"Es ist in der heutigen Zeit sehr verlockend zu glauben, dass man etwas kaufen und damit gänzlich besitzen könnte, selbst die Seele eines Sklaven, dessen Pflicht es ist, klaglos zu dienen - aber letztendlich ist doch immer weitaus mehr entscheidend, wie man mit einem anderen Menschen umgeht, wie man ihn achtet, wie man sich selbst benimmt, um dann in den Spiegel dessen zu blicken, was man durch diese Taten reflektiert erhält. Ich habe über die Jahre hinweg die Erfahrung gemacht, dass die wenigsten reichen Menschen wirklich glücklich sind, und ich weiss nur zu gut, wie wenig es bedarf, um wahres Glück zu spüren," erwiederte ich ihr nachdenklich und lächelte schließlich etwas wehmütig. Diese Tage, Wochen in der einfachen Fischerhütte standen mir noch deutlich vor Augen, und ich fand mich immer wieder an manchen Tagen darüber grübelnd, ob ich mir mit der Rückkehr in das Leben der Patrizier ein glücklicheres Leben zurückgeholt hatte. Die harte Arbeit auf dem kleinen, nußschalenartigen Boot vermisste ich nicht, wohl aber diese Abende, an denen die Gesellschaft der kleinen Familie von damals und ein einfaches Mahl gereicht hatten, mich zufrieden zu machen. Je mehr man besaß, desto mehr schien man zu brauchen, um zufrieden zu sein, überlegte ich still und betrachtete die junge Frau auf der anderen Kline still, bis sie sich wieder in der Gewalt hatte.
Warm und sanft lagen ihre Finger in meiner Hand, und sie schien diese von sich aus zu drücken - ein angenehmes Gefühl, das mir unsere stille Verbundenheit noch ein wenig zu versüßen imstande war. "Geschenkt wird Dir im cultus deorum nichts werden," sagte ich schließlich und musste dann doch kurz schmunzeln. "Meine Vettern Gracchus und Lucullus sind ebenfalls den Weg in den cultus deorum gegangen und beiden wurde, genausowenig wie mir, irgend etwas leichter gemacht noch geschenkt. Vor den Göttern muss ein jeder selbst beweisen, wieviel er wert ist und was er leisten kann, und die Gunst der Götter erringt man nicht allein durch eine hohe Geburt. Wenn Du beständig lernst, Dich einbringst und voller Eifer und Demut dienst, wirst Du sicherlich Erfolg haben, nicht weil Du eine Aurelia bist." Es waren klare Worte, aber sie resultierten aus meiner bisherigen Erfahrung - ich hatte sogar bisweilen das Gefühl, dass man sich als Patrizier mehr anstrengen musste als alle anderen, um gleichermaßen anerkannt zu werden, da vielen Patriziern der Ruf eines faulen Nichtsnutz mit genügend ererbtem Geld vorauszueilen schien, und dass man nie für etwas arbeiten musste. Viele der älteren Priester waren darob besonders aufmerksam, was man tatsächlich leistete - und was nicht.
"Hast Du Dich denn schon entschieden, welcher Göttin Du dienen möchtest? Eine Ausbildung kann, wenn man sich erst einmal sicher ist, in welche Richtung man gehen will, deutlich besser verlaufen, da Du alle relevanten Dinge gleich auf die gewählte Göttin hin zugeschnitten lernen wirst," fügte ich noch an und konnte gerade noch ein deutlich hörbares Luftschnappen unterdrücken, als ihre Daumenkuppe über meinen Handrücken strich. Götter, diese Frau würde mich noch in den Wahnsinn treiben, ehe wir überhaupt berlobt waren (und ich war mir sicher, dass ich keine andere mehr haben wollte als sie). Wie sollte es mir erst ergehen, wenn wir verlobt waren und ich auf unsere erste Nacht warten musste? Ich fühlte deutlich, dass sich die feinsten Härchen auf meinem Rücken bis hin zum Nacken aufgerichtet hatten, und es bedurfte weiterer, kontrollierter Atemzüge, bis ich sie wieder klar sehen konnte, von der jäh aufgeflammten Begierde nicht deutlich überlagert. Was hatte sie gesagt? Offen reden können? Bona dea, wenn ich jetzt offen darüber sprach, wonach mir war, würde ich mir diese Ehe ziemlich verderben.
"Es freut mich, dass Dir dieser offene Ton zusagt - ich bevorzuge es, Gedanken klar aussprechen zu können, denn allzu oft muss man sich hinter Lügen, hinter Schmeichelei verstecken. Wenn man einander zugeführt wird, sollte das nicht nötig sein."
Ich rettete mich in ein leichtes Lächeln und atmete abermals sehr langsam und sehr tief durch. Am besten, ich fragte sie irgendwas, und beschäftigte sie damit ein wenig, damit ihr nicht auffallen würde, wie es mir gerade erging. "Was hältst Du eigentlich von den Spielen im Circus? Und Wagenrennen? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es wohl wenig zwischendrin zu geben scheint - die meisten Menschen lehnen die Spiele entweder rigoros ab oder sie sind ausgesprochen davon begeistert, ich würde meine Hypothese doch sehr gerne auch überprüfen, wenn sich die Gelegenheit schon so günstig bietet." Unschuldig wie frisch gefallener Schnee lächelte ich sie an und hoffte, man würde meinen Augen nicht ansehen können, dass sie ein Feuer in meinem Inneren nicht nur entzündet, sondern abermals hatte auflodern lassen. War das letzte Mal, das ich bei einer Frau gelegen hatte, wirklich schon so lange her? Anscheinend doch, normalerweise konnte ich mich besser beherrschen, selbst innerlich - Begierden zu verstecken war doch deutlich leichter als sie andauernd zu unterdrücken. Ob sie leicht zu entzünden sein würde ...? Ich musste es erproben, später ...