balneum | Die Gedanken treiben lassen

  • Es war ein Abend - oder besser, eine späte Nacht - nach jenem Eklat, der zu so heftigen Worten zwischen mir und Aurelius Corvinus geführt hatte, zudem zu einem zerstörten Möbelstück in der kleinen Laube im Garten - und ungleich mehr sinnlosen wie schmerzvollen Gedanken. Oft genug hatte es funktioniert, dass ich mir mit Alkohol und einer geschmeidigen lupa unter meinem Leib den Schmerz aus dem Körper und dem Kopf hatte treiben können, aber in dieser Nacht war es mir nicht gelungen, die Ruhe zu finden, derer ich bedurfte. Sicher, mein Körper war nun auf angenehme Weise ermattet, aber in jenem Augenblick, in dem die dunkelhäutige Schöne unter mir vor Lust geseufzt und gestöhnt und ich selbst meine Befriedigung erhalten hatte, war alles wieder zurückgekehrt, unaufschiebbar, unvergesslich. Wahrscheinlich würde es immer so bleiben, und ein Teil von mir hatte sich mit diesem Gedanken abgefunden - der andere Teil in meinem Inneren jedoch rebellierte und weigerte sich, dieses Schicksal zu akzeptieren, das so unausweichlich schien.


    Als ich, irgendwann spätnachts, nach Alkohol und dem Duft der lupa stinkend, in die villa Flavia zurückgeschlichen war, hatte ich dem ianitor aufgetragen, er möge einen Sklaven schicken, mir ein Bad zu richten, denn so wollte ich nicht schlafen gehen, ein vager Ekel vor meinem Zustand war mir zurückgeblieben. Ekel, weil ich normalerweise auf lupae verzichtete, ich mochte sie nicht, diese kunstvoll stöhnenden Lusttäuscherinnen, und ich würde sie wohl nie wirklich mögen. Aber ab und an war die Not tiefsitzender als der Ekel, und so hatte ich mir wenigstens eine Frau ausgesucht, die meinem Geschmack entsprach und die anscheinend die Lust auch empfunden hatte, die ich versucht hatte, ihr zu bereiten. Wenigstens hatte mich so niemand gesehen, und als mir gemeldet wurde, dass mein Bad bereit sei, ging ich ohne Verzögerung in den jetzt matt hell erleuchteten Raum und schickte den Sklaven weg, der alles vorbereitet hatte. Jetzt wollte ich allein sein mit meinen fruchtlosen Gedanken, die mich ohnehin wieder überfallen würden, wenn ich in meinem cubiculum im Bett lag, und in dieser Nacht war es wohl auch besser, dass ich Bridhe zuvor genauso wie in der letzten gesagt hatte, sie möge nicht auf mich warten. Ich zweifelte nicht daran, dass sie die Gelegenheit nutzen würde, die Nacht bei ihrem Liebsten zu verbringen, selten genug verzichtete ich auf ihre Wärme zwischen meinen Laken.


    Ich glitt, nachdem ich mich entkleidet hatte, in das warme Wasser und lehnte mich sogleich an den Beckenrand, die Arme hinter den Kopf verschränkend, um dann sinnierend die Mosaiken zu betrachten, die mir immer schon gefallen hatten. Wie wäre es wohl, ein Delphin zu sein, ein Tänzer der Meere, sorglos dahin gleiten zu können, unbehelligt von allen Sorgen des Lebens, ein Gespiele und Kind der Götter, die sich an dieser Lebenslust ebenso erfreuen konnten. Wie viel lieber ließ ich die Gedanken schweifen. Zu einem Blick aus dunklen Augen, einem schmalen Körper, fast hager, und jenen lustvollen Lauten, die über ihre Lippen geglitten waren, als wir unserer Leidenschaft gefolgt waren. An manchen Stunden verfolgte mich diese Erinnerung wahrhaftig, aber es war keine schlechte Erinnerung. Sie hatte mich für wenige Stunden aus der Verzweiflung gerissen, und genossen hatten wir es beide. Was sie doch für eine Schauspielerin gewesen war, in jenem Moment, als man uns überrascht hatte - der bühnenreife Ohnmachtsanfall, all ihre verzückte Freude an den schönen Dingen, an diesem verzauberten Ort. Für einen Moment schmeckte ich sie wieder auf meinen Lippen, und ich fühlte, dass die Erinnerung an sie auch meine Lebensgeister weckte .. genüsslich seufzend ließ ich meine Gedanken an jene Nacht zurückkehren, und begann, mir selbst ein wenig Freude zu schenken ...

  • Ich wollte nur noch allein sein, wollte auch niemanden mehr um mich haben! Einfach nur die Stille und ich. An diesem Abend war es recht frisch. Deshalb zog ich es vor, mich nicht irgendwo im Garten zu verkriechen, sondern noch einmal in diesen wunderschönen Raum zu gehen, der mich immer wieder von neuem anzog. Die Mosaiken und Wandmalereien, die Fische und Delfine, Muscheln und diese seltsamen Wesen, halb Mensch halb Fisch darstellten, hatten immer wieder diese seltsame Wirkung auf mich. Wenn ich sie anschaute, gab es mir ein Gefühl der Ruhe und Geborgenheit. Wie sehr ich doch das Meer vermisste! Hier im balneum gab es ein Stück Meer, welches an den Wänden und dem Boden gebannt war. Außerdem war es schon spät. Jetzt badete bestimmt niemand mehr!
    Ganz sachte, um kein Aufsehen zu erregen, öffnete ich die Tür. Anscheinend hatten die Sklaven, die wohl vor einer Weile hier zugange waren, vergessen, das Licht zu löschen. Eswar still im balneum. Nur das tröpseln des Wassers war zu hören.
    Langsam begann ich mich auszukleiden. Gedankenverloren und die Augen zur gegenüberliegenden Seite gerichtet, schritt ich zum Beckenrand. Gerade in dem Moment, als ich ins Becken steigen wollte, richtete ich meinen Blick endlich nach unten zum Becken.
    Ich erschrak so sehr, als wolle mir das Herz stehen bleiben. Gleichzeitig stieß ich einen spitzen Schrei aus und verlor das Gleichgewicht und stürzte schließlich ins Becken, tauchte mit dem Kopf unter und nach einer Weile auch wieder auf. Ich saß nicht alleine im Wasser!

  • Phantasien waren doch etwas wunderbares. Ich nutzte meine Imagination nicht allzu oft, zumindest nicht in dieser intensiven Weise, um ein wenig Erleichterung damit zu begleiten, aber in dieser Nacht war mir die Erinnerung an Callista so stark zurückgekehrt, dass ich es in jeder nur erdenklichen Weise auskosten wollte, wenn ich sie schon nicht hier haben konnte. Während meine Hand Rhytmus und Kraft gekonnt, weil geübt, variierte, glitt mein Blick in der Erinnerung noch einmal über Callistas Leib, sah ihre Bewegungen, dieses fordernde, hungrige, leidenschaftliche Lächeln, das gleichsam einladend wie herausfordernd wirkte, und ...


    P L A T S C H !


    Ich riss die Augen auf, ließ los und war zu allererst zu Tode erschrocken. Kein Hinweis darauf, dass ich nicht allein gewesen war, ich hatte schlichtweg so sehr meinen eigenen Phantasien gefröhnt, dass ich schlichtweg nicht gemerkt hatte, dass noch jemand den Raum betreten hatte. Während die entstandene Welle über mich hinweg schwappte und außerhalb des Beckens den Boden überflutete, atmete ich japsend tief durch - und traute dann meinen Augen nicht. Es war Bridhe, und nicht nur, dass dieser Raum den Sklaven nur zustand, wenn man sie dazu rief, es war auch noch mitten in der Nacht und sie hatte wohl gedacht, es heimlich tun zu können. Sie sah mindestens so nass aus wie und und gewiss genauso erschrocken - aber angesichts der jäh abgerissenen, angenehmen Phantasie regte sich vor allem eines in mir: Wut! "Was genau machst Du hier, Bridhe?!"

  • Endlich war ich wieder zum Stehen gekommen, hustete, weil ich etwas Wasser geschluckt hatte und sah mein Gegenüber an, als sei mir eben die bean sidhe höchstpersönlich erschienen. Mein Herz raste immer noch von dem Schreck und dem darauffolgenden Sturz ins Wasser. Glücklicherweise war das Wasser wenigstens angenehm warm, doch diese Tatsache konnte mich in diesem Augenblick nicht wirklich trösten oder beruhigen.
    Was machte der hier? Diese Frage kam mir unwillkürlich in den Sinn. Es war schließlich mitten in der Nacht! Doch dann sah ich, womit er gerade beschäftigt gewesen war. Eigentlich wollte ich jetzt nicht mehr wissen, was er hier machte!
    Doch statt etwas sagen zu können, starrte ich ihn immer noch entsetzt und sprachlos an. Mir fiel so schnell auch nichts passendes ein, was ich hätte zu meiner Verteidigung vorbringen können.
    Natürlich wußte ich, daß dieser Raum für mich tabu war. Jetzt hatte er mich auch noch erwischt!


    Ich, ich ähm, wollte baden gehen stammelte ich eingeschüchtert mit rauher Stimme. Tolle Antwort Bridhe, dachte ich, aber etwas Besseres war mir nicht eingefallen und mehr hätte ich auch nicht herausgebracht. Der Schrecken und die Angst saßen mir noch immer tief in den Knochen. Am Liebesten wäre ich weggerannt. Aber das ging auch nicht. Irgendetwas schien mich hier festzuhalten. Vielleicht waren es seine, vor Wut blitzenden Augen, die ihr Übriges taten.

  • Ich hatte mich unwillkürlich aus dem Wasser erhoben, so sehr hatte sie mich erschreckt - und das offenbarte nun auch, dass mein Kopf im Verlust sämtlicher angenehmer Erregung weitaus schneller reagiert hatte als mein Körper, was wohl auch einen Teil ihres erschrockenen Blicks mit erklärte. Aber jetzt hatte sie es schon entdeckt und ich hatte keinen wirklichen Grund mehr, mich wieder zu setzen. Die Lust dazu war mir ohnehin gerade gründlich vergangen.
    "Dieser Ort ist nicht für Sklaven bestimmt, und solltest Du das vergessen haben, sei Dir eines ganz klar gesagt: Wirst Du hier drin nochmals erwischt, ohne dass Dich ein Mitglied der flavischen Familie hierher eingeladen hat, setzt es Stockhiebe, haben wir uns darin verstanden?"


    Es war der denkbar schlechteste Zeitpunkt, sie bei einer Übertretung de Hausregeln zu erwischen, und der Alkohol machte es mir auch deutlich leichter, die Wut zu zeigen, die in mir empor gekocht war ob ihres Verhaltens. Ich wollte es mir gar nicht ausmalen, wieviele Sklaven sich des Nachts hier hinein schlichen, wenn wir schliefen, und verbotenen Freuden fröhnten! Das galt es abzustellen, und ich machte mir den innerlichen Vermerk, Sciurus und Straton gleichermaßen diese Anweisung zu erteilen. "Aber wenn du schon hier bist, kannst Du mich gleich einölen," sagte ich dann etwas gemäßigter, die Lust war ohnehin so weit abgeflaut, dass es sich jetzt nicht mehr lohnte, zu meinen Gedanken zurückzukehren. Lieber wäre mir die wahre Callista gewesen, aber das lag nicht im Bereich des Möglichen. Sklaven! Nicht einmal erfreuen konnte man sich in Ruhe mehr.

  • Seine schwarfen Worte waren wie Hiebe in mein Gesicht.
    Er hatte mich so eingeschüchtert, als er die Stockhiebe erwähnte und mit gesenktem Blick sagte ich ganz leise nur Ja!
    Tropfend stand ich da und am liebsten wäre ich in mir versunken.
    Erst als er mich anwies, ihn einzuölen, kam ich endich wieder in Bewegung. Fast fluchtartig verließ ich das Becken. Ich streifte das Wasser von meinem Körper und aus den Haaren. Mittlerweile hatte ich den Blick für die schönen Darstellungenan den Wänden verloren. Es war nun, als würden die Wassernymphen zu mir nun im Hohn herunter blicken.
    Noch bevor ich mich selbst abtrocknete, griff ich nach einem Tuch und wartete damit auf ihn, bis auch er das Becken verlassen würde. Es begann mich zu frieren, doch ich versuchte, dies zu ignorieren.

  • Wenigstens das schien sie verstanden zu haben - ich hatte ja schon bei einigem befürchtet, dass sie es niemals verinnerlichen würde, und gerade Grenzen übertrat sie gerne. Sie bewegte sich flink, und ich ließ mich noch einige Momente lang im Wasser treiben, bis ich mir sicher war, allen Gestank und Geschmack von der lupa abgewaschen zu haben. Es würde wohl immer ein Fluch der Flavier sein, sich nicht mit einfachen Dingen zufrieden geben zu können, und so erging es mir auch mit den Menschen um mich herum. Die meisten langweilten mich zu schnell, und waren auch nicht fähig, mein Interesse irgendwann zu wecken.


    Als ich Bridhe dann am Beckenrand stehen sah, der schlanke Leib noch mit feinsten Wasserperlen bedeckt, kehrte eine gewisse Zufriedenheit zurück. Sie war schön, und ich ließ mir Zeit, sie zu betrachten, nackt, vom Wasser umspielt. Warum hatte ich sie das letzte Mal gehen lassen? Aber es war wohl besser so gewesen ... innerlich seufzte ich, vertrieb den kurz aufgeblitzten Gedanken und ging aus dem Becken heraus, wischte das Wasser nachlässig mit den Händen von meinem Leib und wartete darauf, dass sie mich abtrocknete. Auch jetzt noch, das stellte ich eher beiläufig fest, sah man noch einige jener Markierungen, die mir Callistas Fingernägel zugefügt hatten ... eine angenehme Erinnerung, wirklich.

  • Still und in mich gekehrt, trat ich auf ihn zu, als er das Becken verlassen hatte. Alles, was ich mir für diesen Abend gewünscht hatte, war im wahrsten Sinne des Worte ins Wasser gefallen. Ruhe und Entspannung wollte ich finden. Doch diese Situation war alles andere als entspannend!
    Vorsichtig begann ich, ihn mit dem Tuch abzutrocknen. Ich wollte mir nicht noch mehr seines Unmutes auf mich ziehen, indem ich vielleicht zu grob war. Beim Trocknen seines Rückens fielen mit auch diese Kratzer auf, die noch nicht ganz verheilt waren.
    Ich fragte mich, woher die wohl stammen mochten. Mir kam es so vor, als ob es sich dabei um Kratzspuren eines Tieres oder eines Menschen handeln mußte. Aber eigentlich war es mir auch gleich, woher sie stammten.


    Ich selbst war immer noch naß. Die Wassertropfen rannen immer noch an meinem Körper hinab und mir war mittlerweile kalt geworden. Unter normalen Umständen hätte ich mich längst abgetrocknet, um eine Erkältung zu vermeiden. Doch ich hatte nicht den Mut dazu gehabt.


    Als er endlich trocken war, wollte ich dann auch für mich das gleiche tun. Ich beeilte mich, denn anschließend sollte ich ihn noch einölen.
    Doch vorher wollte ich mich wieder anziehen.

  • Ich rieb mir selbst mit dem Tuch noch eine ganz spezielle Stelle trocken, an die ich keinen Sklaven bisher gelassen hatte, allerhöchstens zärtliche Männer- und Frauenhände während des Liebesspiels, und blieb abwartend stehen, während Bridhe sich das Wasser vom Leib trocknete. Ihre Bewegungen kündeten von einer gewissen Eile, wohl war ihr kalt gewesen, aber letztendlich sah man ihr noch kein Zittern an und die Luft speziell im balneum war durch das warme Wasser auch aufgeheizt, ich fand es jedenfalls nicht unangenehm kühl. Als sie sich jedoch nach ihrer Kleidung bückte, sagte ich nur knapp und kühl: "Nein."


    Sie sollte sich nicht ankleiden, noch nicht - diese Erleichterung sollte sie noch nicht haben, denn Kleidung bedeutete nicht nur eine gewisse Distanz, sondern auch Schutz, selbst wenn er nur ein gedachter Schutz war, und im Augenblick war mir nicht danach, ihr irgend etwas zuzugestehen, was sie sich angenehmer fühlen ließ.
    Ich ging in den Vorraum, der durch die Tür verschlossen war und glücklicherweise dieselbe Wärme in sich trug wie der Raum mit dem Badebecken, und öffnete dort das kleine Schränkchen, in dem die Öle gelagert waren, um eines mit einem etwas herberen Moschusduft herauszusuchen, das ich ihr auch gleich in die Hand drückte, mich dann abwartend hinstellte und darauf wartete, dass sie mit ihrer Arbeit beginnen würde.

  • Ich hatte bereits meine Tunika in der Hand, als er mir sein kühles Nein entgegen schleuderte.
    Erst verharrte ich einen kurzen Moment in dieser Haltung. Dann ließ ich sie wieder zu Boden gleiten und richtete mich wieder auf. Was hatte er vor? Warum verweigerte er mir die Kleidung? War dies seine Art, mich zu strafen? Oder geschah dies einfach nur zu seinem Vergnügen?
    Ich wagte es nicht, ihn anzuschauen und verzog keine Miene, wollte mir meinen Unwillen nicht anmerken lassen.
    Doch als er zum Vorraum ging, folgte ich ihm. Dort gab er mir ein Fläschchen mit Öl.
    Demonstrativ baute er sich vor mir auf und wartete , bis ich beginnen würde, ihn einzuölen.
    Vorsichtig öffnete ich das Behältnis und ein herber aber wohlriechender Duft ströhmte mir entgegen. Ich nahm einige Tropfen auf meine Hand und begann damit, seinen Rücken einzuölen, arbeitete ich mich zu seinen Armen vor und war schließlich zum Brust- und Bauchbereich vorgedrungen. Mit gleichmäßigen Bewegungen versuchte ich das Öl, in seine Haut einzuarbeiten. Dabei vermied ich es, ihm ins Gesicht zu blicken.
    Schließlich kniete ich vor ihm nieder und begann, seine Beine einzuölen. Von seiner Nacktheit ließ ich mich in keinster Weise ablenken. Dafür war ich viel zu verängstigt. Meine Gefühle, die ich gestern noch für ihn empfunden hatte, waren wie weg geblasen.
    Es war zwar kein Haß, den ich für ihn in diesem Moment empfand, eher war es Furcht vor dem, was er mir vielleicht noch antun könnte.

  • Während sie mich mit kreisenden und recht sorgfältigen Bewegungen ihrer Hände einölte, schloß ich meine Augen und schwieg. Ich gehörte nicht zu den Menschen, die viel sprechen mussten, wenn der tonsor zugegen war oder sie massiert wurden, und nach so vielen Gedanken, die in meinem Kopf noch pulsierten, war ich auch nicht unbedingt willens, viel zu sprechen. Der angenehme Geruch füllte sehr bald meine Nase, und während ich langsam ein- und ausamtete, beruhigte ich mich auch langsam wieder. Bridhe war klug genug, mich nicht anzusprechen, und das war zumeist der beste Weg, mit meinem Zorn umzugehen, wenn er denn aufflackerte. Sie tat ihr Werk gründlich, und der Geruch nach Wein, und auch der nach dieser unwichtigen, längst aus meinem Gedächtnis geschlüpften lupa wurde mit dem Moschus passend überdeckt. Als ich zu ihr blickte, war sie gerade dabei, meine Schenkel einzuölen, ebenso sorgfältig wie zuvor meinen Oberkörper - und in ihrem Gesicht war deutlich zu lesen, was sie im Augenblick empfand. Furcht.


    War es schon so weit gekommen? War das ein Blick, den ich auf Dauer sehen wollte? Als sie ihr Werk vollendet hatte, nickte ich ihr nur zu, schritt zu der Bank, auf der meine tunica lagerte, streifte sie nachlässig über und wandte mich wieder zu ihr, wie sie dort stand, nackt, in den Augen flackernde Sorge. Schließlich neigte ich mich herab und nahm ihre tunica auf, drückte sie ihr in die Hand und drehte mich zur Türe, um diese zu öffnen und hindurchzuschreiten - es war spät, ich war müde, und mit einem Mal fühlte ich mich alt, diesem Leben nicht mehr wirklich zugehörig. Was suchte ich eigentlich?

  • Fast schon zitternd stand ich da, als er mich anschaute, während er sich wieder ankleidete. Dann geschah etwas seltsames. Er kam auf mich zu, hob meine Tunika auf und gab sie mir. Vewundert und fast schon erleichtert sah ich ihm nach, als er den Raum verlies.
    Doch die Erleichterung wich schon bald dieser trübsinnigen Ohnmacht, die mich zusammen sinken ließ. Wie ein Häufchen Elend saß ich, immer noch nackt, die Tunika immer noch in Händen haltend, auf dem Boden und begann heftig zu weinen. Ich ließ alles heraus, all den Schmerz, der sich im Laufe der letzten verhängnisvollen Tage in mir angesammelt hatte. Es tat mir gut. Irgendwann war nur noch ein Wimmern zu hören. Langsam trockneten meine Tränen wieder. Ich lag immer noch auf dem Boden und langsam wurde mir kalt.
    Was sollte ich nur tun? Alles was ich noch zu besitzen geglaubt hatte, löste sich allmälig in Wohlgefallen auf. Nichts war mehr so, wie es einmal war. Alles war im Begriff sich zu verändern.
    Und dann traf ich für mich eine Entscheidung. Ich wollte nicht länger tatenlos hier sitzen und auf bessere Zeiten hoffen! Wenn sich alles um mich herum änderte, so wollte auch ich mich ändern.
    Wie war ich? Diese Frage stellte ich mir. Einst war ich frei, stolz und mutig. Das wollte ich mir wieder zurücknehmen! Und ich wollte gleich damit anfangen!
    Ich stand auf, zog mir die Tunika über und verließ das Bad.
    Auf direktem Weg lief ich zu Aquilius cubiculum.

  • Ich ging durch die Korridore der villa zurück in Richtung meines cubiculums, und ließ die zurückstürmenden Gedanken auf mich einprasseln wie einen kalten Winterregen. Jetzt fühlte ich die Müdigkeit auch in den Knochen, die letzten Nächte waren ausgesprochen kurz und ausgesprochen elend gewesen, und ich merkte sie in meinem Inneren deutlich. Zuviel wein, zuviele Gedanken, zuviel Schmerz. Manchmal kam es mir vor, als wollte es alles einfach nicht enden. Die wenigen Dinge, die mir wirklich Freude bereiteten, konnte ich an einer Hand abzählen, und die wenigen Menschen, die es taten, auch. Vielleicht hätte ich doch in jener Fischerhütte bleiben sollen, mit der Illusion eines einfachen Lebens um mich herum, mit einer Frau, die mich liebte und meinem Sohn. Meinem Sohn.


    Ich würde ihn besuchen gehen, in den nächsten Tagen, und auch nach seiner Mutter sehen. Letztlich war er mein Kind, und ich hatte eine Pflicht diesem Sproß meiner Lenden gegenüber - und war seine Mutter zufrieden, dann würde es mein Sohn auch sein, so klein wie er noch war. Etwas beruhigter bog ich in meinen Schlafraum ein und trat an den Schriftrollenhalter rechts neben der Tür, um mir die passende Lektüre herauszusuchen, schlafen konnte ich jetzt ja doch noch nicht - es war ein Kompendium der Gedichte Catulls, das mir in die Hände gefallen war, und ich wertete es als ein gutes Omen für den nächsten Tag. Catulls beißender Witz hatte mich oft genug abgelenkt, es würde auch diesmal gelingen.


    Furi, villula vostra non ad Austri
    flatus opposita est neque ad avoni
    nec saevi Borae aut Apheliotae
    verum ad milia quindecim et ducentos.
    o ventum horribilem atque pestilentem!
    *


    Ich konnte nicht anders, für einen Moment musste ich, im Bett sitzend, das Laken um mich drapiert, die Lampe entzündet und flackernde Schatten- und Lichtreflexe im Raum werfend, bei diesen Worten schmunzeln.


    [SIZE=7]*Furius, euer Landhäuschen ist unbelästigt vom Wehen des Süd- und des Westwinds, des grimmigen Nord- und Ostwinds. Aber es ist mit fünfzhentausendzweihundert belastet. O schrecklicher und verderblicher Wind! (Catull, Carmina, 26)[/SIZE]

  • Mit einem leichten Übermantel angetan, locker mit einer Kordel gegürtet, und einem Badetuch um meine Hüften schlendere ich leicht und luftig pfeifend die Gänge in der schlafenden Villa entlang. Irgendwo schlief jemand nicht, denn leise Schritte entfernen sich im Labyrinth. Nein, heulte will Theseus nicht den Minotaurus erlegen.


    Es ist spät geworden, lange gelesen und irgendwie völlig aufgedreht hoffe ich, ein nettes heißes Bad könne mir helfen, denn seit meinem ersten Besuch im balneum bin noch einige weitere Male dort sanft eingeschlafen. Wasser ist halt mein El ...


    Ey! Achtung Gegenverkehr!


    Bridhe kracht unter eindeutiger Übertretung der innerflavischen Hausgeschwindigkeit und auf der falschen Flur-Spur-Seite in mich hinein.


    Dringender alvus*), wie? Haste Sehnsucht nach dem Haus- und Hofneffen Flavius Lucanus oder biste auf der Flucht vor dringender Arbeit? Jetzt?


    :D


    Ich zupfe an meinem Bademäntelchen, das durch den Zusammenprall verrutscht ist und ordne meine Frisur mit meinem Fingerkamm.


    Is' das Bad noch heiß?


    Wenn nicht, hätte ich gleich jemanden parat, der da mal mit einheizen könnte.



    [SIZE=7]*) alvus, i: Stuhlgang, Durchfall o. ä.[/SIZE]

  • Ich ging, nein lich lief den Gang entlang, meiner Absicht entgegen und... krachte völlig überrascht mit Luca zusammen, der, weiß der Himmel warum, auch noch wach war und zu dieser vorangeschrittenen Stund noch ein Bad nehmen wollte. Irgendwie sind die hier alle nicht mehr zu retten!, dachte ich so bei mir.
    He, was hab ich?
    Ich war in nicht besonders guter Stimmung! Zu allem war ich entschlossen, außer auf die nett gemeinten Witze von Luca zu reagieren.


    Das Bad ist noch warm! Aber
    an deiner Stelle würde ich da nicht mehr hineingehen! Wollte ich eigentlich noch hinzufügen. Doch im eiligen Schritt wollte ich schon weitergehen, blieb dann aber doch noch stehen und antwortete ihm im ruhigen und freundlichen Ton.


    Hör zu, ich muß noch was wichtiges erledigen und dann komme ich zu dir! Geh doch einfach schon mal vor!


    Ohne seine Antwort abzuwarten, ging ich weiter und erreichte schließlich die Tür. Ich klopfte an, doch wartete ich keine Antwort ab, sondern betrat einfach das Zimmer.

  • 'Langsam dreht die aber durch' denke ich mir. Pffft. Weibsleute. 'Severus sollte sie mal über's Knie legen, dann kommt die schon wieder auf die richtige Drehzahl.' Die Lust auf ein warmes Bad ist mir ziemlich vergangen, wahrscheinlich schon benutzt.


    Mit meinen nackten Füßen patsche ich wieder in Richtung meines Schlafzimmers. Ein verstohlenes Gähnen drängt sich an die Oberfläche.

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