen die aufkeimende Müdigkeit zu kämpfen und entspannt neben Hektor liegend den Kampf gegen die schweren Lider zu verlieren. Aus den vielen verwirrenden Gedanken, die nach und nach einen Sinn ergaben, zusammen einen roten Faden bildeten an dem Tilla sich orientieren konnte. Es schien alles so glasklar zu sein und doch so kompliziert... Sie seufzte im Schlaf tief und stimmlos auf.

  • Dieser erschrockene Blick aus Tillas wunderschönen kindlichen Augen, als sie die Frage nach dem "warum" stellte - Ich fühlte unwillkürlich eine leichte Gänsehaut auf meinem Rücken. Ja warum? Ich warf einen kurzen Blick hinüber zu dem Zelt und sah dann wieder zu Tilla. Was sollte ich darauf antworten? Ich war selbst nicht gerade glücklich bei dem Gedanken daran mein Zuhause - sofern man die einfache Pritsche in der Sklavenunterkunft der villa Aurelia überhaupt als solches bezeichnen konnte - schon bald verlassen zu müssen. Schließlich waren mir die übrigen Sklaven und allen voran Tilla doch sehr ans Herz gewachsen.


    "Warum sie heiraten will?...", wiederholte ich tonlos die Frage und rückte dabei gedankenverloren die Decke um Tillas Schultern zurecht. "Weil sie den Flavier liebt … und er … sie", meinte ich ein wenig unsicher aber durchaus mit der Hoffnung, dass dem so wäre. Meines Wissens nach wurden reine Zweck-Ehen zumindest ohne solch romantische Ausflüge ans Meer geschlossen. Und das hier war schon ein enormer Aufwand, den der Flavier betrieben hatte um meiner Herrin zu gefallen. "… also wird die Aurelia wahrscheinlich bald zu ihm ziehen ... und ich mit ihr. ", beantwortete ich Tillas Frage nach meinem Verbleib und versuchte ein aufmunterndes Lächeln zu zeigen. "Aber das heißt ja nicht, dass wir uns nicht wieder sehenTilla. Ich denke mal, durch diesen Bund werden die beiden Familien noch näher zusammen rücken und mit ihnen auch wir Sklaven."


    Ob Tilla mit dieser Antwort meine Hoffnungen teilen könnte? Ich war mir nicht sicher, aber Tilla lenkte nun schon auf ein anderes Thema. Zuerst schüttelte ich den Kopf, da ich Severus nicht näher kannte und nickte dann zu Tillas Einsicht mit dem Geld. Über ihren Spitznamen musste ich dann schmunzeln, denn wie es schien hatte das Mädchen so einige Spitznamen und auch Geheimnisse. Zum Beispiel woher sie diese diebische Ader hatte , aber ich wollte das heute nicht näher ergründen. Nein nicht heute … "Kleiner Irrwisch … ein netter Spitzname, den werde ich mir merken.", erwiderte ich deshalb nur und stupste Tilla sanft an das Näschen.


    Der Tag war so schön und viel zu kurz, auch wenn schon so viel passiert war. Zu viel vielleicht für die junge Tilla, die sich plötzlich an mich ankuschelte und gegen die Müdigkeit ankämpfte. Kurze Zeit später war sie schon eingeschlafen und ich hielt sie einfach in meinem Arm, während ich neben ihr im Sand lag und gedankenveroren auf das Meer hinaus blickte. Trotz der Ruhe hier beschlich mich ein seltsames Gefühl. Ob nun im positiven oder negativen Sinne konnte ich nicht so recht sagen. Vielleicht lag es an den anstehenden Veränderungen oder an etwas anderem? … Mein Blick fiel unbewusst auf das Amulett, welches Tilla um ihren Hals trug und das ein wenig unter der Decke hervor lugte. Der Stein schillerte so geheimnisvoll, wie die Wogen des Meeres im Licht der tiefer stehenden Sonne. Ob das etwas zu bedeuten hatte? … vielleicht sollten wir es schon bald erfahren ...

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